Aus der Wörtersammlung: holz

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nachtzeppelin

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echo : 2.18 — Ein Zep­pel­in­kä­fer, selt­sa­mes Wesen, schweb­te kurz nach 1 Uhr heu­te Nacht eine schnur­ge­ra­de, eine unsicht­ba­re Linie über den höl­zer­nen Fuß­bo­den mei­nes Arbeits­zim­mers ent­lang, wur­de in der Mit­te des Zim­mers von einer Luft­strö­mung erfasst, etwas ange­ho­ben, dann wie­der zurück­ge­wor­fen, ohne aller­dings mit dem Boden in Berüh­rung zu kom­men. — Ein merk­wür­di­ger Auf­tritt. – Und die­ser groß­ar­ti­ge Bal­lon von opa­k­em Weiß! Ein Licht, das kaum noch merk­lich fla­cker­te, als ob eine offe­ne Flam­me in ihm bren­nen wür­de. Ich habe mich zunächst gefürch­tet, dann aber vor­sich­tig auf Knien genä­hert, um den Käfer von allen Sei­ten her auf das Genau­es­te zu betrach­ten. — Fol­gen­des ist nun zu sagen. Sobald man einen Zep­pel­in­kä­fer von unten her besich­tigt, wird man sofort erken­nen, dass es sich bei einem Wesen die­ser Gat­tung eigent­lich um eine fili­gra­ne, flü­gel­lo­se Käfer­ge­stalt han­delt, um eine zer­brech­li­che Per­sön­lich­keit gera­de­zu, nicht grö­ßer als ein Streich­holz­kopf, aber schlan­ker, mit acht recht lan­gen Ruder­bei­nen, gestreift, schwarz und weiß gestreift in der Art der Zebra­pfer­de. Fünf Augen in grau­blau­er Far­be, davon drei auf dem Bauch, also gegen den Erd­bo­den gerich­tet. Als ich bis auf eine Nasen­län­ge Ent­fer­nung an den Käfer her­an­ge­kom­men war, habe ich einen leich­ten Duft von Schwe­fel wahr­ge­nom­men, auch, dass der Käfer flüch­tet, sobald man ihn mit einem Fin­ger berüh­ren möch­te. Ein Wesen ohne Laut. – Guten Mor­gen! Heu­te ist Sams­tag. Leich­ter Regen viel­leicht. — stop

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yanuk : fröhliche weihnachten

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del­ta

~ : yanuk le to : louis
sub­ject : FRÖHLICHE WEIHNACHTEN
date : dez 23 08 6.55 a.m.

In die­sen Minu­ten, Mr. Lou­is, will ich sehr lei­se und behut­sam von einer auf­re­gen­den Beob­ach­tung berich­ten. Du musst wis­sen, heu­te Mor­gen, als ich auf Höhe 385 schlaf­trun­ken mein Zelt ver­ließ, hat­te ich sofort bemerkt, dass wäh­rend der Nacht irgend­et­was gesche­hen sein muss­te, etwas Selt­sa­mes, etwas, das mei­ne klei­nen Affen­freun­de beun­ru­hig­te. Sie lagen nicht, wie üblich, vor sich hin däm­mernd lose auf dem höl­zer­nen Boden her­um, son­dern dicht anein­an­der gedrängt und beb­ten, als wür­den sie frie­ren. Alle sahen sie mit ihren zitro­nen­gel­ben Augen in ein und die­sel­be Rich­tung, starr­ten zum Stamm eines benach­bar­ten Bau­mes hin, ein Bün­del furcht­sa­mer oder viel­leicht stau­nen­der Bli­cke, das den schma­len, voll­kom­men unbe­klei­de­ten Kör­per eines Mäd­chens betas­te­te, der nur weni­ge Meter von uns ent­fernt über der Tie­fe hing. Ich hat­te natür­lich zunächst den Gedan­ken, dass das vor mir bau­meln­de Mäd­chen nur eine Erschei­nung gewe­sen war, viel­leicht ein Traum oder die Spur eines Trau­mes, die in einen wirk­li­chen Tag hin­über­reich­te. Beun­ru­higt wie mei­ne Freun­de, begann ich des­halb zunächst mit einer Kur­bel Strom für mei­ne Schreib­ma­schi­ne zu erzeu­gen. Eine kon­tem­pla­ti­ve Bewe­gung, eine, die ich auch im Schlaf ver­rich­ten könn­te. Wäh­rend ich so arbei­te­te, hör­te ich bald ein mensch­li­ches Lachen. Ja, Sie lesen ganz rich­tig, Mr. Lou­is, das Mäd­chen lach­te, ein fei­nes, hel­les Lachen war zu hören, und die Affen fauch­ten und wur­den so flach, als woll­ten sie spur­los ver­schwin­den im war­men Holz oder sonst wohin, ganz unsicht­bar wer­den. Wie sich doch alle ver­trau­ten Geräu­sche ver­än­dern, sobald uner­war­te­te Din­ge gesche­hen. Ich hör­te mei­ne eige­ne Stim­me, wie sie sag­te, das ist unglaub­lich, das ist ganz unglaub­lich, und ich hör­te auf zu kur­beln und sah dem Mäd­chen in die Augen, und sofort klapp­te sie ihre Augen zu. Ich glau­be, sie schläft jetzt, wäh­rend ich die­se Sät­ze so behut­sam schrei­be, wie ich nur kann, um das Mäd­chen nicht zu wecken. Ja, stel­len Sie sich vor, Mr. Lou­is, sie scheint tat­säch­lich tief und fest zu schla­fen, wäh­rend sie den Ast, der sie trägt, mit ihrer lin­ken Hand umfasst. Die rech­te Hand liegt flach auf ihrem Bauch, einem mus­ku­lö­sen Bauch von hel­lem Schein, opak, als wür­de ein Teil des Son­nen­lichts sich im Kör­per des Mäd­chens ver­fan­gen und wei­ter leuch­ten, von innen her­aus wei­ter leuch­ten. Wenn sie nur nicht los­las­sen wird in die­ser Höhe! Kein Haar auf dem Kör­per des Mäd­chens zu sehen. Das ist natür­lich selt­sam und ich weiß noch nicht genau, war­um das so ist. Ich will Dir, Mr. Lou­is, an die­ser Stel­le mei­ne herz­li­chen Weih­nachts­grü­ße über­mit­teln aus mei­nen tro­pi­schen Räu­men. Und so mache ich das jetzt, ehe ich einen ers­ten Ver­such unter­neh­men wer­de, mit dem Mäd­chen ein Gespräch zu füh­ren. Viel­leicht wer­de ich ihr mei­ne Blü­ten­zeich­nun­gen zei­gen, die ich wäh­rend der ver­gan­ge­nen Tage sam­mel­te. Fröh­li­che Weih­nach­ten! Cucur­ru­cu – Yanuk

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yanuk to louis »

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coltrane! coltrane!

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echo : 8.27 — Das war­me Licht, das im Holz der Kon­tra­bäs­se brennt, ein Glü­hen, in das ich ver­narrt bin, soweit ich zurück­den­ken kann? Die Schu­he eines uralten Bas­sis­ten, wie sie vor dem klei­nen Jun­gen sehr fest auf dem Boden einer Kel­ler­büh­ne ste­hen, wäh­rend die Welt drum­her­um auf­ge­wühlt ist, schwar­ze, spie­gel­blan­ke Schu­he, und irgend­wo weit oben am Schne­cken­turm, dunk­le Hän­de, die wie Ech­sen über Holz und kup­fer­ne Sei­le sprin­gen. — Mein selt­sam füh­len­der Bauch. — Wun­der­te mich, dass sie mit­ein­an­der spre­chen, wäh­rend sie spie­len, lachen, spa­ßen, sich befeu­ern und beim Namen nen­nen. Höre ich nicht gera­de noch The­lo­ni­us Sphe­re Mon­ks Stim­me wie er im Jah­re 1957: Col­tra­ne! Col­tra­ne ruft?  — stop

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istanbul

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nord­pol : 2.55 — Beob­ach­te­te nach­mit­tags auf mei­nem Fern­seh­bild­schirm einen Blitz, der einen Abend zuvor von einer Han­dy­ka­me­ra auf­ge­nom­men wor­den war. Die­ser Blitz ereig­ne­te sich in Istan­bul zu einem Zeit­punkt, als ich gera­de über­leg­te, ob ich in einem Buch lesen soll­te oder bes­ser noch etwas notie­ren über die Kirsch­holzwan­gen einer japa­ni­schen Frau, die ich gera­de erfin­de. Aber mein Kopf war in der feucht­war­men Luft doch sehr lang­sam gewor­den, also stell­te ich mich für zwei Minu­ten unter kal­tes Was­ser und als ich zurück­kam und mein Fern­seh­ge­rät ein­schal­te­te, konn­te ich sehen, was der Blitz, den ich erst einen Tag spä­ter mit eige­nen Augen sehen wür­de, ange­rich­tet hat­te. Men­schen lagen bewe­gungs­los auf einer Stra­ße her­um und ande­re Men­schen, die sich beweg­ten, ver­such­ten jene Men­schen, die lagen und sich nicht mehr beweg­ten, zu über­re­den, es ihnen gleich­zu­tun, also zu atmen und wei­ter­zu­le­ben, als sei der Blitz nie gesche­hen. Da war das Geräusch von Ambu­lan­zen, ein jau­len­der Ton, von dem ich häu­fig träu­me, und da war die Stim­me einer ame­ri­ka­ni­schen Frau, die die Explo­si­on zwei­er Bom­ben mel­de­te, einer klei­ne­ren, locken­den Bom­be und einer grö­ße­ren, mor­den­den Bom­be. Als ich ges­tern Nach­mit­tag dann auf mei­nem Fern­seh­bild­schirm jenen Blitz beob­ach­te­te, der so vie­le Men­schen töte­te, dass zwei Hän­de nicht aus­rei­chen, sie mit den Fin­gern zu zäh­len, habe ich über­legt, ob ich nicht bald ein­mal wagen soll­te, einen Atten­tä­ter zu erfin­den, also mich in einen Atten­tä­ter zu ver­wan­deln auf dem Papier, mich hin­ein­zu­ver­set­zen in eine Figur, die Bom­ben legt, um Men­schen zu töten. Ist es mög­lich, fra­ge ich, mich in einen Atten­tä­ter so lan­ge hin­ein­zu­den­ken, wie ich mich in eine japa­ni­sche Frau hin­ein­den­ke, eine japa­ni­sche Frau mit einem kirsch­höl­zer­nen Gesicht, ohne Scha­den zu neh­men? — stopping

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wasseruhr

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marim­ba : 0.01 — Träum­te, mit einem Stück Holz unter Kraft­an­wen­dung einen Käfer getö­tet zu haben, der ein Schne­cken­haus auf dem Rücken trug, das der Käfer bewohn­te, wie Ein­sied­ler­kreb­se Muschel­häu­ser bewoh­nen. Wie ein Beses­se­ner durch und durch schlug ich auf den gepan­zer­ten Rücken des klei­nen Tie­res ein. Kurz dar­auf sit­ze ich vor dem Schreib­tisch mit Werk­zeu­gen der Uhr­ma­cher und ver­su­che das Tier zu repa­rie­ren, wäh­rend das Was­ser in mei­nem Zim­mer steigt. – Acht Uhr zwölf in Ran­gun, Bur­ma. — stop

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propellerfliege

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1.02 – Heu­te Nacht ist etwas Selt­sa­mes gesche­hen. Ich habe einer Flie­ge beim Flie­gen zuge­hört. Viel­leicht könn­te ich sagen, dass Flie­gen­tie­re Pro­pel­ler­flug­zeu­gen in ihrer akus­ti­schen Erschei­nung ähn­lich sind. Sie sind bereits zu hören, wenn sie noch zu weit ent­fernt sind, um sie mit den Augen wahr­neh­men zu kön­nen. Das Geräusch einer flie­gen­den Flie­ge lässt mich an feuch­tes Holz den­ken und an geöl­te Zahn­rä­der und an Schrau­ben, die aus Elfen­bein gemacht sind. Wie ist die­se leben­de Flie­ge in mei­nem Win­ter­zim­mer mög­lich gewe­sen? — stop
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déjà-vu

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15.08 — In der schwan­ken­den Stra­ßen­bahn höre ich, wie sie mit bren­nen­den Augen nach Wor­ten suchen für das schep­pern­de Licht des Magne­si­ums, für das Fau­chen der ben­ga­li­schen Feu­er, die sie in Hän­den gehal­ten haben. Da ist eine Nacht­se­kun­de, die Sekun­de, in der sie das rote, das ver­bo­te­ne Stäb­chen ent­zün­det und gera­de noch eben recht­zei­tig von sich gewor­fen haben, da ist das Heu­len der chi­ne­si­schen Pul­ver­pfei­fen, da sind Fun­ken­re­gen, da sind blau­graue Wölk­chen, die sich auf klei­ne Zun­gen nie­der­le­gen. Nicht die Feu­er­blu­men des Him­mels, das Spek­ta­kel der nächs­ten Nähe ent­fes­selt die Erin­ne­rung von Stun­de zu Stun­de. Zünd­höl­zer, ver­bor­gen in Hosen­ta­schen, sind zurück­ge­blie­ben, auch die­ses Schwe­fel­holz, eine heim­li­che Geschich­te. — stop

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hemingway

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7.05 — Unter einem Ahorn­baum eine Hüt­te. Räu­me, so nied­rig, dass ich mich, als ich ein­tre­ten will, bücken muss. Ein Tisch, auf dem ein Glas Milch steht, das dampft. Eine Kat­ze schläft auf dem Tisch neben einer Grup­pe scharf ange­spitz­ter Blei­stif­te von gel­bem Holz. Ernest Heming­way, kaum höher als 150 cm, betritt den Raum. Er setzt sich an den Tisch und beginnt mit einem der Blei­stif­te in die Luft zu schrei­ben: Das merk­wür­di­ge Leuch­ten, das die Son­ne jetzt, da sie höher steht, im Was­ser her­vor­ruft, und auch die For­men der Wol­ken über dem Fest­land bedeu­ten gutes Wet­ter. Aber der Vogel ist jetzt nahe­zu außer Sicht und nichts zeigt sich auf der Ober­flä­che des Was­sers außer eini­ge Stel­len von gel­bem, son­nen­ge­bleich­tem Sara­gos­sa­tang und der vio­lett schil­lern­den, gal­lert­ar­ti­ge Bla­se einer Por­tu­gie­si­schen Galee­re, die dicht neben dem Boot treibt. Sie legt sich auf die Sei­te und rich­te­t sich auf. Sie treibt mun­ter, wie eine Luft­bla­se dahin, mit ihren gefähr­li­chen Nes­sel­fä­den, die bei­na­he einen Meter weit hin­ter ihr durchs Was­ser zie­hen. — Leich­ter Regen. — stop

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holzmund

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20.05 — In einem Tram­bahn­wa­gon saßen Men­schen im Glüh­bir­nen­licht, Per­so­nen, die ihre Gesich­ter abneh­men und aus­tau­schen konn­ten, so wie es ihnen gera­de Freu­de mach­te. Eine jun­ge Per­son über­reich­te mir ein Stück war­mer Haut, mit dem sie mich kurz zuvor noch ange­lä­chelt hat­te. Da waren jetzt Wan­gen von leicht rosa­far­be­nem und eine Stirn von dunk­lem Holz, und da waren Augen, die wei­ter­hin lach­ten, und ein sehr schö­ner Mund, und auch die­ser Mund war ein höl­zer­ner Mund. — stop

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