Aus der Wörtersammlung: bruchteil

///

malcolm lowry

2

echo : 2.28 — Am 15. Janu­ar des Jah­res 2008, es war gegen 3 Uhr in der Nacht, erin­ner­te ich mich an eine Geschich­te, die von Mal­colm Lowry erzählt, genau genom­men von sei­ner Art und Wei­se zu schrei­ben, nach­drück­li­cher noch von der Metho­de zu ver­lie­ren, was gera­de eben noch notiert wor­den war. Mal­colm, so der Erzäh­ler der Geschich­te, soll Gedan­ken auf jedes Stück Papier geschrie­ben haben, das in sei­ne Reich­wei­te gekom­men war, auf Rech­nun­gen, Spei­se­kar­ten, Bil­lets bei­spiels­wei­se, sofern er in einem Café oder in einer Bar Platz genom­men hat­te, um solan­ge notie­rend zu arbei­ten, bis er aus­rei­chend betrun­ken gewor­den war damit auf­zu­hö­ren. Wie vie­le Wör­ter und Sät­ze sind wohl vom Wind in Wüs­ten oder auf Mee­re hin­aus getra­gen wor­den, wie vie­le Bücher haben sich in Luft auf­ge­löst? Ich stel­le mir immer wie­der lei­den­schaft­lich ger­ne vor, wie Mal­colm Lowry in unse­rer Zeit sei­ne Zei­chen­ket­ten für die Welt abge­legt haben könn­te. Sagen wir so: Lowry arbei­tet nie wie­der mit einem Blei­stift. Er notiert sei­ne Gedan­ken in eine feder­leich­te, elek­tri­sche Maschi­ne, die am Gür­tel sei­ner Hose fest ver­an­kert wird. Sorg­fäl­tig von sei­ner Ehe­frau Mar­ge­rie Bon­ner pro­gram­miert, ver­bin­det Mal­colms per­sön­li­ches Notier­ge­rät unver­züg­lich Tas­ta­tur mit digi­ta­ler Sphä­re, sobald sich der Autor, gleich wel­cher geis­ti­gen Ver­fas­sung, mit der einen oder der ande­ren Hand nähert. Nun schreibt der Autor. Er arbei­tet, viel­leicht ste­hend, viel­leicht sit­zend, viel­leicht lie­gend. Und wäh­rend er so arbei­tet, wird Zei­chen für Zei­chen unver­züg­lich an einen gehei­men Ort der Spei­che­rung gesen­det. Dort, drop­zo­ne, könn­te man sit­zen und war­ten und betrach­ten, wie der Text, um den Bruch­teil einer Atom­se­kun­de in der Zeit ver­rückt, voll­zo­gen wird. — Nacht­flug­kä­fer sind in der Luft. — stop

zebra

///

siatista mittags jahre später

2

echo : 5.08 — Vor Jah­ren ein­mal wur­de mir erzählt, ein sehr alter Mann habe sich aus Ver­zweif­lung über die poli­ti­sche Lage sei­nes Lan­des, ande­re mein­ten, weil er im hohen Alter noch hun­gern muss­te, an einem wun­der­schö­nen Mai­tag auf dem Markt­platz der male­ri­schen Stadt Sia­tis­ta, dem­zu­fol­ge in einer nörd­li­chen Pro­vinz Grie­chen­lands, erschos­sen. Er habe ein Sturm­ge­wehr für sei­nen letz­ten Schuss ver­wen­det, eine Waf­fe, die seit dem Jah­re 1944 im Kel­ler sei­nes Eltern­hau­ses in Ölpa­pier gewi­ckelt lager­te. Bei­na­he wäre das Gewehr, einst Stolz des jun­gen Man­nes im Kampf gegen deut­sche Faschis­ten, für immer in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Im Detail war damals zu erfah­ren gewe­sen, die Kugel habe zunächst den Unter­kie­fer des alten Man­nes durch­schla­gen, sei von dort aus in das Gehirn vor­ge­drun­gen und habe den Kopf über das lin­ke Auge hin wie­der ver­las­sen. Bruch­tei­le einer Sekun­de spä­ter soll das Pro­jek­til eine Flie­ge getö­tet haben, die sich kurz zuvor auf den Weg süd­west­wärts gemacht hat­te, um sich zuletzt in den Ast eines Salz­bau­mes zu boh­ren. — Ist das nun eine Geschich­te oder eine Nach­richt? Ich habe noch immer kei­ne Ant­wort auf die­se Fra­ge. — stop

ping

///

vom fangen

2

sier­ra : 6.52 — Eine merk­wür­di­ge Web­site exis­tiert im Inter­net, man kann dort näm­lich Wör­ter oder Sät­ze in eine Mas­ke trans­fe­rie­ren, nur um Sekun­den­bruch­tei­le spä­ter ange­zeigt zu bekom­men, wie vie­le Norm­sei­ten die­se oder jene ein­ge­ge­be­ne Zei­chen­fol­ge in der papie­re­nen Welt bede­cken wür­de. Ich stell­te mir vor, wie Tex­te in genau dem Moment, da sie von einer Autorin oder einem Autor in die vor­ge­ge­be­ne Mas­ke geschüt­tet wer­den, mit­tels einer Daten­bank fest­ge­hal­ten sind, frag­los, heim­lich, laut­los, um sie even­tu­ell einer wei­te­ren Ver­wen­dung zuzu­füh­ren, Gedan­ken, unge­wöhn­li­che For­mu­lie­run­gen, Ein­sich­ten, Erzäh­lun­gen, Roma­ne, Gedich­te. Es könn­te sich dem­zu­fol­ge um eine Web­sei­te han­deln, die sich in der Art und Wei­se der Ansitz­jä­ger ver­hält. Wir soll­ten das beob­ach­ten. — stop
ping

///

geister

2

india : 0.58 — Das töd­li­che Elend kommt nicht in Sekun­den­bruch­tei­len auf arme Men­schen nie­der, als eine Wel­le lang­sam und kon­ti­nu­ier­lich anstei­gen­der Prei­se für Zucker, Mais, für Was­ser kommts daher. Wer sind die­se Per­so­nen, die mit Getrei­de spe­ku­lie­ren? Könn­te man nicht einen Namen fin­den? Ein Gesicht? Ein mensch­li­ches Wesen, Nase, Augen, Ohren, das man befra­gen könn­te: War­um tun Sie das? — stop

ping

///

raymond carver goes to hasbrouck heights / 2

pic

zou­lou : 3.55 — Ich kann nicht mit Sicher­heit sagen, war­um ich mich ges­tern, wäh­rend ich einen Bericht über Unter­su­chun­gen der CIA-Fol­ter­prak­ti­ken durch Ermitt­ler des US-Senats stu­dier­te, an eine klei­ne Stadt erin­ner­te, die ich vor weni­gen Jah­ren ein­mal von Man­hat­tan aus besuch­te. Ich las von Schlaf­ent­zug, von Water­boar­ding, von sehr klei­nen, dunk­len Kis­ten, in wel­che man Men­schen tage­lang sperr­te, von Lärm, von rus­si­schem Rou­lette und plötz­lich also erin­ner­te ich mich an Ole­an­der­bäu­me, die ich gese­hen hat­te in Has­b­rouck Heights an einem son­ni­gen Tag im Mai, an ihren Duft, an einen glück­li­chen Abend am Strand von Coney Island, an ein Jazz­kon­zert nahe der Strand­pro­me­na­de. Ich notier­te damals: Es ist die Welt des Ray­mond Car­ver, die ich betre­te, als ich mit dem Bus die Stadt ver­las­se, west­wärts, durch den Lin­coln­tun­nel nach New Jer­sey. Der Blick auf den von Stei­nen bewach­se­nen Mus­kel Man­hat­tans, zum Grei­fen nah an die­sem Mor­gen küh­ler Luft. Dunst flim­mert in den Stra­ßen, deren Fluch­ten sich für Sekun­den­bruch­tei­le öff­nen, bald sind wir ins Gebiet nied­ri­ger Häu­ser vor­ge­drun­gen, Eis­zap­fen von Plas­tik fun­keln im Licht der Son­ne unter Regen­rin­nen. Der Bus­fah­rer, ein älte­rer Herr, begrüßt jeden zustei­gen­den Gast per­sön­lich, man kennt sich hier, man ist schwarz oder weiß oder gelb oder braun, man ist auf dem Weg nach Has­b­rouck Heights, eine hal­be Stun­de Zeit, des­halb liest man in der Zei­tung, schläft oder schaut auf die Land­schaft, auf ros­ti­ge Brü­cken­rie­sen, die flach über die sump­fi­ge Gegend füh­ren. Und schon sind wir ange­kom­men, ein lie­be­voll gepfleg­ter Ort, der sich an eine stei­le Höhe lehnt, ein­stö­cki­ge Häu­ser in allen mög­li­chen Far­ben, groß­zü­gi­ge Gär­ten, Hecken, Büsche, Bäu­me sind auf den Zen­ti­me­ter genau nach Wün­schen ihrer Besit­zer zuge­schnit­ten. Nur sel­ten ist ein Mensch zu sehen, in dem ich hier schlen­de­re von Stra­ße zu Stra­ße, wer­de dann freund­lichst gegrüßt, how are you doing, ich spü­re die Bli­cke, die mir fol­gen, Bäu­me, Blu­men, Grä­ser schau­en mich an, das Feu­er der Aza­leen, Eich­hörn­chen stür­men über sanft geneig­te Dächer: Habt ihr ihn schon gese­hen, die­sen frem­den Mann mit sei­ner Pola­roid­ka­me­ra, die­sen Mann ohne Arme! Gleich wird er ein Bild von uns neh­men, wird klin­geln, wird sagen: Guten Tag! Ich habe Sie gera­de foto­gra­fiert. Wol­len Sie sich betrach­ten? — stop

ping

///

gedankengang

ping
ping
ping

echo : 3.18 — Ich gehe ein paar Schrit­te nach links, dann gehe ich ein paar Schrit­te nach rechts. Sobald ich gehe, den­ke ich in einer ande­ren Art und Wei­se, als wür­de ich noch sit­zen. Ich habe schon viel nach­ge­dacht wäh­rend ich ging. Und ich habe schon viel ver­ges­sen wäh­rend ich ging. Wenn ich gehe, kom­men die Gedan­ken aus der Luft und ver­schwin­den wie­der in die Luft. Wenn ich sit­ze, kom­men die Gedan­ken aus mei­nen Hän­den. Sobald ich ein­mal nicht schrei­be, ruhen mei­ne Hän­de auf den Tas­ten der Schreib­ma­schi­ne und war­ten. Sie war­ten dar­auf, dass eine Stim­me in mei­nem Kopf dik­tiert, was zu schrei­ben ist. Ich könn­te viel­leicht sagen, dass mei­ne Hän­de dar­auf war­ten, mein Gedächt­nis zu ent­las­ten. Was ich mit mei­nen Hän­den in die Tas­ta­tur der Maschi­ne schrei­be, habe ich gedacht, aber ich habe, was ich schrieb nicht gelernt, nicht gespei­chert, weil ich weiß, dass ich wie­der­kom­men und lesen könn­te, was ich notier­te. Selt­sa­me Din­ge. Ich den­ke manch­mal selt­sa­me Din­ge zum zwei­ten oder drit­ten Mal. Gera­de eben habe ich wahr­ge­nom­men, dass es nicht mög­lich ist, zwei Zei­chen zur sel­ben Zeit auf mei­ner Schreib­ma­schi­ne zu schrei­ben, immer ist ein Zei­chen um Bruch­tei­le von Sekun­den schnel­ler als das ande­re Zei­chen. Wenn ich selt­sa­me Din­ge gedacht habe, freue ich mich. Wenn ich mich freue, kann ich nicht blei­ben, wo ich bin. Die Freu­de ist ein Gefühl, das mich in Bewe­gung ver­setzt. Ich sprin­ge auf, wenn ich saß, oder ich sprin­ge in die Luft, wenn ich bereits auf mei­nen Bei­nen stand. Dann gehe ich ein paar Schrit­te nach links, dann gehe ich ein paar Schrit­te nach rechts. Sobald ich gehe, den­ke ich in einer ande­ren Art und Wei­se, als wür­de ich noch sit­zen. — Kurz nach vier Uhr auf dem Mai­dan-Platz, Kyjiw. — stop

ping

///

prada

pic

tan­go : 5.16 — Die Hand­ta­sche, der ich mich in der ver­gan­ge­nen Nacht ein­ge­hend wid­me­te, ist rot und weiß und von feins­tem Leder. Zwei Fächer sind in ihrem schma­len Bauch zu fin­den, die man mit Druck­knöp­fen ver­schlie­ßen kann. In die­sem Moment steht die Tasche auf vier metal­le­nen Füß­chen vor mir auf dem Schreib­tisch, Schul­ter­rie­men, Tra­ge­hen­kel, Außen­fä­cher, ein wirk­lich ansehn­li­ches Exem­plar, das glänzt und leicht ist. Die Tasche wiegt in nicht befüll­tem Zustand gera­de ein­mal 400 Gramm, so leicht ist die­se Tasche, ganz erstaun­lich. Nun habe ich Fol­gen­des unter­nom­men, ich habe zunächst in sorg­fäl­tigs­ter Wei­se einen präch­ti­gen Haut­bal­lon gefal­tet und in das lin­ke Sei­ten­fach der Leicht­hand­ta­sche abge­legt. Es han­delt sich um ein fili­gra­nes, flug­fä­hi­ges Natur­pro­dukt, wel­ches aus der Schwimm­bla­se eines Mond­fi­sches gefer­tigt wur­de. Ein fei­ner Schlauch, nicht sicht­bar auf den ers­ten Blick, führt vom Hals des Bal­lons wie­der­um zu einem Siphon, in dem sich Heli­um befin­det. Ich habe ihn, nach län­ge­rer Über­le­gung, auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te, im zwei­ten Außen­fach der Tasche unter­ge­bracht. Er ver­fügt über ein Ven­til, wel­ches unkon­trol­lier­tes Aus­strö­men des Gases ver­hin­dert, über einen Ver­schluss also, der mit einer sanf­ten Fin­ger­be­we­gung jeder­zeit geöff­net wer­den könn­te, so dass das Gas im Bruch­teil einer Sekun­de in den Bal­lon schie­ßen, das Fut­te­ral des Bal­lons öff­nen und die Hand­ta­sche mit Auf­trieb ergrei­fen wür­de. Soll­te ich zu die­sem Zeit­punkt das Ven­til der Tasche öff­nen, ende­te ihr Flug an der Decke mei­nes Zim­mers. — Kurz vor fünf Uhr am Mor­gen. Schon zu spät, um inmit­ten der Stadt heim­lich einen Frei­luft­ver­such unter­neh­men zu kön­nen. Noch etwas schla­fen dar­um, dann eine Spin­del mit äußerst fei­nem, aber zug­fes­tem Faden in der Län­ge von 100 Metern an der Tasche befes­ti­gen, dann wie­der Nacht. — stop

polaroidmolluske

///

jean paul

9

char­lie : 3.08 — Wäh­rend eines Gesprä­ches im Gehen erzähl­te ich Mut­ter, dass ich vor Jah­ren ein­mal fürch­te­te, ihr Leben könn­te vor dem Leben mei­nes Vaters enden. In Bruch­tei­len einer Sekun­de ant­wor­te­te sie, dass Vater ihr in die­sem Fal­le sehr bald nach­ge­stor­ben wäre. Ich war sofort ste­hen­ge­blie­ben, das Wort nach­ster­ben irri­tier­te. Ich mein­te die­ses Wort noch nie zuvor gehört zu haben, und über­leg­te, ob Mut­ter das Wort viel­leicht erfun­den haben könn­te, ein Wort also für eine Situa­ti­on, die sie sich selbst vor­ge­stellt haben moch­te. Eini­ge Stun­den spä­ter such­te ich nach dem Wort in der digi­ta­len Sphä­re. Tat­säch­lich exis­tiert die­ses Wort bereits seit lan­ger Zeit. Ich war nun ein altes Kind gewe­sen, das Wör­ter lernt, in dem es Geräu­sche von den Lip­pen sei­ner Mut­ter liest. Habe auf der Suche nach den Spu­ren jenes Wor­tes eine fei­ne Beob­ach­tung Jean Pauls ent­deckt: Außer­halb des Traums kom­men uns Emp­find­bil­der öfter von Tönen als von Reden und Schäl­len vor; nach einer Musik­nacht kann die beweg­te See­le sich will­kür­lich die Melo­dien, aber nicht die Gesprä­che wie­der­klin­gen las­sen; denn wie sehr der Musik­ton, die Poe­sie des Klan­ges, so tief mehr in uns als um uns zu spie­len und unter allen Emp­fin­dun­gen von uns mehr geschaf­fen als emp­fan­gen zu wer­den scheint, bewei­set die schon ange­führ­te Erfah­rung, daß wir an einem Sin­gen und Flö­ten, das in immer wei­te­re Fer­ne ver­fließt, gera­de mit dem gespann­tes­ten Ohre die letz­ten aus­ster­ben­den Töne von Außen nicht von den nach­ster­ben­den von Innen son­dern kön­nen. — stop. Drei Uhr. stop. Heu­te Nacht pfeift ein Vogel irgend­wo im Dun­keln, obwohl es noch lan­ge Zeit nicht hell wer­den wird. Das ist selt­sam. Er scheint mich im Auge zu behal­ten. Ich ste­he am Fens­ter und bewe­ge einen Arm und eine Hand als wür­de ich win­ken. Die­se Ges­te lässt den Vogel ver­stum­men, war­um? — stop
ping

///

gedankengang

pic

alpha : 6.38 — Ich gehe ein paar Schrit­te nach links, dann gehe ich ein paar Schrit­te nach rechts. Sobald ich gehe, den­ke ich in einer ande­ren Art und Wei­se, als wür­de ich noch sit­zen. Ich habe schon viel nach­ge­dacht wäh­rend ich ging. Und ich habe schon viel ver­ges­sen wäh­rend ich ging. Wenn ich gehe, kom­men die Gedan­ken aus der Luft und ver­schwin­den wie­der in die Luft. Wenn ich sit­ze, kom­men die Gedan­ken aus mei­nen Hän­den. Sobald ich ein­mal nicht schrei­be, ruhen mei­ne Hän­de auf den Tas­ten der Schreib­ma­schi­ne und war­ten. Sie war­ten dar­auf, dass eine Stim­me in mei­nem Kopf dik­tiert, was zu schrei­ben ist. Ich könn­te viel­leicht sagen, dass mei­ne Hän­de dar­auf war­ten, mein Gedächt­nis zu ent­las­ten. Was ich mit mei­nen Hän­den in die Tas­ta­tur der Maschi­ne schrei­be, habe ich gedacht, aber ich habe, was ich schrieb nicht gelernt, nicht gespei­chert, weil ich weiß, dass ich wie­der­kom­men und lesen könn­te, was ich notier­te. Selt­sa­me Din­ge. Ich den­ke manch­mal selt­sa­me Din­ge zum zwei­ten oder drit­ten Mal. Gera­de eben habe ich wahr­ge­nom­men, dass es nicht mög­lich ist, zwei Zei­chen zur sel­ben Zeit auf mei­ner Schreib­ma­schi­ne zu schrei­ben, immer ist ein Zei­chen um Bruch­tei­le von Sekun­den schnel­ler als das ande­re Zei­chen. Wenn ich selt­sa­me Din­ge gedacht habe, freue ich mich. Wenn ich mich freue, kann ich nicht blei­ben, wo ich bin. Die Freu­de ist ein Gefühl, das mich in Bewe­gung ver­setzt. Ich sprin­ge auf, wenn ich saß, oder ich sprin­ge in die Luft, wenn ich bereits auf mei­nen Bei­nen stand. Dann gehe ich ein paar Schrit­te nach links, dann gehe ich ein paar Schrit­te nach rechts. Sobald ich gehe, den­ke ich in einer ande­ren Art und Wei­se, als wür­de ich noch sit­zen. — stop

///

siatista mittags

2

tan­go : 0.02 — Man erzählt, aus Ver­zweif­lung über die poli­ti­sche Lage sei­nes Lan­des, ande­re mei­nen, weil er im hohen Alter noch hun­gern muss­te, soll sich ges­tern, gegen 14 Uhr mit­tel­eu­ro­päi­scher Zeit, ein alter Mann auf dem Markt­platz der male­ri­schen Stadt Sia­tis­ta, dem­zu­fol­ge in einer nörd­li­chen Pro­vinz Grie­chen­lands, erschos­sen haben. Er habe ein Sturm­ge­wehr für sei­nen letz­ten Schuss ver­wen­det, eine Waf­fe, die seit dem Jah­re 1944 im Kel­ler sei­nes Eltern­hau­ses in Ölpa­pier gewi­ckelt lager­te. Bei­na­he wäre das Gewehr, einst Stolz des jun­gen Man­nes im Kampf gegen deut­sche Faschis­ten, für immer in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Im Detail war zu erfah­ren, die Kugel habe zunächst den Unter­kie­fer des alten Man­nes durch­schla­gen, sei von dort aus in das Gehirn vor­ge­drun­gen und habe den Kopf über das lin­ke Auge wie­der ver­las­sen. Bruch­tei­le einer Sekun­de spä­ter töte­te das Pro­jek­til eine Flie­ge, die sich kurz zuvor auf den Weg süd­west­wärts gemacht hat­te, um sich zuletzt in den Ast eines Salz­bau­mes zu boh­ren. Ist das nun eine Geschich­te oder eine Nach­richt. — stop