Aus der Wörtersammlung: wasser

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koralle

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hima­la­ya : 6.45 — In den ver­gan­ge­nen Stun­den über Gestalt und Leben der Was­se­r­en­gel nach­ge­dacht. Wenn ich mich mit einer Erfin­dung beschäf­ti­ge, die von einem frisch ent­deck­ten Wort aus­ge­gan­gen ist, öff­nen sich Räu­me von enor­mer, von unbe­kann­ter Wei­te. Mit jedem Satz, den ich dar­auf­hin notie­re, wer­den die­se Räu­me sicht­bar und selt­sa­mer­wei­se enger, als ob jeder Was­se­r­en­gel im Moment sei­ner Erfin­dung bereits über einen per­sön­li­chen Raum ver­füg­te, der von den Geset­zen der Logik beschränkt wird oder von mei­ner Bega­bung. – Frü­her Mor­gen. Gewit­ter­him­mel. Wol­ken spa­zie­ren über die Stra­ße. — stop

ping

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frankie

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echo

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : FRANKIE
date : june 9 12 0.05 a.m.

Sams­tag. Nacht. Gute Nach­rich­ten sind zu über­mit­teln. End­lich haben wir ein Eich­hörn­chen gefan­gen, Cen­tral Park, Höhe 76. Stra­ße, ein gro­ßes, grau­es Tier. Wir haben ihm den Namen Fran­kie ver­passt. In die­sem Moment schläft Fran­kie tief und fest. Es ist kaum zu glau­ben, dass wir sei­nen klei­nen run­den Bauch, der sich vor unse­ren Augen hebt und senkt, in weni­gen Stun­den öff­nen wer­den. Arme und Bei­ne sind bereits am Tisch befes­tigt, ein Anblick, der nicht gut zu ertra­gen ist. Fran­kie wirkt hilf­los, erbärm­lich, wie er hin­ge­streckt vor unse­ren Augen ruht. Als wir ihn bade­ten, wach­te er vom Was­ser auf, das er viel­leicht nicht gewohnt ist, und zeig­te sei­ne kräf­ti­gen Zäh­ne. Ich neh­me an, er wird in die­sem Moment weder hören noch sehen, nur träu­men oder auch nicht. Da wir nun alles auf das Sorg­fäl­tigs­te vor­be­rei­tet haben, Satel­li­ten­sen­der wie USB-Daten­trä­ger lie­gen bereit, bit­ten wir um prä­zi­se ana­to­mi­sche Anwei­sung, in wel­che Tie­fe wir das Mate­ri­al in Fran­kies Kör­per zu ver­sen­ken haben. Wie lan­ge Zeit soll­ten wir Fran­kie nach Ope­ra­ti­on nar­ko­ti­sie­ren? Wann könn­ten wir ihn wie­der in die Frei­heit ent­las­sen? Ant­wor­ten Sie bit­te rasch! Ihr Mal­colm / code­wort : hibiskusblüte

emp­fan­gen am
9.06.2012
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mal­colm to louis »

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fischvögel

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~ : louis
to : Madame van Lishout
sub­ject : FISCHVÖGEL

Sehr geehr­te Madame van Lishout, ver­zei­hen Sie bit­te viel­mals mein Schrei­ben auf elek­tri­schem Wege. Ich bin nicht sicher, ob ich Ihre kor­rek­te Adres­se erin­ne­re. Ein Brief auf Papier mit unter­zeich­ne­ter Bestel­lung wur­de an fol­gen­de Anschrift gesen­det: M.v.L., Chal­li­ons 7, 4968 Mal­mers­by, Bel­gi­um. Es geht um ein drin­gen­des Geschenk, das bis zum 10. August für einen Freund fer­tig­ge­stellt sein muss. Sie erin­nern sich viel­leicht, es geht um jenen Freund, der seit einem Jahr­zehnt im Was­ser exis­tiert. Da die Krea­ti­on unter der Was­ser­ober­flä­che leben­der Sing­vö­gel nicht mög­lich ist, – ich habe Ihre Erläu­te­run­gen ver­stan­den -, sehr wohl aber die Manu­fak­tur eines Fisch­pär­chens, das in Gestalt und Beneh­men Sing­vö­geln ähn­lich sein könn­te, wäre ich Ihnen dank­bar, wenn Sie für mich ein oder zwei Ent­wür­fe zur Ver­wirk­li­chung for­mu­lie­ren wür­den. Auch einen Käfig, der in Süß­was­ser län­ge­re Zeit über­dau­ern könn­te, habe ich vor, in Auf­trag zu geben, schön wäre ein fili­gra­nes Gehäu­se von dunk­lem Holz. In der Grö­ße soll­te das Pär­chen vogel­ähn­li­cher Fische die Dimen­si­on der Zei­si­ge nicht über­tref­fen, da die Was­ser­woh­nung mei­nes Freun­des eher beschei­den aus­ge­fal­len ist. In der farb­li­chen Aus­füh­rung wün­sche ich wei­che pas­tell­far­be­ne Töne. Ein gewis­ses Leucht­ver­mö­gen von innen her wäre wun­der­voll. Könn­te dies alles mög­lich sein, wür­den Sie mich sehr glück­lich erle­ben. Der Gesang der klei­nen Fische soll­te fröh­lich, nicht all­zu laut, vor allem eben hei­ter sein. Ich erwar­te Ihre Ant­wort drin­gend und ver­blei­be hoch­ach­tungs­voll mit freund­li­chen, dank­ba­ren Grü­ßen. Ihr Mr. Lou­is

gesen­det am
5.06.2012
2.58 MEZ
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polaroidtaucher

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fingerknospen

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india : 6.32 — Mei­ne Schreib­ma­schi­ne ist ein merk­wür­di­ges Ding. Sie ist flach und sie ver­fügt über einen Bild­schirm und außer­dem über einen licht­emp­find­li­chen Sen­sor, der ins Inne­re mei­ner Schreib­ma­schi­ne zu mel­den scheint, ob Tag ist oder Nacht, ob Hel­le oder Dun­kel. Ich habe soeben eine Vier­tel­stun­de nach der Posi­ti­on die­ses Sen­sors gesucht, zunächst mit­tels mei­ner Augen selbst, etwas spä­ter mit einer Lupe, je ohne eine beweis­kräf­ti­ge Spur auf­neh­men zu kön­nen. Es ist Sams­tag. Ich mag das Wort Sams­tag gut lei­den. Gera­de fällt mir ein, dass ich bald ein wei­te­res Jahr gelebt haben wer­de, ohne einen Fin­ger ver­lo­ren oder um einen Fin­ger zuge­nom­men zu haben. Oft, so auch heu­te, habe ich mich gefragt, wie sich ein nach­wach­sen­der Fin­ger zunächst bemerk­bar machen wür­de? Wür­de sich neben einem bereits exis­tie­ren­den Fin­ger eine Fin­ger­knos­pe bil­den, die nach und nach sich zu einem voll­stän­di­gen Fin­ger­glied erhe­ben wür­de? Oder wür­de sich viel­leicht einer mei­ner älte­ren Fin­ger in sei­ner Mit­te tei­len? Das sind sehr inter­es­san­te Fra­gen, die viel­leicht ein wenig unheim­lich zu sein schei­nen. Vor weni­gen Stun­den, das geht mir nicht aus dem Kopf, habe ich am Flug­ha­fen mit einem jun­gen Mann gespro­chen, der in einem Wasch­raum stand und eine sehr trau­ri­ge Geschich­te erzähl­te. Manch­mal muss­te er wei­nen. Sei­ne Augen röte­ten sich und er beug­te sich rasch über das Wasch­be­cken und begann sein Gesicht mit Was­ser zu benet­zen. Dann rich­te­te er sich auf, erzähl­te wei­ter und wein­te erneut, um sich wie­der­um über das Wasch­be­cken zu beu­gen bis er so nass gewor­den war, dass er ste­hen­blieb und erzähl­te und wein­te zur glei­chen Zeit, ohne sich noch ver­ber­gen zu wol­len. — stop

polaroidunter

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wolfgang herrndorf : arbeit und struktur

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hima­la­ya : 6.52 — Ich weiß nicht wie viel ich zitie­ren darf. Aber ich will das zitie­ren, auf­be­wah­ren, fest­hal­ten, ver­wei­sen. Wolf­gang Herrn­dorf zählt in sei­nem Blog Arbeit und Struk­tur Mona­te. Im April notiert er von Essaoui­ra aus: 26.4. 11:46 Drei oder vier asyn­chro­ne Muez­zins. Auf der Hotel­dach­ter­ras­se in pral­ler Son­ne sit­zend und arbei­tend, über­rascht mich die Mel­dung vom Tod einer Brief­freun­din aus Frei­burg. Ihre Erst­dia­gno­se war im Dezem­ber 2010, nach jeder von drei Ope­ra­tio­nen wuchs das Glio­blas­tom sofort wei­ter. Im Gegen­satz zu mir mach­te sie sich gro­ße Hoff­nun­gen, klam­mer­te sich an neue Mit­tel und such­te in Stu­di­en rein­zu­kom­men. Vor zwei Mona­ten mail­te sie: Tam­oxi­fen scheint zu wir­ken, neu­er Herd löst sich auf, alte, bestrahl­te Stel­le unver­än­dert. Vor fünf Tagen starb sie. / Eine Freun­din von ihr schreibt, sie sei zuletzt rund um die Uhr betreut wor­den, selbst zum Tip­pen zu schwach. Der Ver­such, sie mit den Mit­teln der Pal­lia­tiv­me­di­zin in einen sta­bi­len Zustand zu brin­gen, hat­te wenig Erfolg. Auch im Hos­piz kam sie nicht zur Ruhe und schrie die Nacht durch vor Angst. Die offen­sicht­li­che Kraft, die zum Schrei­en vor­han­den war, habe, so die Freun­din wei­ter, im kras­sen Gegen­satz zum geschwäch­ten Gesamt­zu­stand gestan­den. Die Ärz­te konn­ten sie nur beru­hi­gen, indem sie sie kom­plett sedier­ten. Sie hat die durch­schnitt­li­che Lebens­er­war­tung von sieb­zehn Mona­ten knapp ver­fehlt, in der ungüns­ti­gen MGMT–Gruppe gehör­te sie noch zu den glück­li­che­ren 15 Pro­zent. / Unten in der Hotel­lob­by fin­de ich Per und Lars, an denen ich mich fest­hal­ten kann zum Glück. / 26.4. 18:46 Hin­ter den ande­ren her durch die Medi­na auf der Suche nach dem nörd­li­chen Strand und der Fabrik, in der Per sei­ne Scha­tul­len her­stel­len läßt. Das Gewim­mel der vor sich hin kre­peln­den Men­schen, die aus Müll und Abwas­ser gemach­ten Stra­ßen, der Gestank, das Geschrei, der Schmutz alles Leben­di­gen las­sen mich umkeh­ren. Sofort ver­lau­fe ich mich. Zwei­mal ren­ne ich die ver­stopf­te Haupt­stra­ße hoch und run­ter, bis ich end­lich die mit einem Stadt­tor mar­kier­te Abzwei­gung zum Hotel gefun­den habe. / Dann Bade­ho­se, dann Spa­zier­gang zum leer und befrei­end vor­ge­stell­ten, aber ver­müll­ten und von Quads zer­fet­zen süd­li­chen Strand, der vor zwei Jah­ren noch schön gewe­sen war. Ich gehe so weit ich kann und über den Fluß und zurück, um wenigs­tens erschöpft zu sein für den Abend. Ich ver­su­che, mir eine Vor­stel­lung davon zu machen, was es bedeu­tet, eine Nacht durch­zu­schrei­en vor Angst. Ich könn­te nicht ein­mal sagen, ob es Empa­thie ist oder Selbst­mit­leid. Ich den­ke nicht nach. / Auf dem Weg zum Ita­lie­ner ver­lie­re ich erneut die Ori­en­tie­rung und bin froh, als ich end­lich im Bett lie­ge und der Muez­zin zum hun­derts­ten Gebet des Tages ruft. Ein gro­ßer, mäch­ti­ger, töd­li­cher Gott, der so anhal­tend bebe­tet wer­den muß. [tbc] > Impres­sum

ping

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leuchtfeuer

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echo : 8.01 — Die Wie­der­ho­lung einer Nacht­zeit vor weni­gen Stun­den noch. Regen. Das Geräusch des Was­sers, ein Geräusch des Bodens, der Stäm­me, der Dächer, der Regen­rin­nen. Viel­leicht, weil in ihm Zeit ent­hal­ten ist, Trop­fen für Trop­fen zu einer regel­mä­ßi­gen Bewe­gung, höre ich die­ses Geräusch als ein beru­hi­gen­des Geräusch. Oder auch des­halb, weil ich das Wesen der Kie­men­men­schen in mir tra­ge, weil ich von Men­schen­woh­nun­gen erzäh­le, die unter Was­ser ste­hen. An die­sem küh­len Mor­gen ist etwas Wesent­li­ches fest­zu­hal­ten, ein ange­neh­mes Wort, das Wort Leucht­feu­er. Und dass ich von Kra­ni­chen träum­te, ja träum­te, selbst ein Kra­nich unter Kra­ni­chen zu sein. Wir flo­gen eine Küs­te ent­lang. Ich erin­ne­re mich, dass ich durs­tig gewe­sen war, weil viel Son­ne vom Him­mel brann­te. Die Kra­ni­che bemerk­ten bald, dass mich die Hit­ze quäl­te. Sie such­ten nach mei­nem Schna­bel, um mich mit Was­ser zu füt­tern. Aber ich hat­te kei­nen Schna­bel, son­dern einen mensch­li­chen Mund, wes­halb sie bald auf­ga­ben, mich füt­tern zu wol­len. Statt­des­sen näher­te sich einer nach dem ande­ren, um nach­zu­se­hen, welch selt­sa­mer Vogel mit ihnen nach Nor­den flog. — stop

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frau mit löffel

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india : 5.28 — Ein­mal mach­te ich einen Aus­flug zu einer Tan­te, die seit über zehn Jah­ren in einem Heim lebt, weil sie sehr alt ist und außer­dem nicht mehr den­ken kann. Der Flie­der blüh­te, die Luft duf­te­te, mei­ne Tan­te saß mit ande­ren alten Frau­en an einem Tisch und schlief oder gab vor zu schla­fen. Ihr Gesicht war schmal, ihre Augen­li­der durch­sich­tig gewor­den, Augen waren unter die­ser Haut, blau, grau, rosa, eine Gischt hel­ler Far­ben. Ich drück­te mei­ne Stirn gegen die Stirn mei­ner Tan­te und nann­te mei­nen Namen. Ich sag­te, dass ich hier sei, sie zu besu­chen und dass der Flie­der im Park blü­hen wür­de. Ich sprach sehr lei­se, um die Frau­en, die in unse­rer Nähe saßen, nicht zu stö­ren. Sie schlie­fen einer­seits, ande­re betrach­te­ten mich inter­es­siert, so wie man Vögel betrach­tet oder Blu­men. Es ist schon selt­sam, dass ich immer dann, wenn ich glau­be, dass ich nicht sicher sein kann, ob man mir zuhört, damit begin­ne, eine Geschich­te zu erzäh­len in der Hoff­nung, die Geschich­te wür­de jen­seits der Stil­le viel­leicht doch noch Gehör fin­den. Ich erzähl­te mei­ner Tan­te von einer Wan­de­rung, die ich unlängst in den Ber­gen unter­nom­men hat­te, und dass ich auf einer Bank in ein­tau­send Meter Höhe ein Tele­fon­buch der Stadt Chi­ca­go gefun­den habe, das noch les­bar gewe­sen war und wie ich den Ein­druck hat­te, dass ich aus den Wäl­dern her­aus beob­ach­tet wür­de. Ich erzähl­te von Leber­blüm­chen und vom glas­kla­ren Was­ser der Bäche und vom Schnee, der in der Son­ne knis­ter­te. Doh­len waren in der Luft, wun­der­vol­le Wol­ken­ma­le­rei am Him­mel, Sala­man­der schau­kel­ten über den schma­len Fuß­weg, der auf­wärts führ­te. So erzähl­te ich, und wäh­rend ich erzähl­te eine hal­be Stun­de lang, schien mei­ne Tan­te zu schla­fen oder zuzu­hö­ren, wie immer, wenn ich sie besu­che. Ihr Mund stand etwas offen und ich konn­te sehen, wie ihr Bauch sich hob und senk­te unter ihrer Blu­se. Am Tisch gleich gegen­über war­te­te eine ande­re alte Frau, sie trug wei­ßes Haar auf dem Kopf,  Haar so weiß wie Schreib­ma­schi­nen­pa­pier. Vor ihr stand ein Tel­ler mit Erb­sen. Die alte Frau hielt einen Löf­fel in der Hand. Die­ser Löf­fel schweb­te wäh­rend der lan­gen Zeit, die ich erzähl­te, etwa einen Zen­ti­me­ter hoch in der Luft über ihrem Tel­ler. In die­ser Hal­tung schlief die alte Frau oder lausch­te. — stop

 

polaroidgebirge

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rund um das müllnerhorn

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sier­ra : 0.02 — Den hal­ben Abend mit der Über­le­gung zuge­bracht, was ein moder­ner Ken­taur, ein Ken­taur unse­rer Tage, der in der Gegend um das Müll­ner­horn in einem Laub­wald unter Buchen, Eichen und Lin­den­bäu­men leben könn­te, zum Früh­stück ger­ne zu sich neh­men wür­de. Wie im Flug ist die Zeit ver­gan­gen, ein Zustand leich­ter Selbst­ver­ges­sen­heit. Ich habe mir zunächst Dun­kel­heit vor­ge­stellt, Däm­me­rung, dann, in die­sem glim­men­den Licht des nahen­den Tages, die Umris­se eines Ken­taur von zier­li­cher Gestalt, wie er noch schla­fend seit­lich auf etwas Moos gebet­tet liegt und träumt. Kaum sicht­ba­re Atmung, die Hän­de, lose gefal­tet, ruhen auf der Brust, ein Auge leicht geöff­net, peit­schen­de Bewe­gung der weiß­haa­ri­gen Spit­ze sei­nes Schwan­zes. Von einem ers­ten Son­nen­strahl berührt, setzt er sich auf, reibt sich das Fell, kurz dar­auf eine schwung­vol­le Bewe­gung und schon steht der Ken­taur auf sei­nen vier Bei­nen. Ein wun­der­bar blau­er Him­mel über ihm, ein Him­mel, den man sofort für ein gestürz­tes Meer hal­ten könn­te, ein Meer ohne Wind, ruhig, da und dort eine Wol­ke von Fisch. Jetzt liegt der Ken­taur wie­der seit­lich auf dem Boden, sei­nen schö­nen Kopf auf eine Hand gestützt, nascht er von einem Häuf­chen Bee­ren, blät­tert in einem ram­po­nier­ten Tele­fon­buch der Stadt Chi­ca­go, liest den ein oder ande­ren Namen laut vor sich hin, ein­mal eine Him­bee­re, dann wie­der einen Namen. Ja, ich ahn­te, Ken­tau­ren bevor­zu­gen viel­leicht wil­de Wald­him­bee­ren zum Früh­stück. Und nun, es ist kurz nach Mit­ter­nacht, stellt sich die Fra­ge, ob es Ken­tau­ren mög­lich ist, Bäu­me zu bestei­gen? — stop

für h.d.

ping

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zezito lopes

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india : 0.05 —  Wäh­rend Zug­fahrt nach einer Text­stel­le in Pete L. Mun­kis Roman Nau­ti­lus gesucht, die ich vor eini­gen Tagen mar­kiert hat­te, um sie bei Gele­gen­heit noch ein­mal lesen zu kön­nen. Der Erzäh­ler der Geschich­te, ein jun­ger Mann namens Zezito Lopes, ruh­te im 10. Stock eines Hau­ses in der Lex­ing­ton Ave­nue auf einer Trep­pen­stu­fe. Frü­her Nach­mit­tag. Ein schwe­rer Behäl­ter von gepan­zer­tem Glas, in dem sich zwei Mol­lus­ken­fi­sche der Gat­tung Nau­ti­lus befan­den, stand neben dem war­ten­den Mann auf dem Boden. Ich erin­ne­re mich, dass der jun­ge Mann, er war ein gut trai­nier­ter Trä­ger, sich kurz dar­auf erhob, um an einer der Woh­nungs­tü­ren, die auf den Flur führ­ten, zu klin­geln und nach einem Glas Was­ser zu fra­gen. Unver­züg­lich wur­de geöff­net, ein Gespräch ent­wi­ckel­te sich, in des­sen Fol­ge Zezito Lopes sich bück­te, sei­nen gepan­zer­ten Behäl­ter in die Hän­de nahm und mit ihm in der Woh­nung ver­schwand. So weit, so gut. Als ich nun aber das Buch im Zug öff­ne­te, konn­te ich die mar­kier­te Text­stel­le nicht fin­den. Sofort der Gedan­ke, ich hät­te mög­li­cher­wei­se fan­ta­siert, eine beun­ru­hi­gen­de Vor­stel­lung. Nicht min­der beun­ru­hi­gend scheint mir in die­sem Moment der Gedan­ke zu sein, das Buch selbst könn­te sich ver­än­dert haben, wei­ter- oder umge­schrie­ben wor­den sein, obwohl sich das Buch, auch nachts, immer in mei­ner Nähe auf­ge­hal­ten hat­te. Eine Nacht leich­ter Ver­wir­rung. Das Bes­te ist, ein­fach wei­ter­zu­ma­chen. — stop

ping

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koffer unsichtbar

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echo : 0.03 — Mein Vater war ein Lieb­ha­ber tech­ni­scher Mess­ge­rä­te. Er notier­te mit ihrer Hil­fe Dau­er und Kraft des Son­nen­lichts bei­spiels­wei­se, das auf den Bal­kon über sei­nem Gar­ten strahl­te. Die Tem­pe­ra­tu­ren der Luft wur­den eben­so regis­triert, wie die Men­ge des Regens, der in den war­men Mona­ten des Jah­res vom Him­mel fiel. Selbst die Bewe­gun­gen der Gold­fi­sche im nahen Teich wur­den ver­zeich­net, Erschüt­te­run­gen des Erd­bo­dens, Tem­pe­ra­tu­ren der Pro­zes­so­ren sei­ner Com­pu­ter­ma­schi­ne. Es ist merk­wür­dig, bei­na­he täg­lich gehe ich zur­zeit auf die Suche, weil wie­der irgend­ei­ne die­ser Mess­ap­pa­ra­tu­ren einen piep­sen­den Ton von sich gibt, als ob mein Vater mit­tels sei­ner Maschi­nen noch zu mir spre­chen wür­de. Indes­sen habe ich seit zwei Tagen Kennt­nis von einer Foto­gra­fie, die mich neben mei­nem ster­ben­den Vater zeigt. Ich sit­ze auf einem Stuhl, mein Vater liegt in einem Bett. Es ist ein Bild, das ich zunächst kaum anzu­se­hen wag­te. Ich habe tat­säch­lich eine Hand vor Augen gehal­ten und zwi­schen mei­nen Fin­gern her­vor gespäht. Jetzt ist mir warm, wenn ich das Bild betrach­te. Die Foto­gra­fie zeigt einen fried­li­chen Moment mei­nes Lebens. Etwas geschieht, wovor ich mich lan­ge Zeit gefürch­tet habe. Wei­nen und Lachen fal­ten sich, wie Hän­de sich fal­ten. Mut­ter irrt zwi­schen Haus und Fried­hof hin und her, als wür­de sie irgend­ei­ne unsicht­ba­re Ware in gleich­falls unsicht­ba­ren Kof­fern tra­gen. — stop



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