Aus der Wörtersammlung: junge

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signallichter

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sier­ra : 0.01 — Bemerkt, dass ich Dimen­sio­nen der Licht­rei­se­zeit von Stern zu Stern nicht ver­ste­hen kann. Ich habe einer­seits eine tro­cke­ne, eine logi­sche Erklä­rung zur Ver­fü­gung, kann ander­seits aber das ver­trau­te Gefühl, das mir anzeigt, dass ich etwas ver­stan­den habe oder begrei­fen konn­te, nicht fin­den. stop. Im Zwi­schen­raum. stop. Das Stau­nen. stop. Wenn ich in einem ana­to­mi­schen Prä­pa­rier­saal an einem Tisch unter jun­gen Per­sön­lich­kei­ten ste­he und sage, dass der Kör­per jenes Men­schen, der vor uns auf dem Tisch liegt, nach und nach ver­schwin­den wird, indem sie ihn zer­le­gen, zugleich aber, in die­sem Pro­zess des Ver­schwin­dens, sich in Infor­ma­ti­on, in Wis­sen ver­wan­delt, freu­en sich die jun­gen Men­schen. stop. Blit­zen­de Augen. stop. Ein lachen­der Mund. stop. Und noch ein lachen­der Mund. stop. Ana­to­mi­sche Signa­le. — stop

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symphonie

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romeo : 0.01 — Da sind im Kon­zert­saal 8 Kon­tra­bas­sis­ten und sie flüs­tern mit­ein­an­der, wäh­rend sie lei­se etwas Jazz­mu­sik spie­len, viel­leicht weil das schon immer die bes­te Metho­de gewe­sen ist, ein Instru­ment aus dem Schlaf zu holen. Auch der Chor ist schon ein­ge­trof­fen und raschelt mit sei­nen Papie­ren. Eine ent­spann­te Atmo­sphä­re, eine Stim­mung, wie in den Wäl­dern kurz vor Anbre­chen der Däm­me­rung, ers­te Geräu­sche, schon bewuss­te, aber auch noch Traum­ge­räu­sche, alles nur zur Pro­be. Und ich lau­sche und den­ke, dass ich in weni­gen Minu­ten Zubin Meh­ta sehen wer­de, wie er Mahlers Sym­pho­nie No 3 diri­gie­ren wird. Und wie ich so sit­ze, erin­ne­re ich mich an Fin­ger­be­we­gun­gen einer jun­gen Frau, die im Prä­pa­rier­saal der Mün­che­ner Ana­to­mie mit Seh­nen und Mus­keln eines Armes spielt, eine Ges­te, als wür­de sie ver­su­chen, jenem namen­lo­sen Arm ein Geräusch zu ent­lo­cken. Schnee fällt. Knie­hoch wird er noch fal­len. Jack Lon­don lesen, notie­re ich. Und jetzt ist der Abend eines spä­te­ren Win­ters und ich sehe mei­ne Schrift­zei­chen, unge­lenk, weil schon im Halb­dun­kel des Kon­zert­saa­les ins Notiz­buch geschrie­ben. Alles das, in mei­nem Kopf durch­ein­an­der. Ich fan­ge am bes­ten noch ein­mal von vorn an. Da sind also im Kon­zert­saal 8 Kon­tra­bas­sis­ten, sie flüs­tern mit­ein­an­der. Schnee fällt. Knie­hoch wird er noch fal­len. — stop

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feuerbäume

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nord­pol : 2.15 — Im Süden, in den Ber­gen, liegt ein Tal in gro­ßer Höhe, eine Hoch­ebe­ne, die dicht von Ahorn­bäu­men bewach­sen ist. Jedes Jahr im Herbst möch­te man mei­nen, ein gro­ßes Feu­er sei im Tal unter den Bäu­men aus­ge­bro­chen, eine Feu­ers­brunst, die nicht nur alle die ver­wit­ter­ten Bäu­me ver­schlin­gen woll­te, son­dern gleich noch ein paar Berg­gip­fel und Dör­fer dazu. Aber das ist natür­lich Unsinn, die Luft ist für ein wirk­li­ches Feu­er viel zu kalt und die Wie­sen unter den Bäu­men sind saf­tig und feucht. Libel­len, schon lang­sam gewor­den, flie­gen auf und ab. Sie ahnen den Win­ter, wie die Sumpf­dot­ter­blu­men, die mor­gens nur noch außer­ge­wöhn­lich auf­ste­hen wol­len. Nichts Auf­re­gen­des also in die­ser Land­schafts­be­schrei­bung. Alles das kommt vor in den Ber­gen, auch Schu­len blut­jun­ger Ken­tau­ern, die in der Däm­me­rung ver­geb­lich nach Hasen jagen. Wenn da nicht jene selt­sa­men Pil­ze wären, die noch ohne Namen sind, weil man sich bis­her nicht eini­gen konn­te, ob sie nun tat­säch­lich noch Pil­ze oder nicht doch schon ganz ande­re Wesen sind. Solan­ge das Son­nen­licht ins Tal ein­fal­len kann, ver­ste­cken sie sich zwi­schen den Grä­sern der Berg­wie­se in Gestalt der Bovis­te, sobald es aber dun­kel gewor­den ist, ich kann ihnen sagen, flie­gen sie los. Sie ent­fal­ten Schir­me von unglaub­li­cher Grö­ße und leuch­ten in zitro­nen­gel­ber Far­be und schwe­ben stun­den­lang und laut­los dicht über die Kro­nen der Ahorn­bäu­me dahin. Was haben Pil­ze dort oben am Him­mel ver­lo­ren? Und wie fin­den sie wie­der zurück auf die Erde? War­um über­haupt kom­men sie zurück? Selt­sa­me Sub­stan­zen. Ich muss das im Auge behal­ten. – Es ist jetzt kurz nach 2 Uhr. Eigent­lich hat­te ich vor, einen klei­nen Brief an Kenzabu­ro Oe zu schrei­ben, um ihm mit­zu­tei­len, dass Mrs. Cal­las ges­tern in den frü­hen Mor­gen­stun­den end­gül­tig abrei­sen konn­te, dass sie für mich wie­der zu rei­nen Schrift­zei­chen gewor­den ist. Für die­sen Brief ist es jetzt zu spät. Wer­de mor­gen eine Depe­sche notie­ren. — stop

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geraldine wünscht

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alpha

~ : geraldine
to : louis
sub­ject : GERALDINE WÜNSCHT

Seit zwei Tagen fah­ren wir sehr lang­sam im Kreis auf dem Atlan­tik her­um. Ich kann das noch immer nicht glau­ben. Als ob mein sehn­li­cher Wunsch, Sout­hamp­ton nie­mals zu errei­chen, in Erfül­lung gehen wür­de. Viel­leicht träu­me ich das alles nur. Oder ich bin in mei­nem Hof­fen so weit gekom­men, dass alle Wün­sche in Erfül­lung gehen. Irgend­je­mand sag­te, wir wür­den Schiff­brü­chi­ge suchen. Ein Gerücht neh­me ich an. Wir Men­schen brau­chen immer Gerüch­te, wenn etwas geschieht, das unge­wöhn­lich ist. Wir könn­ten noch Jah­re so her­um­fah­ren, ich hät­te nichts dage­gen. Wür­de an der Reling sit­zen und die Far­ben des Was­sers beob­ach­ten. Heu­te ist das Meer von einem hel­len Blau, sil­bern glänzt es, weil uns Fische beglei­ten, deren Rücken weiß und grün im Licht der Son­ne glit­zern. Ich kann mei­nen Blick nicht abwen­den von die­sem Was­ser­licht, für das ich kei­ne Wor­te fin­de. Ges­tern, Mr. Lou­is, habe ich mei­ne sei­de­nen Hand­schu­he getra­gen hier oben an Deck in der kal­ten Luft, mei­ne fei­nen Hand­schu­he zum Tan­zen, Hand­schu­he, die nur ein Hauch sind, mei­ne Haut schim­mer­te durchs Gewe­be. Natür­lich hat­te ich noch Fäust­lin­ge dar­über gezo­gen. Als der Ste­wart kam, – Sie wis­sen, der jun­ge Mann, von dem ich schon erzähl­te, – habe ich sie aus­ge­zo­gen und ihm heim­lich mei­ne klei­nen Hän­de dar­ge­bo­ten. Lan­ge habe ich so gestan­den und zuge­se­hen, wie er sie betrach­te­te, ohne sie zu berüh­ren. Mei­ne Knie, Mr. Lou­is, haben gezit­tert, weil ich unend­lich schwach gewor­den bin, aber die­ser Blick auf mei­ne Hän­de, die­ser Blick, der mei­ne Hän­de lieb­te, hat­te mir Kraft gege­ben und auch das Wün­schen und dass wir Sout­hamp­ton nie­mals errei­chen wer­den. – Ihre Geral­di­ne auf hoher See.

notiert im Jah­re 1962
an Bord der Queen Mary
auf­ge­fan­gen am 20.12.2008
22.12 MEZ

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geraldine : walfisch

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nord­pol

~ : geraldine
to : louis
sub­ject : WALFISCHE

Ich habe das Mit­tag­essen ver­schla­fen. Vor­mit­tags war ich schon auf dem Haupt­deck, schöns­tes Wet­ter, kei­ne Wol­ke am Him­mel, das Meer ganz ruhig. Papa hat mich hoch­ge­tra­gen, es ist anstren­gend für ihn, obwohl er nicht sehr alt ist, aber ich bin kein leich­tes Mäd­chen. Papa sag­te, man habe ihm von Walen erzählt, die auf dem Radar­schirm sicht­bar gewe­sen sei­en. Es ist also mög­lich, dass ich heu­te Wale sehen wer­de. Merk­wür­dig, ich sage immer Wale, aber ich den­ke Wal­fi­sche. Und so war­te­te ich auf die Wal­fi­sche und wäh­rend ich war­te­te, bin ich ein­ge­schla­fen. Es war sehr warm gewor­den unter der Decke, die Papa über mich gebrei­tet hat­te. Als ich auf­wach­te, war das Mit­tag­essen längst vor­bei und der jun­ge Mann, der Ste­wart, von dem ich Ihnen schon geschrie­ben habe, saß neben mei­ner Lie­ge auf dem Boden. Er hat­te ein Fern­glas dabei. Ich glau­be, er hat­te das Fern­glas für mich mit­ge­bracht. Ich habe zuerst noch so getan, als wür­de ich schla­fen, und habe ihn mir ange­schaut, Sie ver­ste­hen, Mr. Lou­is, Seh­schlitz­au­gen. Er ist hübsch. Er mag die Son­ne. Er mag die Son­ne sehr. Und fast bin ich mir sicher, dass er mich wie die Son­ne mag. Oft ist er in mei­ner Nähe. Wenn er nur nicht immer so trau­rig schau­en wür­de. Mal sieht er mich ver­liebt an, dann wie­der, als wür­de es reg­nen in sei­nem Her­zen. Viel­leicht weiß er, dass ich sehr krank bin, ja, viel­leicht weiß er das, und trotz­dem ist er ver­liebt. Das wär schön, wenn er sich in mich ver­lie­ben könn­te, obwohl er weiß, dass ich sehr krank bin. Ich habe mir oft gedacht, dass ich allei­ne bin, ein­sam, weil die jun­gen Män­ner mit einem kran­ken Mäd­chen kei­ne Lie­be haben wol­len, obwohl ich ein schö­nes Mäd­chen bin. Oh, wie glück­lich wäre ich, wenn er alles von mir wüss­te. Ich müss­te nichts ver­ber­gen. Wale haben wir bis­lang kei­ne gese­hen. Viel­leicht spä­ter, viel­leicht am Abend. – Ihre Geral­di­ne auf hoher See

notiert im Jah­re 1962
an Bord der Queen Mary
auf­ge­fan­gen am 16.11.2008
22.27 MEZ

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gedankengeschichte

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romeo : 16.25 — Mit einer jun­gen Ärz­tin im Gespräch über Men­schen, die sich aus modi­schen Grün­den von klei­ne­ren Tei­len ihrer Wan­gen tren­nen, um sie durch edels­te Höl­zer zu erset­zen, je nach Teint, stell­te ich mir vor, hel­le­re oder etwas dunk­le­re Mate­ria­li­en, die man polie­ren kann, die glü­hen wie die Sub­stan­zen fei­ner Pfei­fen­köp­fe. Ich erzähl­te die­se Gedan­ken­ge­schich­te bei einer Tas­se Scho­ko­la­de, rück­te mit mei­ner Fan­ta­sie lang­sam vor­wärts, weil ich erwar­te­te, sie wür­de viel­leicht auf­sprin­gen und sich ent­fer­nen wol­len. Statt­des­sen stell­te sie die Fra­ge, ob man die Mate­ria­li­en des Wal­des, über die ich nach­ge­dacht hat­te, als Schmuck­wa­re betrach­ten soll­te, die im Fleisch des Kör­pers schwim­men wür­de, oder eher um Bojen­kör­per, wel­che mit einem der Gesichts­kno­chen ver­bun­den sein müss­ten. Sie mach­te eine klei­ne Pau­se und noch ehe ich ant­wor­ten konn­te, stell­te sie nüch­tern fest: Die Rän­der der Natür­lich­keit sind ein Pro­blem. stop. Kurz nach vier Uhr und fast schon dun­kel. Seit einer Stun­de Regen. Er kommt in einer Wei­se vom Him­mel gefal­len, dass ich ihn wie­der hören kann. — stop

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coltrane! coltrane!

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echo : 8.27 — Das war­me Licht, das im Holz der Kon­tra­bäs­se brennt, ein Glü­hen, in das ich ver­narrt bin, soweit ich zurück­den­ken kann? Die Schu­he eines uralten Bas­sis­ten, wie sie vor dem klei­nen Jun­gen sehr fest auf dem Boden einer Kel­ler­büh­ne ste­hen, wäh­rend die Welt drum­her­um auf­ge­wühlt ist, schwar­ze, spie­gel­blan­ke Schu­he, und irgend­wo weit oben am Schne­cken­turm, dunk­le Hän­de, die wie Ech­sen über Holz und kup­fer­ne Sei­le sprin­gen. — Mein selt­sam füh­len­der Bauch. — Wun­der­te mich, dass sie mit­ein­an­der spre­chen, wäh­rend sie spie­len, lachen, spa­ßen, sich befeu­ern und beim Namen nen­nen. Höre ich nicht gera­de noch The­lo­ni­us Sphe­re Mon­ks Stim­me wie er im Jah­re 1957: Col­tra­ne! Col­tra­ne ruft?  — stop

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bryant park

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sier­ra : 8.57 — Es hat­te Stun­den lang gereg­net, jetzt dampf­te der Boden im süd­wärts vor­rü­cken­den Nord­licht, und das Laub, das alles bedeck­te, die stei­ner­nen Bän­ke, Brun­nen und Skulp­tu­ren, die Büsche und Som­mer­stüh­le der Cafés, beweg­te sich trock­nend wie eine abge­wor­fe­ne Haut, die nicht zur Ruhe kom­men konn­te. Boule­spie­ler waren vom Him­mel gefal­len, feg­ten ihr Spiel­feld, schon war das Kli­cken der Kugeln zu hören, Schrit­te, Rufe. Wie ich so zu den Spie­lern schlen­der­te, kreuz­te eine jun­ge Frau mei­nen Weg. Sie tas­te­te sich lang­sam vor­wärts an einem wei­ßen, sehr lan­gen Stock, den ich ein­ge­hend beob­ach­te­te, rasche, den Boden abklop­fen­de Bewe­gun­gen. Als sie in mei­ne Nähe gekom­men war, viel­leicht hat­te sie das Geräusch mei­ner Schrit­te gehört, sprach sie mich an, frag­te, ob es bald wie­der reg­nen wür­de. Ich erin­ne­re mich noch gut, zunächst sehr unsi­cher gewe­sen zu sein, aber dann ging ich ein Stück an ihrer Sei­te und berich­te­te vom Okto­ber­licht, wel­ches ich so lieb­te, von den Far­ben der Blät­ter, die unter unse­ren Füßen raschel­ten. Bald saßen wir auf einer nas­sen Bank, und die jun­ge Frau erzähl­te, dass sie ein klei­nes Pro­blem haben wür­de, dass sie einen Brief erhal­ten habe, einen lang erwar­te­ten, einen ersehn­ten Brief, und dass sie die­sen Brief nicht lesen kön­ne, ein Mann mit Augen­licht hät­te ihn geschrie­ben, ob ich ihr den Brief vor­le­sen kön­ne, sie sei so sehr glück­lich, die­sen Brief end­lich in Hän­den zu hal­ten. Ich öff­ne­te also den Brief, einen Luft­post­brief, aber da stan­den nur weni­ge, sehr har­te Wor­te, ein Ende in sechs Zei­len, Druck­buch­sta­ben, eine schlam­pi­ge Arbeit, rasch hin­ge­wor­fen, und obwohl ich wuss­te, dass ich etwas tat, das ich nicht tun durf­te, erzähl­te mei­ne Stim­me, die vor­gab zu lesen, eine ganz ande­re Geschich­te. Liebs­te Mar­len, hör­te ich mich sagen, liebs­te Mar­len, wie sehr ich Dich doch ver­mis­se. Konn­te so lan­ge Zeit nicht schrei­ben, weil ich Dei­ne Adres­se ver­lo­ren hat­te, aber nun schrei­be ich Dir, schrei­be Dir aus unse­rem Café am Bryant Park. Es ist gera­de Abend gewor­den in New York und sicher wirst Du schon schla­fen. Erin­nerst Du Dich an die Nacht, als wir hier in unse­rem Café Dei­nen Geburts­tag fei­er­ten? Ich erzähl­te Dir von einer klei­nen, dunk­len Stel­le hin­ter der Tape­te, die so rot ist, dass ich Dir nicht erklä­ren konn­te, was das bedeu­tet, die­ses Rot für sehen­de Men­schen? Erin­nerst Du Dich, wie Du mit Dei­nen Hän­den nach jener Stel­le such­test, wie ich Dei­ne Fin­ger führ­te, wie ich Dir erzähl­te, dass dort hin­ter der Tape­te, ein Tun­nel endet, der Euro­pa mit Ame­ri­ka ver­bin­det? Und wie Du ein Ohr an die Wand leg­test, wie Du lausch­test, erin­nerst Du Dich? Lan­ge Zeit hast Du gelauscht. Ich höre etwas, sag­test Du, und woll­test wis­sen, wie lan­ge Zeit die Stim­men wohl unter dem atlan­ti­schen Boden reis­ten, bis sie Dich errei­chen konn­ten. – An die­ser Stel­le mei­ner klei­nen Erzäh­lung unter­brach mich die jun­ge Frau. Sie hat­te ihren Kopf zur Sei­te geneigt, lächel­te mich an und flüs­ter­te, dass das eine sehr schö­ne Geschich­te gewe­sen sei, eine tröst­li­che Geschich­te, ich soll­te den Brief ruhig behal­ten und mit ihm machen, was immer ich woll­te. Und da war nun das aus dem Boden kom­men­de Nord­licht, das Knis­tern der Blät­ter, die Stim­men der spie­len­den Men­schen. Wir gin­gen noch eine klei­ne Stre­cke neben­ein­an­der her, ohne zu spre­chen. Ich seh gera­de ihren über das Laub tas­ten­den Stock und ein Eich­hörn­chen mit einer Nuss im Maul, das an einem Baum­stamm kau­er­te. Bei­na­he kommt es mir in die­ser Sekun­de so vor, als hät­te ich die­ses Eich­hörn­chen und sei­ne Nuss nur erfun­den. — stop

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que sera, sera, whatever will be, will be …

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tan­go : 8.52 — Immer schon hab ich geträumt. Als Jun­ge saß ich auf Bäu­men, mein­te, hoch auf einem Schiff zu schau­keln, bis ich bemerk­te, dass die Zeit der Phy­sik­stun­de bereits hin­ter mir lag. Dann war ich Astro­naut oder Tau­cher, ich träum­te Glüh­bir­nen, wie man sie macht, war ein Ent­de­cker in luf­ti­gen Räu­men. Eines Tages begann ich, mei­ne Träu­me auf­zu­zeich­nen, um sie fort­set­zen zu kön­nen. Nun hat­te das Träu­men etwas mit Erfin­dung zu tun, weil die geträum­te Zeit und ihre Geschich­ten der wirk­li­chen Welt ein­ge­schrie­ben, ja ein­ver­leibt wer­den konn­ten, einer Welt auf dem Papier, wo sie sich behaup­ten soll­ten. Von die­sem Moment an sam­mel­te ich Träu­me, Ent­de­ckun­gen, Nacht­zep­pe­li­ne, konn­te zei­gen, was ich erfand, konn­te tei­len mit ande­ren Men­schen, eine span­nen­de Auf­ga­be, nie ist mir seit­her lang­wei­lig gewor­den. Oft steh’ ich mor­gens in mei­nem Zim­mer und schon wird geträumt, noch wäh­rend ich mich wasche begin­ne ich mei­ne Arbeit, suche, bin auf­merk­sam, lau­sche. Ja, ich arbei­te, wenn ich lau­sche, wenn ich träu­me, ohne zu schla­fen. Manch­mal träu­me ich auf der Stra­ße, wäh­rend ich spa­zie­re, das ist natür­lich sehr gefähr­lich, weil ich Ampeln ver­ges­se, weil ich mich ver­lau­fe oder in ver­kehr­te Stra­ßen­bah­nen stei­ge. Ges­tern Nach­mit­tag beleuch­te­te ich einen Frosch, der die mensch­li­che Spra­che zu imi­tie­ren ver­mag. Zwei Stun­den lang arbei­te­te ich, ging Ein­kau­fen, fort­wäh­rend träu­mend, erfin­dend, küm­mer­te mich in der Küche um eine Enten­brust, ein­mal tele­fo­nier­te ich, ohne je mei­ne Gedan­ken an den klei­nen, spre­chen­den Frosch auf­zu­ge­ben. Ein Geschenk die­ses Erzäh­len, die­se Art und Wei­se zu leben, gera­de in schwie­ri­gen Zei­ten. — stop

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lebenszeichen

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alpha : 5.56 – Ich habe heu­te Nacht eine Ton­band­ma­schi­ne, einen Notiz­block, Blei­stif­te, einen Radier­gum­mi und einen gezeich­ne­ten Grund­riss jenes Ortes, von dem ich erzäh­le, auf den Tisch vor mir abge­legt, auch einen höl­zer­nen Kas­ten, in dem ich Kar­tei­kar­ten ver­wah­re, die ich im Prä­pa­rier­saal rasch beschrie­ben habe, Sekun­den­wa­re, ein Ver­zeich­nis der Geräu­sche, der Bewe­gun­gen, der Fra­gen, Atmo­sphä­ren, Gedan­ken, die ich mit unru­hi­gen Hän­den in mei­ne geöff­ne­te Hand­flä­che notier­te. Ich mei­ne, einen fei­nen Geruch von For­ma­lin zu ver­neh­men, der noch immer von den Kärt­chen auf­zu­stei­gen scheint. Jetzt schrei­be ich das Wort Meer und sofort danach das Wort Atlan­tik. Eine jun­ge Frau sitzt vor die­sem atlan­ti­schen Meer an Deck eines sehr gro­ßen Schif­fes. Sie unter­hält sich mit einem Matro­sen, der ihr eine Zei­tung brach­te. Wenn ich sie so heim­lich beob­ach­te, mei­ne ich zu erken­nen, dass sie ver­liebt ist. Sie errö­tet, wenn der jun­ge Mann zu ihr spricht, schlägt die Augen nie­der, dann wirft sie Brot in die Luft zu den Möwen hin. — 5 Uhr 18. Seit Mon­tag 25.8. wie­der Funk­zei­chen aus Peking > Zeng Jin­yan ( chi­ne­se : eng­lish by babelfish )

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