Abschnitt Montauk meldet folgende gegen Küste geworfene Artefakte : | stop | Wrackteile [ Seefahrt — 8678, Luftfahrt — 1887, Automobile — 22851 ], Grußbotschaften in Glasbehältern [ 18. Jahrhundert — 12, 19. Jahrhundert – 26, 20. Jahrhundert – 577 , 21. Jahrhundert — 332 ], physical memories [ bespielt — 257, gelöscht : 56 ], Manuskriptseiten [ John Don Passos – Manhatten Transfer 3 ], Öle [ 1.3 Tonnen ], Prothesen [ Herz – Rhythmus – Beschleuniger – 78, Kniegelenke – 3, Hüftkugeln – 46, Brillen – 654 ], Schuhe [ Größen 28 – 37 : 2112 , Größen 38 — 45 : 5932 ], Kühlschränke [ 295 ], Tiefseetauchanzüge [ ohne Taucher – 10, mit Taucher – 53 ], Engelszungen [ 18 ] | stop |
Aus der Wörtersammlung: seite
yanuk : hört zupfende geigen
~ : yanuk le
to : louis
subject : GEIGEN
date : jan 12 09 6.52 a.m.
Dämmerung. Und doch schon warme, weiche, ja schmeichelnde Luft. Werde einige Wochen hier auf Höhe 51O verweilen. Bin glücklich. Mehrfach während eines Tages passiert das Mädchen, von dem ich berichtete, mit einem rasselnden Geräusch, das vielleicht eine Sprache darstellen sollte, unser Habitat. Eine fabelhafte Kletterin! Entweder ist sie leicht wie eine Feder, oder aber sie verfügt über außerordentliche Muskelkräfte. Kein Tag, seit sie auf uns gestoßen ist, an dem sie nicht aus den Schatten der Blätter und Blüten tauchte, um bewegungslos für lange Zeiten mittels eines Armes an einem Ast befestigt vor uns über dem Abgrund zu schweben. Sie scheint in dieser Haltung doch zu schlafen. Ein seltsames Wesen! Gesprochen haben wir bislang noch nicht, kein verständliches Wort kam über ihre Lippen, aber sie lauscht meiner Stimme, indem sie den Kopf zu Seite neigt, wenn ich etwas sage, wenn ich erzähle, zum Beispiel, von Dir erzähle, und dass ich für Dich Gedanken und Beobachtungen notiere aus dem Gebiet der Riesenbäume. Auch in diesen Sekunden, lieber Mr. Louis, ist sie hier bei uns. Sie muss vor Kurzem noch, während eines Jagdausfluges, den Erdboden betreten haben. Der leblose Körper eines Kaninchens baumelt über ihrer linken Schulter. Denkbar, dass wir bald ein Geschenk erhalten werden. Cucurrucu — Yanuk
eingefangen
6.55 UTC
1875 Zeichen
mrs. callas betrachtet raissa orlowa und lew kopelew
nordpol : 0.01 — Kam von einem Besuch bei Freunden nach Hause zurück, und wie ich so in meine Wohnung stolperte, entdeckte ich Mrs. Callas, die weinend vor einer Fotografie stand, vor einer Schwarz-Weiß-Fotografie, die ich seit vielen Jahren besitze und mir immer wieder sehr gerne ansehe. Natürlich wunderte ich mich, dass Mrs. Callas weinte, weil die Fotografie zwei alte Menschen zeigt, eine Frau und einen Mann, die friedvoll Seite an Seite in einer Küche an einem Tisch sitzen. Raissa Orlowa, liest ihrem alten Mann, Lew Kopelew, vielleicht aus einem Buch vor. Und ich fragte Mrs. Callas, warum sie denn weinen würde, das sei doch eine sehr beruhigende Fotografie. Ich glaube, setzte ich hinzu, sie sind glücklich. Mrs. Callas antwortete unverzüglich mit Ernst in der Stimme, ja, das sind sie, glücklich, ganz sicher sind sie sehr glücklich. Ich wünsche mir für mich ein Ende wie dieses hier an der Wand, Mr. Louis. Sie müssen mir ein anderes Ende schreiben! – Und so sitze ich nun müde auf dem Sofa und notiere diese Geschichte, während Mrs. Callas mich hoffnungsvoll beobachtet. Wie nur könnte ich sie trösten, weil ich doch vor ihrem Schicksal ohnmächtig bin? Vielleicht könnte ich erzählen, dass ich Lew Kopelew in München einmal für wenige Sekunden begegnete. Ich könnte ihr beschreiben, wie er mir am Hauptbahnhof aus einer Menschenmenge heraus entgegenkommt, wie ich seine Erscheinung, seine stattliche Größe, seinen schlohweißen Bart bewundere. Und ich könnte Mrs. Callas berichten, wie Lew Kopelew meinen Blick bemerkt, wie er mich freundlich betrachtet und wie er meinen nickenden Gruß erwidert, weil er in meinem Blick gesehen haben wird, dass ich ihn für lange Zeit gelesen habe und immer wieder lesen werde. – Ja, vielleicht sollte ich Mrs. Callas von diesen Sekunden meines Lebens erzählen, und dass es erholsam sein könnte, sich zunächst einmal zur Ruhe zu legen für zwei oder drei Tage.
die liebe der zeppelinkäfer
india : 2.12 — Schon weit nach Mitternacht, aber immer noch ein später Abend summender Luft. Habe drei lange Stunden versucht 18.924.150 Zeichen des menschlichen Genoms als Sequenz in mein Textverarbeitungsprogramm zu laden. Immer wieder scheitert die Formatierung mit der Seite 32.678 des Dokuments, als ob meine Computermaschine sagen wollte, diesen Unsinn mache ich nicht länger mit. — Nun aber rasch noch einen ernsthaften Gedanken notieren. Nehmen wir einmal an, es wäre möglich, einen Käfer zu entwickeln, sagen wir, einen Zeppelinkäfer, der nahe absoluter Schwerelosigkeit unter letzten Molekülen von Sauerstoff schwebend Ozon produzieren würde, dann könnte man sich einen zweiten Käfer vorstellen, einen Zeppelinkäfer gleichwohl, der eine Käferdame sein sollte, die sich natürlich sofort verlieben wird, weshalb wir bald einen Nebel kleinster, sehr gefräßiger Zeppelinkäfer vor uns am Himmel sehen würden. — Eine beruhigende Vorstellung, sagen wir, sehr beruhigend. — Was aber fressen sie dort oben, wo es doch nichts gibt außer Mond, Stern und Sonnenlicht? Man könnte eine Gattung weiterer Käfer erfinden, Käfer, die sehr schmackhaft sind und leidenschaftlich gerne, sobald man sie freilassen wird, hinter die Wolken steigen, um sich ihren Freuden, den Zeppelinkäfern, mit allem, was sie sind und haben, hinzugeben. — Ich sollte sofort ein kombiniertes Patent versuchen.
schlafende wale
nordpol : 0.12 — Kurz nach Mitternacht. Notierte folgenden Text: „Das Meer ruhig. Nichts zu hören, nur das Blasen der Wale. Kühles Geräusch von Wasser, von Luft. Sie liegen um die Rettungsinsel herum. Habe den Eindruck, sie warten. 12 Tiere. Gewaltige, weiße Körper. Helle Augen, schwarz gezeichnete Flossen. Auch das Heck, schwarz. Längs, über den Rücken hin, eine handbreite Zeichnung, orangefarben und exakt, als sei sie von einer Maschine aufgetragen. Sie werden ein oder zwei Stunden unter Wasser gewesen sein, vielleicht waren es fünf, vielleicht sechs, vielleicht sieben Stunden. Die Luft riecht nach Metall, nach Salz, nach Tang. Von Zeit zu Zeit tauchen sie ab, kreuzen unter der Insel, ohne uns zu berühren, ohne das Wasser zu bewegen, als wollten sie uns schonen. Auch Mrs. Anderson, unbewegt. Keine Raubfische. Warte auf Rettung. Joe Ellis hier — Joe Ellis — Rufe London.“ — In diesen Tagen, da ich einen atlantischen Text vertiefe, immer wieder das Staunen darüber, dass ich in einer Art und Weise über Wale schreibe, als hätte ich Jahre an ihrer Seite schwimmend zugebracht. – stop
yanuk : monkeys
~ : yanuk le
to : louis
subject : MONKEYS
date : nov 2 08 8.17 p.m.
Habe zwei Tage und zwei Nächte ohne Unterbrechung geschlafen. Hatte von einem Blatt gekostet, das mir nicht bekannt gewesen war. Ich sage Dir, Mr. Louis, eine Müdigkeit, ganz wunderbar, sehr plötzlich, leicht und warm, unwiderstehlich warm. Es ist jetzt kurz vor acht Uhr und bereits dunkel geworden. Ich sitze noch immer auf Höhe 286 im Zelt unter 15 kleinen Affen. Sie sind zurückgekehrt, während ich schlief, haben meine Vorräte an Trockenfleisch geplündert und toben und kreischen herum, dass man uns meilenweit hören wird. Will noch erwähnen, ich sehe sehr seltsam aus, trage auf der rechten Seite meines Kopfes kaum noch Haar, weil einer der Tamarine eine Schere im Rucksack entdeckte. Werde, wenn es wieder hell geworden sein wird, eine Fotografie versuchen, vielleicht kann ich sie Dir senden. Hoffe, dass der Regen bald aufhören wird. Seit ich meine kleine Nachricht an Dich zu schreiben begann, ist ein Affe nach dem anderen näher gekommen. Sie sitzen nun im Kreis um meine Maschine herum und beobachten meine Hände. Ich ahne, was sie sich bald wünschen werden. — Cucurrucu! Yanuk
eingefangen
22.52 UTC
1382 Zeichen
bryant park
sierra : 8.57 — Es hatte Stunden lang geregnet, jetzt dampfte der Boden im südwärts vorrückenden Nordlicht, und das Laub, das alles bedeckte, die steinernen Bänke, Brunnen und Skulpturen, die Büsche und Sommerstühle der Cafés, bewegte sich trocknend wie eine abgeworfene Haut, die nicht zur Ruhe kommen konnte. Boulespieler waren vom Himmel gefallen, fegten ihr Spielfeld, schon war das Klicken der Kugeln zu hören, Schritte, Rufe. Wie ich so zu den Spielern schlenderte, kreuzte eine junge Frau meinen Weg. Sie tastete sich langsam vorwärts an einem weißen, sehr langen Stock, den ich eingehend beobachtete, rasche, den Boden abklopfende Bewegungen. Als sie in meine Nähe gekommen war, vielleicht hatte sie das Geräusch meiner Schritte gehört, sprach sie mich an, fragte, ob es bald wieder regnen würde. Ich erinnere mich noch gut, zunächst sehr unsicher gewesen zu sein, aber dann ging ich ein Stück an ihrer Seite und berichtete vom Oktoberlicht, welches ich so liebte, von den Farben der Blätter, die unter unseren Füßen raschelten. Bald saßen wir auf einer nassen Bank, und die junge Frau erzählte, dass sie ein kleines Problem haben würde, dass sie einen Brief erhalten habe, einen lang erwarteten, einen ersehnten Brief, und dass sie diesen Brief nicht lesen könne, ein Mann mit Augenlicht hätte ihn geschrieben, ob ich ihr den Brief vorlesen könne, sie sei so sehr glücklich, diesen Brief endlich in Händen zu halten. Ich öffnete also den Brief, einen Luftpostbrief, aber da standen nur wenige, sehr harte Worte, ein Ende in sechs Zeilen, Druckbuchstaben, eine schlampige Arbeit, rasch hingeworfen, und obwohl ich wusste, dass ich etwas tat, das ich nicht tun durfte, erzählte meine Stimme, die vorgab zu lesen, eine ganz andere Geschichte. Liebste Marlen, hörte ich mich sagen, liebste Marlen, wie sehr ich Dich doch vermisse. Konnte so lange Zeit nicht schreiben, weil ich Deine Adresse verloren hatte, aber nun schreibe ich Dir, schreibe Dir aus unserem Café am Bryant Park. Es ist gerade Abend geworden in New York und sicher wirst Du schon schlafen. Erinnerst Du Dich an die Nacht, als wir hier in unserem Café Deinen Geburtstag feierten? Ich erzählte Dir von einer kleinen, dunklen Stelle hinter der Tapete, die so rot ist, dass ich Dir nicht erklären konnte, was das bedeutet, dieses Rot für sehende Menschen? Erinnerst Du Dich, wie Du mit Deinen Händen nach jener Stelle suchtest, wie ich Deine Finger führte, wie ich Dir erzählte, dass dort hinter der Tapete, ein Tunnel endet, der Europa mit Amerika verbindet? Und wie Du ein Ohr an die Wand legtest, wie Du lauschtest, erinnerst Du Dich? Lange Zeit hast Du gelauscht. Ich höre etwas, sagtest Du, und wolltest wissen, wie lange Zeit die Stimmen wohl unter dem atlantischen Boden reisten, bis sie Dich erreichen konnten. – An dieser Stelle meiner kleinen Erzählung unterbrach mich die junge Frau. Sie hatte ihren Kopf zur Seite geneigt, lächelte mich an und flüsterte, dass das eine sehr schöne Geschichte gewesen sei, eine tröstliche Geschichte, ich sollte den Brief ruhig behalten und mit ihm machen, was immer ich wollte. Und da war nun das aus dem Boden kommende Nordlicht, das Knistern der Blätter, die Stimmen der spielenden Menschen. Wir gingen noch eine kleine Strecke nebeneinander her, ohne zu sprechen. Ich seh gerade ihren über das Laub tastenden Stock und ein Eichhörnchen mit einer Nuss im Maul, das an einem Baumstamm kauerte. Beinahe kommt es mir in dieser Sekunde so vor, als hätte ich dieses Eichhörnchen und seine Nuss nur erfunden. — stop
papiertierchen
nordpol : 9.15 — Man stelle sich einmal vor, Papiertierchen existierten in unserer Welt. Nicht etwa Tierchen, die aus Papier gemacht sind oder vergleichbarer Ware, sondern tatsächliche Lebewesen, die so ausgedacht sind, dass sie sich zu Formen versammeln, die einer Papierseite ähnlich sind. Weil diese Lebewesen, wie ich sie mir gerade male, sehr klein sein sollten, sagen wir in der Fläche so groß wie die Spitze einer Nadel, würde ein Maschinenbogen von nicht weniger als zwei Millionen Individuen nachgebildet sein. Jedes Papiertierchen, sichtbar ganz für sich nur im Licht eines sehr guten Mikroskops, ist nun von dem Wunsch beseelt, sich mit jeweils vier weiteren Tierchen, die es schon immer kennt, mittels feinster Tentakeln zu verbinden oder zu befreunden, und zwar nur mit diesen, sodass man von eindeutiger Ordnung sprechen könnte, nicht von einer beliebigen Anordnung. Ja, jedes der kleinen Wesen für sich spricht von einem ureigenen Ort, den es niemals vergisst. Sobald alles schön zu einer Seite geordnet ist, werden mit Licht, mit einem Lichtstift genauer, Zeichen gesetzt auf das lebende Papier, indem man leichter Hand wie mit einem Füller schreibt. Wird ein schneeweißes Tierchen berührt vom notierenden Licht, nimmt es sogleich die schwarze Farbe an und verbleibt von diesem Schwarz, bis es von weiterem Licht berührt werden könnte, einem Licht natürlich, das sehr stark sein muss, weil doch der Tag oder jede Lampe das Zeichen der Nacht sofort über die Landschaft der filigranen Körper schreiben würde. Ich hatte, während ich diesem Gedanken noch auf einer gewöhnlichen Computerschreibmaschine folgte, die Idee, dass sie vielleicht alle sehr schreckhaft sind, also zunächst unvollkommen oder wild, dass sie, zum Beispiel, wenn ein Feuerwehrauto in ihrer Nähe vorüber kommen sollte, sofort auseinander fliegen in Panik, sich verstecken, um jedes für sich oder in größeren Gruppen an den Wänden meiner Zimmer zu sitzen. Vielleicht lungern sie auch auf Kaffeetassen herum oder in den Haarblättern eines Elefantenfußbaumes, ja, das ist sehr gut denkbar. Ich werde dann warten, ruhig und gelassen warten, bis sie sich wieder beruhigt haben werden und zurückkommen, sagen wir nach einer Stunde oder zwei. Dann weiter schreiben oder lesen oder denken. Und jetzt hab ich einen Knoten im Kopf. — stop
anleitung zum glücklichsein
ginkgo : 18.25 — Am letzten Tag des Septembers unterm Regenschirm spaziert. Zunächst regnete es Regensand, dann Regenreis, dann regnete es kleine Frösche. Für einen kurzen Moment dachte ich daran, in einem Film angekommen zu sein, der von Louisiana handelt. Das war ein feines Gefühl unterm klingenden Schirm am Ufer des Mississippi zu stehen und den Fröschen zu lauschen, die auf ihrer letzten Reise vom Himmel erstaunliche, pfeifende Geräusche von sich gaben. Als ich so im Froschregen am großen Fluss stand, erinnerte ich mich an einen kleinen Text, den ich im vergangenen Jahr bereits geschrieben habe. Und sofort wusste ich, dass ich diesen Text, sobald ich wieder zu Hause angekommen sein würde, noch einmal lesen sollte. Es ist noch immer ein beruhigender Text, ein Text, der mich berührt. Deshalb will ich diesen kleinen Text, eine Anleitung zum Glücklichsein, noch einmal für Sie wiederholen: „Man verlasse das Haus. Sorgfältig alle Bewegungen des Verkehrs beachtend, gehe man so lange durch die Stadt, bis man auf eine Buchhandlung trifft. Dort kaufe man: Cortazar, Julio – Geschichten der Cronopien und Famen. Dann gehe man spazieren, trage den schmalen Band durch die Straßen, bis man einen Park erreicht, wenn Sommer, oder ein Café, wenn Winter ist. Man nehme Platz und lese. Über den Umgang mit Ameisen beispielsweise, oder wie wunderbar angenehm es ist, ein Spinnenbein postalisch an einen Außenminister aufzugeben. Oder man lasse sich im Uhrenaufziehen oder im Treppensteigen unterweisen. Jetzt bereits wird man eine leichte Wärme spüren, die aus der Gegend des Bauches nach oben und unten in Arme und Beine auswandert. Also lese man weiter, lausche jenen angenehmen Geräuschen im Kopf, – diesem sagen wir: Jedermann wird schon einmal beobachtet haben, dass sich der Boden häufig faltet, dergestalt, dass ein Teil im rechten Winkel zur Bodenebene ansteigt und der darauffolgende Teil sich parallel zu dieser Ebene befindet, um einer neuen Senkrechte Platz zu machen. Oder jenem: Treppen steigt man von vorn, da sie sich von hinten oder von der Seite her als außerordentlich unbequem erweisen. It works.”
yanuk : stille
~ : yanuk le
to : louis
subject : STILLE
date : sept 7 08 10.15 p.m.
Lieber Mr. Louis, in der vergangenen Nacht sind seltsame Dinge geschehen. Ich hatte auf Höhe 258 mein Zelt aufgeschlagen, weil es geregnet, nein, weil es sehr stark geregnet hatte gestern Nachmittag. Die Bäume tropften und ich ahnte, dass nachts noch einmal Regen fallen würde, so feucht war die Luft geworden. Ich legte mich also in mein Zelt, hörte dem Singen der Nachtaffen zu und irgendwann schlief ich ein. Als ich erwachte, war es noch immer dunkel. Ich konnte nichts hören, keinen Laut, es war so still, als hätte ich meine Ohren verloren. Ja, für einen Moment dachte ich, dass das Hörvermögen der Lebewesen vielleicht nur eine Idee gewesen war, eine poetische Eigenschaft ohne die Möglichkeit einer Verwirklichung, und doch hörte ich Stille, ich hörte, dass ich nichts hörte, nichts von Außen her, also Stille von Außen, aber ein rhythmisches Geräusch von Innen, vermutlich die Bewegung meines Blutes. Ich verließ das Zelt und hörte noch immer nichts als mein Herz, das etwas schneller schlug. Eine Wolke kleinster Fliegen tanzte um meine Kletterlaterne, zwei Geckos saßen an einem Stamm in ihrer Nähe und angelten sich die schönsten Exemplare heraus. Ich hatte ihnen gestern bereits bei ihrer bequemen Arbeit zugesehen, und ich erinnerte mich, dass der Dschungel um mich herum geknistert hatte und die Affen ein unentwegtes Gespräch führten über große Distanz. Jetzt, wie zur Prüfung, berührte ich meine Ohren, sie waren noch da, beide Muscheln. Indem ich an der linken Muschel zog, drehte sich etwas herum in meinem Ohr, es krachte und ich hatte den festen Eindruck, besucht worden zu sein. Und auch rechts drehte man sich in meinem Ohr, sobald ich daran zog, zur Seite, aber dann wieder Stille beiderseits. Ich legte mich ins Zelt zurück und überlegte, ob ich vielleicht in Gefahr sein könnte, ob man vielleicht mein Gehirn betreten wollte, und weil es so schön still war, bin ich eingeschlafen. Ich schlief sehr lange, war schon hell, als ich erwachte, und der Dschungel knisterte und wisperte um mich her, und ich hörte die Affen des Tages und das Rufen der Nashornvögel und lag eine Weile so da, froh wieder hören zu können. Wie jeden Morgen saßen prachtvolle Käfer und Falter und Fliegen an den Wänden meines Zeltes. Und alle taten sie so, als hätten sie mit meinen Ohren nicht das Mindeste zu tun. stop. Yanuk
eingefangen
0.52 UTC
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