Aus der Wörtersammlung: vater

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seelenkästchen

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zou­lou : 0.02 — Ich balan­cie­re das Kreuz, das aus Eisen gedreht wur­de, im Zug zwi­schen den Hän­den. Wun­der­schö­ne wei­ße Ber­ge am Hori­zont, ent­lang der Stre­cke blü­hen Apfel­bäu­me. Der Mann, der sich das Kreuz anse­hen will, ist Künst­ler. Er arbei­tet aus­schließ­lich an Kreu­zen. Das Kreuz mei­nes Vaters soll kost­bar, soll über 200 Jah­re alt sein, wird er bald erzäh­len, wir haben es in Süd­ti­rol auf einem Schutt­berg gefun­den. In der Hal­le fla­ckern offe­ne Feu­er. Es ist still. Ein paar Flie­gen sind im war­men Licht in der Luft zu erken­nen und die Hand des Schmie­des, klein und weich. Sie fährt die fei­nen Schmuck­li­ni­en des Kreu­zes ent­lang, da und dort feh­len Spit­zen. Jede der feh­len­den Spit­zen wird geschätzt, wie sie wohl aus­ge­se­hen haben mag und was sie viel­leicht kos­ten wird. Es ist nicht das Mate­ri­al, sagt der Mann, es ist heut­zu­ta­ge die Zeit, ver­ste­hen Sie, die Arbeits­zeit. Er öff­net behut­sam die Tür eines Gehäu­ses, das sich im Zen­trum des Kreu­zes befin­det. Jetzt schließt er es wie­der, tritt einen Schritt zur Sei­te und erkun­digt sich, ob ich den wis­se, dass die­ses Gehäu­se, ein soge­nann­tes See­len­käst­chen sei, ein Ort, an dem sich die See­le eines ver­stor­be­nen Men­schen aus­ru­hen kön­ne, bis sie wei­ter him­mel­wärts auf­stei­gen wür­de. Eine wun­der­vol­le Erfin­dung. Es ist für mich die ers­te Begeg­nung mit einer Form, die eine kon­kre­te Vor­stel­lung der Grö­ße einer Men­schen­see­le sofort ent­ste­hen lässt. Ich sage zu dem Mann, der dicht neben mir steht, dass sie doch klei­ne Wesen sind, die See­len der Men­schen. Und dann gehe ich wie­der. Es ist schon hal­ber Nach­mit­tag. – stop

ping

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nachtstimmen : julija tymoschenko chen guangcheng

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tan­go : 3.08 — Gegen 2 Uhr in der Nacht wer­de ich wach. Regen, schwer, schlägt gegen das Fens­ter im Dach. Ein Sturm, unmög­lich, der nicht ange­kün­digt war in den Nach­rich­ten­li­ni­en, die ich ver­fol­ge. Stim­men kom­men aus der Fern­seh­ma­schi­ne, berich­ten von der umstrit­te­nen Poli­ti­ke­rin Juli­ja Tymo­schen­ko, von der Will­kür, die in nächs­ter Nähe in einem euro­päi­schen Land herrscht. Und da ist die­ser muti­ge Mann zu Peking, er trägt den Namen Chen Guang­ch­eng. Wie lan­ge Zeit wer­den wir noch von ihm und sei­ner Fami­lie hören? stop. Die Namen­lo­sen? stop.  Die­ser Sturm heu­te Nacht, unmög­lich, ein Gewit­ter, küh­le Luft, sie scheint im Kreis zu fah­ren. Wie ich am Fens­ter ste­he und schaue, plötz­lich das Bedürf­nis, zum Fried­hof zu lau­fen und einen Regen­schirm über das Grab mei­nes Vaters zu hal­ten. – stop

ping

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koffer unsichtbar

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echo : 0.03 — Mein Vater war ein Lieb­ha­ber tech­ni­scher Mess­ge­rä­te. Er notier­te mit ihrer Hil­fe Dau­er und Kraft des Son­nen­lichts bei­spiels­wei­se, das auf den Bal­kon über sei­nem Gar­ten strahl­te. Die Tem­pe­ra­tu­ren der Luft wur­den eben­so regis­triert, wie die Men­ge des Regens, der in den war­men Mona­ten des Jah­res vom Him­mel fiel. Selbst die Bewe­gun­gen der Gold­fi­sche im nahen Teich wur­den ver­zeich­net, Erschüt­te­run­gen des Erd­bo­dens, Tem­pe­ra­tu­ren der Pro­zes­so­ren sei­ner Com­pu­ter­ma­schi­ne. Es ist merk­wür­dig, bei­na­he täg­lich gehe ich zur­zeit auf die Suche, weil wie­der irgend­ei­ne die­ser Mess­ap­pa­ra­tu­ren einen piep­sen­den Ton von sich gibt, als ob mein Vater mit­tels sei­ner Maschi­nen noch zu mir spre­chen wür­de. Indes­sen habe ich seit zwei Tagen Kennt­nis von einer Foto­gra­fie, die mich neben mei­nem ster­ben­den Vater zeigt. Ich sit­ze auf einem Stuhl, mein Vater liegt in einem Bett. Es ist ein Bild, das ich zunächst kaum anzu­se­hen wag­te. Ich habe tat­säch­lich eine Hand vor Augen gehal­ten und zwi­schen mei­nen Fin­gern her­vor gespäht. Jetzt ist mir warm, wenn ich das Bild betrach­te. Die Foto­gra­fie zeigt einen fried­li­chen Moment mei­nes Lebens. Etwas geschieht, wovor ich mich lan­ge Zeit gefürch­tet habe. Wei­nen und Lachen fal­ten sich, wie Hän­de sich fal­ten. Mut­ter irrt zwi­schen Haus und Fried­hof hin und her, als wür­de sie irgend­ei­ne unsicht­ba­re Ware in gleich­falls unsicht­ba­ren Kof­fern tra­gen. — stop

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von den glücksgeräuschen der froschvögel

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ulys­ses : 4.18 — Frü­her Mor­gen. Wind­stil­le. Licht noch schwach. Die Luft ist kühl gewor­den über die Nacht. Vor dem Teich im Gar­ten die Spu­ren mei­ner Füße im Gras. Am Ufer des klei­nen Sees ruht ein Molch, äußerst lang­sam geht sein Herz­schlag, da muss doch ein Geräusch zu hören sein. Ich erin­ne­re mich, ges­tern wur­de die Ent­de­ckung eines neu­en Teil­chens im Atom bekannt gege­ben. Das Teil­chen trägt den Namen: Xi_b^0. Hät­te ich von sei­ner Ent­de­ckung nicht gele­sen, wäre ich in der Beob­ach­tung mei­ner Hand, die auf mei­nem Knie ruht, nicht so auf­merk­sam wie an die­sem frü­hen Mor­gen. Ich fra­ge mich, wie vie­le Teil­chen der Bezeich­nung Xi_b^0 sich in mei­ner halb­schla­fen­den Hand wohl befin­den mögen, wie alt sie sind und woher sie viel­leicht gekom­men waren. Es ist still am Mor­gen heu­te. Die Amseln schla­fen noch. Ein Was­ser­läu­fer über­quert den Teich. In die­sem Moment bemer­ke ich ein bal­lon­ar­ti­ges Wesen, das hoch über mir am Him­mel schwebt. Es nähert sich lang­sam, in dem es tie­fer kommt. Das Wesen ist hell, es ist weiß, es ver­fügt über Flü­gel, die sich sehr schnell bewe­gen, Füh­ler­au­gen, wie die Augen der Lun­gen­schne­cken, es ist ein Vogel. Der Vogel scheint den See unter ihm auf­merk­sam zu betrach­ten. Jetzt öff­net sich sein Bauch an erd­na­her Stel­le, ein Mund spitzt sei­ne fahl­ro­sa Lip­pen, Beu­tel fal­len her­aus aus die­sem Mund, sie schla­gen hohe Wel­len im Teich. Der Molch ver­schwin­det im Gras, Was­ser­läu­fer, die bewe­gungs­los an See­ro­sen­blatt­spit­zen däm­mer­ten, flit­zen auf und davon. Jene Beu­tel­chen, das kann ich von mei­ner Posi­ti­on aus gut erken­nen, die aus dem Vogel her­aus­ge­fal­len sind, haben sich geöff­net, Kaul­quap­pen, tau­sen­de, schwär­men nach allen Rich­tun­gen aus. Noch immer schwebt der Vogel über mir über dem See über der Wie­se. Ein fas­zi­nie­ren­des Geräusch ist von sei­nem Kör­per her zu ver­neh­men, ein Hupen, das Trom­pe­ten­ge­räusch eines Zwerg­ele­fan­ten. Es ist nun denk­bar, dass ich als ers­ter Mensch die Glücks­ge­räu­sche der Frosch­vö­gel wahr­ge­nom­men habe. — stop

für mei­ne Mutter,
für mei­nen Vater

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radio

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char­lie : 0.15 — Er habe, erzähl­te mein Vater, kurz nach dem Krieg ein Radio gebaut, einen Kurz­wel­len­emp­fän­ger, um die Sen­der der ame­ri­ka­ni­schen Befrei­ungs­ar­mee emp­fan­gen zu kön­nen. Er hoff­te, Ben­ny Good­man hören zu kön­nen, Gene Krupa, Glenn Mil­ler, Duke Elling­ton, alle jene groß­ar­ti­gen Musi­ker. An die­se Geschich­te erin­ner­te ich mich, wäh­rend ich ges­tern durch den war­men Tag spa­zier­te, Spin­nen seil­ten von den Bäu­men, Spech­te mit roten Köp­fen segel­ten über die Wege am Fluss, Dioden, Wider­stän­de, der Geruch von Zinn, das Glim­men einer Löt­kol­ben­spit­ze. Plötz­lich die Vor­stel­lung, mein Vater könn­te in den Stun­den mei­nes Spa­zier­gan­ges irgend­wo da oben jen­seits der Baum­kro­nen in einem hel­len Zim­mer sit­zen, auf einem wei­ßen Stuhl an einem wei­ßen Tisch. Wie er sich nach vorn beugt, wie er ein Radio kon­stru­iert, einen sen­si­blen Detek­tor, um unse­re dies­sei­ti­gen Stim­men wahr­neh­men zu kön­nen. Dampf stieg auf, ein hel­ler, dün­ner Faden. Kaum hun­dert Meter war ich wei­ter­ge­kom­men, da war aus der Vor­stel­lung eines Radi­os die Hoff­nung eines Funk­ge­rä­tes gewor­den. — stop

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luftzungen

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nord­pol

~ : louis
to : dai­sy und vio­let hilton
sub­ject : LUFTZUNGEN

Lie­be Dai­sy, lie­be Vio­let! Was für ein stür­mi­scher Mor­gen hier bei uns in Mit­tel­eu­ro­pa. Wet­ter, wie ich es mir wün­sche in die­sen Tagen. Eis­kör­ner pfei­fen durch die Luft, Wol­ken­däm­me­rung. Ich ver­mu­te, Ihr wer­det bemerkt haben, mein Vater ist gestor­ben. Drei Stun­den war ich noch an sei­nem Bett gewe­sen, habe von Bil­dern eines nahen Sees berich­tet, den ich vom Zim­mer des Hos­pi­tals aus sehen konn­te. Ein Schau­fel­rad­damp­fer fuhr hin und her, der Wind schrieb mit Luft­zun­gen schim­mern­de Spu­ren ins Was­ser, Möwen segel­ten über den Ufer­bäu­men. Wie mein Vater gestor­ben ist, war es noch hell, die Son­ne nicht unter­ge­gan­gen, weiß der Him­mel, ob er sie zu erken­nen ver­moch­te, sein Blick war ein Blick, wie ich mein­te, der schon nach innen sich rich­te­te. Wenn ich Euch sage, es ist nicht wirk­lich begreif­bar, nicht wirk­lich fühl­bar, dass ein gelieb­ter Mensch nie wie­der neben uns am Tisch sit­zen wird, wer­det Ihr viel­leicht ver­ste­hen, wovon ich spre­che. Die­ses Nie­wie­der macht einen Ein­druck von Unwirk­lich­keit, von Unwirk­sam­keit, als wür­de man ver­su­chen, eine Trom­pe­te vom Schall­be­cher her zu bespie­len. Und doch, nach und nach wer­de ich ruhi­ger, ich schla­fe tief, träu­me selt­sa­me Geschich­ten. Ja, so ist das, lie­be Dai­sy, lie­be Vio­let. Was machen die Sim­mons? Ist alles o. k.? Ahoi – Euer Lou­is — stop

gesen­det am
22.04.2012
7.05 MEZ
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lou­is to dai­sy and violet »

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luftsterne

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echo : 0.02 — Im Rei­se­pass mei­nes Vaters befin­den sich seit weni­gen Stun­den gestanz­te Stern­for­men von Luft, durch die man hin­durch­se­hen kann. Din­ge wer­den leich­ter, Men­schen wer­den schwe­rer. Viel­leicht ist das so, dass ich in der Trau­er nicht allein Abschied neh­me von einem Men­schen, der gestor­ben ist, son­dern auch von sei­ner Welt, einer Welt, in der die­ser Mensch mit ande­ren Men­schen vie­le Jah­re leb­te. Ich muss mich selbst neu erfin­den. – stop

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am telefon

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romeo : 0.03 — Ich hat­te vor­ges­tern mit einem Amt tele­fo­niert. Ich saß auf einem Stuhl und ver­zeich­ne­te in einem Notiz­block, wel­che Papie­re das Amt benö­tigt, um ent­schei­den zu kön­nen, was nun von amt­li­cher Sei­te her zu tun ist, nach­dem mein Vater nicht mehr lebt. Ich hör­te die Stim­me einer jun­gen Frau, sie sag­te: Haben sie schon eine Ster­be­ur­kun­de erhal­ten? Wenn sie eine Ster­be­ur­kun­de erhal­ten haben, sen­den Sie uns das Doku­ment bit­te zu, damit wir nach­voll­zie­hen kön­nen, dass ihr Vater gestor­ben ist. Solan­ge wir ihre Urkun­de nicht erhal­ten haben, ver­ste­hen sie, ist ihr Vater den Fak­ten nach noch am Leben. Ich schick­te ein lei­ses Lachen durchs Tele­fon, ein lei­ses Lachen kehr­te von der ande­ren Sei­te her zurück. Ges­tern tele­fo­nier­te ich wie­der­um mit der jun­gen Frau vom Amt. Ich teil­te ihr mit, dass ich das Doku­ment zu ihr hin abge­schickt haben wür­de. Ein sehr selt­sa­mer Moment. Ich war, wäh­rend ich tele­fo­nier­te, wie­der ein­mal in der Lage gewe­sen, mei­nen Vater zu sehen, wie er vor­sich­tig, Schritt um Schritt, die Trep­pe her­un­ter­kommt. Ich press­te den Tele­fon­ap­pa­rat an mein rech­tes Ohr, mit dem lin­ken Ohr erwar­te­te ich, dass die Stim­me mei­nes Vaters in der nächs­ten Sekun­de hör­bar wer­den wür­de. — stop

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uhrwesen

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fox­trott : 0.05 — In der lin­ken Hand hal­te ich Ilja Trojanow’s Roman Eis­tau fest, an der rech­ten Hand sitzt die Küh­le der Uhr mei­nes Vaters. Ich habe sie zur Pro­be ange­legt. Vor zwei Wochen war sie noch an sei­ner Hand gewe­sen. Es ist erstaun­lich, die Uhr geht noch immer auf die Sekun­de genau, wie seit vie­len Jah­ren schon. Immer dann, wenn ich sie betrach­te, mei­ne ich, die Zeit als ein eigen­sin­ni­ges Wesen zu sehen, die Zeit mei­nes Vaters, die sich ohne ihn fort­setzt. Ich gehe mit den Augen durch das Zim­mer spa­zie­ren. An den Wän­den Bil­der, die Leben­de und Tote zei­gen. Und die­ser Regen. Sand­warm und müde. — stop

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apollo

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ulys­ses : 0.05 — Im Alter von drei Jah­ren lie­ge ich auf war­mem Land, das atmet. Bald flie­ge ich durch die Luft, schwe­be über dem Bauch mei­nes Vaters und lache, weil ich gekit­zelt wer­de. Mei­ne Stim­me, mei­ne kind­li­che Stim­me. Und da sind eine höl­zer­ne Eisen­bahn, das Licht der Dioden, damp­fen­des Zinn, Loch­kar­ten einer Com­pu­ter­ma­schi­ne und die Geheim­nis­se der Alge­bra­bü­cher, die der Jun­ge von sechs Jah­ren noch nicht ent­zif­fern kann. Aber For­scher, wie der Vater, will er schon wer­den, wes­halb er die Schnee­spu­ren der Amseln, der Fin­ken, der Dros­seln in ein Schul­heft notiert. Zu jener Zeit drif­te­ten Men­schen bereits in Gemi­ni­kap­seln durch den Welt­raum, um das Stern­rei­sen zu üben. Nur einen Augen­blick spä­ter waren sie schon auf dem Mond gelan­det, in einer Nacht, einer beson­de­ren Nacht, in der ers­ten Nacht, da der Jun­ge von sei­nem Vater zu einer Stun­de geweckt wur­de, als noch wirk­lich Nacht war und nicht schon hal­ber Mor­gen. Die zwei Män­ner, der klei­ne und der gro­ße Mann, saßen vor einem Fern­seh­ge­rät auf einem wei­chen Tep­pich und schau­ten einen schwarz-wei­ßen Mond an und lausch­ten den Stim­men der Astro­nau­ten. Man sprach dort nicht Eng­lisch auf dem Mond, man sprach Ame­ri­ka­nisch und immer nur einen Satz, dann pieps­te es, und auch der Vater pieps­te auf­ge­regt, als sei er wie­der zu einem Kind gewor­den, als sei Weih­nach­ten, als habe er soeben ein neu­es Teil­chen im Atom ent­deckt. In jener Nacht, in genau der­sel­ben beson­de­ren Nacht, saß zur glei­chen Minu­ten­stun­de irgend­wo im Süden der Dich­ter Giu­sep­pe Unga­ret­ti vor einem Fern­seh­ge­rät in einem Ses­sel und deu­te­te in Rich­tung des Gesche­hens fern auf dem Tra­ban­ten auf der Bild­schirm­schei­be, auf einen Astro­nau­ten, wie er gera­de aus der Lan­de­fäh­re klet­tert, oder habe ich da etwas in mei­nem Kopf ver­scho­ben? Sicher ist, auf jenem Fern­seh­ge­rät, vor dem Unga­ret­ti Platz genom­men hat­te, waren drei wei­te­re, klei­ne­re Appa­ra­te abge­stellt. Alle zeig­ten sie die­sel­be Sze­ne. Echt­zeit. Giu­sep­pe Unga­ret­ti war begeis­tert, wie wir begeis­tert waren. Ja, so ist das gewe­sen, wie heu­te, vie­le Jah­re spä­ter. – stop
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