Aus der Wörtersammlung: geräusche

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murmansk

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romeo : 0.15 — Ich war im Zug ges­tern Abend in Mur­mansk gewe­sen. Am Hafen saß ich, und das Eis auf dem sich sanft bewe­gen­dem Meer schin­del­te zu mei­nen Füßen. Ein ros­ti­ges U‑Boot war da noch und jun­ge Matro­sen, sie spiel­ten mit Äpfeln und wink­ten. Indem ich so war­te­te und die Geräu­sche des Eises und die Stim­men der See­leu­te bewun­der­te, flat­ter­ten Koli­bris um mei­nen Kopf her­um. Sie tru­gen win­zi­ge Pelz­müt­zen und Pelz­ja­cken und ihre Flü­gel brumm­ten in der glas­kla­ren Luft nor­di­scher Mit­tags­stun­de. Dann wach­te ich auf, fuhr in einer Stra­ßen­bahn spa­zie­ren, öff­ne­te mei­nen Kof­fer und schon ist Mit­ter­nacht gewor­den. Ob ich viel­leicht noch immer schla­fe, noch immer träu­me? — stop

ping

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elephantisland

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echo

~ : rob salter
to : louis
sub­ject : ELEPHANTISLAND
date : june 2 09 8.58 p.m.

Kurz nach acht Uhr. Kal­te, tro­cke­ne Luft, ich notie­re mit klam­men Hän­den. Um 7 Uhr heu­te Mor­gen haben wir bei stür­mi­scher See Ele­phan­tis­land erreicht. Suche nach Mil­ler unver­züg­lich auf­ge­nom­men. Süd­west­li­che Bewe­gung die Küs­te ent­lang. Gegen 9 Uhr ers­te grö­ße­re See­ele­fan­ten­grup­pen gesich­tet. Hef­ti­ger Schnee­fall. Mit­tags dann auf mensch­li­che Spu­ren gesto­ßen. Eine Mul­de von zwei Fuß Tie­fe im gro­ben Unter­grund, hüft­ho­her Stein­wall nord­wärts. Im Wind­schat­ten: drei gebleich­te Wal­kno­chen, ein hal­bes Duzend fin­ger­di­cker Haut­stü­cke, ein Kamm, zwei ros­ti­ge Kugel­schrei­ber, eine Blech­t­as­se, zwölf Pin­gu­in­schnä­bel, fünf Bat­te­rien, drei Klum­pen ran­zi­gen Fet­tes, Bruch­stü­cke eines Son­nen­kol­lek­tors und einer Schreib­ma­schi­ne. Das Werk­zeug war in einer Wei­se sorg­fäl­tig demo­liert, als sei eine Dampf­wal­ze dar­über hin und her gefah­ren. Dann wei­te­re zehn Minu­ten die Küs­te ent­lang, dann auf Mil­ler gesto­ßen. Der Dich­ter stand mit dem Rücken zu einem Fel­sen hin und rich­te­te ein Mes­ser gegen einen See­ele­fan­ten. Das Tier, das sehr gewal­tig vor unse­rem Mann in den Him­mel rag­te, war nur noch zwei Armes­län­gen ent­fernt und scheu­er­te mit dem Rücken über den Fel­sen. Eigen­ar­ti­ge Geräu­sche. Geräu­sche wohl der Lust. Geräu­sche, als habe das Tier eine ver­beul­te Trom­pe­te ver­schluckt. Geräu­sche auch von Mil­ler. Hel­le Geräu­sche, krei­schen­de, irre Töne. Wir haben zu die­sem Zeit­punkt das Fol­gen­de über Mil­ler zu sagen: Unser Mann ist ent­kräf­tet und stark ver­schmutzt. Zwei Fin­ger der lin­ken Hand sind erfro­ren. Kopf­wärts wan­dern­de Spu­ren von Dehy­dra­ti­on. Mil­ler spricht nur einen Satz: All for not­hing. Wir haben den Rück­weg ange­tre­ten, indes­sen, bei genaue­rer Betrach­tung unse­rer Umge­bung, auf Fels­for­ma­tio­nen ent­lang der Küs­te Frag­men­te von Zei­chen­ket­ten ent­deckt. Ein­deu­tig Mil­lers Hand­schrift. Brin­gen Dich­ter Mil­ler jetzt nach Hause.

ein­ge­fan­gen
22.57 UTC
1817 Zeichen

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papiersegel

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romeo : 0.05 — Das Ver­gnü­gen, ein Manu­skript auf Papier zu dru­cken. Die nadeln­den, sum­men­den, pfei­fen­den Geräu­sche der Maschi­ne, Satz für Satz Sekun­den­sei­ten. Wie ich Arbeit von Tagen, von Wochen, vor mir zu einem Segel auf den Boden brei­te. Wie ich zufrie­den und still vor dem Wind­ge­fäß im Zim­mer ste­he. Wie ich, bald wie­der stür­misch gewor­den, in die Knie gehe, um wei­te­ren Flug­sand mit der Hand aufs Papier zu set­zen. — Notier­te: Ein mensch­li­ches Gehirn ruh­te in mei­nen Hän­den. Und ich dach­te, kühl ist es und weich und schwer. Ich hör­te deut­lich eine den­ken­de Stim­me, als wäre da noch ein ande­rer Beob­ach­ter gewe­sen, als ich selbst. Dann bemerk­te ich, dass ich mit blo­ßem Auge nicht erken­nen konn­te, in wel­cher Spra­che jenes Gehirn, das ich in mei­nen beben­den Hän­den hielt, ein Leben lang träum­te, auch nicht, ob es glück­lich oder doch eher unglück­lich gewe­sen ist. Eine schwei­gen­de, eine ver­las­se­ne, eine Welt ohne Licht. Ja, lili­mam­bo, das Leuch­ten leben­der Men­schen! — stop

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geraldine beobachtet wolken

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char­lie

~ : geraldine
to : louis
sub­ject : WOLKEN

Die­ser wun­der­vol­le Him­mel über mir, Mr. Lou­is, ich schrei­be Ihnen, dass ich glück­lich bin. Lie­ge in mei­nem Stuhl und schaue den Wol­ken zu, wie sie ein­mal grö­ßer und dann wie­der klei­ner wer­den. Ich glau­be, sie leben und wenn sie ein­mal ver­schwin­den, sind sie nicht wirk­lich ver­schwun­den, son­dern nur in ande­re Wol­ken getaucht. Ja, so ist das mit all dem Leben, das ich am Him­mel sehen kann. Ich lie­ge da und träu­me und das Schiff brummt unter mei­nem Rücken und manch­mal schaue ich zu mei­nen klei­nen Füs­sen hin und wack­le mit den Zehen. Stel­len Sie sich vor, ich habe sie bemalt, nein, ganz sicher, ich habe sie bemalt, und ich glau­be nicht, dass ich Ihnen noch erzäh­len muss, war­um ich sie bemalt habe. Er wird schon noch vor­bei­kom­men, jawohl, ich bin mir sicher, bald wird er nach mir sehen, wird zag­haf­te Bli­cke auf mei­ne Füße wer­fen und sofort wer­den sie sich erwär­men, nein, glü­hen wer­den sie, und ich wer­de mei­ne Strümp­fe und Schu­he in die Hand neh­men und hof­fen, dass nie­mand mich so sehen wird, wie ich neben ihm lau­fe, bar­fuß, obwohl doch vor weni­gen Tagen noch Eis­ber­ge im Was­ser trie­ben. Er kommt gera­de, mein klei­ner Ste­ward, kommt gera­de die Trep­pe her­auf. Ich ken­ne die Geräu­sche sei­ner Schrit­te. Ich habe Fie­ber, Mr. Lou­is, ich habe Fie­ber, und manch­mal den­ke ich, dass ich all das hier nur träu­me, das Schiff, die Wol­ken, mei­nen tap­fe­ren Vater, mei­ne immer­zu wei­nen­de und eben­so tap­fe­re Mut­ter, die Eis­ber­ge und Del­fi­ne, und dass ich ver­liebt bin, all das nur träu­me. Aber wer könn­te in einem Traum noch so kräf­tig mit den Zehen wackeln, dass selbst die Möwen von der Reling flüch­ten? — Ich grü­ße Sie herz­lich! Ahoi! Ihre Geral­di­ne auf hoher See.

notiert im Jah­re 1962
an Bord der Queen Mary
auf­ge­fan­gen am 2.02.2009
22.15 MEZ

geral­di­ne to louis »

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to mr. melville : callas box

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pro­pel­ler

~ : louis
to : Mr. melville
sub­ject : CALLAS BOX

Lie­ber Mr. Mel­ville, Hotel Echo Lima Lima Oscar! Wie geht es Ihnen? Ich hat­te, wäh­rend ich in den ver­gan­ge­nen Wochen an einer Wal­ge­schich­te arbei­te­te, immer wie­der ein­mal an Sie gedacht, an Ihren wei­ßen Wal Moby Dick in Wor­ten und an sei­nen Schat­ten in der Wirk­lich­keit, an Mocha Dick. Wie sehr ich mir doch wün­sche, Sie wür­den bald ein­mal zu mei­nen Walen Kon­takt auf­neh­men und mir dann rasch eine Nach­richt über­mit­teln, ob mei­ne spe­zi­el­len Freun­de wohl auch Ihnen Furcht ein­flös­sen könn­ten. Viel­leicht wer­den Sie, wo auch immer Sie sich auf­hal­ten mögen, etwas Zeit fin­den und lesen. Ist Ihnen bekannt, dass die Gesän­ge der Buckel­wa­le über Struk­tu­ren ver­fü­gen sol­len, die ein­fa­chen mensch­li­chen Spra­chen ähn­lich ist? Stun­den habe ich dem­zu­fol­ge damit zuge­bracht, nach Bot­schaf­ten zu suchen, nach Geräu­schen, die mir etwas sagen, die mei­nem Gehirn Ent­de­ckung, ja Nach­richt sein könn­ten. Ich bin bis­her nicht sehr weit gekom­men, das ist rich­tig, aber ich wer­de nicht nach­las­sen, ich wer­de so lan­ge den Gesän­gen der Wale lau­schen, bis mir ver­ständ­lich sein wird, was sie da sin­gen oder spre­chen. Mei­nen Namen loooouuuiiiiii mei­ne ich jeden­falls schon auf­ge­spürt zu haben. Das ist ein Anfang und ich bin zuver­sicht­lich in den kom­men­den Wochen gut vor­an­zu­kom­men. Was, mein lie­ber Mr. Mel­ville, ist unter einer ein­fa­chen mensch­li­chen Spra­che zu ver­ste­hen? – Ahoi! Ihr Louis.

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elefanten

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zou­lou : 8.30 — In der ver­gan­ge­nen Nacht träum­te ich eine lus­ti­ge Geschich­te, das heißt, ich träum­te mich in ein Bild, das mir bekannt zu sein schien, wes­halb ich ein Selbst­ge­spräch führ­te, in etwa so, als wür­de ich einen Film kom­men­tie­ren. Als ich wach gewor­den war, erin­ner­te ich mich, vor eini­ger Zeit eine Traum­ge­schich­te auf­ge­zeich­net zu haben, die von selt­sa­men Men­schen­oh­ren erzähl­te. Und tat­säch­lich habe ich die­se Geschich­te und mit ihr den Traum der ver­gan­ge­nen Nacht soeben wie­der­ge­fun­den, sodass heu­te Mor­gen nichts zu tun ist, als die Wie­der­ho­lung des Trau­mes von den selt­sa­men Ohren und sei­nen Zei­chen­schat­ten auch an die­ser Stel­le zu doku­men­tie­ren. Ich saß also vor län­ge­rer Zeit und noch vor weni­gen Stun­den > in einem Café nahe einem Meer unter Män­nern, die Go oder etwas ande­res spiel­ten mit klei­nen, run­den, bern­stein­far­be­nen Stei­nen. Die Luft an die­sem Ort war heiß und tro­cken, des­halb wun­der­te ich mich nicht, dass die Män­ner, die von hohem Alter gewe­sen waren, sich mit gewal­ti­gen Ohren Luft zufä­chel­ten in der Art und Wei­se der Ele­fan­ten. Selt­sa­me Geräu­sche waren zu hören, schwe­re, knar­zen­de Töne, als wür­de an höl­zer­nen Schrau­ben gedreht. Und doch war die Haut der Ohren so fein, dass man durch sie hin­durch sehen konn­te. Sobald sie hin­ter den ver­wit­ter­ten Köp­fen zusam­men­schlu­gen, wur­den die Augen der Her­ren zu Schlit­zen, beweg­ten sich die luf­ti­gen Häu­te zurück, öff­ne­ten sie sich. Hin­ter dem Tre­sen däm­mer­te ein wei­te­rer Mann, der hat­te sich mit sei­nem Per­ga­ment das Gesicht zuge­deckt. Ich betrach­te­te ihn eine Wei­le, und schon war ich, noch im Ste­hen, dem heu­ti­gen Tag zu ein­ge­schla­fen. – Guten Mor­gen! Heu­te ist Sonntag.

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symphonie

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romeo : 0.01 — Da sind im Kon­zert­saal 8 Kon­tra­bas­sis­ten und sie flüs­tern mit­ein­an­der, wäh­rend sie lei­se etwas Jazz­mu­sik spie­len, viel­leicht weil das schon immer die bes­te Metho­de gewe­sen ist, ein Instru­ment aus dem Schlaf zu holen. Auch der Chor ist schon ein­ge­trof­fen und raschelt mit sei­nen Papie­ren. Eine ent­spann­te Atmo­sphä­re, eine Stim­mung, wie in den Wäl­dern kurz vor Anbre­chen der Däm­me­rung, ers­te Geräu­sche, schon bewuss­te, aber auch noch Traum­ge­räu­sche, alles nur zur Pro­be. Und ich lau­sche und den­ke, dass ich in weni­gen Minu­ten Zubin Meh­ta sehen wer­de, wie er Mahlers Sym­pho­nie No 3 diri­gie­ren wird. Und wie ich so sit­ze, erin­ne­re ich mich an Fin­ger­be­we­gun­gen einer jun­gen Frau, die im Prä­pa­rier­saal der Mün­che­ner Ana­to­mie mit Seh­nen und Mus­keln eines Armes spielt, eine Ges­te, als wür­de sie ver­su­chen, jenem namen­lo­sen Arm ein Geräusch zu ent­lo­cken. Schnee fällt. Knie­hoch wird er noch fal­len. Jack Lon­don lesen, notie­re ich. Und jetzt ist der Abend eines spä­te­ren Win­ters und ich sehe mei­ne Schrift­zei­chen, unge­lenk, weil schon im Halb­dun­kel des Kon­zert­saa­les ins Notiz­buch geschrie­ben. Alles das, in mei­nem Kopf durch­ein­an­der. Ich fan­ge am bes­ten noch ein­mal von vorn an. Da sind also im Kon­zert­saal 8 Kon­tra­bas­sis­ten, sie flüs­tern mit­ein­an­der. Schnee fällt. Knie­hoch wird er noch fal­len. — stop

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yanuk : fröhliche weihnachten

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del­ta

~ : yanuk le to : louis
sub­ject : FRÖHLICHE WEIHNACHTEN
date : dez 23 08 6.55 a.m.

In die­sen Minu­ten, Mr. Lou­is, will ich sehr lei­se und behut­sam von einer auf­re­gen­den Beob­ach­tung berich­ten. Du musst wis­sen, heu­te Mor­gen, als ich auf Höhe 385 schlaf­trun­ken mein Zelt ver­ließ, hat­te ich sofort bemerkt, dass wäh­rend der Nacht irgend­et­was gesche­hen sein muss­te, etwas Selt­sa­mes, etwas, das mei­ne klei­nen Affen­freun­de beun­ru­hig­te. Sie lagen nicht, wie üblich, vor sich hin däm­mernd lose auf dem höl­zer­nen Boden her­um, son­dern dicht anein­an­der gedrängt und beb­ten, als wür­den sie frie­ren. Alle sahen sie mit ihren zitro­nen­gel­ben Augen in ein und die­sel­be Rich­tung, starr­ten zum Stamm eines benach­bar­ten Bau­mes hin, ein Bün­del furcht­sa­mer oder viel­leicht stau­nen­der Bli­cke, das den schma­len, voll­kom­men unbe­klei­de­ten Kör­per eines Mäd­chens betas­te­te, der nur weni­ge Meter von uns ent­fernt über der Tie­fe hing. Ich hat­te natür­lich zunächst den Gedan­ken, dass das vor mir bau­meln­de Mäd­chen nur eine Erschei­nung gewe­sen war, viel­leicht ein Traum oder die Spur eines Trau­mes, die in einen wirk­li­chen Tag hin­über­reich­te. Beun­ru­higt wie mei­ne Freun­de, begann ich des­halb zunächst mit einer Kur­bel Strom für mei­ne Schreib­ma­schi­ne zu erzeu­gen. Eine kon­tem­pla­ti­ve Bewe­gung, eine, die ich auch im Schlaf ver­rich­ten könn­te. Wäh­rend ich so arbei­te­te, hör­te ich bald ein mensch­li­ches Lachen. Ja, Sie lesen ganz rich­tig, Mr. Lou­is, das Mäd­chen lach­te, ein fei­nes, hel­les Lachen war zu hören, und die Affen fauch­ten und wur­den so flach, als woll­ten sie spur­los ver­schwin­den im war­men Holz oder sonst wohin, ganz unsicht­bar wer­den. Wie sich doch alle ver­trau­ten Geräu­sche ver­än­dern, sobald uner­war­te­te Din­ge gesche­hen. Ich hör­te mei­ne eige­ne Stim­me, wie sie sag­te, das ist unglaub­lich, das ist ganz unglaub­lich, und ich hör­te auf zu kur­beln und sah dem Mäd­chen in die Augen, und sofort klapp­te sie ihre Augen zu. Ich glau­be, sie schläft jetzt, wäh­rend ich die­se Sät­ze so behut­sam schrei­be, wie ich nur kann, um das Mäd­chen nicht zu wecken. Ja, stel­len Sie sich vor, Mr. Lou­is, sie scheint tat­säch­lich tief und fest zu schla­fen, wäh­rend sie den Ast, der sie trägt, mit ihrer lin­ken Hand umfasst. Die rech­te Hand liegt flach auf ihrem Bauch, einem mus­ku­lö­sen Bauch von hel­lem Schein, opak, als wür­de ein Teil des Son­nen­lichts sich im Kör­per des Mäd­chens ver­fan­gen und wei­ter leuch­ten, von innen her­aus wei­ter leuch­ten. Wenn sie nur nicht los­las­sen wird in die­ser Höhe! Kein Haar auf dem Kör­per des Mäd­chens zu sehen. Das ist natür­lich selt­sam und ich weiß noch nicht genau, war­um das so ist. Ich will Dir, Mr. Lou­is, an die­ser Stel­le mei­ne herz­li­chen Weih­nachts­grü­ße über­mit­teln aus mei­nen tro­pi­schen Räu­men. Und so mache ich das jetzt, ehe ich einen ers­ten Ver­such unter­neh­men wer­de, mit dem Mäd­chen ein Gespräch zu füh­ren. Viel­leicht wer­de ich ihr mei­ne Blü­ten­zeich­nun­gen zei­gen, die ich wäh­rend der ver­gan­ge­nen Tage sam­mel­te. Fröh­li­che Weih­nach­ten! Cucur­ru­cu – Yanuk

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mrs. callas pfeift

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echo : 3.15 — Man stel­le sich das ein­mal vor, Mrs. Cal­las kann pfei­fen. Sie war zu Besuch gekom­men und hat­te eine beson­de­re Foto­gra­fie ent­deckt. Auf die­ser Foto­gra­fie sitzt sie unter Men­schen an einem Tisch, den sie nicht erin­nern konn­te, und dar­über war sie ver­wun­dert oder beun­ru­higt, also mach­te sie merk­wür­di­ge Geräu­sche mit dem Mund. Wer sind die­se Leu­te, woll­te sie wis­sen. Wann war das gewe­sen? Woher haben Sie die­se Foto­gra­fie? — Wir gin­gen dann noch spa­zie­ren um kurz nach Mit­ter­nacht. Ange­neh­mes Papier­licht, die Son­ne war nicht unter­ge­gan­gen, strahl­te etwas schläf­rig am Him­mel her­um. Noch immer leich­ter See­gang, aber zwei schö­ne Stun­den hei­te­rer Gesprä­che. Wie ich mich freu­te, Mrs. Cal­las stau­nen zu sehen. Ich habe kei­ne Kin­der, nein, nein, ich habe kei­ne Kin­der. Doch, doch sag­te ich, Sie haben Kin­der gebo­ren, sie sind eine fabel­haf­te Mut­ter. Sie­ben Töch­ter, jawohl, sie­ben sehr selt­sa­me Töch­ter, Sie wer­den sich doch um Him­mels­wil­len an ihre Töch­ter erin­nern, an Sven­ja, Mar­le­ne, Bob­by, Lyd­wi­en, Vass­il­li­ki, Eleo­no­re, Bumu­bai. Soll ich Ihnen von Ihren Gebur­ten erzäh­len, Mrs. Cal­las? – Kaum zurück, leg­te sie sich aufs Sofa und ver­tief­te sich wie­der in jenes Bild, das von ihr, wie sie glaub­te, abge­nom­men wor­den war. Manch­mal näher­te sie sich mit einem Fin­ger, flüs­ter­te, oh, ich glau­be, da ist etwas, die­sen Herrn ken­ne ich viel­leicht, ja, das könn­te ein Musi­ker sein, ein Bas­sist, nein, das ist einer, der Cel­lo spielt. — Seit Stun­den nun liegt sie so her­um. Sie hat etwas von einer Kat­ze, ganz ohne Zwei­fel. Ich weiß, sie wird sich bald erhe­ben, und sie wird zu mir her­über­kom­men, wird die Foto­gra­fie auf den Schreib­tisch legen und sagen: Irgend­et­was stimmt hier nicht, Mr. Lou­is! Ich glau­be, ich wer­de jün­ger. Ich glau­be, die Zeit geht falsch her­um. Was haben Sie dazu zu sagen? Spre­chen Sie!

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die malerei kleinster teilchen

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sier­ra : 8.02 — Ohne die Zeit noch zu bemer­ken, sechs Stun­den lang ers­te Spu­ren eines ana­to­mi­schen Hör­spiels bear­bei­tet. Kurz vor Mit­ter­nacht dann in ange­neh­mer Balan­ce mit Cor­mac McCar­thys düs­te­rem Roman Die Stra­ße auf dem Sofa. Ein Buch, das mir Freu­de macht, nicht weil es End­zeit, nein, weil es in klei­nen Abtei­len vor­wärts erzählt. Als wür­de in einem unend­lich gro­ßen, dunk­len Raum je für kur­ze Zeit das Licht ange­schal­tet, Pha­sen zei­chen­lo­ser Dun­kel­heit, Sekunden‑, Minuten‑, Stun­den­sprün­ge, dann wie­der ruhi­ge Spra­che, ein­fa­che, prä­zi­se Sät­ze. Dar­über ein­ge­schla­fen. Mor­gens von Regen­ge­räu­schen geweckt, die nicht wirk­lich exis­tier­ten. — Kurz nach sie­ben Uhr und noch immer wun­de­re ich mich, dass ich ein­ge­nickt war, ohne auch nur ein­mal zu den­ken: Du wirst gleich schla­fen. Die Idee, dass viel­leicht Bücher exis­tie­ren, die als Schlaf­bü­cher anzu­se­hen sind, Bücher, die einen gehei­men Code ent­hal­ten, hyp­no­ti­sche Zei­chen­fol­gen, unwi­der­steh­lich in ihrer Wir­kung. Man könn­te in Buch­hand­lun­gen eine wei­te­re Kate­go­rie sor­tie­ren, die der Nar­ko­ti­ka näm­lich, Roma­ne, die ins Jen­seits beför­dern, nicht zu lesen im Gehen, in Zügen, im Ste­hen! – Guten Mor­gen! — stop

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