Aus der Wörtersammlung: körper

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ein zimmer

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alpha : 6.28 — Halb­dun­kel. Vor einem Fens­ter steht ein Bett. Das Fens­ter ist leicht geöff­net, Jalou­sien rip­pen das Licht, das spär­lich her­ein­kommt. Es könn­te Vor­mit­tag sein oder Nach­mit­tag. Zufäl­lig habe ich den Film in genau dem Moment ange­hal­ten, als eine Flie­ge den auf­ge­nom­me­nen Flug­raum durch­kreuzt. Die Gestalt des Tie­res ist nicht ganz scharf zu sehen, Bei­ne, die fest an den Kör­per gepresst sind. Es ist die ers­te Flie­ge, die ich in die­ser Hal­tung wahr­neh­me, ein klei­ner Vogel, den­ke ich im ers­ten Moment, und dass die­se Flie­ge eigent­lich dort, wo sie sich befin­det, nichts zu suchen hat. Es han­delt sich bei dem abge­dun­kel­ten Raum um ein Hos­pi­tal­zim­mer. Neben dem Bett steht ein Tisch, dicht an einer Wand, deren Far­be blät­tert. Auf die­sem Tisch kau­ert ein Gerät, das Kur­ven zeigt, Pul­se, wei­ter­hin Zah­len, Blut­druck­wer­te viel­leicht. Eine Karaf­fe mit Flüs­sig­keit ist zu sehen und ein Schul­heft, geöff­net, Schrift­zei­chen. Ich bin der ara­bi­schen Spra­che nicht mäch­tig, und doch ver­mag ich zu erken­nen, dass die­se Schrift­zei­chen ara­bi­sche Schrift­zei­chen sind, auch weil ich weiß, dass der Film, den ich ange­hal­ten habe, in der Stadt Tri­po­lis auf­ge­nom­men sein könn­te. Ver­mut­lich wur­den die Zei­chen von einer jun­gen Frau geschrie­ben, die in jenem Bett liegt, auf wel­ches das Zebra­strei­fen­licht fällt. Die Augen der jun­gen Frau sind geschlos­sen, ihre Haut ist weiß wie Schnee, ihr Kopf leicht nach links gerich­tet oder gefal­len. Ein sehr schö­ner Mund, das Haar von einem Kopf­tuch bedeckt. Die Ebe­nen unter ihren Augen erschei­nen dun­kel, Mon­de, Schat­ten­mon­de. Hän­de und Schul­tern lie­gen unter einer Decke ver­bor­gen, die hell ist, ein Laken. Kein Geräusch ist zu hören. Das Geräusch, das zu dem Film gehört, ist in dem Moment, da ich den Film ange­hal­ten habe, aus­ge­fal­len. Wenn man ein Geräusch anhält, hört man nichts. Das ist selt­sam. Ich erin­ne­re mich, dass da ein Geräusch gewe­sen war, kurz bevor ich den Lauf des Fil­mes stopp­te, Stim­men auf einem Flur und ein Rau­schen, ich neh­me an, vom Fens­ter her. Die Augen der lie­gen­den Frau waren geöff­net gewe­sen, dunk­le Augen, und doch hell und weit. Sie erzähl­te, dass sie nicht wis­se, wie sie hier­her­ge­kom­men sei. Man habe ihr berich­tet, dass man sie in einem Auto über die Gren­ze brach­te, aber sie wis­se das nicht mit Sicher­heit, weil sie sich nicht erin­nern kön­ne. Ihre Bei­ne sei­en fort. Und ihre bei­den Kin­der, Mäd­chen, sei­en tot. Und ihr Bru­der. Und ihre Mut­ter. Aber auch das wis­se sie nicht genau, man habe ihr das erzählt, aber sie kön­ne sich nicht erin­nern. Dann schloss sie die Augen. Und ich habe den Film ange­hal­ten. Ich habe den Film ange­hal­ten in genau dem Moment, da eine Flie­ge das Bild kreuz­te. Kein Ton. — stop
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raumzeitstelle

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oli­mam­bo : 6.55 — Ich habe äußerst merk­wür­dig geträumt. Ich mein­te, im Traum mich wie­der­um an einen Traum erin­nert zu haben, in dem fal­ten­lo­se Ele­fan­ten vor­ge­kom­men waren. Kaum wach gewor­den, such­te ich nach Spu­ren die­ses Trau­mes in mei­nen Noti­zen und wur­de bald fün­dig. Ich hat­te tat­säch­lich am 23. August des ver­gan­ge­nen Jah­res von einem Traum berich­tet, in dem fal­ten­lo­se Ele­fan­ten in Erschei­nung tra­ten. Als ich den klei­nen Text aus dem Ele­fan­ten­haus damals ver­fass­te, muss ich noch recht müde gewe­sen sein, weil ich sei­ne Exis­tenz bei­na­he voll­stän­dig ver­ges­sen habe und damit eben jenes Ele­fan­ten­haus, das kein gewöhn­li­ches Ele­fan­ten­haus gewe­sen war, viel­mehr ein Ort, den sehr selt­sa­me Ele­fan­ten bewohn­ten. Das waren näm­lich Ele­fan­ten ohne jede Fal­te, sie waren so glatt, als wären sie von Glas gebla­sen, hel­le Augen, die sich flink beweg­ten, peit­schen­de klei­ne, fal­ten­lo­se Schwän­ze, laut­los schwin­gen­de, fal­ten­lo­se Rüs­sel, rie­si­ge haar­lo­se Kör­per, grau, braun, rosa. Ich saß auf einer Bank in ihrer Nähe. Vögel stürm­ten unter dem Kup­pel­dach hin und her. Sobald sie ver­such­ten sich auf dem Rücken eines der Ele­fan­ten­tie­re nie­der­zu­las­sen, rutsch­ten sie ab und lan­de­ten auf dem Boden. Ein wei­te­rer Vogel saß auf mei­ner Schul­ter. Der Vogel war mit einem mei­ner Ohren beschäf­tigt, hack­te klei­ne­re Por­tio­nen aus der Muschel, knurr­te zufrie­den vor sich hin. Sobald das Ohr, um das sich der klei­ne Vogel bemüh­te, ver­schwun­den war, hol­te ich aus mei­ner Hosen­ta­sche ein neu­es Ohr, befes­tig­te das Ohr an mei­nem Kopf, und schon fraß der klei­ne Vogel wei­ter vor sich hin. Ein­mal kos­te­te ich heim­lich von einem der Ohren, die sich in mei­ner Hosen­ta­sche befan­den. Schmer­zen hat­te ich kei­ne. – Von wem habe ich das fei­ne Wort Raum­zeit­stel­le gehört? — stop
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bienenkönigin

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tama­rin : 6.41 — Eine Urkun­de exis­tiert seit eini­gen Wochen, die bezeugt, dass der Kör­per mei­nes ver­stor­be­nen Vaters tat­säch­lich ver­brannt wur­de. Dort ist in groß­zü­gi­gen Buch­sta­ben alt­deut­scher Schrift ver­merkt, wann die Ver­bren­nung erfolg­te, Jahr, Tag, Stun­de. Die Dau­er des Ver­bren­nungs­vor­gan­ges wur­de auf eine Minu­te genau ange­zeigt. Ich dach­te zunächst, Irgend­je­mand muss sich an einer Uhr ori­en­tiert haben, weil viel­leicht eine Vor­schrift exis­tiert, die prä­zi­se Zeit­an­ga­ben erfor­dert. Nach der Ver­bren­nung, auch das ist nach­weis­bar so gesche­hen, wur­de ein Gefäß, in dem Ato­me mei­nes Vaters ent­hal­ten waren, auf den Post­weg gebracht. Das ist eine durch­aus mög­li­che Metho­de letz­ter Rei­sen, da allein Sen­dun­gen, die leben­de Tie­re oder sterb­li­che Über­res­te von Men­schen ent­hal­ten, vom Trans­port auf dem Post­weg aus­ge­schlos­sen sind. Aus­ge­nom­men von die­ser Vor­schrift: Urnen und wir­bel­lo­se Tie­re, wie Bie­nen­kö­ni­gin­nen und Fut­ter­in­sek­ten. Selt­sa­me Geschich­te. Ich muss dar­über nach­den­ken, obwohl ich im Moment noch nicht weiß, wor­über genau und war­um. — stop

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eine geschichte die mein vater einmal las

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nord­pol : 6.46 — An einem Sonn­tag neu­lich habe ich in Tex­ten gele­sen, die ich wäh­rend der ver­gan­ge­nen Jah­re an genau die­ser Stel­le sen­de­te. Man­che die­ser Tex­te waren mir ver­traut, ande­re wirk­ten, als wären sie von einem Frem­den geschrie­ben. Gemein war ihnen, dass mein Vater sie noch mit eige­nen Augen gele­sen haben könn­te. Wie der alte Mann zu sei­nem Com­pu­ter wan­dert. Wie er auf einer Trep­pe steht, Rede an sein lin­kes Bein: Beweg Dich! Ein­mal rief mein Vater mich an. Ein Text hat­te ihm gefal­len. Es ist eigen­ar­tig, der Text, der mei­nem Vater gefal­len hat­te, erzählt heu­te noch immer die­sel­be Geschich­te und doch ist alles ganz anders gewor­den. Ich hat­te Fol­gen­des notiert: Man stel­le sich ein­mal vor, Papier­tier­chen exis­tier­ten in unse­rer Welt. Nicht etwa Tier­chen, die aus Papier gemacht sind oder ver­gleich­ba­rer Ware, son­dern tat­säch­li­che Lebe­we­sen, die so aus­ge­dacht sind, dass sie sich zu For­men ver­sam­meln, die einer Papier­sei­te ähn­lich sind. Weil die­se Lebe­we­sen, wie ich sie mir gera­de male, sehr klein sein soll­ten, sagen wir in der Flä­che so groß wie die Spit­ze einer Nadel, wür­de ein Maschi­nen­bo­gen von nicht weni­ger als zwei Mil­lio­nen Indi­vi­du­en nach­ge­bil­det sein. Jedes Papier­tier­chen, sicht­bar ganz für sich nur im Licht eines sehr guten Mikro­skops, ist nun von dem Wunsch beseelt, sich mit jeweils vier wei­te­ren Tier­chen, die es schon immer kennt, mit­tels feins­ter Ten­ta­keln zu ver­bin­den oder zu befreun­den, und zwar nur mit die­sen, so dass man von ein­deu­ti­ger Ord­nung spre­chen könn­te, nicht von einer belie­bi­gen Anord­nung. Ja, jedes der klei­nen Wesen für sich spricht von einem urei­ge­nen Ort, den es nie­mals ver­gisst. Sobald alles schön zu einer Sei­te geord­net ist, wer­den mit Licht, mit einem Licht­stift genau­er, Zei­chen gesetzt auf das leben­de Papier, indem man leich­ter Hand wie mit einem Fül­ler schreibt. Wird ein schnee­wei­ßes Tier­chen berührt vom notie­ren­den Licht, nimmt es sogleich die schwar­ze Far­be an und ver­bleibt von die­sem Schwarz, bis es von wei­te­rem Licht berührt wer­den könn­te, einem Licht natür­lich, das sehr stark sein muss, weil doch der Tag oder jede Lam­pe das Zei­chen der Nacht sofort über die Land­schaft der fili­gra­nen Kör­per schrei­ben wür­de. Ich hat­te, wäh­rend ich die­sem Gedan­ken noch auf einer gewöhn­li­chen Com­pu­ter­schreib­ma­schi­ne folg­te, die Idee, dass sie viel­leicht alle sehr schreck­haft sind, also zunächst unvoll­kom­men oder wild, dass sie, zum Bei­spiel, wenn ein Feu­er­wehr­au­to in ihrer Nähe vor­über kom­men soll­te, sofort aus­ein­an­der flie­gen in Panik, sich ver­ste­cken, um jedes für sich oder in grö­ße­ren Grup­pen an den Wän­den mei­ner Zim­mer zu sit­zen. Viel­leicht lun­gern sie auch auf Kaf­fee­tas­sen her­um oder in den Haar­blät­tern eines Ele­fan­ten­fuß­bau­mes, ja, das ist sehr gut denk­bar. Ich wer­de dann war­ten, ruhig und gelas­sen war­ten, bis sie sich wie­der beru­higt haben wer­den und zurück­kom­men, sagen wir nach einer Stun­de oder zwei. Dann wei­ter schrei­ben oder lesen oder den­ken. Und jetzt habe ich einen Kno­ten im Kopf. — stop

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meeresnähe

2

hima­la­ya

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : MEERESNÄHE
date : july 1 12 4.12 p.m.

Wir über­mit­teln eine Notiz für Sie, der Sie viel­leicht auf Nach­rich­ten von uns war­ten wer­den. Wir sit­zen in die­sem Moment mit unse­ren Funk­emp­fän­gern im Cen­tral Park, Höhe 87. Stra­ße nahe Onass­is­re­ser­voir. Fran­kie wie­der in Frei­heit. Er scheint glück­lich zu sein. War an die­sem Tag viel unter­wegs gewe­sen, umrun­de­te zwei­fach den gro­ßen See, in dem er von Baum zu Baum segel­te in gro­ßer Höhe. Wir folg­ten ihm in ange­mes­se­nem Abstand, unsicht­bar, und hat­ten doch immer wie­der den Ein­druck, Fran­kie wür­de auf uns war­ten. Es ist jetzt kurz nach vier Uhr. Schwü­le, knis­tern­de Luft. Der Him­mel so dun­kel, als wäre dort über uns schon Nacht gewor­den. Blit­ze in Mee­res­nä­he. Fran­kie hockt unter einer Lin­de. Er schaut uns an. Leuch­ten­de, fieb­ri­ge Augen. Sein klei­ner, mus­ku­lö­ser Kör­per bebt. Wann war es zuletzt gewe­sen, dass wir ein solch präch­ti­ges Eich­hörn­chen gese­hen haben? – Ihr Mal­colm. / code­wort : lepo­rel­lo

emp­fan­gen am
1.07.2012
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mal­colm to louis »

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eisvogelsphäre

9

del­ta : 0.10 — Eis­vo­gel­wör­ter ent­deckt. Nicht erwar­te­te Viel­falt: Her­ku­les-Eis­vo­gel (Alce­do her­cu­les), Kobalt-Eis­vo­gel (Alce­do semi­t­or­qua­ta), Schil­ler­eis­vo­gel (Alce­do qua­dri­brachys), Men­in­ting-Eis­vo­gel (Alce­do men­in­ting) Azur­fi­scher (Alce­do azu­rea), Brust­band-Eis­vo­gel (Alce­do eury­zo­na), Blau­brust­fi­scher (Alce­do cya­nopec­ta), Sil­ber­fi­scher (Alce­do argen­ta­ta), Mada­gas­karzwerg­fi­scher oder Schwarz­schna­bel-Zwerg­fi­scher (Alce­do vint­sio­ides), Hau­ben-Zwerg­fi­scher oder Mala­chit-Eis­vo­gel (Alce­do cristata), Sao-Tomé-Zwerg­fi­scher (Alce­do tho­men­sis), Prin­ci­pe-Zwerg­fi­scher (Alce­do nais), Weiß­bauch-Zwerg­fi­scher (Alce­do leu­co­gas­ter), Tür­kis­fi­scher (Alce­do coe­ru­le­s­cens), Papua­fi­scher (Alce­do pus­il­la) — Auch selt­sa­me Wör­ter in fol­gen­der Nah­auf­nah­me: Der Eis­vo­gel ernährt sich von Fischen, Was­ser­in­sek­ten und deren Lar­ven, Klein­kreb­sen und Kaul­quap­pen. Er kann Fische bis neun Zen­ti­me­ter Län­ge mit einer maxi­ma­len Rücken­hö­he von zwei Zen­ti­me­tern ver­schlin­gen. Bei lang­ge­streck­ten, dün­nen Arten ver­schiebt sich die Höchst­gren­ze auf zwölf Zen­ti­me­ter Kör­per­län­ge. Die Jagd­me­tho­de des Eis­vo­gels ist das Stoß­tau­chen. Von einer pas­sen­den Sitz­war­te im oder nahe am Was­ser wird der Stoß ange­setzt. Wenn er eine mög­li­che Beu­te ent­deckt, stürzt er sich schräg nach unten, kopf­über ins Was­ser und beschleu­nigt dabei meist mit kur­zen Flü­gel­schlä­gen. Die Augen blei­ben beim Ein­tau­chen offen und wer­den durch das Vor­zie­hen der Nick­haut geschützt. Ist die Was­ser­ober­flä­che erreicht, wird der Kör­per gestreckt und die Flü­gel eng ange­legt oder nach oben aus­ge­streckt. Bereits kurz vor dem Ergrei­fen der Beu­te wird mit aus­ge­brei­te­ten Flü­geln und Bei­nen gebremst. Zur Was­ser­ober­flä­che steigt er zuerst mit dem Nacken, wobei er den Kopf an die Brust gepresst hält. Schließ­lich wird der Schna­bel mit einem Ruck aus dem Was­ser geris­sen und der Vogel star­tet ent­we­der sofort oder nach einer kur­zen Ruhe­pau­se zum Rück­flug auf die Sitz­war­te. Im All­ge­mei­nen dau­ert ein Ver­such nicht mehr als zwei bis drei Sekun­den. Der Eis­vo­gel kann aber auch aus einem kur­zen Rüt­tel­flug tau­chen, wenn ein geeig­ne­ter Ansitz fehlt. Nicht jeder Tauch­gang ist erfolg­reich, er stößt oft dane­ben. Der Eis­vo­gel benö­tigt zur Bear­bei­tung der Beu­te in der Regel einen dicken Ast oder eine ande­re, mög­lichst wenig schwin­gen­de Unter­la­ge. Klei­ne­re Beu­te wird mit kräf­ti­gem Schna­bel­drü­cken oft sofort ver­schluckt. Grö­ße­re Fische wer­den auf den Ast zurück­ge­bracht, dort tot geschüt­telt oder auf den Ast geschla­gen, im Schna­bel „gewen­det“ und mit dem Kopf vor­an ver­schluckt; ande­ren­falls könn­ten sich im Schlund die Schup­pen des Fisches sträu­ben. Der Eis­vo­gel schluckt sei­ne Beu­te in einem Stück. Unver­dau­li­ches, wie Fisch­kno­chen oder Insek­ten­res­te wer­den etwa ein bis zwei Stun­den nach der Mahl­zeit als Gewöl­le her­auf­ge­würgt. / quel­le: wiki­pe­dia — stop
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blitzkäfer

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marim­ba : 6.42 — Man erzählt, Blitz­kä­fer in frei­er Wild­bahn sei­en sel­ten gewor­den. Einer der letz­ten auf dem euro­päi­schen Fest­land woh­nen­den Käfer die­ser Gat­tung soll am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de nahe Straß­burg ent­deckt und gefan­gen genom­men wor­den sein. Das Tier wur­de kurz vor sei­ner dro­hen­den Ent­la­dung in einen bota­ni­schen Samm­ler mit­tels eines iso­lie­ren­den Käfigs von Por­zel­lan arre­tiert und befin­det sich der­zeit im zoo­lo­gi­schen Gar­ten zu Oslo. Nun soll­te man wis­sen, Biltz­kä­fer sind gefähr­li­che Per­so­nen, obgleich sie zunächst eher harm­los erschei­nen. Von einer hel­len run­den Pan­ze­rung umge­ben, ver­fü­gen sie über außer­or­dent­lich kur­ze kräf­ti­ge Bei­ne, über einen Kopf wei­ter­hin, der an ihrem Kör­per kaum in Erschei­nung tritt, weil er sehr klein ist und auf dem volu­mi­nö­sen Kör­per unmit­tel­bar auf­sitzt, Wesen ohne Hals, die sich sehr lang­sam vor­wärts, rück­wärts oder seit­wärts bewe­gen. Sobald man einen Blitz­kä­fer anzu­he­ben wünscht, wird man über­rascht sei­ne Schwe­re bemer­ken, man kann ihn von Hand kaum von einem Unter­su­chungs­tisch bekom­men, so schwer ist die Käfer­krea­tur. An sei­nem höchs­ten Punkt, exakt sei­nen Bei­nen gegen­über, erhebt sich ein Sta­chel, der sich gegen den Him­mel rich­tet. Von dort kom­men Blit­ze an oder gehen von dort aus wie­der in die Luft. Blitz­kä­fer sum­men. Das ist ein Geräusch, wel­ches höchs­te Gefahr signa­li­siert, für Leib und Leben. — stop

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lopes

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del­ta : 0.36 — Ich stel­le mir vor, wie ich bald ein­mal von einer län­ge­ren Rei­se nach Hau­se zurück­kom­men wer­de. Ich öff­ne die Woh­nungs­tü­re, mache Licht, ein paar Nacht­fal­ter kom­men mir durch den Flur zur Begrü­ßung ent­ge­gen. In der Küche blü­hen Kak­teen. Im Wohn­zim­mer auf dem Sofa ruht eine nor­we­gi­sche Wald­kat­ze, sie schläft. Es herrscht, obwohl Win­ter­zeit, eine ange­neh­me Tem­pe­ra­tur in allen Räu­men, eine Wär­me, die von der Hit­ze umlie­gen­der Woh­nun­gen ver­ur­sacht ist. Ich höre Duke Elling­ton lei­se vom Radio her, das ich ver­gaß vor mei­ner Rei­se aus­zu­schal­ten. Ja, und da ist nun also Lopes, auf dem Rücken lie­gend, bewe­gungs­los. Ich sage, Lopes, hal­lo Lopes, guten Abend, bin wie­der da, werd dich gleich wecken. Schrit­te an der Zim­mer­de­cke, das pfei­fen­de Geräusch einer Stra­ßen­bahn, die eine Kreu­zung über­quert, der Staub der Mona­te knis­tert auf den Lam­pen­bir­nen. Auch die Kak­teen hin­ter dem Schreib­tisch blü­hen wie ver­spro­chen. Es ist ein wirk­lich ange­neh­mer Abend. Lopes ist schmal gewor­den und kühl, wie ich mit einer Hand über ihren Kör­per fah­re, füh­le ich ihre Rip­pen­bö­gen unter dem Fell. Nichts kann man falsch machen in die­sen sanf­ten Momen­ten einer Rück­kehr aus der Fer­ne, man macht das so, man setzt sich neben das schlum­mern­de Kat­zen­tier, man zieht ganz sanft an einem ihrer Ohren, mal ist es das lin­ke, mal ist es das rech­te Ohr, und schon öff­nen sich ihre Augen, es ist über­all das­sel­be Prin­zip. Ich hör­te von Arten, die 5 Jah­re lang schla­fen und war­ten, ohne je ein­mal auf­zu­wa­chen, oder trin­ken oder essen zu müs­sen. Das sind Kat­zen, die sehr kost­bar sind, Lopes dage­gen ist eine eher preis­wer­te Vari­an­te, eine Kat­ze, die sechs Mona­te bei bes­ter Gesund­heit zu schla­fen ver­mag. Ich sit­ze jetzt in der Küche, ich höre, wie mei­ne Kat­ze schnurrt. Gleich wird sie um die Ecke kom­men, etwas wacke­lig auf den Bei­nen noch und ahnungs­los wie viel Zeit doch ver­gan­gen ist, seit ich sie in den Schlaf geschal­tet habe. — stop

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frankie

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echo

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : FRANKIE
date : june 9 12 0.05 a.m.

Sams­tag. Nacht. Gute Nach­rich­ten sind zu über­mit­teln. End­lich haben wir ein Eich­hörn­chen gefan­gen, Cen­tral Park, Höhe 76. Stra­ße, ein gro­ßes, grau­es Tier. Wir haben ihm den Namen Fran­kie ver­passt. In die­sem Moment schläft Fran­kie tief und fest. Es ist kaum zu glau­ben, dass wir sei­nen klei­nen run­den Bauch, der sich vor unse­ren Augen hebt und senkt, in weni­gen Stun­den öff­nen wer­den. Arme und Bei­ne sind bereits am Tisch befes­tigt, ein Anblick, der nicht gut zu ertra­gen ist. Fran­kie wirkt hilf­los, erbärm­lich, wie er hin­ge­streckt vor unse­ren Augen ruht. Als wir ihn bade­ten, wach­te er vom Was­ser auf, das er viel­leicht nicht gewohnt ist, und zeig­te sei­ne kräf­ti­gen Zäh­ne. Ich neh­me an, er wird in die­sem Moment weder hören noch sehen, nur träu­men oder auch nicht. Da wir nun alles auf das Sorg­fäl­tigs­te vor­be­rei­tet haben, Satel­li­ten­sen­der wie USB-Daten­trä­ger lie­gen bereit, bit­ten wir um prä­zi­se ana­to­mi­sche Anwei­sung, in wel­che Tie­fe wir das Mate­ri­al in Fran­kies Kör­per zu ver­sen­ken haben. Wie lan­ge Zeit soll­ten wir Fran­kie nach Ope­ra­ti­on nar­ko­ti­sie­ren? Wann könn­ten wir ihn wie­der in die Frei­heit ent­las­sen? Ant­wor­ten Sie bit­te rasch! Ihr Mal­colm / code­wort : hibiskusblüte

emp­fan­gen am
9.06.2012
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brummkreisel DOYU 66Y

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bamako : 18.55 — Ich habe über das Pro­blem leben­der Brumm­krei­sel nach­ge­dacht. Das ist näm­lich so, dass ein Lebe­we­sen, das einem Brumm­krei­sel ähn­lich sein wür­de, über zwei Abtei­lun­gen ver­fü­gen soll­te, über eine der Erde ver­bun­de­ne Fuß– oder Basis­ab­tei­lung einer­seits, sowie über eine sich dre­hen­de, krei­sen­de Ein­heit ande­rer­seits, die sich in den Momen­ten der Karus­sell­fahrt in Frei­heit, also unab­hän­gig von dem geer­de­ten Teil des Brumm­krei­sel­we­sens bewe­gen müss­te und doch ein­deu­tig ihm gehö­ren wür­de. Dem­zu­fol­ge wür­de die krei­sen­de Abtei­lung die­ses Wunsch­we­sens nach Ende ihrer rasen­den Fahrt zu sich selbst zurück­keh­ren, das heißt, sich mit der war­ten­den Fuß­ab­tei­lung in orga­ni­schem Sin­ne wie­der ver­ei­nen. Eigent­lich ist das ins­ge­samt nicht schwer zu den­ken. Ein Gefäß, anstatt eines Kop­fes, könn­te auf den Schul­tern der Basis­ab­tei­lung exis­tie­ren, eine Fas­sung, in wel­cher sich die unte­re Spit­ze des wir­beln­den Kör­per­tei­les frei dre­hend bewe­gen wür­de. In die­sem Gefäß soll­ten sich Öle befin­den, die dem mensch­li­chen Liqu­or ähn­lich sind. Nach einer Pha­se der Rota­ti­on wür­den sich in die­ser Flüs­sig­keit Blut­ge­fä­ße und Ner­ven­bah­nen, die zuvor gelöst wor­den waren, von unten nach oben erneut mit­ein­an­der in Ver­bin­dung brin­gen, sodass das Wesen bald wie­der zu einer voll­stän­di­gen Per­son gewor­den sein wird. Augen und Ohren, so stel­le ich mir vor, soll­ten sich in der unte­ren Abtei­lung befin­den, auch Füße zum Ste­hen und Wan­dern und alle Orga­ne, die für einen gesun­den Stoff­wech­sel not­wen­dig sind. Ja, so könn­te das mög­lich sein, das ist denk­bar, das macht Kno­ten im Kopf. — stop

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