india : 2.12 — Schon weit nach Mitternacht, aber immer noch ein später Abend summender Luft. Habe drei lange Stunden versucht 18.924.150 Zeichen des menschlichen Genoms als Sequenz in mein Textverarbeitungsprogramm zu laden. Immer wieder scheitert die Formatierung mit der Seite 32.678 des Dokuments, als ob meine Computermaschine sagen wollte, diesen Unsinn mache ich nicht länger mit. — Nun aber rasch noch einen ernsthaften Gedanken notieren. Nehmen wir einmal an, es wäre möglich, einen Käfer zu entwickeln, sagen wir, einen Zeppelinkäfer, der nahe absoluter Schwerelosigkeit unter letzten Molekülen von Sauerstoff schwebend Ozon produzieren würde, dann könnte man sich einen zweiten Käfer vorstellen, einen Zeppelinkäfer gleichwohl, der eine Käferdame sein sollte, die sich natürlich sofort verlieben wird, weshalb wir bald einen Nebel kleinster, sehr gefräßiger Zeppelinkäfer vor uns am Himmel sehen würden. — Eine beruhigende Vorstellung, sagen wir, sehr beruhigend. — Was aber fressen sie dort oben, wo es doch nichts gibt außer Mond, Stern und Sonnenlicht? Man könnte eine Gattung weiterer Käfer erfinden, Käfer, die sehr schmackhaft sind und leidenschaftlich gerne, sobald man sie freilassen wird, hinter die Wolken steigen, um sich ihren Freuden, den Zeppelinkäfern, mit allem, was sie sind und haben, hinzugeben. — Ich sollte sofort ein kombiniertes Patent versuchen.
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geraldine : ein wunder geschieht
~ : geraldine
to : louis
subject : EIN WUNDER GESCHIEHT
Als es noch dunkel war, bin ich wach geworden, weil das Schiff unter mir schlingerte. Wasser schlug gegen das Bullauge über meinem Bett. Ich setzte mich auf und spürte, dass ich an diesem Tag Kraft haben würde. Ich hatte so viel Kraft, dass ich mühelos meinen Bademantel und meine Jacke anziehen konnte. Nur als ich mir die Schuhe binden wollte, wurde mir schwindelig und ich wäre um ein Haar umgefallen. Wissen Sie, Mr. Louis, dass ich plante, ganz allein für mich das Hauptdeck zu erklimmen. Verrückt, finden Sie nicht auch? Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, weil der Seegang mich schaukelte, aber ich schaffte eine Treppe und noch eine Zweite, dann ging ich in die Knie. Ein älterer Herr weckte mich, seine Haut war schwarz und sein Haar schlohweiß. Er half mir aufzustehen, und ich sagte ihm, dass ich das Hauptdeck erreichen wollte, aber anstatt mich vor das Meer zu setzen, setzte er mich in ein Café und hörte mir zu und wunderte sich, dass ich so blass war. Ich habe ihm nichts von meinen schweren Gedanken erzählt, aber davon, dass ich Seepostbriefe an meine Schwester Yanuk schreibe, die ich sehr liebe, meine Zwillingsschwester, die ein Kind erwartet, ein Kind, das vielleicht einmal wie seine Mutter Yanuk heißen wird. Ich glaube, er freute sich, und dann erzählte er eine feine Geschichte. Er sagte, dass er vor vielen Jahren sehr verliebt gewesen sei. Die Frau, die er liebte, war eine weiße Frau gewesen, die in einer der besseren Gegenden der Stadt wohnte, während er selbst in einem ärmlichen Viertel in einem Backsteinhaus lebte. Anfangs schrieb sie ihm Briefe, sagte der Mann, aber er hatte diese Briefe zunächst nicht erhalten, weil der Briefkasten seines Hauses verschwunden war. Sie besuchte ihn und fragte, warum er ihr nicht antworten würde, und er erzählte, dass nicht nur der Briefkasten verloren gegangen sei, sondern das ganze Haus sich in Auflösung befinden würde. Dann geschah ein Wunder. Am übernächsten Tag kam ein Postauto mit einem Postmann, der einen feuerroten Briefkasten an das Haus schraubte, während der alte Mann, der damals noch jung gewesen war, zugesehen hatte. Auf den Briefkasten war die Adresse seines Hauses und sein Name geschrieben und er war mit einem Dutzend großartiger Briefmarken beklebt. Natürlich hatte sich der alte Mann sehr gefreut. Und als er am nächsten Tag wieder zum Briefkasten ging, lag ein Brief für ihn darin. Ich musste weinen, Mr. Louis, als ich diese Geschichte hörte. Dann trug mich der alte Mann mit einem Steward in meine Kajüte, und da sitze ich nun auf meinem Bett und schreibe an Sie, während die Gischt über meinem Bett mit meinem Bullaugenfenster spricht. — Ihre Geraldine auf hoher See.
notiert im Jahre 1962
an Bord der Queen Mary
aufgefangen am 03.12.2008
22.08 MEZ
schweigende augen
charlie : 12.25 — Bemerkt, dass wir die Stürme, die uns das Wochenende über ein Lied pfeifen werden, schon in diesen Stunden betrachten können, während sie noch über dem Atlantik zirkulieren. Fast alles kann man voraussehen, nah sehen, verzögert oder in der echten, synchronen Zeit. Stellte mir vor, wie Amerikaner und Russen durch je ein Satellitenauge den Untergang eines hölzernen Schiffes 50 Seemeilen vor Lampedusa beobachten. Und beide Augen schweigen. — stop
die malerei kleinster teilchen
sierra : 8.02 — Ohne die Zeit noch zu bemerken, sechs Stunden lang erste Spuren eines anatomischen Hörspiels bearbeitet. Kurz vor Mitternacht dann in angenehmer Balance mit Cormac McCarthys düsterem Roman Die Straße auf dem Sofa. Ein Buch, das mir Freude macht, nicht weil es Endzeit, nein, weil es in kleinen Abteilen vorwärts erzählt. Als würde in einem unendlich großen, dunklen Raum je für kurze Zeit das Licht angeschaltet, Phasen zeichenloser Dunkelheit, Sekunden‑, Minuten‑, Stundensprünge, dann wieder ruhige Sprache, einfache, präzise Sätze. Darüber eingeschlafen. Morgens von Regengeräuschen geweckt, die nicht wirklich existierten. — Kurz nach sieben Uhr und noch immer wundere ich mich, dass ich eingenickt war, ohne auch nur einmal zu denken: Du wirst gleich schlafen. Die Idee, dass vielleicht Bücher existieren, die als Schlafbücher anzusehen sind, Bücher, die einen geheimen Code enthalten, hypnotische Zeichenfolgen, unwiderstehlich in ihrer Wirkung. Man könnte in Buchhandlungen eine weitere Kategorie sortieren, die der Narkotika nämlich, Romane, die ins Jenseits befördern, nicht zu lesen im Gehen, in Zügen, im Stehen! – Guten Morgen! — stop
geraldine : walfisch
~ : geraldine
to : louis
subject : WALFISCHE
Ich habe das Mittagessen verschlafen. Vormittags war ich schon auf dem Hauptdeck, schönstes Wetter, keine Wolke am Himmel, das Meer ganz ruhig. Papa hat mich hochgetragen, es ist anstrengend für ihn, obwohl er nicht sehr alt ist, aber ich bin kein leichtes Mädchen. Papa sagte, man habe ihm von Walen erzählt, die auf dem Radarschirm sichtbar gewesen seien. Es ist also möglich, dass ich heute Wale sehen werde. Merkwürdig, ich sage immer Wale, aber ich denke Walfische. Und so wartete ich auf die Walfische und während ich wartete, bin ich eingeschlafen. Es war sehr warm geworden unter der Decke, die Papa über mich gebreitet hatte. Als ich aufwachte, war das Mittagessen längst vorbei und der junge Mann, der Stewart, von dem ich Ihnen schon geschrieben habe, saß neben meiner Liege auf dem Boden. Er hatte ein Fernglas dabei. Ich glaube, er hatte das Fernglas für mich mitgebracht. Ich habe zuerst noch so getan, als würde ich schlafen, und habe ihn mir angeschaut, Sie verstehen, Mr. Louis, Sehschlitzaugen. Er ist hübsch. Er mag die Sonne. Er mag die Sonne sehr. Und fast bin ich mir sicher, dass er mich wie die Sonne mag. Oft ist er in meiner Nähe. Wenn er nur nicht immer so traurig schauen würde. Mal sieht er mich verliebt an, dann wieder, als würde es regnen in seinem Herzen. Vielleicht weiß er, dass ich sehr krank bin, ja, vielleicht weiß er das, und trotzdem ist er verliebt. Das wär schön, wenn er sich in mich verlieben könnte, obwohl er weiß, dass ich sehr krank bin. Ich habe mir oft gedacht, dass ich alleine bin, einsam, weil die jungen Männer mit einem kranken Mädchen keine Liebe haben wollen, obwohl ich ein schönes Mädchen bin. Oh, wie glücklich wäre ich, wenn er alles von mir wüsste. Ich müsste nichts verbergen. Wale haben wir bislang keine gesehen. Vielleicht später, vielleicht am Abend. – Ihre Geraldine auf hoher See
notiert im Jahre 1962
an Bord der Queen Mary
aufgefangen am 16.11.2008
22.27 MEZ
schlafen in turku
echo : 8.28 — Ist Ihnen vielleicht bekannt, dass Wale, Pottwale genauer, wenn sie schlafen, Kopf nach oben im Wasser schweben? Langsam sinkende Türme, leise singend, leise knatternd, friedvolle Versammlungen, die mit dem Golfstrom treiben. Wenn Sie einmal wach liegen sollten, wenn Sie nicht schlafen können, weil Sorgen Sie bedrängen oder andere schmerzvolle Gedanken, wird es hilfreich sein, eine Tauchfahrt zu unternehmen im Kopf durchs Bild der träumenden Wale. Oder Sie reisen an die Ostsee, nehmen die nächste Fähre nach Turku. Sie werden dann schon sehen. Ballone, zum Beispiel, Ballone werden Sie sehen am Horizont, Ballone am dämmrigen Himmel, dort müssen Sie hin. Alles ist gut zu Fuß zu erreichen, eine Stunde oder zwei, nicht länger, je nach Gepäck. Man wird Sie schon erwarten, man wird Sie freundlich begrüßen, man wird Sie fragen, wie lange Zeit Sie zu schlafen wünschen, welcher Art die Dinge sind, die Sie zu vergessen haben, die Sie beschweren. Man wird Ihren Blick zum Himmel lenken und Sie werden erkennen, dass unter den Ballonen Menschen schweben, aufrecht und reglos, in Daunenmäntel gehüllt, von einem leichten Wind hin und her geschaukelt, hunderte, ja tausende Menschen. — - Stille herrscht. — - Nur das Fauchen der Feuermaschinen von Zeit zu Zeit. – Guten Morgen! Heute ist Dienstag oder Mittwoch oder Samstag. Auf nach Turku!
yanuk : zwergseerosen
~ : yanuk le
to : louis
subject : ZWERGSEEROSEN
date : nov 8 08 10.25 p.m.
Drei lange Stunden geklettert, um Höhe 310 zu erreichen. Kein Regen, aber Nebel, sehr dichter, kühler Nebel. Aufstieg fortgesetzt. Ich konnte die kleinen Affen hören, ihr unentwegtes, leises Knattern, mit dem sie sich verständigen, wenn sie sich nicht sehen können, eine Art Radarsprache, die nichts bedeutet, als: Hier bin ich, hier, am Ende des Geräusches! Sie haben mich begleitet. Nehme an, auch ich war für sie unsichtbar gewesen, aber sie konnten wohl meinen Atem hören, das Kratzen meiner Finger an der Rinde, mein Schuhwerk, mein Ächzen, wenn ich mich weiterziehen musste. Kurz bevor wir Höhe 382 erreichten, wurde es heller, dann eine scharfe Linie zwischen Dampfluft und trockener Luft. Es war ganz so, als hätte ich meinen Kopf aus dem Wasser gestreckt, als hätte ich tagelang getaucht. Die Affen waren schon da, begrüßten mich kreischend. Sie sahen lustig aus, feuchtes Fell, waren über und über mit Blüten bedeckt. Ich sage Dir, Mr. Louis, ein fantastischer Ausblick. Abertausende Zwergseerosen schweben oder schwimmen auf der Oberfläche des Nebels. Ich weiß jetzt, weshalb es in den vergangenen Tagen so düster gewesen ist. Ich werde mich jetzt einrichten hier oben und etwas ausruhen. — Cucurrucu! Yanuk
eingefangen
20.12 UTC
1266 Zeichen
nadja einzmann : zeit vergeht
tango : 8.25 — Ein warmer Wind wehte gestern Abend Laub von der Straße her ins Café. Lauschte einer angenehmen Stimme. Hörte eine Geschichte, die einmal meine Geschichte gewesen war und noch immer zu mir gehört und doch eine ausgewanderte, eine geschenkte Geschichte ist. Diese Geschichte schildert eine erste Wahrnehmung der Zeit. Als ich sie vor zwei oder drei Jahren an genau jenem Tisch erzählte, an dem sie nun aus einem Buch vorgelesen wurde, hatte ich nicht die Erwartung, sie einmal kunstvoll zwei Sätzen eingeschrieben und gedruckt zu sehen: Seine vielleicht erste Erinnerung, dass er unter dem Weihnachtsbaum liegt und sich in einer roten Weihnachtskugel spiegelt. Als er sich im folgenden Jahr wieder so gespiegelt vorfindet, denkt er zurück und weiß auf einmal, dass Zeit vergangen ist, dass Zeit vergeht. Nadja Einzmann
yanuk : cucurrucu!
~ : yanuk le
to : louis
subject : RAIN
date : oct 23 08 6.52 p.m.
Lieber Mr. Louis, froh bin ich, lesen zu dürfen, dass Du wieder Schlaf finden kannst. 38 Tage mit je nur ein oder zwei Stunden der Ruhe, das ist eine lange Zeit. Du musst wohl bald Gespenster gesehen haben, ja, das nehme ich an, Geister oder solche Wesen, die eigentlich nicht für Dich anwesend sind. Ich kann nachfühlen, wie schwer diese Tage für Dich gewesen sein müssen. Auch ich schlafe nicht gut zurzeit. Seit acht Tagen Regen ohne Unterbrechung. Verlasse kaum das Zelt, ständig Geräusche des Wassers. Kühl ist es geworden auf Höhe 286. Ich habe alles so weit vorbereitet, dass ich unverzüglich weiter klettern kann, sobald der Regen nachgelassen haben wird. Vor zwei Tagen hatte ich einen Versuch gewagt und mich auf den Weg gemacht. Aber der Stamm meines Baumes und alle Gewächse, die ich üblicherweise nütze, um mich festzuhalten, sind so feucht, als seien sie Unterwasserpflanzen. Wundere mich, dass ich Deine Nachricht überhaupt empfangen konnte. Vielleicht könntest Du mir etwas Literatur übermitteln. Wäre das möglich? Solange ich nichts zu lesen habe, vertreibe ich mir die Zeit mit der Rettung von Ameisen. Schwimmt eine an meinem Zelt vorbei, biete ich ein Stöckchen an oder ein Blatt und fische sie aus den Sturzbächen heraus. Sie sind alle sehr ähnlich in der Art und Weise, wie sie sich trocknen. Zunächst streifen sie sich das Wasser von den Augen, dann bebt ihr Hinterleib, eine unglaublich schnelle Bewegung. Kaum zufrieden, laufen sie im Zelt herum und kämpfen gegen weitere zufriedene Artgenossen. Ja, jeder kämpft hier gegen jeden, als hätten sie alle unter der Erfahrung des Wassers ihr Gedächtnis verloren. – Cucurrucu! Yanuk
eingefangen
20.58 UTC
1680 Zeichen
bryant park
sierra : 8.57 — Es hatte Stunden lang geregnet, jetzt dampfte der Boden im südwärts vorrückenden Nordlicht, und das Laub, das alles bedeckte, die steinernen Bänke, Brunnen und Skulpturen, die Büsche und Sommerstühle der Cafés, bewegte sich trocknend wie eine abgeworfene Haut, die nicht zur Ruhe kommen konnte. Boulespieler waren vom Himmel gefallen, fegten ihr Spielfeld, schon war das Klicken der Kugeln zu hören, Schritte, Rufe. Wie ich so zu den Spielern schlenderte, kreuzte eine junge Frau meinen Weg. Sie tastete sich langsam vorwärts an einem weißen, sehr langen Stock, den ich eingehend beobachtete, rasche, den Boden abklopfende Bewegungen. Als sie in meine Nähe gekommen war, vielleicht hatte sie das Geräusch meiner Schritte gehört, sprach sie mich an, fragte, ob es bald wieder regnen würde. Ich erinnere mich noch gut, zunächst sehr unsicher gewesen zu sein, aber dann ging ich ein Stück an ihrer Seite und berichtete vom Oktoberlicht, welches ich so liebte, von den Farben der Blätter, die unter unseren Füßen raschelten. Bald saßen wir auf einer nassen Bank, und die junge Frau erzählte, dass sie ein kleines Problem haben würde, dass sie einen Brief erhalten habe, einen lang erwarteten, einen ersehnten Brief, und dass sie diesen Brief nicht lesen könne, ein Mann mit Augenlicht hätte ihn geschrieben, ob ich ihr den Brief vorlesen könne, sie sei so sehr glücklich, diesen Brief endlich in Händen zu halten. Ich öffnete also den Brief, einen Luftpostbrief, aber da standen nur wenige, sehr harte Worte, ein Ende in sechs Zeilen, Druckbuchstaben, eine schlampige Arbeit, rasch hingeworfen, und obwohl ich wusste, dass ich etwas tat, das ich nicht tun durfte, erzählte meine Stimme, die vorgab zu lesen, eine ganz andere Geschichte. Liebste Marlen, hörte ich mich sagen, liebste Marlen, wie sehr ich Dich doch vermisse. Konnte so lange Zeit nicht schreiben, weil ich Deine Adresse verloren hatte, aber nun schreibe ich Dir, schreibe Dir aus unserem Café am Bryant Park. Es ist gerade Abend geworden in New York und sicher wirst Du schon schlafen. Erinnerst Du Dich an die Nacht, als wir hier in unserem Café Deinen Geburtstag feierten? Ich erzählte Dir von einer kleinen, dunklen Stelle hinter der Tapete, die so rot ist, dass ich Dir nicht erklären konnte, was das bedeutet, dieses Rot für sehende Menschen? Erinnerst Du Dich, wie Du mit Deinen Händen nach jener Stelle suchtest, wie ich Deine Finger führte, wie ich Dir erzählte, dass dort hinter der Tapete, ein Tunnel endet, der Europa mit Amerika verbindet? Und wie Du ein Ohr an die Wand legtest, wie Du lauschtest, erinnerst Du Dich? Lange Zeit hast Du gelauscht. Ich höre etwas, sagtest Du, und wolltest wissen, wie lange Zeit die Stimmen wohl unter dem atlantischen Boden reisten, bis sie Dich erreichen konnten. – An dieser Stelle meiner kleinen Erzählung unterbrach mich die junge Frau. Sie hatte ihren Kopf zur Seite geneigt, lächelte mich an und flüsterte, dass das eine sehr schöne Geschichte gewesen sei, eine tröstliche Geschichte, ich sollte den Brief ruhig behalten und mit ihm machen, was immer ich wollte. Und da war nun das aus dem Boden kommende Nordlicht, das Knistern der Blätter, die Stimmen der spielenden Menschen. Wir gingen noch eine kleine Strecke nebeneinander her, ohne zu sprechen. Ich seh gerade ihren über das Laub tastenden Stock und ein Eichhörnchen mit einer Nuss im Maul, das an einem Baumstamm kauerte. Beinahe kommt es mir in dieser Sekunde so vor, als hätte ich dieses Eichhörnchen und seine Nuss nur erfunden. — stop