Aus der Wörtersammlung: erle

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ein flimmern

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alpha : 18.55 UTC — Im Radio erzähl­te ein Astro­naut, er habe die ers­ten Stun­den des Über­falls der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on auf die Men­schen des frei­en Staa­tes Ukrai­ne im Welt­raum flie­gend erlebt. In der Nacht ein stock­dunk­les Gebiet, wo Tage zuvor die Städ­te des Lan­des noch wie Erd­ster­ne leuch­te­ten. Die Kämp­fe um Hosto­mel habe er als ein röt­li­ches Flim­mern oder Flir­ren wahr­ge­nom­men. Eines Tages führ­te die Flug­bahn der Raum­sta­ti­on in 400 Kilo­me­tern Höhe von Süd­wes­ten über das Schwar­ze Meer. Eine tief­schwar­ze Rauch­wol­ke reich­te hoch hin­auf bis in die Stra­to­sphä­re, das war, als die Stadt Mariu­pol bela­gert und Tag und Nacht von der See, vom Land her und aus der Luft bom­bar­diert wur­de. — stop

 

 

 

 

 

 

 

Kalei­do­skop
Blick ins Licht
Palmengarten
10. Juli
2024

 

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fliegende schnecke

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alpha : 8.32 UTC — Ein Schrift­stel­ler soll exis­tie­ren, der all jene Gegen­stän­de, über die er prä­zi­se zu schrei­ben wünscht, besit­zen muss, um sie dre­hen und wen­den zu kön­nen, in sie hin­ein­se­hen, also öff­nen, zer­le­gen und wie­der, wenn dann noch mög­lich,  zusam­men­fü­gen. Es wur­den bei­spiels­wei­se gekauft: Eine rote Rei­se­schreib­ma­schi­ne  Oli­vet­ti Valen­ti­ne nach dem Design des Etto­re Sott­s­ass, ein Kalei­do­skop von Metall und bun­tem Glas, ein auf­zieh­ba­res Vogel­we­sen mit Federn eines Strau­ßes, ein Mes­sing­mi­kro­skop Leitz No158461, eine flie­gen­de Schne­cke. Den Kauf die­ser flie­gen­den Schne­cke hat­te ich nur geträumt wie die Schne­cke selbst, und zwar mehr­fach, ein sehr lang­sam durch die Luft fah­ren­des Wesen ohne Flü­gel. Ich wach­te auf, sobald ich nach der Schne­cke grei­fen woll­te mit den Hän­den eines Kin­des. Eigent­lich soll­te ich nie­mals das Ende eines Trau­mes erzäh­len, Trau­men­den befin­den sich nicht sel­ten bereits mit einem Bein im neu­en Tag, in einem Bezirk der Welt, den wir Wirk­lich­keit nen­nen, ich bin dann schon wach gewor­den auf einem Bein, habe die Fens­ter geöff­net, es reg­net zum Bei­spiel, auf der Stra­ße weit unter mir bewe­gen sich Regen­schir­me, Men­schen sind kei­ne zu erken­nen, aber ein paar nas­se Tau­ben, die sich, von der Schwe­re ihres Gefie­ders in die Tie­fe gezo­gen, kaum noch in der Luft zu hal­ten ver­mö­gen. Eine Exkur­si­on zur Kaf­fee­ma­schi­ne hin nüt­ze ich, um mein Mikro­skop vom Tisch zu holen. Tat­säch­lich erken­ne ich jetzt eine Her­de gold­grü­ner Frö­sche, die sich an der Haus­wand gegen­über west­wärts bewe­gen. Zu hören ist von ihnen nichts, aber der Regen rauscht sehr schön, pras­selt auf die Blät­ter der Bäu­me, tropft von den Regen­rin­nen auf ble­cher­ne Fens­ter­sim­se, was für ein wun­der­schö­ner Mor­gen, schon habe ich den Traum, den ich träum­te, bei­na­he ver­ges­sen. — stop

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von farben

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marim­ba : 23.18 UTC — S. ist schwarz und ich bin weiß. Selt­sa­me For­mu­lie­rung. Stem­pel­satz, dem zahl­rei­che wei­te­re selt­sa­me Stem­pel­ge­dan­ken fol­gen, Gedan­ken, die eben nicht hör­bar, aber sehr wir­kungs­voll sind. Ich stell­te ihr vor­sich­tig eine Fra­ge, die sie mir selbst ver­mut­lich nie stel­len wür­de. Ich fra­ge, wie sie Ras­sis­mus in ihrem All­tag erle­be. Sie kön­ne hun­der­te Geschich­ten erzäh­len, vom Über­se­hen wer­den, von Men­schen, die ihr in selt­sa­mer Spra­che ant­wor­ten wür­den, als sei sie ein Baby, vom offe­nen Stau­nen, dass sie einen deut­schen Pass besit­zen wür­de, der Pass wird mehr­fach kon­trol­liert, ein­mal flog sie wie­der zurück über den Atlan­ti­schen Oze­an, weil man ihr die Ein­rei­se grund­los ver­wei­ger­te. Ein jun­ger Mann bemerk­te im Zug, dass sie Tru­man Capo­te lese. Sie sei intel­li­gent, setz­te er hin­zu. Im Blick man­cher Men­schen, wenn sie sie betrach­te­ten, wür­de etwas fla­ckern, sehr selt­sam, sag­te sie, spoo­ky. — stop

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delay line

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zou­lou : 23.02 UTC — Ein hei­ßer Tag vor 12 Jah­ren. Tat­säch­lich Som­mer. Vater, der im Roll­stuhl im Gar­ten sitzt, bit­tet mich, ein Glas Milch zu holen. Ich ste­he vor dem Kühl­schrank. Die Tür des Kühl­schranks ist offen. — In der ver­gan­ge­nen Nacht im Halb­schlaf immer wie­der der Gedan­ke, dass ich ver­ges­sen hat­te, Vater das Glas Milch in den Gar­ten zu tra­gen. Ich such­te im Traum nach dem Kühl­schrank. Ich hol­te ein Glas Milch und trat in den Gar­ten. Ich dach­te noch: Es ist Nacht, Vater ist längst nicht mehr unter uns. Ich stell­te das Glas auf einen Tisch und leg­te mich wie­der ins Bett zurück — Im Jahr 1978 besuch­te ich Vater an sei­nem Arbeits­platz im Kern­for­schungs­zen­trum CERN. In der Box der Wis­sen­schaft­ler war es heiß und schwül. Ven­ti­la­to­ren rausch­ten. Vater war jung gewe­sen. Der Pull­over, noch bekannt im Som­mer vor 12 Jah­ren, ver­mut­lich auch die Hose, die er auf einer Foto­gra­fie fest­ge­hal­ten war, wel­che ich ges­tern ent­deck­te. Vater und sein Team ver­leg­ten Lei­tun­gen, Kilo­me­ter um Kilo­me­ter über Spu­len, um Signa­le in der Zeit zu ver­zö­gern. Elek­tri­sche Signa­le sind laut­lo­se Wesen. — Som­mer. Die Näch­te warm. — stop


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CERN
im Som­mer einer
Nachtschicht

 

 

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louis

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alpha : 20.02 UTC — Am 6. Juli 1978 notiert Wil­helm Gen­a­zi­no Fol­gen­des > Geheim­nis­se des Woh­nens: Im Som­mer: eine ein­zel­ne Flie­ge ist im Zim­mer: Sie stößt manch­mal an eine Schei­be, fällt aber sonst kaum auf, lässt auch den Bewoh­ner in Ruhe. Ange­neh­mes Gefühl, mit einem sol­chen Tier einen Nach­mit­tag zu ver­brin­gen. — Flie­ge Lou­is, von der ich kürz­lich erzähl­te, sitzt seit drei Tagen bereits reg­los auf mei­nem Küchen­tisch, als wür­de sie medi­tie­ren oder schla­fen oder war­ten. Es ist hell gewor­den, dann wie­der dun­kel, und wie­der hell. Unver­än­dert sitzt Flie­ge Lou­is, seit drei Pha­sen der Dun­kel­heit bereits auf mei­nem Küchen­tisch, als wür­de sie medi­tie­ren oder schla­fen oder war­ten. Noch immer bewe­ge ich mit behut­sam. — stop

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paris
im Sommer
kurz nach
Sars-Cov‑2
Am Montmartre

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ai : JORDANIEN

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MENSCH IN GEFAHR: „Dem syri­schen Flücht­ling Ati­ya Moham­mad Abu Salem droht unmit­tel­bar die Abschie­bung aus Jor­da­ni­en. Er lebt seit zwölf Jah­ren in Jor­da­ni­en und ist Jour­na­lis­mus­stu­dent und frei­be­ruf­li­cher Videofilmer./ Am 9. April wur­de Ati­ya Moham­mad Abu Salem in al-Rabieh in Amman von Sicher­heits­kräf­ten fest­ge­nom­men, als er eine pro­pa­läs­ti­nen­si­sche Pro­test­kund­ge­bung in der Nähe der israe­li­schen Bot­schaft fil­men woll­te. Die Sicher­heits­kräf­te infor­mier­ten ihn nicht über die Grün­de für sei­ne Fest­nah­me und ver­hör­ten ihn ohne einen Rechts­bei­stand. Nach Anga­ben sei­nes Rechts­bei­stands droh­ten die Sicher­heits­kräf­te Ati­ya Moham­mad Abu Salem mit Abschie­bung und zwan­gen ihn, sein Tele­fon zur Über­prü­fung zu ent­sper­ren. Er wur­de weder der Jus­tiz über­ge­ben noch wegen einer Straf­tat ange­klagt. Den­noch erhielt sein Rechts­bei­stand die Infor­ma­ti­on, dass ein Abschie­bungs­be­fehl für sei­nen Man­dan­ten aus­ge­stellt wor­den sei. / Eine Rechts­hil­fe­or­ga­ni­sa­ti­on hat im Namen des Flücht­lings vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Rechts­mit­tel ein­ge­legt. In Syri­en wäre Ati­ya Moham­mad Abu Salem nicht sicher. Amnes­ty Inter­na­tio­nal und ande­re Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen haben über die Jah­re hin­weg durch­ge­hend schwe­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen gegen Flücht­lin­ge doku­men­tiert, die rechts­wid­rig nach Syri­en abge­scho­ben wur­den. So sind die syri­schen Sicher­heits­kräf­te u. a. für will­kür­li­che Fest­nah­men, Fol­te­run­gen und Ver­schwin­den­las­sen ver­ant­wort­lich. Gemäß den Bestim­mun­gen des Völ­ker­rechts müs­sen die jor­da­ni­schen Behör­den den Abschie­bungs­be­fehl gegen Ati­ya Moham­mad Abu Salem unver­züg­lich auf­he­ben und ihn frei­las­sen, sofern er nicht umge­hend einer inter­na­tio­nal aner­kann­ten Straf­tat ange­klagt wird. Soll­te er ange­klagt wer­den, so muss dies vor einem ordent­li­chen Gericht und unter Ein­hal­tung sei­ner Ver­fah­rens­rech­te gesche­hen.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen unter > ai : urgent action

 

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mariupol / 6.

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vic­to­ry : 22.01 UTC — In einem Zim­mer eines Hau­ses in Mariu­pol im sechs­ten Stock lag eine Foto­gra­fie auf dem Boden. Kin­der sit­zen dort im Bild auf Stüh­len. Ihr ers­ter Schul­tag. Die Foto­gra­fie war ver­staubt und außer­dem ver­letzt von einem Gra­nat­split­ter, der das Bild durch­schla­gen hat­te. Der Kopf eines Mäd­chens war in die­ser Wei­se ver­schwun­den. Das Mäd­chen hat­te einen him­mel­blau­en Rock getra­gen, eine koral­len­far­be­ne Blu­se mit wei­ßen Blü­ten einer Rose, schwar­ze glän­zen­de Schu­he mit gol­de­nen Span­gen und eine Ket­te bun­ter Stei­ne um den Hals. Über das Gesicht des Mäd­chens kann ich natür­lich nichts erzäh­len. Auch nicht über ihr Haar. Ich müss­te, um über das Gesicht des Mäd­chens erzäh­len zu kön­nen, die Kin­der des Bil­des fin­den und befra­gen. Viel­leicht haben sie alle über­lebt, das ist viel­leicht mög­lich. Oder eines oder zwei der Kin­der. — stop

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Loko­mo­ti­ve
des Jah­res 1968
auf meinem
Küchentisch
im Win­ter um
kurz nach
Mitternacht

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on the road

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hima­la­ya : 7.12 UTC —Vor weni­gen Jah­ren ent­deck­te ich Jack Kerou­acs Roman On the Road in der unge­kürz­ten Fas­sung als E‑Book. Ich beob­ach­te­te, dass eine Rechen­ma­schi­ne irgend­wo, ver­mut­lich von Nord­ame­ri­ka aus, ver­zeich­ne­te, wel­che Zei­len die­ses Romans von Lesern oder Lese­rin­nen wäh­rend ihrer Lek­tü­re mar­kiert wor­den waren. Eine aus­ge­dehn­te, prä­zi­se Leser­be­ob­ach­tung scheint kaum merk­lich Stun­de um Stun­de voll­zo­gen zu wer­den. Ich stell­te mir vor,  Licht­ma­schi­nen, die von Men­schen in der Hand gehal­ten wer­den, doku­men­tie­ren, wie lan­ge Zeit sich lesen­de Men­schen mit einem bestimm­ten Text beschäf­ti­gen, wie sie den Text stu­die­ren, ob sie die Lek­tü­re der ein oder ande­ren Sei­te wie­der­ho­len, an wel­chen Text­or­ten ihre Augen inne­hal­ten oder ihre Hän­de über den Bild­schirm strei­chend vor­wärts blät­tern, wie vie­le Leser sich zunächst mit dem Ende einer Geschich­te beschäf­ti­gen, ehe sie die ers­te Sei­te des Tex­tes öff­nen, um nun tat­säch­lich mit der Lek­tü­re zu begin­nen, so wie sich der Autor oder Autorin die Lek­tü­re ihres Tex­tes ein­mal vor­ge­stellt haben könn­ten. Dass fun­ken­de Bücher Kör­per­tem­pe­ra­tu­ren mes­sen, Feuch­tig­keit, Sal­ze der Hän­de, wel­che sie berüh­ren, ist nicht unwahr­schein­lich. Man will wis­sen, weil man es wis­sen kann, an wel­cher Stel­le des Tex­tes Leser ver­lo­ren gehen oder von wel­cher Stel­le des Tex­tes an Leser rest­los ein­ge­fan­gen sind, ja, das ist denk­bar. Guten Mor­gen. Es ist März, leich­ter Regen. — Die Welt der Wör­ter scheint sich der Lage unse­rer Welt anzu­glei­chen: Vor eini­gen Tagen bemerk­te ich das Wort Aero­sol­bom­be. Soll­te ich tat­säch­lich der Regis­tra­tur mei­nes Wör­ter­spei­chers gestat­ten, Wör­ter des Krie­ges zu erler­nen, sodass mei­ne Schreib­ma­schi­ne in der Zukunft des Notie­rens weder Warn- noch Feh­ler­hin­wei­se an mich sen­den wür­de. — stop

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ian­nis Xenakis
Die Schönheit
sichtbarer
Musik

 

 

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ai : VENEZUELA

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MENSCHEN IN GEFAHR: „Am 19. Febru­ar 2024 wur­de Juan Car­los Mar­rufo ohne Vor­ankün­di­gung in das Gefäng­nis Rodeo I im vene­zo­la­ni­schen Bun­des­staat Miran­da ver­legt, fast drei Jah­re nach sei­ner poli­tisch moti­vier­ten will­kür­li­chen Inhaf­tie­rung. Obwohl sich sein Gesund­heits­zu­stand ver­schlech­tert, ver­wei­gern ihm die Behör­den nach wie vor Unter­su­chun­gen und Behand­lun­gen. María Auxi­lia­do­ra Del­ga­do, die mit Juan Car­los ver­hei­ra­tet ist und eben­falls seit dem 19. März 2019 will­kür­lich fest­ge­hal­ten wird, benö­tigt sofor­ti­ge medi­zi­ni­sche Unter­su­chun­gen. Emir­len­dris Beni­tez, die im August 2018 will­kür­lich fest­ge­nom­men wur­de, lei­det an Beschwer­den, die auf die Fol­ter zurück­zu­füh­ren sind, der sie aus­ge­setzt war. Sie benö­tigt eine sofor­ti­ge Ope­ra­ti­on.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen unter > ai : urgent actions

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geräusche des krieges

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sier­ra : 2.38 UTC — Immer wie­der ein­mal begeg­ne ich im Nacht­zug einem Mann, der singt. Der Mann singt sehr lei­se, kaum jemand scheint sich von sei­nem Sin­gen gestört zu füh­len. Wäh­rend er singt, sind sei­ne Augen weit geöff­net, er blickt ins Lee­re, sein Mund ist geschlos­sen, Töne, die wir ver­neh­men, kom­men aus sei­nem Hals her­aus, der bebt, wenn er singt. Nur sel­ten habe ich mit dem Mann gespro­chen, man kennt sich, man fährt in der Nacht im sel­ben Zug in der­sel­ben Rich­tung, es ist müh­sam, mit ihm zu spre­chen, weil er stot­tert. Ich darf ihn nicht anse­hen, wenn ich ihn nicht anse­he, kom­men manch­mal gan­ze Sät­ze aus sei­nem Mund. Ich weiß jetzt, dass der Mann in der per­si­schen Stadt Isfa­han gebo­ren wur­de, Archi­tek­tur stu­dier­te, gegen ira­ki­sche Män­ner kämpf­te, die jung waren wie er selbst, und dass er nur durch einen Zufall über­leb­te. Er konn­te flie­hen. Er floh zu Fuß in die Tür­kei, eine lebens­ge­fähr­li­che Rei­se, Sahin, sei­ne Frau, wur­de von irgend­je­man­dem ange­schos­sen, er trug sie kilo­me­ter­weit durchs Gebir­ge, nahe der Gren­ze begeg­ne­ten sie einem Esel, dem ein Bein fehl­te. Sie schlie­fen unter einem Baum ohne Blät­ter, in der Nacht schlepp­ten sie sich wei­ter, der Mond war heiß wie die Son­ne und auf den Wegen hock­ten Schild­krö­ten mit blau schim­mern­den Augen. Manch­mal kom­men die Geräu­sche vom Krieg, sie kom­men, wann sie wol­len, dann singt der Mann. – stop



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