ginkgo : 8.28 — Ich träumte, nachts auf dem Balkon eines Hotels über der Eighth Avenue zu spazieren. Es war Winter, weit unter 0 °C in New York. Heftiger Wind wehte harte Schneekristalle über den Boden des Balkons. Ich war leicht bekleidet, war ohne Schuhe, war aus einem Fenster gestiegen, wollte kurz Aussicht nehmen auf den Hudson River. Da fiel das Fenster hinter mir geräuschvoll ins Schloss. Ich gab keinen Laut von mir, wusste, dass mich niemand hören würde, ich befand mich auf dem 23. Stockwerk, die Zimmer neben meinem Zimmer standen leer. Aber da war noch ein Stuhl aus Plastik. Ich dachte, dass ich 1 Versuch haben würde, oder mit etwas Glück 2 Versuche, das Fenster zum gewärmten Zimmer mittels dieses leichten Stuhlwerks einzuschlagen. Gerade als ich den Stuhl anhob, um ihn gegen das Fenster zu schleudern, bemerkte ich eine Drohne, die sich langsam näherte. Sie blinkte. So dicht kam sie heran, dass ich meinte, sie mit meinen Händen berühren zu können. Ich erinnere mich, dass ich mehrfach das Wort H E L P mit Lippen und Augen formulierte, außerdem faltete ich meine Hände. — stop
Aus der Wörtersammlung: hudson
von schlafenden händen
nordpol : 2.32 — Der Fotograf Raymond C. erzählte folgende Geschichte. Er habe einige Wochen auf Fährschiffen gearbeitet, die unentwegt seit über einem Jahrhundert zwischen den Inseln Manhattan und Staten Island pendeln. Während der ersten Woche seiner Schiffreise habe er versucht, in der Dunkelheit die Silhouette Brooklyns zu fotografieren, das sei keine leichte Sache gewesen: Du musst Dir vorstellen, diese schönen orangefarbenen Schiffe liegen zwar schwer im Wasser, und doch taumeln sie seitwärts und auf und ab dahin. Ich habe nach einigen Tagen bereits aufgegeben, richtete mein Objektiv nun gegen das Wasser, fotografierte Treibgut in nächster Nähe, das mit dem Hudson River stromabwärts reiste. Wenn Du lange Zeit durch den Sucher Deiner Kamera ins Wasser blickst, wirst Du Dich über Regenschirme, Kinderwagen, Autoreifen, Matratzen nicht länger wundern, es ist so, als gehörten sie wie kleinere und größere Seevögel natürlicherweise in den Fluss. Ich habe Flaschen porträtiert, tote Katzen, Schaufensterpuppen, man muss gut aufpassen, rechtzeitig auf den Auslöser drücken, die Schiffe fahren schnell, einmal sei ein Mann über Bord gesprungen. An einem Juniabend fuhr Raymond fort, habe er sich nach erfolgreicher Arbeit müde auf eine Bank des Promenadendecks der John F. Kennedy gesetzt, er sei dort für einen Augenblick eingeschlafen und habe in diesem Moment des Schlafens mit der Fotokamera in der rechten Hand ohne Vorsatz seine linke, also seine schlafende Hand fotografiert. Raymond entdeckte diese so seltene wie unerwartete Aufnahme, während er in der Metro heimwärts fuhr. Nachts, in seinen Ateliers in Queens, habe er sich dann an seinen Küchentisch gesetzt, habe seine Kamera auf ein Stativ geschraubt und über der Tischplatte in Stellung gebracht. — stop
mr. ruby
sierra : 0.02 — Eine Dachwohnung im 32. Stock eines Hauses an der Madison Avenue. Aufzüge fahren nur noch bis zum 20. Stock, das Gebäude scheint langsam zu verfallen, irgendjemand will Ratten in der 15. Etage gesehen haben. Der Bewohner des kleinen Habitats, ein Mann von 72 Jahren, geht kaum noch vor die Tür. Er kann sich glücklicherweise einen Boten leisten, der seine Hemden und Hosen zur Reinigung bringt, Einkäufe erledigt, Post aus dem Briefkasten holt, seinen Kühlschrank füllt. Zudem genießt er einen großartigen Ausblick auf die Stadt. Vor den Fenstern der Wohnung warten Teleskope, die wie größere Stelzjagdvögel auf langen Beine stehen. Es geht ihm nicht darum, in der Nacht heimlich Menschen zu betrachten, in Wohnungen zu spähen, wie man vielleicht meinen möchte, nein, es geht darum, das Licht zu beobachten, dort, wo zu viel Licht ist, wo man versäumte, das Licht auszuschalten. Zum Beispiel am vergangenen Samstag, da brannten in einem Gebäude der Hafenbehörde Höhe 48. Straße im sechsten Stock noch ein paar Birnen. Unverzüglich wurde von der Madison Avenue aus ein Telefongespräch geführt: Hallo, guten Abend, hier Ruby, spreche ich mit Mr. Bale, oh, leiten sich mich doch bitte an die Hausverwaltung weiter! Kurz darauf sehe ich Ruby nach Südwesten spähen. Ich bemerke ihn überhaupt zum ersten Mal in voller Größe. Ein kleiner Mann, der immer einen Hut trägt, einen Cameron Pork Pie, mehrfach gewaschen, ich kann nicht sagen, warum ich das weiß. Ich sehe ihn genau, er ist barfuß, seine Kontur, seinen Umriss, fast bewegungslos vor dem Lichtmeer der großen Stadt stehen. Und ich höre ihn seufzen als im 8. Stock der Hafenbehörde das Licht erlischt, eines nach dem anderen, Zimmer für Zimmer. Und schon wechselt er das Fenster und späht wieder in die Stadt hinaus. Stadtpläne liegen auf dem Boden der Wohnung herum. Es ist kurz vor Mitternacht. Ein Frachtschiff fährt den Hudson herauf. Natürlich scheint diese Geschichte aus sehr unterschiedlichen Gründen nicht möglich zu sein. Erster Versuch. — stop
federlibelle
~ : malcolm
to : louis
subject : FEDERLIBELLE
date : may 22 13 5.35 p.m.
Wieder wandern wir südwärts. Es ist ein großes Glück. Vor vier Wochen noch war Frankie ernsthaft krank gewesen. Er lag auf einer Bank am Hudson River, Höhe 26. Straße. Als wir ihn in dieser ungewohnten Haltung bemerkten, fürchteten wir, er könnte gestorben sein, keine Bewegung. Vorsichtig näherten wir uns, hoben ihn an, hüllten ihn in eine Decke. Er hatte hohes Fieber, sein Herz raste, manchmal schien es auszusetzen. Zwei Tage und zwei Nächte waren wir ihm sehr nah gekommen. Nun bin ich mir sicher, dass Frankie uns kennt, dass das kleine Tier uns Vertrauen schenkt. Er scheint die Tage seiner Gefangenschaft vergessen zu haben, zu keiner Zeit wehrte er sich. Wir fütterten ihn mit Nussbrei und Pflaumen. Während er schlief, waren leise, knatternde Laute zu vernehmen. Am Morgen des dritten Tages, wir hatten in seiner Nähe übernachtet, war Frankie weitergezogen. Wir folgten ihm in einem Abstand von zwanzig oder dreißig Metern. Er wanderte zunächst nordwärts bis Höhe 35. Straße, kehrte dann plötzlich um, als hätte er sich erinnert, dass er zuvor noch südwärts gelaufen war. Seit drei Wochen kampieren wir jetzt vor einem alten Backsteinhaus, 371 West 11. Straße, dessen Feuerleitern Frankie gefallen. Die Bewohner des Hauses haben sich an uns gewöhnt, wie wir gegenüber auf unseren Gartenstühlen sitzen und Frankie nicht aus den Augen lassen. — Allerbeste Grüße sendet Malcolm / codewort : federlibelle
empfangen am
22.05.2013
1412 zeichen
javier
~ : malcolm
to : louis
subject : JAVIER IAN
date : april 1 13 10.12 p.m.
Nach wie vor bewegt sich Frankie sehr langsam den Hudson River entlang. Es geht nur wenige hundert Meter am Tag voran. Frankie, als ob er ein Ziel verfolgte, kennt nur eine Richtung: südwärts. Der Verkehr auf der 12th Avenue ist grauenvoll gefährlich bei Tag und bei Nacht. In den ersten Stunden, da das Eichhörnchen den Central Park verlassen hatte, mochten wir kaum glauben, dass es überleben würde. Aber er ist schnell und er scheint zu wissen, dass ihm die Straßen der Stadt zum Verhängnis werden könnten. Wir bemühen uns Frankie zu schützen, wo und wie auch immer wir können. Erfolglos haben wir nahe Manhattan Cruise Terminal einen Hotdog-Verkäufer gebeten, Frankie nicht weiter zu füttern. Wir wissen jetzt, dass er Gurkenscheiben und Zwiebeln bevorzugt. Von Mitte Februar bis in die erste Märzwoche hinein war kaum eine Bewegung Frankies zu verzeichnen gewesen. Wir haben sein Verhalten zunächst mit den großzügigen Spenden des alten Mannes aus Puerto Rico begründet. Als aber Javier Ian einige Tage mit seinem fahrenden Stand nicht erschienen war, bemerkten wir, dass Frankie Kreuzfahrtschiffe beobachtete. Es waren die MS Aida, die MS Carnival Miracle, die MS Freedom of the Seas, die prachtvoll beleuchtet an den Piers festgemacht hatten. Frankie hockte auf einer jungen Eibe, immer auf demselben Ast, Stunde um Stunde. Es ist nicht möglich zu verstehen, was ihn an dem Blick auf den Fluss und auf die riesigen Schiffe fesselte, er schien kaum zu schlafen und er duldete uns in seiner Nähe, wir kamen so nah an ihn heran, dass wir ihn beinahe zu berühren vermochten. Am 6. März brach Frankie wieder auf. Er schien nach uns zu sehen, ob wir ihm folgen. Und tatsächlich wartete er, wenn wir uns zur Probe versteckten in einer der Straßen, die zum Fluss führen. Die Nächte sind nach wie vor kalt, aber ohne Frost. Unser Frankie ist kräftig, ist stark über den Winter gekommen. Wir befinden uns Höhe 41. Straße. Es ist Montag, der 1. April 2013, früher Abend. — Allerbeste Grüße sendet Malcolm / codewort : medusenkopfauge
empfangen am
1.04.2013
2034 zeichen
amsterdam avenue
~ : malcolm
to : louis
subject : AMSTERDAM AVENUE
date : jan 18 13 0.12 a.m.
Gestern, in den frühen Morgenstunden, meldete Allison, sie habe Frankie verloren. Kein Signal, keine Bewegung. Sie war sehr aufgeregt gewesen, hatte sich auf ihr Fahrrad gesetzt und einige Runden durch den Park gedreht, ehe sie uns alarmierte. Es ist seltsam, wir haben nie daran gedacht, dass das Eichhörnchen Frankie den Central Park ohne unsere Erlaubnis je verlassen könnte. Zunächst glaubten wir, Frankie sei vielleicht von einem Waschbären oder einem streunenden Hund oder einem Luchs gefangen worden. Auch haben wir daran gedacht, dass auf ihn geschossen worden sein könnte. Aber das würde nicht erklären, weshalb Frankies Sender nicht länger funktionierten. Es war einzig denkbar, dass Frankie in das Reservoir gefallen sein könnte, vielleicht, obwohl ein hervorragender Schwimmer hatte ihn die Kälte des Wassers getötet. Aber dann meldete Henry, er habe wieder ein Signal, und zwar in der 59. Straße Ecke Amsterdam Avenue. Ich vermutete, dass irgendjemand Frankie gefangen haben könnte, was kaum vorstellbar war, so schnell sich das kleine Tier zu bewegen vermag, mit seinem Körper und auch mittels seiner Gedanken. Es ist jetzt früher Nachmittag. Ein eisiger Wind bläst von Westen her durch die Straßen. Und wenn ich nun erzähle, dass wir Frankie lebend in Freiheit entdeckten, werden Sie das vielleicht kaum glauben. Er sitzt in unserer unmittelbaren Nähe auf dem Dach eines Zeitungskiosks und nascht aus einer Tüte, ich meine, Frankie hat ein paar Nüsse erbeutet. Er wirkt gesund, der Lärm der Straße scheint ihn nicht weiter zu berühren. Ich glaube, er hat uns bemerkt, scheint vielleicht zufrieden zu sein, unsere vertrauten Erscheinungen zu sehen. Wir kommen sehr nah an ihn heran. Was sollen wir tun? Sollen wir den Versuch unternehmen, Frankie einzufangen, oder sollen wir abwarten, was geschehen wird? Allison spekuliert, Frankie könnte sich planvoll in Richtung des Hudson River Parks bewegen. Melden Sie sich bitte, melden Sie sich so bald wie möglich! — Allerbeste Grüße sendet ihn Malcolm / codewort : indianertrompete
empfangen am
18.01.2013
2035 zeichen
hurricane
~ : louis
to : daisy und violet hilton
subject : HURRICANE
Es wird Winter, nicht wahr, liebe Daisy, liebe Violet, es wird Winter. Habe Pullover, Mäntel, Handschuhe, Hüte, Schals auf mein Bett gebreitet, alles ist jetzt geprüft, ich bin gerüstet. Nicht viel ist zu erzählen zur Zeit, vielleicht, dass ich gestern am späten Abend die Lektüre eines Romans von Ray Loriga aufgenommen habe, der von der Erfindung Manhattans handeln soll, ein angenehm leichtfüßig erzählter Text. Während ich las, erinnerte ich mich an ein Gespräch, das ich mit einem Matrosen der Staten Island Fähren noch im Januar führte. Er berichtete, wie er mit einem der Schiffe, es war die Andrew J. Barberi gewesen, den Hudson aufwärts fuhr, um das Schiff vor dem Hurrikan Irene in Sicherheit zu bringen. Es sei eine unheimliche Reise gewesen, Notbeleuchtung an Bord, Möwen waren mit stromaufwärts gefahren, unbewegt saßen sie auf den Handläufen der Reling, hunderte Vögel, als hätten sie das Fliegen verlernt. Ein Lotse, nicht der Kapitän, führte Kommando über das Schiff. Er selbst habe sich zum ersten Mal in seinem Leben landeinwärts von der Küste fortbewegt. Ich erinnere mich gern an diesen kleinen Mann, der in Brooklyn groß geworden war. Manchmal trug er eine blinkende Kopfbedeckung, die den Strahlenringen der Freiheitsstatue nachempfunden worden war. Heute, an diesem Abend, wird er vielleicht wieder unterwegs sein, mit seinem Schiff den Hudson aufwärts, es geht nun um Sandy, und es geht um Barack Obama. Ich frage mich, liebe Daisy, liebe Violet, wen, wenn ihr noch in heimlichen Wahlregistern verzeichnet sein solltet, würdet Ihr wählen? Euer Louis, sehr herzlich, wünscht eine gute Nacht!
ps. Mr. Salter hat seine Drohung wahr gemacht. Im Hof, verpackt in mehrere Kisten, wartet das Eisenbahnabteil eines Pullmanwagens darauf ausgepackt, und in meiner Wohnung montiert zu werden. Es ist angeblich möglich, dass ich mich in das Abteil setzten und dort arbeiten könnte. Landschaften, die ich frei wählen kann, sollen an Fenstern vorüberziehen. Stimmen sind zu hören, das ist sicher, Stimmen aus Nachbarabteilen, die nicht existieren. Und die Bewegung eines wirklichen Zuges unter meinen Händen. — stop
gesendet am
28.10.2012
5.16 MEZ
2145 zeichen
MELDUNGEN / ENDE
pseudonym no 5
ulysses : 6.05 — Gestern war das Wetter schön, ich suchte spazierend im Park nach einem Namen für mein Pseudonym No 5. Sobald ich glaubte, einen geeigneten Namen gefunden zu haben, sagte ich ihn laut vor mich hin, ich sagte zum Beispiel: Felix Mayer Kekkola. Als Nachmittag geworden war, gefiel mir dieser Name noch immer, ich hatte Lilli M. Murphy bereits verworfen, auch Kaspar Joe Weidemann und weitere Namen waren gründlich vergessen. Ich notierte den gewählten Namen Felix Mayer Kekkola in mein Notizbuch und ging nach Hause. Es ist seltsam, ich war mit meinem neuen Namen an der Seite stark unruhig bis in den Abend hinein. Ich konnte mir diese Unruhe zunächst nicht erklären, dann hatte ich die Idee, dass ich nachsehen sollte, ob der Name Felix Mayer Kekkola vielleicht im Internet schon längere Zeit existiert, ein Mensch also, der genau so heißt, oder ein Mensch, der diesen Namen verwendet, um sich zu verbergen und zu veröffentlichen in ein und demselben Moment. Mehrfach prüfte ich mit Suchmaschinen die Existenz einer Spur. Kein Ergebnis für „Felix Mayer Kekkola“ war zu finden. Ich könnte nun also erstens annehmen, dass ein Mensch, der diesen Namen trägt, nicht existiert, was sicher nur sehr vorsichtig formuliert werden darf. Zweitens könnte ich jenen feinen Namen nun für mich besetzen, okkupieren sozusagen nach bestem Wissen und Gewissen, was in dieser Sekunde genau so geschieht, indem ich meinen Text in die digitale Sphäre sende. — stop
karawane
delta : 0.02 — Auf dem Broadway wanderte eine Karawane menschlicher Träger südwärts. Ich folgte dieser merkwürdigen Erscheinung von der 30. bis zur 8. Straße an einem windigen Tag. Die Sonne leuchtete tief vom Hudson her, Staub war in der Luft, die Männer, die sich sehr langsam bewegten, husteten und niesten. Sie waren alle sehr ordentlich gekleidet, Anzüge von dunkelgrauer Farbe und Krawatten in unterschiedlicher Musterung. Außerdem trugen sie fingerbreite Schilder über ihren Herzen von japanischen Schriftzeichen besetzt. Ich erinnere mich, dass ich mich wunderte, weil die Männer nicht miteinander sprachen. Sie bildeten eine linienförmige Einheit, einer der Träger führte diese Linie an, er war sozusagen ihr Kopf. Sobald dieser Mann nun eine Kreuzung erreichte, blieb er stehen und wartete, bis die Ampel der Kreuzung zunächst rot wurde und dann wieder grün. Ein Mann stand jetzt exakt hinter dem anderen, in dem sie sehr geschickt ihren Ballast auf ihren Köpfen balancierten, jeder Träger einen Karton. Indessen schien die Karawane der grauen Männer jenen Menschen, die mit oder gegen ihre Laufrichtung über die Straßen eilten, nicht besonders aufzufallen. Für einen Moment hatte ich die Idee, sie wären vielleicht unsichtbar, genauer, sie wären nur für mich sichtbar gewesen, reiner Unsinn natürlich, weil der Raum, den die Karawane auf Gehwegen und Straße eingenommen hatte, respektiert wurde. Etwa drei Kilometer liefen sie so ruckweise südwärts dahin, um dann in der 8. Straße in einem Backsteinhaus zu verschwinden. Ende der Geschichte einer Beobachtung. Es ist Montag. In den Kastanien vor dem Fenster das Summen der Nachtbienen. – stop
hell’s kitchen : ballroom
alpha : 20.02 — Die Port Authority Busstation Höhe 42. Straße soll die größte Busstation der Vereinigten Staaten sein, 7200 Automobile verlassen oder erreichen an einem durchschnittlichen Tag das Gebäude in der Nähe des Hudson Rivers. Ich sollte einmal von hier aus nach Mexiko fahren oder rauf nach Alaska oder Neufundland, ein Ort der Koffer, der Rucksäcke. Ich habe Menschen beobachtet, die aus einem anderen Jahrhundert kommend hier eingetroffen zu sein scheinen, Frauen mit Röcken bis zum Boden, Männer in Knickerbockerhosen, Golfschuhen, hellen Sommerjacken inmitten des Winters in einem sich langsam drehenden Wirbel von Körpern. Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich in einem Gehäuse von Glas und Stahl eine Maschine, die mit Billardkugeln spielt, eine Skulptur des Künstlers George Rhoads. Man kann sie weithin hören, klingelnde, ratternde Geräusche, und das Glück der Kinder beobachten, die mit ihren Augen den Kugeln folgen, welche von der Schwerkraft in Bahnen gegen den Boden gezogen werden. Ein Wesen, das bei Tag und bei Nacht arbeitet, indem ein Aufzug, von einem kleinen Elektromotor angetrieben, jene steinharten Bälle in die Höhe hebt, um sie bald wieder loszulassen in ein Labyrinth möglicher Bahnen. Es ist ein wenig so, als würde die Maschine sprechen oder singen oder spielen, selbstvergessen, heiter, leicht. Ich muss mich nicht wundern, einmal waren alle Kugeln, weiß der Himmel, warum, aus ihren Bahnen gesprungen, und ich hatte den Eindruck, die verstummte Maschine sei aus dem Leben gegangen. Gerade eben, es ist Montagabend geworden, fällt mir ein, dass ein Freund unlängst erzählte, dass er sehr traurig sei, weil seine Großmutter im ungefähren Alter von 105 Jahren in Afrika gestorben sei. Sie habe noch eine Wüstensprache gesprochen, die ohne Zeichen gewesen war für Papiere, Holz, Stein, Erde. — stop