Aus der Wörtersammlung: ton

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denkfalter

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india : 0.02 — Begeis­tert, nach­dem ich in einem Wör­ter­buch der eng­li­schen Spra­che zur Über­set­zung der Zitro­nen­fal­ter Varia­tio­nen gesam­melt habe. Brims­tone but­ter­fly, herr­li­cher Klang! Ich erin­ner­te mich, dass mir das Wort brims­tone schon ein­mal begeg­ne­te, ich mei­ne das Wort vor lan­ger Zeit in Jan Gabri­als Buch My Life with Mal­colm Lowry ent­deckt zu haben, ein vul­ka­ni­sches Wort, und weil ich mir nicht ganz sicher gewe­sen war, noch ein­mal der Blick ins Kom­pen­di­um. Eine Mee­res­ge­schich­te der Schwe­fel­fal­ter wird nun denk­bar, wie sie von sal­zi­gen Win­den über Zin­no­ber­sand gewir­belt wer­den. Und da ist noch eine wei­te­re, eine viel­leicht selt­sa­me Beob­ach­tung an die­sem Abend. Das ist näm­lich so, ich kann nichts sagen über den eigent­li­chen Duft der Schmet­ter­lings­we­sen. — stop

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papierlicht

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oli­mam­bo : 1.28 — Das Wort Papier in mei­nem Kopf, ein von jeher hel­les, wei­ßes Wort, wes­halb die Erfin­dung leben­der Papie­re, ihre Erfor­schung, ihre Beob­ach­tung in lich­te Räu­me führt. Ich könn­te dem­zu­fol­ge sagen, dass mein loten­des Fabu­lie­ren wie eine Bogen­lam­pe in mein Leben wirkt. – 1 Uhr 28 mit­tel­eu­ro­päi­scher Win­ter­zeit: Auf dem Kapi­tol zu Washing­ton, im Haus der Reprä­sen­tan­ten, erklärt die demo­kra­ti­sche Abge­ord­ne­te Debbie Was­ser­man Schultz / Flo­ri­da wäh­rend der Debat­te zur ent­schei­den­den Abstim­mung über Barak Oba­mas Gesund­heits­re­form mit fes­ter Stim­me: The night­ma­re ends tonight! — stop
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luftlaufen

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pupil­le : 0.02 — Ges­tern Nach­mit­tag im Regen durch den Pal­men­gar­ten spa­ziert. Saß bald unter dem Schirm gut ver­packt auf einer Bank am See und las in einer Samm­lung fei­ner Tex­te, die Anton Tschechow in sei­ner per­sön­li­chen Aus­ga­be der Selbst­be­trach­tun­gen Marc Aurels vor lan­ger Zeit ein­mal mar­kiert hat­te. Dort fol­gen­de Bemer­kung: Du musst Dich dar­an gewöh­nen zu den­ken und zu han­deln, als sei das Ende Dei­nes Lebens schon da. Und ich dach­te, es ist genau so, dass zwi­schen dem vor­ge­stell­ten Ende des eige­nen Lebens und dem tat­säch­li­chen Ende, des­sen Zeit­ort unbe­kannt, des­sen Nahen von Tag zu Tag wahr­schein­li­cher wird, schma­le oder noch brei­te Ste­ge von Hoff­nung, von Unkennt­nis sich befin­den, auf wel­chen ich mich bewe­gen kann, lang­sam, nach­denk­lich, oder in Tanz­schrit­ten, glück­lich, über­mü­tig und ver­we­gen. – Wie­der der Ver­such, die Tropf­ge­räu­sche des Regens zu zäh­len. Nichts könn­te beru­hi­gen­der sein. — stop
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februarbrief

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romeo : 0.15 — Noch war Febru­ar gewe­sen, da ver­fass­te ich einen Brief an ein Mäd­chen, das ich bereits kann­te, als sie noch nicht lau­fen konn­te. Sie heißt Rosa­rio, was eigent­lich nicht ganz rich­tig ist, weil das natür­lich an die­ser Stel­le nicht ihr wirk­li­cher Name sein darf. Aber dass ich ihr Paten­on­kel bin, ist eine Tat­sa­che, dafür lege ich mei­ne Hand ins Feu­er. Rosa­rio, ein zau­ber­haf­tes Wesen, wohnt jetzt in Brook­lyn, New York, und zwar in der Hicks­street nahe einem Haus, in dem Arthur Mil­ler sein Dra­ma Tod eines Hand­lungs­rei­sen­den notier­te. Genau dort­hin nun schick­te ich mei­nen Brief, einen papie­re­nen Brief in einem Luft­post­um­schlag, den ich in ein Päck­chen zu einer Bücher­sen­dung steck­te. Ich schrieb, – ich darf das zitie­ren, weil ich die Erlaub­nis dazu erhal­ten habe -, fol­gen­de Zei­len: „Lie­be Rosa­rio, hier­mit sen­de ich Dir ein spek­ta­ku­lä­res Buch, einen Kata­log Lean­ne Shapton’s, der mich Tage lang begeis­ter­te. Von einer Lie­be wird berich­tet, Du soll­test sie unbe­dingt lesen, eine wun­der­vol­le, in selt­sa­mer Wei­se erzähl­te Geschich­te. Was das Buch wohl bei sich den­ken mag, jetzt, da es nach einer Schiffs­rei­se über den Atlan­tik her, im Flug­zeug wie­der zurück nach Ame­ri­ka hin getra­gen wer­den wird? Gut, wir wer­den das viel­leicht nie­mals her­aus­fin­den, oder, sag, hast Du gelernt, mit den Büchern selbst zu spre­chen? Erin­nerst Du Dich noch an Aben­de, da ich Dir vor­ge­le­sen habe? Du lagst auf mei­nem Bauch, eine klei­ne Kat­ze, und ein­mal leg­test Du Dein Ohr an mei­ne Stirn, und woll­test mei­ne Gedan­ken hören. Und als Du nichts ver­neh­men konn­test, sag­test Du zu mir mit gro­ßen Augen: Du musst lau­ter den­ken, Lou­is, ich kann Dich nicht hören! Viel Ver­gnü­gen beim Lesen und Schau­en wünscht Dir Dein Louis.“

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meerestee

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char­lie : 0.03 — Jedes Wort als win­zi­ges Tier betrach­ten, mit einer je sehr lan­gen Lebens­ge­schich­te. Das Wort Him­mel, zum Bei­spiel, ein fei­nes Wesen, sei­ne viel­fäl­ti­ge Gestalt in den Spra­chen die­ser Welt, Zei­chen­män­tel, irr­lich­tern­des Plank­ton in einer Tas­se Mee­res­tee. Und so flie­gen die Wör­ter in Her­den durch Luft und Raum um den hal­ben Erd­ball her­um von einem Men­schen zu einem ande­ren Men­schen in Sekun­den­schnel­le. Hier wer­den sie gele­sen, ein Tier nach dem ande­ren Tier, behut­sam, scheu. — Gute Nacht und guten Morgen!
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schweizer jazz : paul nizon

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india : 0.03 — Ges­tern bin ich Paul Nizon wie­der­be­geg­net. Durf­te beob­ach­ten, wie er in Paris eine sei­ner Arbeits­woh­nun­gen spa­zier­te. Natür­lich waren zwi­schen ihm und mir eine Kame­ra­lin­se, ein Bild­schirm und dort etwas ver­gan­ge­ne Zeit auf­ge­spannt. Trotz­dem konn­te ich ihn gut erken­nen. Er trägt jetzt einen klei­nen run­den Bauch vor sich her und sein Haar ist grau gewor­den, und doch ist er ganz der alte, ver­ehr­te Schrift­stel­ler geblie­ben. Vor allem sei­ne schö­ne Stim­me, das sorg­fäl­ti­ge Spre­chen, die war­me Melo­die der Spra­che, das Schwei­ze­ri­sche, hier waren sie wie­der, und auch das Ton­band­ge­rät, das auf einem Tisch ruhend die Luft­wel­len der notier­ten Sät­ze eines Tages erwar­te­te. In die­sem Moment, grad ist Diens­tag gewor­den, erin­ne­re ich mich, dass ich Paul Nizon ein­mal per­sön­lich begeg­net war in der Stra­ße, in der ich woh­ne, und dar­an, dass ich damals dach­te: Er ist klei­ner, als ich erwar­tet habe. Er trug einen grau­en Man­tel, weiß der Teu­fel, wes­halb ich die Far­be sei­nes Man­tels gespei­chert habe, und einen Hut, neh­me ich an. Und da war noch etwas gewe­sen, mein Herz näm­lich schlug in einer Wei­se, dass ich’s in mei­nem Kopf hören konn­te. — Ein Früh­lings­abend. — Ja, ein Früh­lings­abend. — Und ich sag­te zu mir: Lou­is, reg dich nicht auf! Du bist an einem fla­nie­ren­den Geist vor­über gekom­men. – Nacht. stop. Schnee. stop. Flü­gel. — stop
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hispaniola

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sier­ra : 22.02 — Män­ner, die mit blo­ßen Hän­den Trüm­mer­ber­ge durch­su­chen. Der Fuß eines Kin­des, stau­big, das unter einer Beton­de­cke gefan­gen liegt. Erdi­ge Stra­ßen, gesäumt von ver­we­sen­den Kör­pern. Eine tote Frau, die auf einem Stuhl sitzt. Ein Mäd­chen, wie im Traum, nicht ansprech­bar, ihr Blick in die Fer­ne gerich­tet, wie sie durch eine Men­ge stam­meln­der Men­schen schrei­tet. Wei­nen­de Stim­men. Ver­stör­te Kin­der­ge­sich­ter. Rufen. Durst. Ver­zweif­lung. Infer­no. Flim­mer­bil­der. — Im Zug nach Süden erzählt eine Frau, die in Hai­ti gebo­ren wur­de und vie­le Jah­re dort leb­te, von dem Land, von dem Volk, das sie liebt, und alle Rei­sen­den, die in ihrer Nähe sit­zen, hören ihr zu, gebannt, mit­füh­lend, fra­gend. Ein­mal sagt sie, dass die Bewoh­ner der Stadt Port-au-Prin­ce, die ihr Leben unter Kor­rup­ti­on in größ­ter Armut auf einer hei­ßen Erd­man­tel­fal­te zei­ti­gen, nie an die Gefahr gedacht haben wür­den, in der sie sich in jeder Minu­te ihrer Exis­tenz befan­den. Nie­mand habe mit einem Erd­be­ben die­ser Stär­ke gerech­net, obwohl ein Erd­be­ben genau die­ser Inten­si­tät lan­ge vor­her­ge­sagt wor­den sei. Eine Fra­ge der Zeit, alles eine Fra­ge der Zeit, sagt die Frau, und sieht aus dem Fens­ter des Zuges, auf Schnee, der in der Däm­me­rung bläu­lich schim­mert. Man denkt, ver­ste­hen Sie, man denkt nicht an Erd­be­ben, an eine Gefahr, die nicht sicht­bar ist, wenn man in Ster­bens­ar­mut lebt. Man denkt an sau­be­res Was­ser. Man denkt an Brot. Man denkt an das Über­le­ben der Kin­der von Abend zu Abend. 

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wortpropeller

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nord­pol : 2.05 — Da war wie­der ein hell klin­gen­des Pro­pel­ler­ge­räusch, aber immer dann, wenn ich die­ses Geräusch sum­mie­ren woll­te zu einem Geräusch hun­dert­tau­sen­der Flie­gen­tie­re, hat­te ich den Ver­dacht, dass mit mei­ner Erin­ne­rung etwas nicht ganz in Ord­nung sein könn­te. Ein Schwarm der Ord­nung Eph­emer­op­te­ra. stop. Im Geis­t­raum mei­ner Papie­re kaum noch zu ver­neh­men. stop. Habe fünf oder sechs Schwar­m­er­schei­nun­gen beob­ach­tet, laut­los wir­beln­der Schnee. Und doch war da ein Ton. Ein zar­tes Klap­pern viel­leicht? — Luft­ge­räu­sch­wor­te erfin­den. — stop
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caravelle

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romeo : 0.02 — Ich über­leg­te, ob ich, wenn ich bei wol­ken­lo­sem Him­mel in 33000 Fuß Höhe befind­lich aus einem Flug­zeug­fens­ter spä­hen wür­de, ein Schiff erken­nen könn­te, ein Schiff von der Grö­ße der Queen Mary sagen wir, einen Luxus­damp­fer, der zur Zeit mei­ner Geburt noch regel­mä­ßig zwi­schen New York und Sout­hamp­ton über den Atlan­tik hin und her gepen­delt war. Ich stell­te mir zunächst einen Berg vor von ent­spre­chen­der Höhe, einen Berg, der Him­mel und Flug­zeug berühr­te, kurz dar­auf ein Schiff. Und ich ahn­te sehr bald, dass ich das Schiff wohl eher nicht, ver­mut­lich aber die ihm fol­gen­de Spur im Was­ser erken­nen wür­de, Wel­len und Wir­bel von Luft. Eine jun­ge Frau, so unsicht­bar wie das Schiff, an des­sen Heck sie steht, betrach­tet die Spur, die das Schiff im Was­ser hin­ter­lässt. Ein­mal wir­belt eine Bö ihren Hut durch die Luft. Sie schaut zum Him­mel. Ein Blit­zen viel­leicht. Ten-four. Char­lie. Char­lie. Kurz nach Mit­ter­nacht. Klir­ren­de Käl­te. — stop
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manhatten / hippodrom

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del­ta

~ : louis
to : dai­sy und vio­let hilton
sub­ject : HIPPODROM

Lie­be Vio­let! Lie­be Dai­sy! Ich grü­ße Euch ganz herz­lich. Ich hof­fe, Ihr seid fröh­lich! War ges­tern lan­ge spa­zie­ren, folg­te dem Duft­fa­den der Koh­le­öfen durch die Stadt. Und wie ich so ging, dach­te ich an Euch, weil ich wie­der ein­mal Foto­gra­fien betrach­tet hat­te, die Euer Lachen zei­gen, eine Freu­de, die mir so wirk­lich zu sein scheint, obwohl ich manch­mal den­ke, dass ihr doch unglück­lich gewe­sen sein könn­tet, genau in dem Moment unglück­lich, als Euer gesam­mel­tes Licht von einem Foto­ap­pa­rat ein­ge­fan­gen wur­de. Vor weni­gen Tagen, das will ich Euch rasch erzäh­len, ehe ich wie­der an mei­ne nächt­li­che Arbeit gehen wer­de, habe ich gele­sen von Eue­rem Enga­ge­ment 1924 in New York. Wie nur konn­te man Euch das antun! Eine Are­na, groß wie ein Base­ball­sta­di­on, das Hip­po­drom, und dort ihr zwei klei­nen Wun­der­we­sen im blen­den­den Licht der Schein­wer­fer. Euer Zit­tern, Euer Beben. Bald ein­mal wer­de ich Man­hat­tan besu­chen. Ich habe den Ort des Ver­ge­hens an Euch in mei­nem Spa­zier­plan ver­merkt. Ich wer­de, ver­spro­chen, die Gegend für Euch foto­gra­fie­ren. Eine auf­re­gen­de Geschich­te, ich bin mir sicher, vom Ver­schwin­den, wird sich wie von selbst notie­ren. — Euer Louis.

gesen­det am
7.11.2009
0.05 MEZ
1228 zeichen

lou­is to dai­sy and violet »

twins2



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