Aus der Wörtersammlung: u-bahn

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ein inspektor der stille

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sier­ra : 16.05 — Seit eini­gen Tagen spa­ziert ein drah­ti­ger Herr von klei­ner Gestalt in mei­nem Kopf her­um. Er ist so deut­lich zu sehen, dass ich mei­nen könn­te, ich wür­de ihn ein­mal per­sön­lich gese­hen haben, eine Figur, die durch die Stadt New York irrt auf der Suche nach Lärm­quel­len, die so beschaf­fen sind, dass man ihnen mit pro­fes­sio­nel­len Mit­teln zu Lei­be rücken könn­te, Hupen, zum Bei­spiel, oder Pfeif­ge­räu­sche jeder Art, Klap­pern, Krei­schen, ver­zerr­te Radio­stim­men, Sire­nen, alle die­se ver­rück­ten Töne, die nicht eigent­lich begrün­det sind, weil sie ihre Ursprün­ge, ihre Not­wen­dig­keit viel­leicht längst ver­lo­ren haben im Lau­fe der Zeit, der Jah­re, der Jahr­zehn­te. Ich erin­ne­re mich in die­sem Moment, da ich von mei­ner Vor­stel­lung erzäh­le, an einen schril­len Ton in der Sub­way Sta­ti­on Lex­ing­ton Ave­nue / 63. Stra­ße nahe der Zugangs­schleu­sen. Die­ser Ton war ein irri­tie­ren­des Ereig­nis der Luft. Ich hat­te bald her­aus­ge­fun­den, woher das Geräusch genau kam, näm­lich von einer Klin­gel mecha­ni­scher Art, die über dem Häus­chen der Sta­ti­ons­vor­ste­he­rin befes­tigt war. Die­se Klin­gel schien dort schon lan­ge Zeit instal­liert zu sein, Kabel, von grü­nem Stoff umman­telt, die zu ihr führ­ten, waren von einer Schicht öli­gen Stau­bes bedeckt. Äußerst selt­sam an jenem Mor­gen war gewe­sen, dass ich der ein­zi­ge Mensch zu sein schien, der sich für das Geräusch inter­es­sier­te, weder die Zug­rei­sen­den, noch die Tau­ben, die auf dem Bahn­steig lun­ger­ten, wur­den von dem Geräusch der Klin­gel berührt. Auch die Sta­ti­ons­vor­ste­he­rin war nicht im min­des­ten an dem schril­len­den Geräusch inter­es­siert, das in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den ertön­te. Ich konn­te kei­nen Grund, auch kei­nen Code in ihm erken­nen, das Geräusch war da, es war ein Geräusch für sich, ein Geräusch wie ein Lebe­we­sen, des­sen Exis­tenz nicht ange­tas­tet wer­den soll­te. Wenn da nun nicht jener Herr gewe­sen wäre, der sich der Klin­gel näher­te. Er stand ganz still, notier­te in sein Notiz­heft, tele­fo­nier­te, dann war­te­te er. Kaum eine Vier­tel­stun­de ver­ging, als einem U‑Bahnwaggon der Linie 5 zwei jun­ge Män­ner ent­stie­gen. Sie waren in Over­alls von gel­ber Far­be gehüllt. Unver­züg­lich näher­ten sie sich der Klin­gel. Der eine Mann fal­te­te sei­ne Hän­de im Schoss, der ande­re stieg auf zur Klin­gel und durch­trenn­te mit einem muti­gen Schnitt die Lei­tung, etwas Ölstaub rie­sel­te zu Boden, und die­se Stil­le, ein Faden von Stil­le. — stop

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belichtung

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romeo : 0.01 — Sobald ich einen Satz selt­sa­mer Din­ge gedacht habe, freue ich mich, kann dann nicht blei­ben, sprin­ge auf, wenn ich sit­ze, oder in die Luft, wenn ich bereits auf mei­nen Bei­nen gestan­den habe.  Ich soll­te ein­mal einen Film dre­hen, wie ich durch die Woh­nung hüp­fe. Oder durch eine U‑Bahn sege­le. Oder im Schlaf ein Rad schla­ge, weil ich sehr gern im Schlaf merk­wür­di­ge Din­ge vor­be­rei­te für Sät­ze im Wachen. - Eine Blei­stift­spit­ze an ein lee­res Blatt Papier gelegt, blitzt das Noch­nicht­sicht­ba­re durch Hand und Arm in den Kopf. Alles Notie­ren scheint ein Vor­gang der Belich­tung mit­tels Ver­dunk­lung zu sein. — stop

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Carson McCullers

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nord­pol : 20.58 — Carson McCul­lers fas­zi­nie­ren­de Bal­la­de vom trau­ri­gen Café. Weil ich noch immer nur sehr schwer­fäl­lig mit der Hand in mein Notiz­buch schrei­ben kann, notie­re ich wäh­rend des Lesens, indem ich in Gedan­ken wie­der­ho­le, was zu tun ist in den kom­men­den Stun­den. Nach­for­schen in der Elek­tro­sphä­re. Wo genau, in wel­cher Stra­ße, in wel­chem Haus wohn­te Carson McCul­lers in Brook­lyn? Ist denk­bar, dass die jun­ge Dich­te­rin tat­säch­lich drei Wochen benö­tig­te, um das Sub­way-Sys­tem der Stadt New York ver­las­sen zu kön­nen? Oder such­te sie in eben­die­sem Raum der Zeit nach ihrer Woh­nung, die sie nicht wie­der fin­den konn­te, weil sie mit­tel­los und ohne genaue­re Orts­kennt­nis in einem U‑Bahnwagon zurück­ge­las­sen wor­den war. Wie vie­le Dol­lar kos­te­te eine Fla­sche Whis­key im Jahr 1934? Wie viel ein Taxi? – Wenn ich in Gedan­ken notie­re, wie­der­ho­le ich drei­fach, was ich mir zu mer­ken wün­sche. Ver­lo­re­nes, das könn­te sein, bemer­ke ich nicht. Oder nur einen Schat­ten ohne Wör­ter. — stop

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PRÄPARIERSAAL : zeppelin

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echo : 2.16 — Wall­street ges­tern Abend auf Fern­seh­bild­schirm. Hin­ter einem Repor­ter, der vom abwärts stre­ben­den Ver­hal­ten der Kur­se erzähl­te, war­te­ten japa­ni­sche Men­schen. Sie wink­ten fröh­lich in die Kame­ra, grüß­ten, fächel­ten sich Luft zu mit fleisch­far­be­nen Zei­tungs­pa­pie­ren. Es schien warm zu sein in New York, schwül. Wäre ich jetzt dort, dach­te ich, wür­de ich süd­wärts lau­fen zur nahe­ge­le­ge­nen Hafen­sta­ti­on, wür­de mich auf das obe­re Deck eines der alten Fähr­schif­fe bege­ben, wür­de bald im küh­len­den Fahrt­wind sit­zen, eine Coke in der lin­ken, eine Teig­ta­sche mit Hum­mer­fleisch in der rech­ten Hand, das Ton­band­ge­rät in der Tasche und Mels Stim­me im Kopf­hö­re­rohr, wie sie erzählt von ana­to­mi­scher Zeit. — 2 Uhr und zwan­zig Minu­ten. Regen. Blit­ze. Don­ner. Gera­de eben hör­te ich mich selbst, mei­ne eige­ne Stim­me. Ich for­mu­lier­te vor­sich­tig eine Fra­ge, woll­te wis­sen, ob Mel sich im ana­to­mi­schen Saal gefürch­tet habe? Nein, ant­wor­te­te Mel ohne zu zögern, sie habe sich nicht eine Sekun­de lang vor den Toten gefürch­tet. > Ich hat­te in die­sen 6 Wochen kei­ne Zeit, Angst zu haben. Ich habe mich auf mei­ne Auf­ga­be kon­zen­triert. Ich habe mich vor Testa­ten ein wenig gefürch­tet, und ganz am Anfang viel­leicht davor ein­mal rasch umzu­fal­len. Nur des­halb hat­te ich wirk­lich Angst, umzu­fal­len, das heißt nicht arbei­ten zu kön­nen, aber davon erzähl­te ich bereits. Wenn ich mir das jetzt genau über­le­ge, dann kann ich mich nicht erin­nern, dass im Prä­pa­rier­saal über­haupt irgend­je­mand umge­fal­len ist. Viel­leicht muss­te man mal aus dem Saal gehen und sich set­zen, weil man die Nacht zuvor nur kurz geschla­fen hat­te und des­halb müde war und weil die Augen brann­ten vom Form­alde­hyd in der Luft. Aber umge­fal­len, ich mei­ne, ohn­mäch­tig gewor­den, davon habe ich nichts mit­be­kom­men. Ich habe manch­mal den Ein­druck, dass ich das alles nur geträumt habe. Auch in der Zeit, als ich noch prä­pa­rier­te, hat­te ich bis­wei­len den Ein­druck, dass die­ser Saal nicht wirk­lich war. Ich konn­te mei­ne Ein­drü­cke nicht mit der Stra­ße, über die ich nach Hau­se spa­zier­te oder mit den Gesprä­chen der Men­schen, die ich in der U‑Bahn gehört habe, in Ver­bin­dung brin­gen. Ich hat­te den Ein­druck, dass der Saal, dass die gan­ze Situa­ti­on irgend­wie frei schweb­te, also ganz für sich war, iso­liert. Und so reis­te ich also hin und her, von da nach dort und wie­der zurück, aber das war nicht schwer gewe­sen, so hin und her zu sprin­gen. Ich habe von dem ein oder ande­ren mei­ner Freun­de gehört, dass sie Alb­träu­me gehabt hät­ten. Ich selbst habe aber nie geträumt. Ich kann mich jeden­falls nicht dar­an erin­nern, geträumt zu haben. Ich glau­be, ich war in irgend­ei­ner Wei­se geschützt. Ich kann nicht genau sagen, was mich geschützt hat, viel­leicht war es die Dich­te der Auf­ga­ben, die mir gestellt waren. Ich hat­te kei­ne Zeit, lan­ge über die­se merk­wür­di­ge Situa­ti­on nach­zu­den­ken. Ich mei­ne, ich habe nicht lan­ge dar­über nach­ge­dacht, dass ich, Mel, hier den Kör­per einer alten Frau so lan­ge zer­le­ge und betrach­te, dass er fast ver­schwun­den sein wird, wenn ich fer­tig sein wer­de. Ja, – es war sehr viel zu tun. Das hat es leich­ter gemacht.
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manhattan transfer

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fox­trott

~ : oe som
to : louis
sub­ject : DOS PASSOS
date : july 31 11 5.15 p.m.

Anstren­gen­de Tage lie­gen hin­ter uns, Regen, stür­mi­sche Win­de, schwe­rer See­gang, Peli­ka­ne krei­sen hoch über dem Schiff. Vor zwei Tagen zuletzt schick­ten wir Dos Pas­sos’ Roman Man­hat­tan Trans­fer zu Noe hin abwärts. Ein schwe­res Buch, das in vier­hun­dert Fuß Tie­fe von einer war­men süd­li­chen Strö­mung abge­trie­ben wur­de, bald dar­auf in einer Pen­del­be­we­gung der­art hef­tig nord­wärts gezo­gen wur­de, dass wir fürch­te­ten, Noe könn­te von dem Gewicht des Romans getrof­fen oder das Buch von der Sen­k­lei­ne in uner­gründ­li­che Tie­fen fort­ge­ris­sen wer­den. Drei Stun­den spä­ter hielt Noe John Dos Pas­sos in Hän­den. Unser Tau­cher bemerk­te sogleich, dass es sich bei die­sem wei­te­ren Unter­was­ser­buch um ein beson­de­res Werk han­deln muss­te, eine umfang­rei­che Satz­ver­samm­lung, von innen her, Sei­te für Sei­te, Zei­chen für Zei­chen apri­ko­sen­far­ben sanft beleuch­tet. In der­sel­ben Minu­te, da Noe das Buch öff­ne­te, begann er laut zu lesen. Er las drei Stun­den, dann schlief er kurz ein, um noch im Halb­schlaf befind­lich sei­ne Lek­tü­re fort­zu­set­zen: Die Son­ne ist nach Jer­sey gerückt, die Son­ne steht hin­ter Hobo­ken. Hül­len schnap­pen über Schreib­ma­schi­nen, Roll­la­den­schreib­ti­sche schlie­ßen sich. Auf­zü­ge fah­ren leer in die Höhe, kom­men voll­ge­pfropft her­un­ter. Es ist Ebbe in der City, Flut in Flat­bush, Wood­lawn, Dyck­man Street, Sheep­s­head Bay, News Lots Ave­nue, Can­ar­sie. Rosa Zei­tun­gen, grü­ne Zei­tun­gen, graue Zei­tun­gen. Sämt­li­che Bör­sen­kur­se. Sport­re­sul­ta­te. Let­tern wir­beln über laden­mü­de, büro­mü­de schlaf­fe Gesich­ter, wun­de Fin­ger­spit­zen, schmer­zen­de Fuß­ris­te, mus­ku­lö­se Män­ner, Gedrän­ge im U‑Bahn-Express. — Kurz vor Son­nen­un­ter­gang. Das Meer sucht nach uns, mit Zun­gen von Gischt. Ein rie­si­ger Schwarm Makre­len nähert sich von Nor­den her, unge­heu­re Bewe­gung, wie eine rie­si­ge Hand fährt sie auf dem Radar­schirm lang­sam die Küs­te ent­lang. Noe wünscht, eine Foto­gra­fie John Dos Pas­sos’ zu sehen. So etwas hat’s noch nie gege­ben. — Ahoi! Dein OE

gesen­det am
31.07.2011
1962 zeichen

oe som to louis »

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gebäck

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gink­go : 6.05 — War bei Har­rods gewe­sen, ein hell aus­ge­leuch­te­ter Saal. Ver­käu­fe­rin­nen in grü­nen Over­alls sta­pel­ten kunst­voll mensch­li­che Arme und Bei­ne und Köp­fe auf Tische. Kla­re, in den Augen schmer­zen­de Sub­stanz fiel von der Decke. Bald dar­auf Kurz­stre­cken­fahrt im U‑Bahnwaggon. Ein feuch­ter mensch­li­cher Arm ruh­te auf mei­nen Ober­schen­keln. Die­ser Arm nun war in Zei­tungs­pa­pier gewi­ckelt, sei­den wei­ße Sub­stanz tropf­te auf den Boden. Gleich gegen­über ein Mann und eine Frau. Das Gesicht des Man­nes dampf­te. Die Frau, die eine Melo­die vor sich hin­summ­te, schäl­te mit einem Tee­löf­fel­chen gramm­schwe­re Fleisch­pro­ben aus den Wan­gen des Man­nes, um sie ent­we­der sofort zu ver­zeh­ren oder wei­te­ren Fahr­gäs­ten dar­zu­bie­ten. — stop. — Mon­tag. stop. Duke Elling­ton : Take the “A” Train. stop. Es ist denk­bar, dass ich über das Gedächt­nis eines Ele­fan­ten ver­fü­ge. — stop

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lufteisschrift

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romeo : 2.18 — Ein Eis­buch besit­zen, ein Eis­buch lesen, eines jener schim­mern­den, küh­len, uralten Bücher, die knis­tern, sobald sie aus ihrem Schnee­schu­ber glei­ten. Wie man sie für Sekun­den lie­be­voll betrach­tet, ihre pola­re Dich­te bewun­dert, wie man sie dreht und wen­det, wie man einen scheu­en Blick auf die Tex­tu­ren ihrer Gas­zei­chen wirft. Bald sitzt man in einer U‑Bahn, den lei­se sum­men­den Eis­buch­rei­se­kof­fer auf dem Schoß, man sieht sich um, man bemerkt die begeis­ter­ten Bli­cke der Fahr­gäs­te, wie sie flüs­tern: Seht, dort ist einer, der ein Eis­buch besitzt! Schaut, die­ser glück­li­che Mensch, gleich wird er lesen in sei­nem Buch. Was dort wohl hin­ein­ge­schrie­ben sein mag? Man soll­te sich fürch­ten, man wird sei­nen Eis­buch­rei­se­kof­fer viel­leicht etwas fes­ter umar­men und man wird mit einem wil­den, mit einem ent­schlos­se­nen Blick, ein gie­ri­ges Auge, nach dem ande­ren gegen den Boden zwin­gen, solan­ge man noch nicht ange­kom­men ist in den fros­ti­gen Zim­mern und Hal­len der Eis­ma­ga­zi­ne, wo man sich auf Eis­stüh­len vor Eis­ti­sche set­zen kann. Hier end­lich ist Zeit, unter dem Pelz wird nicht gefro­ren, hier sitzt man mit wei­te­ren Eis­buch­be­sit­zern ver­traut. Man erzählt sich die neu­es­ten ark­ti­schen Tief­see­eis­ge­schich­ten, auch jene ver­lo­re­nen Geschich­ten, die aus purer Unacht­sam­keit im Lau­fe eines Tages, einer Woche zu Was­ser gewor­den sind: Haben sie schon gehört? Nein! Haben sie nicht? Und doch ist kei­ne Zeit für alle die­se Din­ge. Es ist immer die ers­te Sei­te, die zu öff­nen man fürch­tet, sie könn­te zer­bre­chen. Aber dann kommt man schnell vor­an. Man liest von uner­hör­ten Gestal­ten, und könn­te doch nie­mals sagen, von wem nur die­se fei­ne Luft­eis­schrift erfun­den wor­den ist. – Guten Mor­gen. Heu­te ist Mitt­woch. — stop

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time

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fox­trott : 0.28 — Merk­wür­dig, die Wahr­neh­mung der Zeit. Wenn ich kei­ne Zeit habe, kann ich die ver­ge­hen­de Zeit nicht bemer­ken, weil ich mich so schnell bewe­gen muss von einem Ort zum ande­ren, von Gespräch zu Gespräch, von Auf­ga­be zu Auf­ga­be, dass ich etwas spä­ter viel­leicht mei­nen möch­te, ich hät­te nicht exis­tiert. Auch dann, wenn ich traue­re, habe ich kei­ne Zeit, sagen wir, kei­ne wirk­li­che Zeit, weil ich aus mei­nem übli­chen Leben her­aus gefal­len bin. Ich ste­he zum Bei­spiel in einer U‑Bahn und unter­hal­te mich, ich lache, ich stel­le Fra­gen, und doch bin ich an einem ganz ande­ren Ort, spre­che mit der Ver­gan­gen­heit, viel­leicht mit einem Men­schen, von dem ich weiß, dass ich ihn nie wie­der berüh­ren wer­de, von dem ich hof­fe, dass er noch irgend­et­was zu hören ver­mag, indem ich mich zu ihm spre­chend an ihn erin­ne­re. Ich ver­wei­le also in die­ser selt­sa­men Zeit der Ver­gan­gen­heit, einer suchen­den Zeit, die des­halb zeit­los ist, weil sie sich wie­der­ho­len will, weil sie kei­nen Fort­gang kennt. Manch­mal sit­ze ich in einem Café, einer Biblio­thek, im Zug, im Kino oder einem Thea­ter her­um, ich schau auf die Uhr. Ich sage: Beweg Dich!
 — stop

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subway

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sier­ra : 22.01 — Immer wie­der der Ein­druck, Men­schen wür­den mit­tels rascheln­der Zei­tun­gen in U‑Bahnwagons mit­ein­an­der spre­chen. Eine Wei­le ist Ruhe, aber dann blät­tert jemand eine Sei­te um, und schon knis­tert der Zug in einer Wei­se fort, dass man mei­nen möch­te, die Papie­re selbst wären am Leben und wür­den die Lesen­den bewe­gen. Ein­mal habe ich mir Zei­tungs­pa­pie­re von beson­de­rer Sub­stanz vor­ge­stellt, Papie­re von Sei­de zum Bei­spiel, geschmei­di­ge Wesen, sodass kei­ner­lei Geräusch von ihnen aus­ge­hen wür­de, sobald man sie berühr­te. Eigen­tüm­li­che Stil­le ver­brei­te­te sich sofort, Lee­re, ein Sog, eine Wahr­neh­mung gegen jede Erfah­rung. — stop. / Dezem­ber­kof­fer 2007

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winde

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sier­ra : 0.02 — Ver­gan­ge­ne Nacht ein fei­ner Traum. Pen­del­te unter rie­si­ger Stadt in einem U‑Bahnzug. Kost­bar geschmück­te saßen zwi­schen zer­lump­ten Men­schen. Amei­sen pro­zes­sier­ten, kreis­run­de Papie­re in ihren Zan­gen, ein zer­teil­tes Buch durchs Abteil. Kin­der spiel­ten mit Ping­pong­bäl­len, feder­lo­se Täub­chen fackel­ten über offe­nen Koh­le­feu­ern. Und da waren Libel­len von vor­neh­mer Grö­ße, bit­ter duf­ten­de, blau­häu­ti­ge Tie­re, sie schweb­ten mit der rei­sen­den Luft. Nie wur­de Dun­kel im Zug, Jah­re fuh­ren wir so dahin, ohne je ein­mal anzu­hal­ten. Eine Laut­spre­cher­stim­me, schep­pernd, pfei­fend. Immer wie­der der­sel­be Satz: It was a wrong num­ber that star­ted it. – stop. — Mein Hand­no­tiz­com­pu­ter, so lei­se, so lei­se, dass ich mich zu ihm nei­ge, um sei­nen Wind wahr­neh­men zu kön­nen. — stop
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