Aus der Wörtersammlung: schlafen

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ein päckchen

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tan­go : 17.01 — Ein­mal, in einem August, ste­he ich in einer Schlan­ge war­ten­der Men­schen. Der Ort: U.S. Gene­ral Post Office, New York, 8. Stra­ße. Die Zeit: Kurz vor sechs Uhr abends. Ich bin müde, bin wei­te Stre­cken durch die Stadt gewan­dert. Ich den­ke noch, wenn ich nicht acht­sam bin, könn­te ich viel­leicht im Ste­hen ein­schla­fen. Ich über­le­ge, ob ich in die­sem Fal­le umfal­len oder ein­fach so schla­fend ste­hen blei­ben wür­de. Drau­ßen ist es höl­lisch heiß, schwül und feucht, in der Hal­le des Post­am­tes eher kühl. Vor mir, so nah, dass ich sie ver­se­hent­lich umar­men könn­te, war­tet eine zier­li­che, älte­re Dame, sie ist viel­leicht gera­de vom Fri­seur gekom­men, ihr Haar, ein bläu­lich schim­mern­der Ball, der hef­tig duf­tet. Auf ihren Schul­tern ruht ein Fuchs, der tot ist. Als sie an die Rei­he kommt, tritt sie an den Schal­ter her­an, stellt sich auf ihre Zehen­spit­zen und legt ein Päck­chen auf dem Tre­sen ab. Mit einer läs­si­gen Hand­be­we­gung schiebt sie die Ware zu einer Post­an­ge­stell­ten hin. Die Frau­en unter­hal­ten sich. Ich kann nicht jedes Wort ver­ste­hen, sie spre­chen schnell. Ich mei­ne, zu hören, wie die Post­an­ge­stell­te bemerkt, dass das Päck­chen leicht sei, so leicht, als ob in ihm nichts ent­hal­ten wäre. Die alte Dame erwi­dert, in dem Päck­chen sei sehr wohl etwas ent­hal­ten, näm­lich 7 x 1 Stun­de Schlaf, die sie einem Freund über­mit­teln wür­de, der nahe Bos­ton woh­ne, ein Geschenk. Dar­auf­hin lacht die Post­an­ge­stell­te mit tie­fer Stim­me. Sie sagt: Das ist ein unglaub­li­ches Geschenk, sie wür­de auch ein­mal sehr ger­ne etwas Schlaf­zeit geschenkt bekom­men. Kurz dar­auf dreht sich die alte, zier­li­che Frau auf dem Absatz um, ein feu­er­rot geschmink­ter Mund, gepu­der­te, hel­le Haut, win­zi­ge blaue Augen. Sie durch­quert den Saal nach Nor­den hin. Klei­ne Schrit­te, schnell. Kurz vor einer der Türen, da sie die Rich­tung kor­ri­gie­ren muss, wird sie bei­na­he aus der Kur­ve getra­gen. — stop
ping

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salinenweg

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whis­key : 0.01 — Ich schlief über einem Buch des Schwei­zer Schrift­stel­lers Nico­las Bou­vier. Ehe ich fest ein­ge­schla­fen war, hat­te ich in letz­ter Sekun­de noch einen Gedan­ken wahr­ge­nom­men. Ich sag­te zu mir mit lei­ser wer­den­der Stim­me: Du soll­test ein­mal über­le­gen, ob es sinn­voll ist, nach einer Metho­de zu suchen, im Schlaf ein Buch lesen zu kön­nen. Ja, das wäre eine inter­es­san­te Geschich­te. Man wür­de sich natür­lich an die erzäh­len­de Wirk­lich­keit des Buches selbst nicht erin­nern, das man gera­de noch las oder hör­te, wäh­rend man schlief, weil man das Buch nicht bewusst wahr­neh­men konn­te, und doch wäre man mit Herrn Bou­vier nach Gal­way geflo­gen wegen eines Lochs im Sturm. Man wäre in einer Art und Wei­se nach Gal­way geflo­gen, dass man sich ein­mal spä­ter so gut an die­sen Flug erin­nern könn­te, als wäre man selbst dort in Kil­ro­nan gewe­sen, eine Ahnung, Geräu­sche, Luft und Leu­te. — Das geschmei­di­ge Wort Sali­nen­weg. Wie ich über eine höl­zer­ne Brü­cke gehe im Win­ter, ich strei­che mit einer Hand Schnee von einem Gelän­der. Immer wie­der, im Som­mer, im Früh­ling, im Herbst, wenn ich die­sen Ort pas­sier­te, erzähl­te ich von die­sem Moment, als ich im Win­ter den Schnee berühr­te. — stop
polaroidcentralpark

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rose

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sier­ra : 18.15 — In einem schat­ti­gen Laden nahe der Roo­se­velt Island Tram­way Basis­sta­ti­on West war­te­te ein alter Mann hin­ter einem Tre­sen. Er war ver­mut­lich ame­ri­ka­ni­scher Staats­bür­ger, aber eher chi­ne­si­schen Ursprungs. Als ich von dem klei­nen Park her, des­sen Lin­den­bäu­me Küh­le spen­de­ten, in den Laden trat, ver­beug­te sich der Mann, grüss­te, er kann­te mich bereits, wuss­te, dass ich mich für Schne­cken inter­es­sie­re, für Was­ser­schne­cken prä­zi­se, auch für wan­dern­de See­ane­mo­nen­bäu­me, und für Pra­li­nen, die unter der Was­ser­ober­flä­che, also im Was­ser, hübsch anzu­se­hen sind, schwe­ben­de Ver­su­chun­gen, ohne sich je von selbst auf­zu­lö­sen. An die­sem hei­ßen Som­mer­abend kamen wir sofort ins Gespräch. Ich erzähl­te dem alten Mann, ich wür­de nach einem beson­de­ren Geschenk suchen für ein Kie­men­mäd­chen namens Rose. Sie sei zehn Jah­re alt und nicht sehr glück­lich, da sie schon lan­ge Zeit den Wunsch ver­spür­te, wie ande­re Kin­der ihres Alters zur Schu­le zu gehen, leib­haf­tig am Unter­richt teil­zu­neh­men, nicht über einen Bild­schirm mit einem fer­nen Klas­sen­raum ver­bun­den. Ich glau­be, ich war genau zu dem rich­ti­gen Zeit­punkt in den Laden gekom­men, denn der alte, chi­ne­sisch wir­ken­de Mann, freu­te sich. Er mach­te einen hel­len, pfei­fen­den Ton, ver­schwand in sei­nen Maga­zi­nen, um kurz dar­auf eine Rei­he von Spiel­do­sen auf den Tre­sen abzu­stel­len. Das waren Wal­zen- und Loch­plat­ten­spiel­do­sen mit Kur­bel­wer­ken, die der Ladung einer Feder­span­nung dien­ten. Vor einer Stun­de gelie­fert, sag­te der alte Mann, sie machen schau­er­lich schö­ne Geräu­sche im Was­ser! Man kön­ne, setz­te er hin­zu, sofern man sich in dem sel­ben Was­ser der Spiel­do­sen befän­de, die fei­nen Stö­ße ihrer mecha­ni­schen Wer­ke über­all auf dem Kör­per spü­ren. Bald leg­te er eine der Dosen in ein Aqua­ri­um ab, in wel­chem Zwerg­see­ro­sen sie­del­ten. Kurz dar­auf fuhr ich mit der Tram nach Roo­se­velt Island rüber. Das Musik­werk, Ben­ny Good­man, das ich für Rose erstan­den hat­te, war in das Gehäu­se einer Jakobs­mu­schel ver­senkt. Die Schne­cke leb­te, wes­we­gen ich tropf­te, weil der Beu­tel, in dem ich Roses Geschenk trans­por­tier­te, über eine undich­te Stel­le ver­füg­te. Gegen Mit­ter­nacht, ich war gera­de ein­ge­schla­fen, öff­ne­te tief in mei­nem rech­ten Ohr knis­ternd eine Zwerg­see­ro­se ihre Blü­te. — stop

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simon

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sier­ra : 10.15 — Ich hör­te, ges­tern sei in der Nähe mei­nes Hau­ses am Rand der Stra­ße in einem Vor­gar­ten ein Mann afri­ka­ni­scher Her­kunft erfro­ren. Von einem mei­ner Fens­ter aus kann ich die Stel­le sehen, wo der jun­ge Mann sich in sei­nen Schlaf­sack gelegt haben soll. Am Abend zuvor habe er noch gelebt, das erzähl­te ein Bekann­ter, er habe dem Lie­gen­den ein paar Mün­zen neben die Hän­de gelegt, auf wel­chen der Kopf des afri­ka­ni­schen Man­nes ruh­te. Er habe gesag­te, ihm sei kalt, das war um kurz vor zehn Uhr bei minus 4 Grad Cel­si­us gewe­sen. Viel­leicht waren die­se Wor­te die letz­ten, die der jun­ge Mann zu einem wei­te­ren mensch­li­chen Wesen sag­te. Mor­gens Blau­licht. Ich erin­ne­re mich, zwei Stun­den spä­ter der Anruf mei­nes Bekann­ten, der sehr auf­ge­regt gewe­sen war. Er sag­te, er habe noch mit sich selbst gespro­chen, es habe gesagt, die Nacht sei eigent­lich viel zu kalt, um im Frei­en auf dem Boden zu schla­fen. Mor­gens sei er auf die Stra­ße geeilt, ein Poli­zist habe in die­sem Moment nach den Papie­ren des jun­gen Man­nes gesucht, ein Arzt war­te­te etwas abseits. Der leb­lo­se Kör­per, wenn man ihn beweg­te, sei merk­wür­dig in sei­nem Ver­hal­ten gewe­sen. Kurz dar­auf habe der Poli­zist einen Namen gesagt, nur einen Vor­na­men, er sag­te: Das ist Simon. — Nach­mit­tag. Ich kann die Stel­le von einem mei­ner Fens­ter aus erken­nen, wo Simon in einem Vor­gar­ten erfro­ren ist. — stop
ping

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lisbon

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MELDUNG. Vier­und­zwan­zig Tage, zwei­hun­dert­und­zwölf Fil­me, das lin­ke Auge ein­ge­trübt: Leo Tabuc, 32, ver­lässt Kino an der Zen­tral­sta­ti­on. Geschla­fen habe er sel­ten, gespeist nach Bedarf, nun glück­lich. Es ist Abend spät. Leich­ter Regen. — stop

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raymond carver goes to hasbrouck heights / 2

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zou­lou : 3.55 — Ich kann nicht mit Sicher­heit sagen, war­um ich mich ges­tern, wäh­rend ich einen Bericht über Unter­su­chun­gen der CIA-Fol­ter­prak­ti­ken durch Ermitt­ler des US-Senats stu­dier­te, an eine klei­ne Stadt erin­ner­te, die ich vor weni­gen Jah­ren ein­mal von Man­hat­tan aus besuch­te. Ich las von Schlaf­ent­zug, von Water­boar­ding, von engen, dunk­len Kis­ten, in wel­che man Men­schen tage­lang sperr­te, von Lärm, von rus­si­schem Rou­lette und plötz­lich also erin­ner­te ich mich an Ole­an­der­bäu­me, die ich gese­hen hat­te in Has­b­rouck Heights an einem son­ni­gen Tag im Mai, an ihren Duft, an einen glück­li­chen Abend am Strand von Coney Island, an ein Jazz­kon­zert nahe der Strand­pro­me­na­de. Ich notier­te damals: Es ist die Welt des Ray­mond Car­ver, die ich betre­te, als ich mit dem Bus die Stadt ver­las­se, west­wärts, durch den Lin­coln Tun­nel nach New Jer­sey. Der Blick auf den von Stei­nen bewach­se­nen Mus­kel Man­hat­tans, zum Grei­fen nah an die­sem Mor­gen küh­ler Luft. Dunst flim­mert in den Stra­ßen, deren Fluch­ten sich für Sekun­den­bruch­tei­le öff­nen, bald sind wir ins Gebiet nied­ri­ger Häu­ser vor­ge­drun­gen, Eis­zap­fen von Plas­tik fun­keln im Licht der Son­ne unter Regen­rin­nen. Der Bus­fah­rer, ein älte­rer Herr, begrüßt jeden zustei­gen­den Gast per­sön­lich, man kennt sich hier, man ist schwarz oder weiß oder gelb oder braun, man ist auf dem Weg nach Has­b­rouck Heights, eine hal­be Stun­de Zeit, des­halb liest man in der Zei­tung, schläft oder schaut auf die Land­schaft, auf ros­ti­ge Brü­cken­rie­sen, die flach über die sump­fi­ge Gegend füh­ren. Und schon sind wir ange­kom­men, ein lie­be­voll gepfleg­ter Ort, der sich an eine stei­le Höhe lehnt, ein­stö­cki­ge Häu­ser in allen mög­li­chen Far­ben, groß­zü­gi­ge Gär­ten, Hecken, Büsche, Bäu­me sind auf den Zen­ti­me­ter genau nach Wün­schen ihrer Besit­zer zuge­schnit­ten. Nur sel­ten ist ein Mensch zu sehen, in dem ich hier schlen­de­re von Stra­ße zu Stra­ße, wer­de dann freund­lichst gegrüßt, how are you doing, ich spü­re die Bli­cke, die mir fol­gen, Bäu­me, Blu­men, Grä­ser schau­en mich an, das Feu­er der Aza­leen, Eich­hörn­chen stür­men über sanft geneig­te Dächer: Habt ihr ihn schon gese­hen, die­sen frem­den Mann mit sei­ner Pola­roid­ka­me­ra, die­sen Mann ohne Arme! Gleich wird er ein Bild von uns neh­men, wird klin­geln, wird sagen: Guten Tag! Ich habe Sie gera­de foto­gra­fiert. Wol­len Sie sich betrach­ten? — stop

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grammophon

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zou­lou : 3.36 — Wür­den jene Fahr­zeit­räu­me früh­mor­gens in war­men Abtei­len der Züge nicht exis­tie­ren, wür­den wir viel­leicht nie mit­ein­an­der spre­chen. Er ist meis­tens müde von der Nacht­ar­beit. Fünf­zehn Minu­ten Zeit, zu kurz, um schla­fen zu kön­nen, zu lang, um zu schwei­gen. M. wur­de in der marok­ka­ni­schen Hafen­stadt Nador gebo­ren. Er ist Mos­lem, gläu­big, einer der Guten, wie er sagt, einer, vor dem sich nie­mand fürch­ten müs­se. Er geht in die Moschee, er spielt Fuß­ball, er ist ver­hei­ra­tet, nachts beauf­sich­tigt er Maschi­nen, die Brie­fe sor­tie­ren, und er lacht gern. Sein Blick ist warm, er ver­fügt über zwei Hän­de, dar­auf besteht er, und zwei Augen, eine Nase, einen Mund. Vor Kur­zem warn­te er mich, weil ich öffent­lich über den Glau­ben der Mos­lems notier­te. Er sag­te: Da musst Du vor­sich­tig sein, es gibt vie­le Ver­rück­te, schau, dass sie nicht wis­sen, wo Du wohnst. Ein­mal, kurz nach einer Rei­se nach New York, lese ich ihm eine Geschich­te vor, fol­gen­de Geschich­te, sagen wir, eine Geschich­te wie eine Fra­ge: Im Cen­tral Park zur Mit­tags­zeit ein beten­der Mann, Mos­lem, Rik­scha­fah­rer, der Höhe 61. Stra­ße unter einer mäch­ti­gen, weit­ver­zweig­ten Ulme kniet, viel­leicht unter einem jener Bäu­me, deren Setz­lin­ge im Jahr 2008 nach Ore­gon geschickt wur­den, um sie dort groß­zu­zie­hen und wie­der nach Man­hat­tan zurück­zu­ho­len. Das kla­gen­de Sin­gen der Kin­der­schau­kel. Ein Eich­hörn­chen hetzt über eine Wie­se. Bald kau­ert das Tier in der Nähe des beten­den Man­nes, scheint ihn zu beob­ach­ten. Ich könn­te jetzt war­ten, bis der Mann mit sei­nem Gebet fer­tig gewor­den ist. Ich könn­te mich zu ihm in sei­ne Rik­scha set­zen. Wir könn­ten gemein­sam durch den Park fah­ren. Ich könn­te ihm eine Geschich­te erzäh­len. Ich könn­te erzäh­len, dass ich eben noch in einem Café hör­te, wie eine jun­ge, lus­ti­ge Mut­ter von ihrer Absicht berich­te­te, ihren Sohn, der noch nicht gebo­ren wor­den ist, mit dem Namen „Gram­mo­phon“ zu ver­se­hen. Das ist eine wirk­lich auf­re­gen­de Geschich­te, die ich tat­säch­lich sofort erzäh­len soll­te. Ich soll­te den jun­gen Mann wei­ter­hin fra­gen, ob er mir viel­leicht erklä­ren wol­le, wes­halb es lebens­ge­fähr­lich für mich sein könn­te, wenn ich mich fra­gend über Moham­med, den Pro­phe­ten, äußern wür­de. Viel­leicht wür­de der jun­ge Mann brem­sen, viel­leicht sich unver­züg­lich von sei­nem Fahr­rad schwin­gen. Wir wür­den uns auf eine Bank set­zen und Geschich­ten erzäh­len von Gram­mo­pho­nen, von Pro­phe­ten und wie es ist, im Win­ter Rik­scha zu fah­ren. Und viel­leicht wür­de ich ihm dann noch vom Schnee erzäh­len, den ich als Kind aus der Luft gefan­gen habe. Ja, so könn­ten wir das machen, sofort, gleich, wenn der beten­de Mann sich erhe­ben wird. – stop

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nachtmann

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lima : 3.28 — Seit Jah­ren, Nacht für Nacht gegen drei Uhr, höre ich das Pfei­fen eines Zei­tungs­bo­ten, der auf einem Fahr­rad von Osten her in unse­re Stra­ße kommt, um nach einer Schlei­fe von weni­gen Minu­ten, die ihn west­wärts führt, wie­der zu ver­schwin­den. Ich bin ihm in die­ser lan­gen Zeit nie per­sön­lich begeg­net, und ich kann auch nicht mit Sicher­heit sagen, wel­che Zei­tung er in die Brief­käs­ten unse­res Hau­ses steckt. Ein ein­zi­ges Mal habe ich neu­gie­rig aus dem Fens­ter gespäht, ich erin­ne­re mich an eine bit­ter­kal­te Nacht. Die Gestalt des Man­nes war weit ent­fernt zu sehen gewe­sen, er trug eine Woll­müt­ze, Hand­schu­he und eine Leder­ja­cke, das ist viel­leicht der Grund, wes­halb er auch in hei­ßen Som­mer­näch­ten in mei­nen Augen wei­ter­hin eine Woll­müt­ze trägt und pfeift, weil ihm mög­li­cher­wei­se kalt ist und ein­sam. Es ist selt­sam, in all den Jah­ren sei­ner Gegen­wart in mei­nem Leben, schei­ne ich kei­nen wei­te­ren Gedan­ken zu sei­ner Per­son hin­zu­ge­fügt zu haben, als wäre der Mann eine abge­schlos­se­ne Geschich­te, die sich exakt wie­der­holt. Plötz­lich, vor weni­gen Minu­ten, die Fra­ge, ob der Mann even­tu­ell in der Zei­tung liest, die er zu den schla­fen­den Men­schen bringt, und ob ihm nicht manch­mal des­halb unheim­lich zumu­te sein könn­te. — stop

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schläfer

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bamako : 5.14 — Wer um halb vier Uhr mor­gens am Zen­tral­bahn­hof in eine Stra­ßen­bahn steigt, wird bald bemer­ken, dass es sich bei die­sen Stra­ßen­bah­nen um Ver­kehrs­mit­tel han­delt, in wel­chen schla­fen­de Men­schen rei­sen. Mehr­fach habe ich, zufäl­li­gen Him­mels­rich­tun­gen fol­gend, Expe­di­tio­nen unter­nom­men. Ent­we­der ist es die Zeit, weder Tag noch Nacht, die dazu führt, dass kein Mensch dort wach sein kann, oder aber etwas schwebt in der Luft, das unwi­der­steh­lich müde macht. Auch ich selbst schla­fe bei­na­he sofort, wenn ich mich set­ze. Ich gehe also auf und ab, nie­mand bemerkt mich, auch der Fah­rer der Stra­ßen­bahn scheint um die­se Zeit fest zu schla­fen. Ein­mal, kürz­lich, waren unge­wöhn­lich vie­le Fahr­gäs­te unter­wegs. Ich konn­te sie hören, lei­se Lebens­äu­ße­run­gen von der Art des Gesprächs, das wache Men­schen mit­ein­an­der füh­ren, wenn sie sich schon lan­ge nichts mehr zu sagen haben. Sobald ich schla­fen­de Men­schen im Vor­über­kom­men heim­lich betrach­te, Men­schen, die ihre Augen mit etwas Haut zuge­deckt haben, kann ich kaum glau­ben, dass sie jemals gefähr­lich sein könn­ten, böse mit­tels gespro­che­ner oder geschrie­be­ner Wor­te, gewalt­tä­tig mit Fäus­ten, Mes­sern, Pis­to­len. Ich mei­ne, unter ihren schim­mern­den Lid­häut­chen träu­men­de Augen erken­nen zu kön­nen, manch­mal schnap­pen sie nach etwas Licht. — stop
polaroidleuchttierchen2



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