Aus der Wörtersammlung: sog

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bildschirmlicht

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hima­la­ya : 7.30 UTC — Ers­ter Twit­ter­film: Ein Mäd­chen, das in Alep­po lebt, sagt: Viel­leicht ist es das letz­te Mal, dass Sie mich lebend sehen! Das Mäd­chen scheint in einem Kel­ler zu sit­zen. Sie ist zum Zeit­punkt die­ser Auf­nah­me viel­leicht acht Jah­re alt, ver­mut­lich ist Abend. Der Angriff der syri­schen Armee auf die Stadt wird für die kom­men­de Nacht erwar­tet. — Ein zwei­ter Twit­ter­film: Auf einer Bah­re in einem Kran­ken­haus liegt eine Frau, fah­le Haut, sie sieht in die Kame­ra und sagt: Bit­te hel­fen Sie uns! Im Hin­ter­grund sind Deto­na­tio­nen zu hören. — Ein drit­ter Twit­ter­film: Der jun­ge Mann, der erzählt, dass die Kämp­fe in der Stadt wie­der zuge­nom­men haben, sieht sich immer wie­der um. Er müs­se jetzt von der Stra­ße, hier sei es zu gefähr­lich. Es wird sogleich dun­kel auf dem Bild­schirm, indem der jun­ge Mann die Lin­se sei­ner Kame­ra mit einer Hand bedeckt. — Ich den­ke in die­sem Moment, dass das Licht der hand­li­chen Film­ma­schi­nen immer näher an mein Leben her­an­kommt, jeder­zeit mög­li­ches Licht, das auf Ser­vern der Welt auf mich war­tet. Ich spre­che dar­über mit einem Freund, des­sen Auf­ga­be ist, Fil­me aus dem syri­schen Bür­ger­kriegs­ge­biet zu ana­ly­sie­ren. Ja, soviel mög­li­ches Licht ist in der Welt, sagt N., dass man sich die See­le an die­sem Licht sehr schwer ver­bren­nen kann. Er habe vor einem Jahr einen Ruhe­tag pro Woche defi­niert, da er sei­ne Com­pu­ter­ma­schi­ne nicht anschal­te. Was machst Du an die­sen Tagen, frag­te ich. Ich lese, ich gehe mit mei­ner Lebens­ge­fähr­tin spa­zie­ren, ich lie­ge im Som­mer stun­den­lang neben ihr in einer Wie­se und schaue den Wol­ken zu. Dann wird Nacht und ich sit­ze mor­gens wie­der vor mei­nen Bild­schir­men und rufe Film­licht auf, das neu hin­zu­ge­kom­men ist. Da sind zwei Män­ner, sie hal­ten den Split­ter eines Geschos­ses vor die Kame­ra ihres Mobil­te­le­fons. Ich stop­pe den Film, notie­re Schrift­zei­chen in gel­ber Far­be, Rudi­men­te, betrach­te die Umge­bung der Män­ner, ver­su­che her­aus­zu­fin­den, wo sie sich viel­leicht befin­den, ob sie sich wirk­lich dort befin­den, wo sie zu sein behaup­ten, wel­che Tages­zeit. Ich habe Algo­rith­men ent­wi­ckelt der Film­be­fra­gung. Ich wer­de dadurch schnel­ler. — stop

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wörterbilder

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echo : 2.12 — In der Stadt Kyiv sol­len noch Mona­te nach der Hava­rie des Reak­tors 4 in Tscher­no­byl Stra­ße um Stra­ße ent­lang der Häu­ser­wän­de per­fo­rier­te Roh­re instal­liert wor­den sein, aus wel­chen Was­ser ström­te, um das strah­len­de Gift von den Stra­ßen zu schwem­men. Eine Bekann­te erzähl­te mir von der Exis­tenz die­ser Roh­re, sie war damals in Kyjiw für eini­ge Tage. Ich ken­ne die­ses Bild, ich erin­ne­re mich, das ein Wör­ter­bild ist, kein Licht­bild, da ich kei­ne Foto­gra­fie in der digi­ta­len Sphä­re ent­de­cke. Wie lan­ge Zeit soll­te ich suchen? Stun­den? Oder Tage? Das Wör­ter­bild scheint plau­si­bel zu sein, oder sogar wahr­schein­lich. Wie vie­le Men­schen exis­tie­ren in der Stadt, in der ich lebe, also in mei­ner unmit­tel­ba­ren Nähe, die mit dem Tod bedroht wer­den, weil sie sich Glau­ben und wei­te­ren Ritua­len wider­set­zen? — stop

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wegen unsichtbarkeit

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lima : 0.08 — Die klei­ne M. erzähl­te, sie habe mit ihrer Mut­ter fünf Jah­re im fünf­zehn­ten Stock eines Miets­hau­ses auf Roo­se­velt Island gelebt. Dort hat­ten sie zwei Nach­barn, eine Fami­lie links, puer­to­ri­ca­ni­scher Her­kunft, Mut­ter, Vater, drei Kin­der, — sowie eine ver­mut­lich allein­ste­hen­de Frau in der Woh­nung rechts. Wäh­rend M. und ihre Mut­ter sehr herz­li­chen Kon­takt zu den Men­schen auf der lin­ken Sei­te ihrer Woh­nung pfleg­ten, man fei­er­te sogar gemein­sa­me Fes­te, grüss­te von Bal­kon zu Bal­kon, waren sie jener Frau, deren Stim­me häu­fig schrill durch die Wand zu ihnen in die Wohung drang, in all den Jah­ren räum­li­cher Nähe nie per­sön­lich begeg­net. Auch auf dem Bal­kon, berich­te­te M., hät­ten sie die Per­son, die zu der schril­len Stim­me gehör­te, nie gese­hen, nur das Licht, das von der Woh­nung her kam, Licht auch, das unter der Tür hin­durch auf den Flur leuch­te­te, ein schma­ler Strei­fen, fade. Das Schild­chen, das neben der Tür zur Woh­nung ange­bracht wor­den war, behaup­te­te hin­ter der Tür lebe Lucil­la Mil­ler, ein Brief­kas­ten, der zur Woh­nung gehör­te, exis­tier­te vor dem Haus, der Brief­kas­ten wur­de von irgend­je­man­dem regel­mä­ßig geleert. Manch­mal nachts war aus der Woh­nung Streit zu hören, Mrs. Mil­lers kei­fen­de Stim­me, dann wie­der Flüs­tern, von Zeit zu Zeit auch Geräu­sche, die mög­li­cher­wei­se aus einem Fern­seh­ge­rät kamen, Schrit­te wei­ter­hin, fer­ne Schrit­te. Mrs. Mil­ler tele­fo­nier­te häu­fig und jeweils lan­ge Zeit, wäh­rend die­ser Gesprä­che schien Mrs. Mil­ler her­um­zu­lau­fen, zwei oder drei­mal hat­ten ihre Nach­barn den Ver­dacht, sie sei viel­leicht ver­reist, ein­mal woll­te man das Jau­len einer Kat­ze ver­nom­men haben. Eigent­lich war alles in Ord­nung, eigent­lich gab es kei­nen Grund zur Beun­ru­hi­gung, wenn man doch Mrs. Lucil­la Mil­ler wenigs­tes ein­mal gese­hen hät­te, einen Schat­ten, oder eine Hand, die hin­ter den ver­git­ter­ten Fens­tern einer Auf­zugs­tü­re wink­te. Dar­um wohl haupt­säch­lich, wegen Unsicht­bar­keit, wur­de an einem eisi­gen Win­ter­tag jene geheim­nis­vol­le Woh­nung von zwei Feu­er­wehr­män­nern geöff­net. Die Woh­nung war, von zwei Laut­spre­chern abge­se­hen, auf wel­chen eine schä­bi­ge Lam­pe thron­te, voll­stän­dig leer. Die klei­ne M. sag­te, wäh­rend sie an ihrem gro­ßen Zeh dreh­te wie an einem Radio­knopf, dass sie sich sehr gewun­dert habe. Auch alle ande­ren haben sich gewun­dert, wie natür­lich auch ich, der die­se Geschich­te auf­ge­schrie­ben hat. — stop

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wildlaborbiene

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alpha : 10.58 — Neh­men wir ein­mal an, eine Unter­su­chungs­ma­schi­ne von der Grö­ße einer Wild­bie­ne exis­tier­te, ein wan­dern­des Labor, wel­ches sich aus eige­ner Kraft inner­halb oder über Kör­per olym­pi­scher Ath­le­ten bewe­gen wür­de, wäre das nicht eine beru­hi­gen­de, ja begeis­tern­de Vor­stel­lung, da eine fei­ne Boh­rung in Mus­kel­tie­fe, dort eine Mes­sung elek­tri­scher Salz­was­ser­strö­me, stünd­lich eine Blut­pro­be, die im Son­den­kör­per sogleich aus­ge­wer­tet sein wür­de, jede erdenk­li­che Sub­stanz, die der nicht­na­tür­li­chen Leis­tungs­stei­ge­rung dien­te, wür­de unver­züg­lich ent­deckt und per Funk­si­gnal gemel­det sein. — stop

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lydia

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echo : 0.01 — In der Stra­ßen­bahn tref­fe ich eine jun­ge Dame. Ich erken­ne sie zunächst nicht, aber als sie mich grüßt, erin­ne­re ich eine Begeg­nung vor vie­len Jah­ren an der sel­ben Stel­le, in einer Stra­ßen­bahn. Aus dem klei­nen Mäd­chen, das mich mit einer Bemer­kung für den Rest mei­nes Lebens rühr­te, ist tat­säch­lich eine jun­ge Frau gewor­den. Sie sagt, sie habe unser Gespräch, das wir führ­ten, nie ver­ges­sen, es han­del­te von ihren Ohren, von einem Gedan­ken, der mir zu erklä­ren such­te, wes­we­gen ihre Ohren etwas grö­ßer sei­en als die Ohren ihrer bes­ten Freun­din. Das wäre näm­lich so, dass ihre Ohren des­halb grö­ßer sei­en, weil sie viel weni­ger spre­chen wür­de als ihre Freun­din übli­cher­weise. Sie könn­te, sag­te sie damals, mit ihren Ohren sogar ihre eige­ne Stim­me hören, obwohl sie gar nichts sage. Zum Glück haben mei­ne Ohren inzwi­schen auf­ge­hört zu wach­sen, ich könn­te sonst mit ihnen her­um­flie­gen, dann hät­ten Sie mich ver­mut­lich nie wie­der­ge­se­hen. Sie lacht jetzt sehr fröh­lich. Drau­ßen fällt gera­de viel Was­ser vom Him­mel. — stop

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sekundenseide

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sier­ra : 3.15 — Geschich­ten, die in Sekun­den­schnelle als Mög­lich­keit erschei­nen, ihr Ursprung, ihre Ent­deck­ung, in dem Moment, da ich mei­ne Augen schlie­ße, so plöt­zlich, dass ich ihre Anrei­se nicht bemer­ke, die Geschich­te von den Papie­ren und ihren Geräu­schen in einem U‑Bah­n­wagon besi­pi­els­wei­se, eine Sum­me von Wahr­neh­mung, von Erfah­rung, von neu­ronalen, unbe­wussten Auf­nah­men, das murmel­nde Gespräch der Men­schen unterm Schep­per­schirm einer Blechk­iste, die von Coney Island aus nord­wärts fährt, der Ein­druck, dass Men­schen mit­tels ihrer raschel­nden Zeitun­gen zueinan­der spre­chen. Ein oder zwei Minu­ten von Ruhe, dann, plöt­zlich, blät­tert jemand eine Sei­te um, und schon knis­tert der Wagon von Rei­he zu Rei­he wei­ter. Man möch­te in die­sen Momen­ten mei­nen, die Papie­re selbst wären am Leben und wür­den die Lesen­den bewe­gen. Ein­mal habe ich mir Zeitungspa­piere von stof­far­tiger Sub­stanz vor­ge­stellt, Papie­re von Sei­de zum Bei­spiel, so dass kein­er­lei Geräusch von ihnen aus­ge­hen wür­de, sobald man sie berühr­te. Eigen­tüm­liche Stil­le, Geräusch­lo­sig­keit, Lee­re, ein Sog, eine Wahr­neh­mung gegen jede Erfah­rung, eine Sekun­de, die nicht ver­gisst. — stop

drohne22

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pocket george

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tan­go : 2.58 — Geor­ge schrieb vor weni­gen Tagen einen hand­schrift­li­chen Brief. Er wen­de sich mit einer drin­gen­den Bit­te an mich, er benö­ti­ge etwas Geld, weil er im Moment zu wenig davon habe. Sei­ne Tele­fon­rech­nung sei ihm über den Kopf gewach­sen, außer­dem habe er sich bei einem Auf­trag für den Druck eines Buches ver­tippt, er habe anstatt 200 Exem­pla­ren 20000 Exem­pla­re sei­ner Geschich­te vom Wal­fisch­or­ches­ter bestellt. Die­se wun­der­ba­re Auf­la­ge sei prompt und ohne jede Nach­fra­ge gelie­fert wor­den. Wäh­rend er sich noch wun­der­te, wie ein Paket nach dem ande­ren Paket von drei oder vier Män­nern in sei­ne Woh­nung ver­frach­tet wur­de, war bereits ein erheb­li­cher Betrag von sei­nem Kon­to abge­bucht, so dass er jetzt kaum noch die Mög­lich­keit habe, sich Brot, Käse oder Was­ser zu besor­gen, er sei ver­schul­det bis über bei­de Ohren hin­aus bereits seit drei Mona­ten. Natür­lich habe er gehofft, aber sein Hof­fen habe nicht gewirkt, nun sei­en nicht nur er selbst, son­dern auch sei­ne Archi­ve bedroht, die er in digi­ta­ler Sphä­re auf Posi­ti­on POCKET gesam­melt habe. Ihm sei damit gedroht, bei wei­te­rem Zah­lungs­ver­zug, sein pro­fes­sio­nel­les Kon­to unver­züg­lich in ein nicht pro­fes­sio­nel­les Kon­to zu ver­wan­deln, sei­ne Daten wür­den ver­lo­ren gehen, wes­we­gen er nun sehr ver­zwei­felt sei, nicht nur ver­zwei­felt, son­dern müde, er zöge­re, sei­nen Com­pu­ter über­haupt noch mit dem Inter­net zu ver­bin­den, weil das Inter­net dann sei­ne Daten sogleich aus sei­nen Spei­chern zurück­ho­len wür­de, er habe nicht geahnt, dass er ein­mal in eine der­art ver­zwei­fel­te Lage kom­men, dass sich das Inter­net als ein der­art gefrä­ßi­ges Tier dar­stel­len wür­de, wel­ches sei­nen Com­pu­ter, sei­ne Samm­lung aus dem Web ver­schwun­de­ner Sei­ten an sich rei­ßen wür­de, man kann mit die­sen Raub­tie­ren nicht ein­mal tele­fo­nie­ren, schrieb Geor­ge vor weni­gen Tagen.- stop

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nazamins schwester

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echo : 5.08 — Ich träum­te von merk­wür­di­gen Tie­ren, die sehr flach sind und weich und außer­dem sehr schön gestal­tet. Wenn man eines die­ser Tie­re auf einem Tisch in der Wirk­lich­keit vor sich lie­gend betrach­ten könn­te, wür­de man viel­leicht die Ähn­lich­keit zu Brief­mar­ken erken­nen, so wie wir sie als Kin­der ent­de­cken und zu sam­meln begin­nen. Tat­säch­lich han­delt es sich bei jenen Tie­ren, wel­che ich träum­te, um Brief­mar­ken­tie­re, die sehr leicht sind, man­che tra­gen die Zeich­nung wei­te­rer Tie­re auf ihrem Kör­per, Zebras oder Schmet­ter­lin­ge oder Sing­vö­gel sind häu­fig auf ihrem Rücken zu erken­nen. An einem ihrer gezahn­ten Rän­der sit­zen sehr klei­ne Augen fest, dort soll sich gleich­wohl ein Mund befin­den, der feins­te Stäu­be aus der Luft ent­nimmt, Pol­len­sa­men, Bak­te­ri­en, Spo­ren jeder Art, davon ernäh­ren sich Brief­mar­ken­tie­re vor­nehm­lich, es sein denn, sie wer­den mit feins­tem Puder­zu­cker vor­sätz­lich gefüt­tert. Brief­mar­ken­tie­re sol­len dort zu erwer­ben sein, wo man auch her­kömm­li­che Post­wert­zei­chen bestel­len kann, sie sind zunächst nicht so preis­wert wie das papie­re­ne Mate­ri­al, dafür mehr­fach ver­wend­bar. Um einen Brief mit einem Brief­mar­ken­tier zu ver­se­hen, legt man das betref­fen­de Schrift­stück im Kuvert auf einen Tisch, setzt nun behut­sam eines der Brief­mar­ken­tie­re an geeig­ne­te Stel­le, näm­lich genau dort­hin, wo nor­ma­ler­wei­se papie­re­ne Brief­mar­ken auf­zu­tra­gen sind, und schon wird man beob­ach­ten wie sich das Brief­mar­ken­tier mit sei­nem neu­en Zuhau­se ver­bin­det, es schmiegt sich an und ist fort­an vom Brief nur noch mit­tels Gewalt zu tren­nen. Wie es jetzt leuch­tet, wie es sei­ne wun­der­ba­ren Far­ben zeigt, wie es mit Mus­tern spielt und mit Bil­dern, die zu Fil­men wer­den, zu Geschich­ten, die das Brief­mar­ken­tier irgend­wo gelernt haben muss. Und wenn nun der Brief auf die Rei­se geht, reist das Brief­mar­ken­tier mit ihm mit, und bleibt dem Brief solan­ge ver­bun­den, bis der Brief geöff­net wird. In die­sem Moment der Öff­nung, löst sich das Brief­mar­ken­tier von sei­nem Brief, der nun nicht mehr sein Brief sein kann. Es ist kaum zu glau­ben, aber es ist wahr, ich hab’s geträumt, das Brief­mar­ken­tier segelt sogleich durch die Luft davon, es ist sehr schnell unter­wegs, schnell wie ein Zug­vo­gel kehrt es zu sei­nem Absen­der zurück, Tage oder auch Wochen ist es unter­wegs, Schwär­me von Brief­mar­ken­tie­ren wur­den bereits in gro­ßer Höhe über dem Erd­bo­den beob­ach­tet. Zuhau­se end­lich ange­kom­men, lun­gern sie dann gern an den Fens­tern und war­ten. stop. Ende mei­nes Trau­mes. stop – Naza­mins Schwes­ter wur­de am ver­gan­ge­nen Sams­tag in den Ber­gen nahe Sem­din­li ver­mut­lich von tür­ki­scher Mili­tär­po­li­zei getö­tet. Naza­mins Schwes­ter wird nie wie­der erwa­chen. – stop

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fliege nachts

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tan­go : 2.15 — Ich saß in der war­men Nacht am Tisch, leg­te ein­mal die lin­ke, dann die rech­te Hand in eine Schüs­sel, die ich mit kal­tem Was­ser füll­te. Auf dem Tisch spa­zier­te eine Flie­ge. Weil ich in die­sem Moment nichts zu tun hat­te, als die­se Flie­ge zu beob­ach­ten, ent­deck­te ich, dass sie ihre Flü­gel ver­lo­ren oder ver­ges­sen zu haben schien, die Flie­ge flog nicht her­um, auch wenn ich mich mit einem Fin­ger näher­te, flog sie nicht davon, son­dern flüch­te­te zu Fuß. Es war eine sehr klei­ne Flie­ge, sie war so klein, dass ich sie mit blo­ßem Auge kaum noch wahr­neh­men konn­te. Nach einer hal­ben Stun­de stand ich auf, such­te nach mei­ner Lese­bril­le und kehr­te an den Tisch zurück. Die Flie­ge lun­ger­te nun unmit­tel­bar neben mei­ner Schreib­ma­schi­ne, ich konn­te sie von mei­ner Posi­ti­on aus sehr gut sehen, sie kam sogar noch näher her­an, als ich mich mit mei­nen Augen hin­ter den Glä­sern der Bril­le über dem Tisch ver­beug­te. In die­sem Augen­blick erleb­te ich den ers­ten Blick­kon­takt mei­nes Lebens mit einer Flie­ge, ich war mir sicher, die­se Flie­ge mus­ter­te mich eben­so wie ich sie mus­ter­te, es war ihre Hal­tung, die mich über­zeug­te, wie sie unmit­tel­bar vor mir auf dem Tisch hock­te, den Kopf ange­ho­ben und sich nicht beweg­te. Nach eini­gen Minu­ten dreh­te sie sich her­um und über­quer­te den Tisch wie­der­um zu Fuß hin zu einem Tel­ler und bestieg eine Man­da­ri­ne. Es war kurz nach zwei Uhr. — stop

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kurz vor mitternacht

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sier­ra : 23.55 — In U‑Bahnen rei­send immer wie­der der Ein­druck, Men­schen wür­den mit­tels ihrer rascheln­den Zei­tun­gen zuein­an­der spre­chen. Eine Wei­le ist Ruhe, aber dann blät­tert irgend­je­mand eine Sei­te um, und schon knis­tert der Wagon von Rei­he zu Rei­he wei­ter. Man möch­te in die­sen Momen­ten mei­nen, die Papie­re selbst wären am Leben und wür­den die Lesen­den bewe­gen. Ein­mal habe ich mir Zei­tungs­pa­pie­re von stoff­ar­ti­ger Sub­stanz vor­ge­stellt, Papie­re von Sei­de zum Bei­spiel, so dass kei­ner­lei Geräusch von ihnen aus­ge­hen wür­de sobald man sie berühr­te. Eine eigen­tüm­li­che Stil­le, Geräusch­lo­sig­keit, Lee­re, ein Sog, eine Wahr­neh­mung gegen jede Erfah­rung. — Kurz vor Mit­ter­nacht. Ich habe die­se klei­ne Geschich­te gera­de eben Schne­cke Esme­ral­da vor­ge­le­sen, um sie zu wecken. Sie war in der Abend­däm­me­rung über mei­nen Küchen­tisch gekro­chen, hat­te sich auf eine Bana­ne gesetzt und war dann ver­mut­lich ein­ge­schla­fen, wäh­rend ich eine Debat­te des grie­chi­schen Par­la­ments via Live­stream beob­ach­te­te. Dort auf dem Bild­schirm auf­ge­reg­te Men­schen, die in einer wohl­klin­gen­den Spra­che for­mu­lier­ten, die ich nicht ver­ste­he, aber sofort erken­ne, sobald ich sie ver­neh­me. Ein­mal mein­te ich, den Namen Wil­ly Brandts gehört zu haben. — stop. Wol­ken­lo­ser Him­mel. stop. Nichts wei­ter. — stop

nach­rich­ten von esmeralda »

drohne2