Aus der Wörtersammlung: ware

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brieftaubenwörter

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gink­go : 18.08 UTC — In den Mona­ten Febru­ar und März lern­te mei­ne Schreib­ma­schi­ne fol­gen­de Wör­ter, die in ihren Prüf­ver­zeich­nis­sen bis­lang nicht zu fin­den gewe­sen waren: Bang­sein . Apfel­ba­na­nen­mus . Brief­tau­ben­wör­ter . Druck­luft­bauch . Film­be­trach­tungs­ge­sicht . Fang­schre­cken­krebs . Flug­film­zeit . Gefie­der­kar­te . Kro­ko­dil­mo­dell . Libel­len­ge­spräch . Loo­ter . Löt­lam­pen­ef­fekt . Minia­tu­ren­sand . Nacht­schiff­ge­dan­ken . Mund­schutz­al­go­rith­mus . Nid­da­park . Pfuhl­schnep­fe . Rebuspri­zip . Spur­werk . Steh­schirm­chen . Son­der­quer­druck . Tang­fah­ne . Summ­laut . Twit­ter­tour­et­te . Unge­impft . Vor­traum­zeit . Water­men . Wort­kern­bil­der . Zep­pe­lin­al­lee . Tast­ma­schi­ne . Ark­tis­wind . Zei­ger­blü­te . Maki­mensch . Minia­tu­ren­sand . — stop

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giuseppi logan

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marim­ba : 2.28 UTC — Ich lese in Doro­thy Bak­ers Roman Young Man With A Horn. Plötz­lich den­ke ich an Giu­sep­pi Logan (Hört ihm zu!) dem ich im Jahr 2010 im Thomp­kins Squa­re Park per­sön­lich begeg­net sein könn­te. Vie­le Tage sind ver­gan­gen, seit ich eine Geschich­te gele­sen habe, von der ich mich sagen hör­te, sie sei eine Geschich­te, die ich nie wie­der ver­ges­sen wer­de, die Geschich­te selbst und auch nicht, dass sie exis­tiert, dass sie sich tat­säch­lich ereig­ne­te, eine Geschich­te, an die ich mich erin­nern soll­te selbst dann noch, wenn ich mei­nen Com­pu­ter und sei­ne Datei­en, mei­ne Notiz­bü­cher, mei­ne Woh­nung, mei­ne Kar­tei­kar­ten wäh­rend eines Erd­be­bens ver­lie­ren wür­de, alle Ver­zeich­nis­se, die ich stu­die­ren könn­te, um auf jene Geschich­te zu sto­ßen, wenn sie ein­mal nicht gegen­wär­tig sein wür­de. Die­se Geschich­te, ich erzäh­le eine kur­ze Fas­sung, han­delt von Giu­sep­pi Logan, der in New York lebt. Er ist Jazz­mu­si­ker, ein Mann von dunk­ler Haut. Logan, so wird berich­tet, atme Musik mit jeder Zel­le sei­nes Kör­pers in jeder Sekun­de sei­nes Lebens. In den 60er-Jah­ren spiel­te er mit legen­dä­ren Künst­lern, nahm eini­ge bedeu­ten­de Free­jazz­plat­ten auf, aber dann war die Stadt New York zu viel für ihn. Er nahm Dro­gen und war plötz­lich ver­schwun­den, man­che sei­ner Freun­de ver­mu­te­ten, er sei gestor­ben, ande­re spe­ku­lier­ten, er könn­te in einer psych­ia­tri­schen Anstalt ver­ges­sen wor­den sein. Ein Mann wie ein Black­out. Über 30 Jah­re war Giu­sep­pi Logan ver­schol­len, als man ihn vor weni­gen Jah­ren in einem New Yor­ker Park lebend ent­deck­te. Er exis­tier­te damals noch ohne Obdach, man erkann­te ihn an sei­nem wil­den Spiel auf einem zer­beul­ten Saxo­fon, ein­zig­ar­ti­ge Geräu­sche. Freun­de besorg­ten ihm eine Woh­nung, eine Plat­te wur­de auf­ge­nom­men, und so kann man ihn nun wie­der spie­len hören, live, weil man weiß, wo er sich befin­det von Zeit zu Zeit, im Tomp­kins Squa­re Park näm­lich zu Man­hat­tan. Es ist ein klei­nes Wun­der, das mich sehr berührt. Ich will es unter der Wort­bo­je Giu­sep­pi Logan in ein Ver­zeich­nis schrei­ben, das ich aus­wen­dig ler­nen wer­de, um alle die Geschich­ten wie­der­fin­den zu kön­nen, die ich nicht ver­ges­sen will. — Heu­te las ich, dass der alte Mann im April 2020 im Law­rence Nur­sing Care Cen­ter in Far Rocka­way, Queens wäh­rend der COVID-19-Pan­de­mie in New York City an den Fol­gen einer SARS-CoV-2-Infek­ti­on gestor­ben ist. — stop

 

Foto­gra­phie Jon Rawlinson

„Nie­mand klang in einem Ensem­ble so wie
Giu­sep­pi [Logan]. Bei sei­nem Spiel hielt er sei­nen Kopf weit zurück;
dazu erklär­te er: „Auf die­se Art ist mei­ne Keh­le weit offen“,
so konn­te er mehr Luft ein­zie­hen. Er spiel­te in einem
Umfang von vier Okta­ven auf dem Alt­sa­xo­phon. Was
ihn als Impro­vi­sa­tor von ande­ren unterschied,
war die Art, wie er sei­ne Noten platzierte
und damit einen bestimm­ten Klang schuf,
dem die ande­ren der Grup­pe dann folgten.
Sei­ne Stü­cke waren aus die­sem Grund sehr
attrak­tiv; Giu­sep­pi hat­te sei­ne ganz eigenen
Ansich­ten über Musik …“ – Bill Dixon

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halbstundenschnee

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zou­lou : 15.18 UTC — Win­ter. Land­schaft tief ver­schneit. Ich erin­ne­re Vater, wie er auf den Bal­kon unse­res Hau­ses ein Kame­ra­sta­tiv stellt. Der Foto­ap­pa­rat, den er auf das Sta­tiv schraub­te, rich­te­te sei­ne Augen­lin­se zum Gar­ten hin, auf eine unbe­rühr­te Decke von Schnee über einem Teich, der sich kaum wahr­nehm­bar durch eine leich­te Ver­tie­fung abzeich­ne­te unter dem glit­zern­den, kal­ten Tuch. Von dem Foto­ap­pa­rat aus führ­te ein fei­nes Kabel in Vaters Arbeits­zim­mer. Das Kabel war mit sei­nem Com­pu­ter ver­bun­den, der dem Foto­ap­pa­rat jede hal­be Stun­de ein­mal Anwei­sung gab, eine Auf­nah­me des Gar­tens anzu­fer­ti­gen. Vie­le Jah­re spä­ter ent­deck­te ich eine Serie die­ser Auf­nah­men. Spu­ren sind dort zu erken­nen, einer Kat­ze, die selbst nicht zu sehen ist. Der Kopf einer Amsel wei­ter­hin, die nach ihrer Lan­dung im Schnee ver­sun­ken zu sein schien. Kurz dar­auf eine wei­te­re Kat­ze, die der Spur jener unsicht­ba­ren, frü­he­ren Kat­ze folgt. Auch Mut­ter hat ihren Auf­tritt. Ihr Kopf ist zu erken­nen, und ihre Hän­de, die in den Bild­aus­schnitt ragen. Sie wirft Nüs­se in den Schnee. Eine wei­te­re Auf­nah­me, es ist viel­leicht spä­ter Nach­mit­tag, zeigt Vater inmit­ten sei­nes Gar­tens. Er schaut hoch zur Kame­ra. — stop

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der kleine august

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ulys­ses : 16.55 UTC — Ich spre­che zu schnell, dach­te August, ich spre­che zu schnell, zu häu­fig und zu lang. Ich wer­de fort­an lang­sa­mer spre­chen und sel­te­ner und lei­se. Er hat­te sich, noch ein Kind, vor­ge­nom­men, lang­sa­mer und deut­li­cher zu spre­chen, weil sei­ne Freun­de und sei­ne Eltern und sei­ne Leh­rer immer wie­der ein­mal bemerkt hat­ten, dass er viel zu viel spre­chen wür­de. Du sprichst, lie­ber August, zu lang und zu schnell. Wenn er sich erin­ner­te, ent­deck­te er zahl­rei­che Wochen, Mona­te, Tage sei­nes kur­zen Lebens, da er ver­such­te, stil­ler zu wer­den. Er war erfolg­reich gewe­sen, aber immer nur so lan­ge er sich selbst zuhör­te und sich in Gedan­ken sag­te, lang­sam spre­chen, August, lang­sam spre­chen, jetzt hörst du auf zu spre­chen. Du sagst ein­mal zehn Minu­ten lang nichts. August sah auf sei­ne Uhr. Mut­ter frag­te ihn, wie es in der Schu­le gewe­sen war, aber August sag­te nichts, sah auf die Uhr und war­te­te. Warst du denn in der Schu­le, frag­te Mut­ter. Natür­lich, war ich in der Schu­le gewe­sen, dach­te August, ich erin­ne­re mich, soeben bin ich zurück­ge­kehrt. Er sah auf die Uhr und war ganz still und er fühl­te sich wohl und dann waren zehn Minu­ten Zeit der Stil­le des klei­nen August ver­gan­gen. Kaum waren zehn Minu­ten Zeit ver­gan­gen, war August schon in den Gar­ten gerannt. Mut­ter saß im Gras in der Son­ne und schäl­te Kar­tof­feln. Heu­te habe ich kaum etwas gesagt in der Schu­le, erzähl­te August. Er sprach sehr lang­sam. Ich war ganz still, sag­te August, fast bin ich ein­ge­schla­fen. Dann habe ich etwas gesagt, aber ich war wie­der viel zu schnell. Da habe ich dann geschwie­gen, habe nur die Hälf­te erzählt von dem, was ich erzäh­len woll­te. Da bin ich dann ein­ge­nickt. Und als ich wach wur­de, habe ich die­se furcht­ba­re Stim­me gehört. — stop

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schwarmerzählung

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nord­pol : 15.08 UTC — In den Mona­ten Dezem­ber und Janu­ar lern­te mei­ne Schreib­ma­schi­ne fol­gen­de Wör­ter, die in ihren Prüf­ver­zeich­nis­sen bis­lang nicht zu fin­den gewe­sen waren: Aku­tag­awa . Ammer­see­stra­ße . Aqua­ria­ner­ge­schich­te . Bir­ders . Blü­ten­be­stäu­ber . Droh­nen­leuch­ten . Droh­nen­wa­be . Erzähl­räu­me . Favicon.ico . Heron . Kar­pen­zun­gen­pas­te­te . Holz­steg­fe­der . Kolo­ni­al­wa­ren­la­den . Lich­ten­berg­fal­ter . Licht­fang­ma­schi­ne . Loch­plat­ten­spiel­do­se . Maki­ta­ge . Mund­na­se­mas­ke. Mund­schutz­al­go­rith­mus . Nas­horn­kä­fer . Pis­ta­zi­en­hühn­chen . Rücken­pro­pel­ler­droh­ne . Piga­fetta . Pro­pel­ler­kä­fer . Perl­schiff . Picon . Schnee­ku­gel­ge­stal­ten . som­no­lent . Schwarmer­zäh­lung. — stop
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ai : IRAN

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MENSCH IN GEFAHR: „Der von der Hin­rich­tung bedroh­te Arzt Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wird seit sie­ben Wochen ohne Kon­takt zur Außen­welt im Evin-Gefäng­nis in Tehe­ran in Haft gehal­ten. Nach der wie­der­hol­ten Auf­for­de­rung, ihnen Kon­takt zu ihrem Man­dan­ten zu ermög­li­chen, über­gab die Gefäng­nis­ver­wal­tung sei­nen Anwält_innen Ende Dezem­ber 2020 einen unda­tier­ten Brief von Dr. Dja­la­li. Dar­in schrieb er, dass er sich seit 33 Tagen in Ein­zel­haft befin­det. Sei­ner Fami­lie und sei­nen Anwält_innen wur­de am 24. Novem­ber 2020 gesagt, dass das Todes­ur­teil von Dr. Dja­la­li inner­halb einer Woche voll­streckt wer­de und sie nun die letz­te Gele­gen­heit zu einem Video­te­le­fo­nat hät­ten. / Die Nach­richt der bevor­ste­hen­den Voll­stre­ckung lös­te inter­na­tio­na­le For­de­run­gen aus, sei­ne Hin­rich­tung zu stop­pen. Laut Amnes­ty Inter­na­tio­nal vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen wur­den nach den welt­wei­ten Pro­tes­ten die Hin­rich­tungs­plä­ne am 2. Dezem­ber 2020 “auf Anwei­sung von oben” gestoppt. Am 8. Dezem­ber 2020 erfuhr die Fami­lie, dass sei­ne Hin­rich­tung um eine Woche ver­scho­ben wur­de und Ende Dezem­ber hieß es, dass die Voll­stre­ckungs­be­hör­de die Hin­rich­tung erneut um einen Monat ver­scho­ben habe. Doch die Tat­sa­che, dass sich Ahm­adre­za Dja­la­li nach wie vor in Haft ohne Kon­takt zur Außen­welt befin­det, gibt trotz der zwei Auf­schü­be gro­ßen Anlass zu der Befürch­tung, dass er jeder­zeit hin­ge­rich­tet wer­den könn­te. Denn die ira­ni­schen Behör­den pfle­gen Todeskandidat_innen im Gehei­men hin­zu­rich­ten, nach­dem sie sie in Ein­zel­haft ver­legt und ihnen dar­in den Kon­takt zur Außen­welt ver­wei­gert haben. / Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wur­de im Okto­ber 2017 in einem grob unfai­ren Ver­fah­ren vor der Abtei­lung 15 des Tehe­ra­ner Revo­lu­ti­ons­ge­richts wegen “Ver­dor­ben­heit auf Erden” (ifsad fil-arz) zum Tode ver­ur­teilt. Das Gericht stütz­te sich dabei haupt­säch­lich auf “Geständ­nis­se”, die laut Ahm­adre­za Dja­la­li durch Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen erzwun­gen wor­den waren. Er befand sich zu die­ser Zeit in ver­län­ger­ter Ein­zel­haft und hat­te kei­nen Zugang zu einem Rechts­bei­stand. Die Behör­den droh­ten ihm, ihn hin­zu­rich­ten und sei­ne in Schwe­den leben­den Kin­der sowie sei­ne im Iran leben­de Mut­ter zu töten oder auf ande­re Art zu ver­let­zen. Amnes­ty Inter­na­tio­nal ver­tritt die Auf­fas­sung, dass der Straf­tat­be­stand der “Ver­dor­ben­heit auf Erden” die straf­recht­li­chen Erfor­der­nis­se der Rechts­klar­heit und Genau­ig­keit nicht erfüllt und zudem dem Lega­li­täts­prin­zip und dem Grund­satz der Rechts­si­cher­heit zuwi­der­läuft. Am 9. Dezem­ber 2018 erfuh­ren die Rechts­bei­stän­de von Ahm­adre­za Dja­la­li, dass sein Todes­ur­teil vor Abtei­lung 1 des Obers­ten Gerichts­hofs sum­ma­risch bestä­tigt wor­den war, ohne dass sie die Mög­lich­keit hat­ten, Ver­tei­di­gungs­an­trä­ge im Namen ihres Man­dan­ten ein­zu­rei­chen. Min­des­tens zwei Anträ­ge auf eine gericht­li­che Über­prü­fung sei­nes Falls wur­den abge­lehnt.“ - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 24.2.2021 unter > ai : urgent action

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ameisengesellschaft LN — 1722

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MELDUNG. Amei­sen­ge­sell­schaft LN — 1821 [ Honig­topf­amei­se : Cam­po­no­tus infla­tus ] Posi­ti­on 36°40’S 144°16’O nahe Ben­di­go [ Aus­tra­lia ] / Fol­gen­de Objek­te wur­den bei hoch­som­mer­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren am 31. Dezem­ber des ver­gan­ge­nen Jah­res von 9.00 — 10.02 Uhr AEST über das nord­west­li­che Wen­del­por­tal ins Waren­haus ein­ge­führt : ein­und­fünf­zig tro­cke­ne Flie­gen­tor­si gerin­ger Grö­ße [ meist ohne Kopf ], elf Baum­stäm­me [ à 5 Gramm ], zwei­und­zwan­zig Rau­pen in Grün, sechs Rau­pen in Oran­ge, acht­und­acht­zig Insek­ten­flü­gel [ ver­mut­lich der Gat­tung Odys­seus­fal­ter,], sechs Streich­holz­köp­fe [ à ca. 1.8 Gramm ], son­nen­ge­trock­ne­te Rosen­blät­ter [ ca. 122 Gramm aus dem ver­gan­ge­nem Jahr ], ein­hun­dert­und­zwei Schne­cken­häu­ser [ je ohne Schne­cke ], zwölf gelähm­te Schne­cken [ je ohne Haus ], sie­ben­und­acht­zig Amei­sen anlie­gen­der Staa­ten [ betäubt oder tran­chiert ], zwei hell­graue Dieb­kä­fer [ schla­fend ], drei Aas­ku­geln eines afri­ka­ni­schen Pil­len­dre­hers, wenig spä­ter der Pil­len­dre­her selbst, ein­hun­der­acht­und­ach­zig Wild­bie­nen, fünf­und­fünf­zig Gall­äp­fel, zwei Injek­ti­ons­na­deln je 3.005 Gramm. — stop

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im park

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lima : 23.01 UTC — Ich war heu­te im Park, wo noch vor Mona­ten Kirsch­bäu­me blü­hend paar­wei­se über eine Wie­se spa­zier­ten. Von den Hun­den, sobald es dun­kel wird, siehst Du dort nichts als das Licht, das um ihren Hals gelegt, oder ihre glü­hen­den Augen im Schein der Fahr­rad­la­ter­nen. Heu­te waren auch zwei flie­gen­de Hun­de unter­wegs oder beleuch­te­te Vögel, weil da auch Licht her­um­flog, viel­leicht Droh­nen, zwei klei­ne, das war selt­sam, auch dass sie mich viel­leicht beob­ach­te­ten, wie ich nach ihnen sah. Ich dach­te an Fahr­rä­der, die unsicht­bar in Baum­kro­nen hän­gen. Und ich dach­te, dass selt­sam ist, dass ich manch­mal bemer­ke in Gedan­ken, wor­an ich gera­de noch dach­te. Ver­mut­lich war ich ganz grün gewe­sen vom Nacht­sicht­licht, wer weiß. — stop
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ai : BELARUS

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MENSCH IN GEFAHR: „Viach­as­lau Rahash­chuks Gesund­heits­zu­stand ist so schlecht, dass er umge­hend in ein Kran­ken­haus ein­ge­wie­sen wer­den müss­te. Doch statt­des­sen befin­det er sich in der Unter­su­chungs­haft­an­stalt Nr. 6. Sei­ne Ver­let­zun­gen sind auf Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen zurück­zu­füh­ren, denen er in der Haft aus­ge­setzt war. / Der Taxi­fah­rer wur­de am Abend des 10. August in Pinsk von min­des­tens fünf Polizeibeamt_innen gewalt­sam und will­kür­lich fest­ge­nom­men, als er mit sei­ner Schwes­ter und ihrem zwölf­jäh­ri­gen Sohn spa­zie­ren ging. Am Vor­tag waren die Wahl­er­geb­nis­se der Prä­si­dent­schafts­wahl offi­zi­ell bekannt­ge­ge­ben wor­den und nach mas­si­ven Betrugs­vor­wür­fen hiel­ten die Pro­tes­te in der Stadt noch an. Viach­as­lau Rahash­chuk hat kei­ne Straf­tat began­gen und sei­ne Fest­nah­me und nach­fol­gen­de Inhaf­tie­rung sind will­kür­lich. In der Zwi­schen­zeit wur­de er nach Para­graf 293 Teil 1 des bela­rus­si­schen Straf­ge­setz­bu­ches ange­klagt, der im Zusam­men­hang mit dem Vor­wurf von “Mas­sen­un­ru­hen” steht. Bei einer Ver­ur­tei­lung dro­hen ihm bis zu 15 Jah­re Haft. / Am 11. August nahm einer der dama­li­gen Mit­häft­lin­ge von Viach­as­lau Rahash­chuk Kon­takt zu des­sen Mut­ter auf und teil­te ihr mit, dass ihr Sohn von Gefäng­nis­wär­tern schwer miss­han­delt wor­den sei. Er habe ein Häma­tom hin­ter dem Ohr, drei Schnitt­wun­den am Kopf und Prel­lun­gen an der gesam­ten Wir­bel­säu­le. Außer­dem sei­en die Gefäng­nis­kor­ri­do­re vol­ler Blut­la­chen von all den­je­ni­gen, die geschla­gen wur­den. / Seit­dem hat Viach­as­lau Rahash­chuk ein per­ma­nen­tes Klin­geln in sei­nem Kopf. Sei­ne Ange­hö­ri­gen baten einen Gefäng­nis­me­di­zi­ner dar­um, ihm eine Über­wei­sung zur Com­pu­ter-Tomo­gra­fie aus­zu­stel­len. Die­ser mein­te jedoch nur, dass es Viach­as­lau Rahash­chuk gut gehe und dass die Fami­lie wei­ter­hin Medi­ka­men­te zur Lin­de­rung der Sym­pto­me schi­cken sol­le. Glaub­wür­di­gen und aktu­el­len Berich­ten zufol­ge hat Viach­as­lau Rahash­chuk wie­der­holt für bis zu 20 Minu­ten das Bewusst­sein ver­lo­ren. Außer­dem hat er auf der lin­ken Sei­te des Brust­korbs einen Tumor ent­wi­ckelt. Die wie­der­hol­ten Bit­ten sei­ner Fami­lie, ihn einer unab­hän­gi­gen ärzt­li­chen Unter­su­chung zu unter­zie­hen, wur­den alle­samt abge­lehnt. Viach­as­lau Rahash­chuk wird die drin­gend benö­tig­te medi­zi­ni­sche Behand­lung ver­wei­gert.”- Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 8.2.2021 unter > ai : urgent action

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eine taube

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lima : 22.12 UTC — Die Bil­der des letz­ten Films, den mein Vater mit sei­nem Foto­ap­pa­rat auf­ge­nom­men hat­te, zei­gen sei­ne Hose, sei­ne Schu­he, Trep­pen­stu­fen, eine Tau­be. Als ich die digi­ta­len Foto­gra­fien für mei­nen Vater auf sei­nem Com­pu­ter öff­ne­te, hock­te der alte Mann in der Betrach­tung sei­nes letz­ten Films vor dem Bild­schirm und klick­te immer schnel­ler wer­dend von Bild zu Bild. Er sag­te, dass er sich an das, was er foto­gra­fiert hat­te, genau erin­ne­re. Da war eine Land­schaft nahe Prag durch das Zug­fens­ter auf­ge­nom­men, da war eine wei­te­re Land­schaft, kurz nach­dem der Zug den Pra­ger Bahn­hof ver­las­sen hat­te, da war ein tan­zen­des Paar auf einem Donau­rei­se­schiff nahe Buda­pest. Und da war Mut­ter, die neben einem Ret­tungs­boot des­sel­ben Schif­fes stand und lächel­te. Vater hat­te unge­fähr 50 Auf­nah­men gefer­tigt, jede der Auf­nah­men zeig­te nun sei­ne Schu­he, sei­ne Hose oder eben eine Tau­be, die zu sei­nen Füßen Brot­kru­men pick­te. Er war ver­zwei­felt. Da stand ich lei­se auf und such­te nach sei­ner Kame­ra. Ich bin doch nicht ver­rückt gewor­den, sag­te Vater. Nein, ant­wor­te­te ich, schau her, Du bist nicht ver­rückt gewor­den! Vater nahm sei­ne Kame­ra in die Hand. Er schüt­tel­te den klei­nen, fla­chen Appa­rat und sag­te: Na, das ist mein viel­leicht selt­sams­ter Film gewor­den. Die­se Tau­be hier, da waren wir schon auf dem Schiff gewe­sen. Es war Nach­mit­tag. Ich muss etwas an der Kame­ra ver­stellt haben. Die­ses Räd­chen hier könn­te es gewe­sen sein. Immer Sekun­den zu spät. Na, so was, sag­te Vater. — stop



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