Aus der Wörtersammlung: abend

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fliegende brillen

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alpha : 17.03 – Heu­te Mor­gen, war noch dun­kel im Haus, hör­te ich ein sir­ren­des Geräusch. Das Geräusch näher­te sich über die Trep­pe abwärts. Zunächst war nichts zu sehen, dann aber eine der Bril­len mei­ner Mut­ter, die seit dem Vor­abend über zar­te Roto­ren ver­fü­gen, wel­che in der Lage sind, Bril­len­kon­struk­tio­nen bis hin zu einem Gewicht von 80 Gramm in die Luft zu heben, sie vor­wärts­zu­be­we­gen oder rück­wärts durch Räu­me oder den Gar­ten. Lang­sam durch­quer­te die Bril­le den Raum, kreis­te ein­mal um mei­nen Kopf, und lan­de­te schließ­li­ch sanft auf dem Ess­ti­sch in der Nähe des Stuh­les, auf dem mei­ne Mut­ter sitzt, sobald sie ihr Früh­stück zu sich neh­men möch­te. Über drei Bril­len ver­fügt mei­ne Mut­ter, und jede die­ser Bril­len kann nun flie­gen. Eine Bril­le wur­de im Dach­ge­schoss sta­tio­niert, eine wei­te­re Bril­le im Erd­ge­schoss, die drit­te zu ebe­ner Erde. Wenn nun Mor­gen wird, zu einer Zeit, da fast alle Men­schen noch schla­fen, erwa­chen vor den Vögeln bereits die Bril­len mei­ner Mut­ter. Sie begin­nen zu blin­ken, Dioden in gel­ber Far­be, Zei­chen, dass sie sich mit­tels Funk­si­gna­len ori­en­tie­ren. Bald flie­gen sie los, die Dach­ge­schoss­bril­le ins Dach­ge­schoss, die Bril­le der ers­ten Eta­ge in die ers­te Eta­ge, die Bril­le des Erd­ge­schos­ses ins Erd­ge­schoss. Das Suchen hat nun ein Ende, alles wird gut! – stop

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ein alter mann

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romeo : 0.32 — Ich erin­ne­re mich, vor einem Jahr, an einem Som­mer­abend, saß mein Vater auf einem Stuhl in sei­nem Gar­ten. Vor ihm stand ein klei­ner Tisch und auf die­sem Tisch eine Fla­sche Was­ser mit einem Dreh­ver­schluss. Ich glaub­te, dass mein Vater mich nicht bemerk­te. Er schien mit der Fla­sche zu spre­chen. Er beug­te sich vor, hielt die Fla­sche mit der einen Hand fest, wäh­rend er mit der ande­ren Hand an ihrem Ver­schluss dreh­te. Aber die Fla­sche war nicht leicht fest­zu­hal­ten gewe­sen, ver­mut­lich des­halb, weil sich die Feuch­te der Luft auf ihr nie­der­ge­schla­gen hat­te. Also lehn­te sich mein Vater wie­der auf sei­nem Stuhl zurück und schloss die Augen. Ich neh­me an, er wird ein­ge­schla­fen sein. Als er wie­der erwach­te, war ich noch immer da und auch die Fla­sche stand noch auf dem Tisch. Mein Vater beug­te sich vor, nahm die Fla­sche und dreh­te an ihrem Ver­schluss. Erneut schien er sich mit der Fla­sche zu unter­hal­ten, ohne aber die rich­ti­gen Wor­te zu fin­den, weil die Fla­sche sich noch immer dage­gen wehr­te, geöff­net zu wer­den. Also lehn­te sich mein Vater erneut zurück, er schüt­tel­te den Kopf. In die­sem Moment schweb­te eine Libel­le über den Tisch. Sie betrach­te­te mei­nen Vater, setz­te sich auf den Ver­schluss der Fla­sche und fal­te­te ihre Flü­gel. Ein Moment der Stil­le, des Frie­dens. Ein paar Zika­den waren zu hören, sonst nichts. Mein Vater war bald wie­der ein­ge­schla­fen, es wur­de dun­kel und die Libel­le ver­schwand. Als er erwach­te, saß ich vor ihm. Ich hat­te die Fla­sche für ihn geöff­net und ein Glas mit Was­ser gefüllt. Mein Vater erzähl­te, dass er sich gewun­dert habe, war­um er die Fla­sche nicht öff­nen konn­te, er habe sie doch selbst zuge­dreht. — stop

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indianer

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del­ta

~ : oe som
to : louis
sub­ject : INDIANER
date : mar 30 12 9.28 a.m.

Ges­tern Abend, stür­mi­sche See, war Mil­ler mit einer Schach­tel Foto­gra­fien Noe’s vom Fest­land zurück­ge­kehrt. Es dun­kel­te bereits, als er mit dem Segel­schiff Esther Val­dez zufrie­den ein­traf. Wir saßen dann die hal­be Nacht an einem Tisch, um eine ers­te Foto­gra­fie unter drei Dut­zend wei­te­rer Foto­gra­fien Noe’s aus­zu­wäh­len. Noe als Säug­ling auf einem Wickel­tisch lie­gend. Noe in einer Bade­wan­ne mit einem Hüt­chen auf dem Kopf. Er war damals vier oder fünf Jah­re alt gewe­sen und lach­te in die Kame­ra. Noe zur Kar­ne­vals­zeit, ein India­ner. Noe wie er ein klei­nes Mäd­chen küsst, das grö­ßer ist als er selbst. Ein Pass­bild in Far­be. Noe ist bereits weit über 20 Jah­re alt gewe­sen, mit die­sem Bild wol­len wir begin­nen, und so haben wir Noes Foto­gra­fie in Glas gepan­zert. Mil­ler mach­te sich dann nach etwas Schlaf höchst­per­sön­lich auf den Weg abwärts. Er ist in die­sem Moment auf Tie­fe 250 Fuß ange­kom­men, noch zwei Stun­den und er wird Noe errei­chen. Mil­ler mel­det, er kön­ne Noe bereits erken­nen, einen leuch­ten­den Punkt, sagt Mil­ler, einen gleich­mä­ßig blin­ken­den Punkt. Noe selbst scheint zufrie­den zu sein. Er ist wach, wir hören sei­nen Atem. Noch vor weni­gen Minu­ten ver­such­te er sei­nen Blick nach oben zu rich­ten, aber sei­ne Kräf­te sind zu gering, um sei­nen schwe­ren Anzug bewe­gen zu kön­nen. Er sei nicht mehr der Jüngs­te, sag­te Noe. Er seh­ne sich nach einer Uhr, setz­te er hin­zu. — Das Meer ist heu­te ruhig. Ein sanft blau­er Him­mel über uns. Nichts an die­ser Stel­le deu­tet dar­auf­hin, welch dra­ma­ti­sche Geschich­te sich unter uns in aller Stil­le ereig­net. Ob Noe sich wie­der erken­nen wird? — Ahoi, lie­ber Lou­is. Dein OE SOM

gesen­det am
30.03.2012
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oe som to louis »

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sumatrakäfer

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sier­ra : 0.27 — Ges­tern, am spä­ten Abend, habe ich den Ver­such unter­nom­men, das Wort Streich­holz so lan­ge wie mög­lich in mei­nem Kopf hin und her zu bewe­gen, ohne indes­sen ein wei­te­res Wort zu den­ken. Kurz dar­auf habe ich mei­nen Ver­such wie­der­holt, in dem ich das Wort Streich­holz durch das Wort Suma­tra­kä­fer ersetz­te, eben­sol­ches eine Zehn­tel­stun­de spä­ter durch das Wort Kühl­schrank, wel­ches selbst kurz vor Mit­ter­nacht im Loop der Hibis­kus­blü­te ende­te. Vor­ges­tern noch hat­te ich eine ähn­li­che Nacht­übung durch­ge­führt. Wör­ter waren fol­gen­de gewe­sen: Sams­he­pard, Hum­mer­vo­gel, Tict­ac­to, Lepo­rel­lo. Ich stel­le fest: Die lang anhal­ten­de Wie­der­ho­lung des Wor­tes Lepo­rel­lo bewirkt in mei­ner See­le einer­seits deut­li­ches Gefühl von Hit­ze, ander­seits eine Ahnung der Far­be Gelb­oran­ge, ohne dass die­se Far­be selbst vor mei­nem inne­ren Auge sicht­bar wer­den wür­de. War­um? — stop

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ein unglück

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echo : 0.15 — Von einem Unglück habe ich erfah­ren. Ein alter Mann ist gestürzt. Es war spä­ter Abend. Der alte Mann woll­te sei­ne Frau in den Arm neh­men, um sich zu bedan­ken, weil sie bei­de einen glück­li­chen Tag gemein­sam ver­brach­ten. Sie waren spa­zie­ren im Eng­li­schen Gar­ten und kurz dar­auf in einem Kino gewe­sen, und essen und dann, nach vie­len Stun­den wie­der zu Hau­se, umarm­te der alte Mann sei­ne gelieb­te Frau, um kurz dar­auf das Gleich­ge­wicht zu ver­lie­ren. Jetzt liegt er, so hör­te ich, in einem Hos­pi­tal in einem Bett. Es ist die Nacht nach dem Tag nach dem Abend des Unglücks. Und dass sie froh sei­en, dass sie so gut ver­sorgt wür­den, dass sie nicht erle­ben müss­ten, was ver­letz­ten Men­schen in der Stadt Homs wider­fährt. Und doch ist ein gro­ßes Unglück gesche­hen, Sor­ge und Angst sind zurück. Ich hör­te eine lei­se, sehr trau­ri­ge Stim­me: Wir wer­den uns in Zukunft im Sit­zen umar­men. — stop
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PRÄPARIERSAAL : schwärme

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tan­go : 1.16 — Ges­tern, Punkt 10 Uhr abends, habe ich mei­ne ana­to­mi­sche Ton­band­ma­schi­ne wie­der ange­wor­fen. Ich hör­te eine Auf­nah­me, die ich mit der Beschrif­tung No 87 ver­se­hen hat­te. Lei­der konn­te ich mich nicht erin­nern, wo das Doku­ment auf­ge­nom­men wor­den sein könn­te, weil ich ver­säum­te, Zeit und Ort des Gesprächs, sowie den Namen der spre­chen­den Per­son zu notie­ren. Eine Frau­en­stim­me war zu hören und das Zwit­schern von Vögeln. Die Stim­me sprach rasend schnell, als ob sie den Vögeln nach­ei­fern woll­te. Mehr­fach muss­te ich die Auf­nah­me in einem ers­ten Durch­gang anhal­ten und wie­der­ho­len, um ver­ste­hen oder erah­nen zu kön­nen, was die Stim­me gesagt hat­te. Ich habe ihr einen pro­vi­so­ri­schen Namen gege­ben. Mela­nie erzählt: > Es ist eine auf­re­gen­de Zeit. Da sind Schwär­me von Gedan­ken, Geräu­schen, Bil­dern, Gerü­chen in mei­nem Kopf. Ich kann sie jeder­zeit her­vor­ho­len. Manch­mal kom­men sie von selbst. Unge­fragt. Viel­leicht dar­um, weil ich etwas Beson­de­res erle­be. Oft habe ich schon den Ver­such unter­nom­men, von mei­nen Erfah­run­gen zu berich­ten. Ich habe das Gespräch gesucht, Sie ver­ste­hen, ich bin stolz, der Auf­ga­be gewach­sen zu sein. Des­halb erzäh­le ich mit Begeis­te­rung. Ich habe zum Bei­spiel davon erzählt, dass ich sehr ger­ne an Mus­keln prä­pa­rie­re. Ich habe von der luzi­den, perl­mutt­far­be­nen Haut berich­tet, die Mus­keln umgibt. Ich habe von der Befrie­di­gung erzählt, die ich emp­fin­de, wenn ich einen Mus­kel voll­stän­dig frei­ge­legt habe, wenn ich den Mus­kel begrei­fen konn­te, sei­nen Ursprung und sei­nen Ansatz erken­nen. Ich habe, wäh­rend ich erzähl­te, mit mei­nen Hän­den vor­aus­ge­ar­bei­tet, habe mit mei­nen Hän­den auf dem Tisch Bewe­gun­gen aus­ge­führt, als war­te­te dort eine Struk­tur, die ich noch rasch prä­pa­rie­ren soll­te. Hand­ar­beit, sag­te ich, wenn du eine gute Ärz­tin sein willst, musst du zunächst eine gute Hand­wer­ke­rin sein. Wenn du nicht Hand anle­gen willst an einen Men­schen, ist alle Mühe nicht wert. Eine Pro­fes­so­rin erklär­te ein­mal: Sei­en Sie neu­gie­rig. Ver­fol­gen Sie die Struk­tu­ren wei­ter bis zu ihrem Ende. Glau­ben Sie nichts, prü­fen Sie, ob das, was in den Ana­to­mie­bü­chern steht, wirk­lich stimmt. Sehen Sie nach und sie wer­den mit Struk­tu­ren belohnt. — Ja, es ist auf­re­gend. Eine Assis­ten­tin notier­te eine wun­der­ba­re Geschich­te für mich. Das war an dem Tag gewe­sen, als Gehir­ne ent­nom­men wor­den waren. Da sei eine Kol­le­gin durch den Saal auf sie zuge­kom­men und habe ihr ein Gehirn in die Hän­de gelegt. Sie woll­te ihr eine ers­te Erfah­rung schen­ken, und sie woll­te in die­sem bedeu­ten­den Moment an ihrer Sei­te sein. Das Gehirn, ihr ers­tes Gehirn, sei uner­war­tet schwer gewe­sen. Sie erin­ner­te sich gut an ihre Sor­ge, sie könn­te das Gehirn fal­len las­sen. Sie habe in die­sem Augen­blick dar­an gedacht, dass sie eine ganz Welt in Hän­den hal­te, Träu­me eines Lebens, Bil­der, Sät­ze, Wör­ter, Wör­ter, die nie wie­der erreich­bar sein wer­den. – stop

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manhattan transfer : ein wölkchen asche

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ulys­ses : 23.57 — Am spä­ten Abend, die Luft war von selt­sa­mer Mil­de, auf dem Pro­me­na­den­deck des Fähr­schiffs Spi­rit of Ame­ri­ca der ers­ten See­be­stat­tung mei­nes Lebens bei­gewohnt. Ein heim­li­cher Vor­gang, des­sen Beob­ach­tung nur des­halb mög­lich gewe­sen war, weil mich der jun­ge Mann und die jun­ge Frau, die vom Bug des Schif­fes her gekom­men waren, in den Nacht­schat­ten nicht wahr­ge­nom­men hat­ten. Sie stan­den für eini­ge Minu­ten still in mei­ner Nähe, sahen auf das Was­ser her­ab, das dun­kel gewe­sen war, hiel­ten sich an den Hän­den und spra­chen sehr lei­se. Sie spra­chen so, als wür­den sie beten. Ein hel­les Wölk­chen von Asche stieg in der Luft. Die jun­ge Frau fass­te in ihre Man­tel­ta­sche, sie warf ein Stück Papier in die Tie­fe, dann Blu­men, Blü­ten, eine Hand­voll Blü­ten die jun­ge Frau, und eine Hand­voll Blü­ten der jun­ge Mann. Dann gin­gen sie lang­sam fort in die Rich­tung, aus der sie gekom­men waren. — stop

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grand central terminal : ein kleine lokomotive

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ulys­ses : 0.22 — Wann war es, dass ich zum ers­ten Mal ent­deck­te, dass das Fah­ren in der Sub­way eine her­vor­ra­gen­de Hand­lung dar­stellt, mei­nen ver­letz­ten Arm zu trai­nie­ren? Eine hal­be Stun­de in die­ser Sache mit der Linie A süd­wärts nach Brook­lyn unter­wegs, dann wie­der nord­wärts unter der Lex­ing­ton Ave­nue rauf nach Har­lem. Kei­ner der mit mir rei­sen­den Men­schen wird bemer­ken, was ich da tue. Ich ste­he in der Nähe einer Tür und hal­te mich ein­ar­mig an einer Hal­te­stan­ge fest. So flie­ge ich durch Tun­nels, wer­de gebremst, beschleu­nigt, rase durch Kur­ven der Fins­ter­nis, die es in sich haben, seg­le über Brü­cken, schauk­le unter dem East River von einer Insel zur ande­ren Insel. Längst wür­de ich, wenn ich nicht mit mei­ner balan­cie­ren­den Extre­mi­tät dem Zug ver­bun­den wäre, umge­fal­len sein, wür­de durch die Zug­ab­tei­le tau­meln auf der Suche nach Gleich­ge­wicht, wür­de über Bür­gern der Stadt zu lie­gen kom­men, kein schö­ner Anblick, nein ganz sicher nicht. Ein Hin und her unter der Haut, als wür­den mei­ne Mus­keln, Kno­chen, Seh­nen, selbst bereits zum Zug gehö­ren, wohl­tu­en­de, auch schmerz­haf­te Bewe­gun­gen, Befrei­ung. stop. Im Regen durch Chi­na­town. Wie­der das Geräusch der Spa­zier­stö­cke alter Män­ner, die sich in ihren Revie­ren bewe­gen, ich höre sie, weil ich sie sehe, Ein­zel­gän­ger, klein, gebückt. In einem Laden unter dem Grand Cen­tral Ter­mi­nal, es ist Abend gewor­den, eine Minia­tur des Bahn­ho­fes selbst, in dem eine Loko­mo­ti­ve ihre Krei­se zieht. Dort wie­der­um eine wei­te­re Minia­tur des Bahn­ho­fes, in der eine Loko­mo­ti­ve kreist, so klein, dass man sie ein­at­men könn­te. — stop
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hell’s kitchen : ballroom

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alpha : 20.02 — Die Port Aut­ho­ri­ty Bus­sta­ti­on Höhe 42. Stra­ße soll die größ­te Bus­sta­ti­on der Ver­ei­nig­ten Staa­ten sein, 7200 Auto­mo­bi­le ver­las­sen oder errei­chen an einem durch­schnitt­li­chen Tag das Gebäu­de in der Nähe des Hud­son Rivers. Ich soll­te ein­mal von hier aus nach Mexi­ko fah­ren oder rauf nach Alas­ka oder Neu­fund­land, ein Ort der Kof­fer, der Ruck­sä­cke. Ich habe Men­schen beob­ach­tet, die aus einem ande­ren Jahr­hun­dert kom­mend hier ein­ge­trof­fen zu sein schei­nen, Frau­en mit Röcken bis zum Boden, Män­ner in Kni­cker­bo­cker­ho­sen, Golf­schu­hen, hel­len Som­mer­ja­cken inmit­ten des Win­ters in einem sich lang­sam dre­hen­den Wir­bel von Kör­pern. Im Erd­ge­schoss des Gebäu­des befin­det sich in einem Gehäu­se von Glas und Stahl eine Maschi­ne, die mit Bil­lard­ku­geln spielt, eine Skulp­tur des Künst­lers Geor­ge Rhoads. Man kann sie weit­hin hören, klin­geln­de, rat­tern­de Geräu­sche, und das Glück der Kin­der beob­ach­ten, die mit ihren Augen den Kugeln fol­gen, wel­che von der Schwer­kraft in Bah­nen gegen den Boden gezo­gen wer­den. Ein Wesen, das bei Tag und bei Nacht arbei­tet, indem ein Auf­zug, von einem klei­nen Elek­tro­mo­tor ange­trie­ben, jene stein­har­ten Bäl­le in die Höhe hebt, um sie bald wie­der los­zu­las­sen in ein Laby­rinth mög­li­cher Bah­nen. Es ist ein wenig so, als wür­de die Maschi­ne spre­chen oder sin­gen oder spie­len, selbst­ver­ges­sen, hei­ter, leicht. Ich muss mich nicht wun­dern, ein­mal waren alle Kugeln, weiß der Him­mel, war­um, aus ihren Bah­nen gesprun­gen, und ich hat­te den Ein­druck, die ver­stumm­te Maschi­ne sei aus dem Leben gegan­gen. Gera­de eben, es ist Mon­tag­abend gewor­den, fällt mir ein, dass ein Freund unlängst erzähl­te, dass er sehr trau­rig sei, weil sei­ne Groß­mutter im unge­fäh­ren Alter von 105 Jah­ren in Afri­ka gestor­ben sei. Sie habe noch eine Wüs­ten­spra­che gespro­chen, die ohne Zei­chen gewe­sen war für Papie­re, Holz, Stein, Erde. — stop

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harlem : artist südwärts

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char­lie : 0.06 — Kurz nach 8 Uhr abends betritt ein hoch­ge­wach­se­ner, schö­ner Mann den Sub­way­wa­gon, in dem ich sit­ze. Er trägt eine rote Hose, die schil­lert, Turn­schu­he von schwar­zer Far­be, einen Gür­tel von Schlan­gen­haut, davon abge­se­hen scheint der Mann unbe­klei­det zu sein, die schwar­ze Haut sei­nes Ober­kör­pers glänzt, auch die Haut sei­nes Kop­fes, auf dem sich kei­ner­lei Haar befin­det. Er kommt also her­ein, Höhe 168. Stra­ße, geschmei­dig, voll­zieht einen Hand­stand­über­schlag und hängt sich, Kopf nach unten, an eine der Hal­te­stan­gen, die sich in den Wag­gons der Linie C befin­den. Eine leich­te, schau­keln­de Bewe­gung, ich könn­te sagen, eine Bewe­gung der Ruhe vor dem Sturm, die Augen geschlos­sen, gleich wer­den sich die Arme des Man­nes über das Gestän­ge des Wag­gons bewe­gen, er wird den Rei­se­be­häl­ter, der von zahl­rei­chen Men­schen bewohnt, durch den Unter­grund der Insel Man­hat­tan rat­tert und schep­pert, durch­mes­sen, ohne den Boden mit sei­nen Füßen zu berüh­ren, laut­los, beben­de Mus­keln, Arme, Rücken, Bauch, indem sich ein Arm des Man­nes von der Stan­ge löst, wird er an den Schwin­gen einer Hand gegen den Süden flie­gen, um einen wei­te­ren Hand­vo­gel nach sich zu zie­hen, bald mit Hand No 3 und Hand No 4, die bei­de Schu­he tra­gen, nach offe­nen Räu­men zie­len, um Fahrt auf­zu­neh­men, ein segeln­der Kör­per, mal gestreckt, dann wie­der zu einem Ball gewor­den, der sich um eine der senk­rech­ten Stan­gen win­det, die das Dach des Zuges zu hal­ten schei­nen, ein Hut indes­sen, der mal da mal dort unter den Nasen der Stau­nen­den vor­über kommt, gleich ist es so weit, 166. Stra­ße, noch eine, noch eine hal­be Sekun­de. — stop

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