sierra : 7.01 — Wenige Stunden nachdem mein Vater im April des vergangenen Jahres gestorben war, überreichte mir meine Mutter eine Uhr. Sie sagte, ich, der älteste Sohn der Familie, solle sie tragen. Vielleicht meinte sie, ich solle die Uhr meines Vaters bewahren und damit die Zeit meines Vaters behüten. Ja, genau so könnte das gewesen sein, denn die kleinen und die großen Uhren der Menschen, die gestorben sind, bleiben nicht sofort stehen, auch die Uhr meines Vaters, die ich in diesem Moment an meinem linken Unterarm trage, zeigt unermüdlich weiter die vorrückende Zeit. Sie knistert, wenn ich sie an mein Ohr lege. Das Geräusch ist so leise, dass ich nicht sagen kann, ob das Werk der Uhr knistert oder mein Ohr in der Begegnung mit dem kühlen Gehäuse. Viele Tage und Wochen lang habe ich die Uhr meines Vaters nicht getragen, sie ruhte auf meinem Schreibtisch. Manchmal, indem ich sie beobachtete, hatte ich den Eindruck, sie warte. Immer wieder einmal hob ich sie in die Luft, um die genaue, die wirkliche Zeit angezeigt zu bekommen. Bei der Uhr meines Vaters handelt es sich nämlich um eine Funkuhr, die zu jeder Zeit auf die Sekunde genau die allgemeingültige Zeit anzuzeigen vermag. Ihr Zifferblatt ist übersichtlich gestaltet, ein großer Kreis für Halbtageszeit und kleiner Kreis in der unteren Hälfte, in dem der Sekundenzeiger sich um Minutenzeit fortbewegt. Diese Uhr und ihre drei Zeiger ist nun meine Uhr. Am vergangenen Sonntag setzte ich mich mit ihr auf mein Sofa. Es war kurz vor zwei Uhr zur Nachtzeit. Um genau zwei Uhr beschleunigte der Minutenzeiger wie von Geisterhand, drehte sich schnell einmal im Kreis herum, dann war Sommer geworden, ein seltsamer Moment, weil ich für einen Augenblick den Eindruck hatte, mein Vater selbst bewegte den Zeiger der Uhr, die seine letzte gewesen ist, weil er auf mich und meine Zeit achtet. — Gestern habe ich mir einen Hut gekauft. — stop
Aus der Wörtersammlung: arm
oslo
zwergseerosen
sierra : 6.38 — Vor Kurzem noch habe ich nicht gewusst, dass Lampenmedusen bevorzugt Zwergseerosen zu sich nehmen. Eigentlich müsste ich sagen, dass Lampenmedusen ihrer Aufgabe der Lichterzeugung nur dann nachzukommen in der Lage sind, wenn sie einige Gramm einer bestimmten Zwergseerosengattung aufgenommen haben. Diese Zwergseerosen nun sind wunderbare Wesen, die man mit bloßem menschlichem Auge nicht wahrzunehmen vermag. Sobald sie aber häufig sind, also gehäuft, sagen wir zehntausend Zwergseerosen in nächster Nähe zueinander, sehen wir eine rötliche Wolke, die sich in der Form einer flachen Linse sehr wohlzufühlen scheint. Unter einem Mikroskop betrachtet sind an jeder Zwergseerose wundervolle Blüten von roter Farbe zu erkennen, die sich langsam um die eigene Achse drehen, weswegen Zwergseerosen durch das Wasser wandernde Geschöpfe sind, schwebende, oder genauer, tauchende Blumen. Sie sollen zart nach Hummerfleisch schmecken, jedoch nicht genießbar sein, weil auch dann, wenn Menschen sie verkosten, eben jene Menschen in der Art der Lampenmedusen zu leuchten beginnen, ihre Haut und ihre Haare, dann fallen sie um und hören auf zu atmen. Einer, der das nicht glauben wollte, wurde gestern auf hoher See bestattet. Ein seltsamer Anblick, wie man berichtet, ein blaues Leuchten mit Armen, Beinen und einem Kopf, das langsam in der Tiefe verschwand. — Es ist schon weit nach Mitternacht, also Nachmittag geworden. Ich spaziere leise durch meine Wohnung, weil ich niemanden wecken möchte. Unter mir schlafen Menschen. Das ist immer wieder eine seltsame Vorstellung, dass sie sehr nah sind, nur durch etwas Holz und Bast und Stein von mir getrennt. Man kann in dieser Weise Jahre wohnen, ohne zu wissen, wen genau man atmen oder spazieren hört. Einer der Menschen unter mir, scheint im Schlaf zu sprechen. Wenn er zu sprechen beginnt, höre ich das Geräusch einer Tür, dann hört er auf zu sprechen. Für eine Weile ist es still. Es gibt viel zu erzählen im Schlaf. — stop
nachtameise
~ : sam
to : Mr. louis
subject : WANDERAMEISE
Mein lieber Freund Louis, es gibt Neues zu berichten. Ich bin nämlich umgezogen, von einer Wohnung in eine andere Wohnung, beide befinden sich in demselben Haus. Jahrelang, wie Du weißt, lebte ich im 3. Stock, jetzt schaue ich vom 25. Stockwerk auf die Straße hinunter. Die Menschen sind noch kleiner geworden, ihre Stimmen nicht länger zu hören. Ich wohne unter dem Dach. Manchmal liege ich rücklings auf dem Boden und denke, dass es hier ganz wunderbar ist, weil ich nie wieder von Schritten geweckt werde, wenn ich schlafe. Natürlich ist der Aufstieg beschwerlich, kein Lift nach wie vor, aber die Luft scheint hell zu sein, auch nachts, weil sie so gut riecht, nach Seeluft, ja, nach Seeluft. Vor wenigen Stunden öffnete ich das Fenster nach Süden hin und fütterte Möwen mit Brot, seither umkreisen sie lauernd das Haus. Die Wohnung nebenan scheint leer zu stehen, von unten ist leise Klaviermusik zu hören, nichts weiter. Es ist überhaupt sehr still hier oben. Während ich nachts, eine Wanderameise, meine Bücher und Papiere nach oben schleppte, war ich keiner Menschenseele begegnet. Aber ich hörte Stimmen, nicht von den Türen, von irgendwo her, als wären Menschen in den Stufen, dem Holz des Treppengeländers, den Wänden des alten Hauses gefangen. In den höheren Stockwerken befinden sich Briefkästen mit schweren, eisernen Deckeln, in welche man Botschaften abwerfen kann. Natürlich bin ich nicht sicher, ob sie noch funktionieren. Ich habe zur Probe eine Nachricht folgenden Inhaltes an mich selbst abgeschickt: Etwas Seltsames ist geschehen. Bin gestern Abend eingeschlafen, obwohl ich in einem äußerst spannenden Buch geblättert hatte. Vielleicht war’s die schwere, warme Luft oder eine schlaflose Nacht der vergangenen Jahre, die rasch noch nachgeholt werden musste. So oder so schlummerte ich eine Stunde tief und fest im Gras und wäre vermutlich bis zum frühen Morgen hin in dieser Weise anwesend und abwesend zur gleichen Zeit auf dem Boden gelegen, wenn ich nicht sanft von einer nachtwandelnden Ameise geweckt worden wäre. Kaum hatte ich die Augen geöffnet, war ich schon mit einer Frage beschäftigt, die ich erst wenige Stunden zuvor entdeckt hatte, mit der Frage nämlich, wie Tiefseeelefanten hören, was sie miteinander sprechen, da doch die Sprechgeräusche ihrer Rüssel sehr weit von ihren Ohren entfernt jenseits der Wasseroberfläche zur Welt kommen und rasch in alle Himmelsrichtungen verschwinden. Eine diffizile Frage, eine Frage, auf die ich bisher vielleicht deshalb keine Antwort gefunden habe, weil ich eine Antwort nur im Schlaf finden kann, wenn mein Gehirn machen darf, was es will. – Dein Sam. Guten Morgen! — stop
gesendet am
17.03.2013
8.15 pm
2253 zeichen
flugbriefe
delta : 0.01 — Nach einer harten Schicht im Postamt von Breles, an welcher nicht weniger als zweihundert Beamte beteiligt gewesen sein sollen, starteten in den frühen Morgenstunden 5778 Luftpostbriefe von eigener Kraft, jeder also für sich und zur gleichen Zeit, ihren Flug von der französischen Küste über den Atlantik nach John Island, South Carolina. Man fliegt im Schwarm nun schon die 16. Stunde, eine äußerst günstige Linie entlang, weil man in der Lage ist, sich an den Sternen zu orientieren. Es soll ein wunderbares Schauspiel gewesen sein, wie sich die Wolke der Luftpostbriefe unter dem Beifall des geladenen Publikums vom Boden erhob, um sich auf den Weg zu machen, das unendlich weite Westmeer zu überqueren. Ein Augenzeuge berichtete von einem Geräusch, das er nie zuvor wahrgenommenen habe, als ob sich ihm tausende Bienen näherten. Ein weiterer Beobachter schwärmte von wunderbar schimmernder Erscheinung genau in dem Moment, da die Briefwolke den Horizont erreichte. Er sagte, dass man noch eine lange Zeit ein Brummen vernommen habe. Einer der fliegenden Briefe sei vor seinen Füßen ins Gras gestürzt. Er habe den Brief mit sich nach Hause genommen, wo er ihn untersuchte. Ein Liebesbrief von Madame Juliett L. an sich selbst sei im Umschlag enthalten gewesen. An der oberen Briefkante, je an einer Ecke links und rechts, befänden sich Rotoren, die im Zustand der Ruhe, in der Art geschlossener Regenschirme nach unten gefalteten seien. Der Flugbrief ist leicht, sagte der Mann zum Schluss, ein kleines Wunder mit einer Briefmarke, die über Lichtsensoren zu verfügen scheint. — stop
sao paulo
eine unerhörte geschichte
alpha : 6.20 — Eine unerhörte Geschichte soll am vergangenen Samstagabend auf der Staten Island Fähre MS John F. Kennedy ihren Ausgang genommen haben. Das Schiff war auf dem Weg zurück nach Manhattan gewesen, als drei junge Männer eine junge Möwe lockten, und zwar mit handwarmen Rosinen, die sie dem Tier, das auf einer Reling saß, vor die Füße warfen, so dass es sich auf den Boden begab, wo es gefangen werden konnte. Bei den jungen Männern handelte es sich um Timothy Waken, Bill L. Anderson, sowie Max Aurel Stevenson, alle drei leben in Brooklyn von Kindheit an. Sie waren wohl stolz auf ihr Handeln gewesen, weil sie sich filmten, während sie das erschrockene Tier mit seltsamen Bällen zwangsweise fütterten, Bällen, die prall mit Helium oder einem anderen leichten Gas gefüllt worden waren, weshalb das Tier, als man es wieder in die Freiheit entließ, wild zu schreien begann, vermutlich deshalb, weil es bald bemerkte, dass sich das Verhalten seines Körpers in der Luft stark verändert hatte. Die Möwe konnte nicht mehr landen, immer wieder fassten ihre Füße ins Leere, wenn sie nach der Reling der John F. Kennedy greifen wollte. Einen Versuch nach dem anderen unternahm die traurige Kreatur, bis sie im letzten Moment vor tödlicher Erschöpfung doch noch erfolgreich war. Nun aber musste sich die Möwe fest mit dem Schiff verbinden, um nicht sofort wieder aufzusteigen, ihr Bauch war rund, sie schien starke Schmerzen zu haben und sich zu fürchten vor den jungen Männern, die sie filmten, die ihr mit einem Scheinwerfer ins Antlitz leuchteten. Die Möwe hatte eine rosa Zunge, sie war zu diesem Zeitpunkt die einzige Möwe noch an Bord, alle anderen Tiere waren westwärts nach New Jersey geflüchtet. Gegen 10 Uhr und dreißig Minuten, kurz bevor das Fährschiff Manhattan erreichte, verließen die Möwe ihre Kräfte. Mit einem leisen, verzweifelten Ton löste sie sich vom Schiff. Sie war so schwach, dass sie die Flügel hängen ließ und langsam, wie ein Zeppelin den Battery Park in 25 Fuß Höhe durchquerte. Ein leichter Wind trieb das Tier die Sixth Avenue nordwärts, wo es mehrfach von Zeugen gesichtet wurde, entweder von den Fenstern der Wohnhäuser aus oder vom Boden her. Kurz vor Mitternacht wurde die Feuerwache nahe Washington Square Park alarmiert. Dort genau, in diesem Park, wurde die Möwe schließlich vom Himmel geholt. Behutsam wurde das Tier in den Arm genommen. Es hatte die Augen geschlossen und war vollständig stumm. — stop
eleonore
delta : 2.42 — Von Eleonore weiß ich nichts, außer, dass sie über winzige Hände verfügt. Das ist nicht viel, nein, nicht viel, vielleicht sollte ich erwähnen, dass sie die Luft sehr lange Zeit anzuhalten vermag. Ich habe vor Kurzem noch mit ihr das Luftanhalten geübt, wie saßen voreinander und lachten, dann sagte sie: Jetzt, und schloss ihren Mund. Auch ich schloss meinen Mund, ich machte einen Strich aus ihm in meinem Gesicht. Es war natürlich Ehrensache, dass in der Zeit unseres Wettkampfes weder von ihr noch von mir durch die Nase geatmet wurde. Zunächst übten wir eine Minute, dann zwei, bis dahin hatten wir uns nur gewärmt oder entspannt, um sehr bald 2 Minuten und dreißig Sekunden lang die Luft anzuhalten, was mir bereits Schmerzen bereitete, ich musste mich konzentrieren, während Eleonore mich völlig entspannt betrachtete. In der Disziplin eines Atemstillstandes von drei Minuten und dreißig Sekunden senkte sie ihre Augen, nicht weil sie kämpfen musste, sondern weil sie meine Hände beobachtete, die ein wenig zitterten, ich hatte sie zu Fäusten geballt, ein Zeichen, dass ich bald aufgeben würde, wie man mir später erzählte. Das war nach meiner zweiten Ohnmacht gewesen, ich wurde nämlich schläfrig nach 3 Minuten und 45 Sekunden, sowie nach einer Übung von über 4 Minuten. Hier endete unser gemeinsames Training, weil Eleonore nicht weitermachen wollte, da ich kein ernstzunehmender Gegner für sie war. Stattdessen durfte ich ihr zusehen, wie sie versuchte, in ihrer Lieblingsdisziplin, der Langzeitstrecke von über sechs Minuten, eine schwierige Rechenaufgabe zu lösen. Sie notierte ein Ergebnis, eine größere Zahl, auf ein Blatt Papier in der achten Minute, und sank dann lautlos in ihrem Stuhl in sich zusammen, wo sie in dieser Minute noch immer sitzt und fest zu schlafen scheint. Mehrfach habe ich versucht, sie zu wecken, indem ich ihren Namen rief. Mit jedem meiner Rufe wuchs die Furcht, sie zu berühren. Es ist jetzt eine halbe Stunde vergangen, draußen vor dem Fenster summt eine kalte Nacht. Nein, nein, ich bin nicht wirklich beunruhigt, denn ich meine zu erkennen, dass sich Eleonores Brüste heben und senken. Auch ihre Hände scheinen sich leicht zu bewegen. Sie sind tatsächlich außerordentlich klein, es sind die Hände eines Mädchens an den Armen einer erwachsenen Frau, und sie sind weiß, ich erinnere mich, sie waren schon immer sehr weiß gewesen. — stop
sarajevo
ginkgo : 6.38 — Ich habe diese Geschichte gestern Abend selbst erlebt. Wenn sie mir jemand anderes als ich selbst erzählt haben würde, hätte ich sie vielleicht nicht geglaubt, weil sie schon ein wenig verrückt ist. Die Geschichte beginnt damit, dass ich in einem Café sitze und auf einen jungen Mann warte, der mir etwas erzählen will. Ich bin frühzeitig gekommen, bestelle einen Cappuccino und schalte mein kleines Handkino an, beobachte eine Dokumentation der Arbeit Maceo Parkers in New York, mitreißende Musik, soeben umarmt die Sängerin Kym Mazelle den Posaunisten Fred Wesley, als der junge Mann, den ich erwartete, plötzlich neben mir sitzt. Er schaut wie ich auf den kleinen Bildschirm. Sofort kommen wir ins Gespräch. Ich frage ihn, welche Musik er gehört habe, als Kind in der belagerten Stadt Sarajevo. Jedenfalls nicht solche Musik, antwortet er, und lacht, no Funk, wir hatten keinen Strom. Avi ist heute Anfang dreißig, dass er noch lebt ist ein Wunder. Tatsächlich steht ihm jetzt Schweiß auf der Stirn, wie immer, wenn er von der Stadt Sarajevo erzählt. Einmal fragte ich ihn, was er empfunden habe, als er von Karadzics Verhaftung hörte. Anstatt zu antworten, perlte in Sekundenschnelle Schweiß von Avis Stirn. Heute schwitzt er schon, ehe er überhaupt zu erzählen beginnt, weil er weiß, dass er gleich wieder berichten wird von den Straßen seiner Heimatstadt, die nicht mehr passierbar waren, weil Scharfschützen sie ins Visier genommen hatten. Man schleuderte Papiere, Zigaretten, Brote, Wasserflaschen in Körben von einer Seite der Straße zu anderen. Diese Körbe wurden nicht beschossen, aber sobald ein Mensch auch nur eine Hand aus der Deckung hielt, ja, aber dann. Avi war ein kleiner Junge. Er war so klein, dass er nicht verstehen konnte, was mit ihm und um ihn herum geschah, auch dass ein Holzsplitter sein linkes Auge so schwer verletzte, dass er jetzt ein Glasauge tragen muss, das so gut gestaltet ist, dass man schon genau hinsehen muss, um sein künstliches Wesen zu erkennen. Er sagt, er könnte, wenn ich möchte, das Auge für mich herausnehmen. Aber das will ich nicht. Ich erzähle ihm, dass ich damals, als er klein gewesen war, jeden Abend Bilder aus Sarajevo im Fernsehen beobachtet habe. Was das für Bilder gewesen seien, will Avi wissen. Ich sage: Das waren Bilder, die rennende Menschen zeigten. Avi schwitzt. Und er lacht: Das Fernsehen kann nicht gezeigt haben, was geschah, weil es immer schnell und überall passierte. Und diese Geräusche. Plötzlich nimmt der junge Mann mein kleines Kino in die Hand zurück, setzt sich die Kopfhörer in seine Ohren ein, hört Maceo Parker, Kim Macelle, Fred Wesley, Pee Wee Ellis, nickt im Rhythmus der Musik mit dem Kopf. Ein Wispern. — stop
jamaica
echo : 20.26 — Ich will von einem Mann erzählen, der mir in einem Subwaywagon auf der Fahrt von der Lexington Avenue nach Jamaica begegnet war. Er trug, obwohl es im Abteil sehr warm gewesen war, Handschuhe an beiden Händen. Das waren recht merkwürdige Handschuhe, denn die Daumen des Mannes wurden von Schnüren, die an den Fäustlingen befestigt waren, ins Innere der Hand gezogen. Finger umschlossen sie fest, auch sie waren mittels Schnurwerkes gefesselt. Man könnte sagen, dass die Handschuhe, die der Mann trug, seine Hände bändigten, indem sie Fäuste formten. So, gefesselt, saß der Mann während der langen Fahrt vor mir und nickte. Er betrachtete seine Hände, wie mir schien, mit zärtlicher Aufmerksamkeit, in der Art und Weise der Liebenden vielleicht, wenn ein Blick nachts heimlich einen schlafenden Mund umschmeichelt. Ich versuchte zu arbeiten, konnte mich aber nicht konzentrieren. Nach einiger Zeit fragte ich den Mann, ob er denn etwas in Händen hielte, etwas, das vielleicht flüchten könnte, wenn er seine Hände öffnete. Das schien nicht der Fall zu sein, weil der Mann seinen Kopf schüttelte und lachte, ohne indessen mit mir ein Gespräch aufnehmen zu wollen. Ich wartete also einige Zeit, sah aus dem Fenster, späte Flugzeuge, eine Kette von Lichtern, näherte sich dem Flughafen. Und da war mein müdes Gesicht im Spiegel der Scheibe. Und dann wieder der Mann und seine Hände, die auf seinen Schenkeln lagen. Sie drücken die Daumen, sagte ich, ist das möglich? Der Mann lachte jetzt. Er schien zu überlegen, dann antwortete er mit leiser Stimme, die in dem scheppernden Lärm des Subwaywagons kaum noch zu hören war, dass ein Problem sei, dass er nicht wisse, wie er seine Fäustlinge für das Wünschen bei Nacht, ohne die Hilfe eines weiteren Menschen anlegen könnte. Der linke der Handschuhe war im Übrigen von gelber, der rechte von blauer Farbe. — stop