nordpol : 2.28 — Dämmerung. Die Kuppel der Petersbasilika plötzlich in Sicht, wie ich um eine Häuserecke komme. Seltsam blaues Leuchten, als würde sich das abwandernde Licht des Himmels auf den Kupferblechen des Daches spiegeln. Dann ist’s stockfinster geworden und die Kuppel schimmert noch immer Blautürkise wie zuvor. Winzige Menschen spazieren über Bernini’s Platz, sitzen in der warmen Abendluft auf Brunnenrändern und Treppenstufen, die unter Kolonnaden den Platz umarmen. Ziemliche Stille. Kaum Tauben. Keine Katzen, nicht einmal schläfrige Augenlichter. Ein paar Männer arbeiten sich pfeifend durch Türme von Stühlen. Sobald sie einen Stuhl von einem der Gebäude heben, wird es etwas kleiner, bildet eine Reihe aus wie einen Arm, der sich an einer Schnur entlang ausrichtet, tausende wartende Objekte, auf welchen bald Menschen sitzen werden, die beten oder schreien oder ihre Stühle besteigen, weil auch andere bereits auf Stühlen stehen. Das ist der Moment, da man als Pilger oder Beobachter vielleicht seinen Namen heimlich in einen der Stühle ritzen möchte oder eine Figur zeichnen, die Ähnlichkeit zur eigenen Person aufzeigen wird, sodass man etwas zurücklässt auf dem Platz, ein Antennenbild um späterhin päpstlichen Segen aus der Ferne einfangen zu können. Michelangelo heimlich, eine Vorstellung, die möglich ist in der Nacht im sanften Laternenlicht nahe dem Maderno-Brunnen, wie er sich nach Jahrhunderten wundert über das Blau dieser Kuppel, das er so nicht angeordnet haben mag. — stop
Aus der Wörtersammlung: elle
rom : ein flugzeug
marimba : 22.58 — Man müsste einmal ein Flugzeug erfinden, das nicht sichtbar und doch wirkungsvoll anwesend ist. Unsichtbare Sitze, auf welchen sichtbare Passagiere Platz genommen haben, durchsichtige Steuerknüppel, durchsichtige Flügel, ein durchsichtiges Leitwerk. Man sieht nun Menschen, wie sie über Taxiwaybahnen eines Flughafens schweben, gut sortiert, acht Personen zu einer Reihe nebeneinander, so sitzt man. Da und dort liegen schlampiger Weise Taschen herum, Rucksäcke, Zeitungen, auch sie sind sichtbar wie ihre Besitzer und die Benzine in den Flügeln der Maschinen, das Nest der Koffer am Flugzeugheck, jene zwei Herren mit ihren akkurat gefalteten Fliegerhauben an der Spitze der Prozession, bald wird man sehen, wie das alles fliegt sehr steil gegen den Himmel zu. Und dieser Blick nun nach unten, Seen, Straßen, Wälder, Schnee auf den Bergen, das Meer, die große Stadt im Anflug, ein rötlich brauner Fleck in einer hellen Landschaft. Es war viel Wind unterwegs und beständig das Gefühl in die Tiefe zu fallen, weil die Substanzen des Flugzeuges nicht zu sehen gewesen waren. Jetzt aber Rom. Da stehe ich mit beiden Beinen fest auf einem Boden, unter dem viel Zeitspur im Verborgenen liegt. Das Taxi, das durch das großzügige Spalier der Zedern gleitet, Schirmpinien da und dort in Steppenlandschaft jenseits der Straße. Plötzlich dichtes Häusergefüge in warmen, erdigen Farben, braun, ocker, gelb, rot, orange, an den Ampeln helle Wölkchen von Bleiluft, die aus knatternden Rollermotoren paffen. Via della Magliana, Via Portuense, Via Quirino Majorana, Via delle Fornaci, Via delle Mura Aurelie. Vor dem Haus liegen drei scheue, schlanke Katzen. Das Gespräch der Möwen auf ihrem Flug gegen Trastevere. – stop
von den vasentieren
tango : 3.15 — Tagelang habe ich überlegt, ob es sinnvoll ist, über die Existenz der Vasentiere weiter nachzudenken. In diesem Diskurs mit mir selbst, haben meine Vorstellungen über das Wesen und die Gestalt der Vasentiere, indessen weiter an Präzision zugenommen, ohne dass ich das zunächst bemerkte. Einmal wartete ich an einer Ampel unter einer Kastanie. Es war früher Abend und ich nutzte diese Situation des Innehaltens, um mir vorzustellen, wie es sein könnte, wenn ich eine Vase wäre. Ich hielt zunächst den Atem an, was eigentlich nicht notwendig gewesen war, Vasentiere dürfen atmen, Vasentiere müssen atmen, und versuchte mich so wenig wie möglich zu bewegen, eine innere feste Struktur auszubilden, sagen wir, eben eine Art Behälter zu sein. Das ist gut gelungen, auch nachdem ich von einer Kastanie auf den Kopf getroffen worden war, bewegte ich mich nicht. In diesem Moment wurde stattdessen deutlich, dass Vasentiere niemals flüchten, weil sie nicht flüchten wollen und weil sie nicht flüchten können, ihnen fehlen Füße und Beine. Aber sie haben Augen und Ohren, und sind von ihrer organischen Konstruktion her begabt, Formen nachzuahmen, die geeignet sind, tiefere Gewässer in sich auszubilden, das ist nicht verhandelbar. Auch nicht, dass sie das Wasser zur Versorgung der Pflanzen, welchen sie Herberge bieten, aus der Luft entnehmen, sei sie noch so trocken. Möglich ist, dass Vasentiere, die in der Lage sind, mittels ihrer Gedanken Bewegung zu formulieren, eher unglückliche Wesen sein werden, daran sollte man unbedingt denken, ehe man sich an die Verwirklichung der Vasentiere machen wird. — stop
giuseppi logan
himalaya : 6.45 — Vor zwei oder drei Monaten habe ich eine Geschichte gelesen, von der ich mich sagen hörte, sie sei eine Geschichte, die ich nie wieder vergessen werde, die Geschichte selbst und auch nicht, dass sie existiert, dass sie sich tatsächlich ereignete, eine Geschichte, an die ich mich erinnern sollte selbst dann noch, wenn ich meinen Computer und seine Dateien, meine Notizbücher, meine Wohnung, meine Karteikarten bei einem Erdbeben verlieren würde, alle Verzeichnisse, die ich studieren könnte, um auf die Geschichte zu stoßen, wenn sie einmal nicht gegenwärtig sein würde. Diese Geschichte, ich erzähle eine sehr kurze Fassung, handelt von Giuseppi Logan, der in New York lebt. Er ist Jazzmusiker, ein Mann von dunkler Haut. Logan, so wird berichtet, atme Musik mit jeder Zelle seines Körpers in jeder Sekunde seines Lebens. In den 60er-Jahren spielte er mit legendären Künstlern, nahm einige bedeutende Freejazzplatten auf, aber dann war die Stadt New York zu viel für ihn. Er nahm Drogen und war plötzlich verschwunden, manche seiner Freunde vermuteten, er sei gestorben, andere spekulierten, er könnte in einer psychiatrischen Anstalt vergessen worden sein. Ein Mann wie ein Blackout. Über 30 Jahre war Giuseppi Logan verschollen, als man ihn vor wenigen Jahren in einem New Yorker Park lebend entdeckte. Er existierte damals noch ohne Obdach, man erkannte ihn an seinem wilden Spiel auf einem zerbeulten Saxofon, einzigartige Geräusche. Freunde besorgten ihm eine Wohnung, eine Platte wurde aufgenommen, und so kann man ihn nun wieder spielen hören, live, weil man weiß, wo er sich befindet von Zeit zu Zeit, im Tompkins Square Park nämlich zu Manhattan. Es ist ein kleines Wunder, das mich sehr berührt. Ich will es unter der Wortboje Giuseppi Logan in ein Verzeichnis schreiben, das ich auswendig lernen werde, um alle die Geschichten wiederfinden zu können, die ich nicht vergessen will. — stop
winterfliegen
charlie : 6.37 — Regen fällt. So viel Regen fällt, dass die Nachtluft hell wird vom Wasser. Vielleicht war es diese Helle, die mich an die Frage nach der Existenz der Winterfliegen erinnerte. Vor einigen Tagen hatte ich mich auf die Suche nach dieser Spezies begeben. Nicht in der wirklichen, aber in der Welt der Zahlen, welche Zeichen, Bilder, Filme in Lichtgeschwindigkeit durch den Raum transportieren. Ich suchte nach Winterfliegen vornehmlich in den Magazinen digitaler Bibliotheken, aber ich habe keine Fliegensorte gefunden, die meinen Vorstellungen einer polaren Fliegengattung entsprochen haben würde, denn die Art der Winterfliegen sollte in eisiger Umgebung existieren, in Höhlen, stelle ich mir vor, die sie mit ihren Fliegenfüßen höchstpersönlich in den Schnee gegraben haben. Vielleicht sind sie von Natur aus eher kühle Wesen, oder aber sie tragen einen Pelz, ein Fell, wie das der Eisbären, weiche, weiße Mäntel von Haut und Haar, die ihre äußerst langsam schlagenden Herzen schützen. Diese Fliegen werden einhundert Jahre oder älter, sie könnten sich von feinsten Stäuben ernähren, vom Plankton der Luft, das aus windgebeugten Wäldern angeflogen kommt, Moose, Birkenpollen, Kotsand von nordischen Füchsen. Ich stelle mir vor, dass diese Fliegen so weiß sind, dass man sie nicht sehen wird, wenn sie über den Schnee spazieren. Man wird meinen, der Schnee bewege sich selbst oder es wäre der Wind, der den Schnee bewegt, aber stattdessen sind es die Fliegen, die nicht größer sind als jene Fliegen, die nachtwärts in meiner Küche im Sommer aus einem Apfel steigen. — stop
stanislav lem : ein langsamer brief
ulysses : 5.05 — In der Nacht zum 17. April 2010 im Schlaf eine interessante Erfahrung der Zeit. Ich hatte mir vorgenommen, eine Zugfahrt nach Montauk zu träumen. Stattdessen träumte ich, Stanisław Lém habe mir einen Brief geschrieben. Ein geheimnisvolles Büro übermittelte mir den ersten, und zu diesem Zeitpunkt gleichwohl einzigen Buchstaben einer Nachricht des Schriftstellers an mich mit dem Hinweis, ich müsse von diesem Zeitpunkt an geduldig warten, da die Zeit der jenseits Lebenden sehr viel langsamer vergehen würde, als die Zeit der diesseits existierenden Menschen. Mit einem weiteren Zeichen, einem zweiten Zeichen des Briefes, sei im Juni, und zwar doch im Juni des laufenden Jahres zu rechnen. Ich wachte damals auf und war fröhlich und machte mich unverzüglich an die Beobachtung eines Nachrichtenschattens, den fliegende vulkanische Mikrogebirge über Europa erzeugten. Der übertragene Buchtstabe, den mir Stanislaw Lém damals übermittelt hatte, war ein l gewesen. Als im Juni der zweite Buchstabe des Briefes übertragen wurde, es handelte sich um ein i, wurde deutlich, weshalb Geduld von mir erwartet wurde, da sich ein Wort deutlich bestimmte, das mich im Jahre 2011, und zwar im November vollständig erreicht haben würde. Ein gewisser Moment von Spannung war zunächst wieder im Januar des Jahres 2012 zu spüren gewesen, da ein vollständig neues Wort mit einem ersten Zeichen aufgenommen war. Ein großgeschriebenes l, das Zweite bereits, traf ein, ihm folgte im April ein o, sowie im Juli der Buchstabe u. Zu diesem Zeitpunkt also ist noch keinerlei Anlass zur Aufregung gegeben. Ich werde bei Gelegenheit Weiteres berichten. – stop
quallenuhr
~ : oe som
to : louis
subject : QUALLENUHR
date : sept 12 12 10.22 a.m.
Ganz plötzlich, lieber Louis, habe ich Lust bekommen, Dir zu schreiben. Eigentlich wollte ich mich erst am kommenden Samstag melden, aber ein Sturm bewegt sich auf uns zu und es ist nichts zu tun, als zu warten, ob er uns mit voller Wucht treffen wird. Vermutlich ist es diese Warterei, die an unseren Nerven zerrt. Auch, dass die Tage wieder kürzer werden. Gestern haben wir einen Schwarm Tintenfische beobachtet, der unser Schiff umkreiste. Ein ungewöhnlicher Anblick, die Tiere waren schneeweiß. Wir haben einige gefangen, sie schmecken süß, wenn man sie brät, nach Brot, nach Gebäck, nach Mandeln. Beunruhigend ist, dass sie weder über Herzen noch Augen verfügen. Eine halbe Nacht haben wir einen Fisch nach dem anderen durchsucht. Als wir kein Exemplar mehr hatten, um unsere Suche fortsetzen zu können, ist Miller mit dem Beiboot losgefahren. Fast windstill ist es hier unten auf Höhe des Meeres, weit oben jedoch rasende Wolken von West nach Ost. Ja, lieber Louis, wir durchleben schwierige Tage. Und Noe, unser Noe in der Tiefe, ist von Fieber befallen. Wir haben ihn gut 150 Fuß angehoben, damit er Licht sehen kann. Seit mehreren Stunden wiederholt er eine kleine Geschichte, von der wir nicht wissen, woher sie kommt. Noe sagt, Noe stelle sich ein Zimmer vor, ein freundliches, helles Zimmer von allerfeinster Quallenhaut, ein Zimmer von Wasser, ein Zimmer von Salz, ein Zimmer von Licht. Man könnte dieses Zimmer, und alles, was sich im Zimmer befindet, das Quallenbett, die Quallenuhr, und all die Quallenbücher und auch die Schreibmaschinen von Quallenhaut, trocknen und falten und sich 10 Gramm schwer in die Hosentasche stecken. Und dann geht man mit dem Zimmer durch die Stadt spazieren. Oder man geht kurz mal um die Ecke und setzt sich in ein Kaffeehaus und wartet. Noe sitzt also ganz still und zufrieden unter einer Ventilatormaschine an einem Tisch, trinkt eine Tasse Kakao und lächelt und ist geduldig und sehr zufrieden, weil niemand weiß, dass er ein Zimmer in der Hosentasche mit sich führt, ein Zimmer, das er jederzeit auspacken und mit etwas Wasser, Salz und Licht, zur schönsten Entfaltung bringen könnte. Hier spricht Noe. Noe stellt sich ein Zimmer vor, ein freundliches, helles Zimmer von feinster Quallenhaut. — Beste Grüße. Ahoi. Dein OE SOM
gesendet am
12.09.2012
2268 zeichen
mr. munki
marimba : 6.22 — Das Vergessen ist nicht gerade eine meiner Stärken. Ich kann mich noch nach Jahren an jedes schwierige Gespräch erinnern, wo es sich ereignete, mit wem ich mich unterhalten hatte und worüber. Dafür vergesse ich auf dem Weg von meinem Arbeitszimmer in die Küche, weshalb ich mich eigentlich in Bewegung setzte. Auch die Uhrzeit vergesse ich gerne, Telefonnummern, Passwörter, Namen, ganze Bücher, dass sie existieren, Buchstaben, meinen Regenschirm. Einmal wäre ich beinahe im Herbst ohne Schuhe auf die Straße getreten. Genau genommen bin ich im Vergessen leichtfüßiger, als ich dachte. Ich vergesse aber leider in vielen Fällen nicht, was ich gerne vergessen würde. Heute habe ich bemerkt, dass ich versäumte, also vergessen habe, in einem Buch weiterzulesen, das ich im Mai zuletzt in Händen gehalten habe. Vielleicht erinnern Sie sich, es handelte sich um Pete L. Munki’s Roman Nautilus. Der Erzähler der Geschichte, ein junger Mann namens Zezito Lopes, ruhte zuletzt im 10. Stock eines Hauses in der Lexington Avenue auf einer Treppenstufe. Früher Nachmittag. Ein schwerer Behälter von gepanzertem Glas, in dem sich zwei Fische der Gattung Nautilus befanden, stand neben dem wartenden Mann auf dem Boden. Ich erinnerte mich damals, dass der junge Mann, er war ein gut trainierter Träger, sich kurz darauf erhoben hatte, um an einer der Wohnungstüren, die auf den Flur führten, zu klingeln und nach einem Glas Wasser zu fragen. Unverzüglich wurde geöffnet, ein Gespräch entwickelte sich, in dessen Folge Zezito Lopes sich bückte, seinen gepanzerten Behälter in die Hände nahm und mit ihm in der Wohnung verschwand. So weit, so gut. Als ich das Buch im Mai im Zug geöffnet hatte, konnte ich die markierte Textstelle nicht finden. Sofort der Gedanke, ich hätte möglicherweise fantasiert, eine beunruhigende Vorstellung. Nicht minder beunruhigend schien mir der Gedanke gewesen zu sein, das Buch selbst könnte sich verändert haben, weiter- oder umgeschrieben worden sein, obwohl sich das Buch, auch nachts, immer in meiner Nähe aufgehalten hatte. Zu Hause angekommen legte ich das Buch unter andere Bücher auf meinem Schreibtisch ab, wo ich es heute wieder entdeckte. Als ich das Buch öffnete, war das Buch leer. Kein Zeichen zu finden, nur der Titel der Geschichte: Nautilus. Darunter ein weiterer Satz: Bitte warten. Pete L. Munki. — stop
herzschrittmacher
zoulou : 2.52 — Tatsächlich existieren noch immer Menschen, deren Herzen mittels Schrittmachern beschleunigt werden, die von Plutonium 238 angetrieben sind. Andere ruhen bereits in Gräbern. Ihre Herzen, stelle ich mir vor, sind längst verschwunden, aber aus metallenen Dosen funken weiterhin elektrische Pulse, lautlose wie vergeblich Suchende. – stop
PRÄPARIERSAAL : xiangs momentaufnahme
nordpol : 8.27 — Xiang, 24, notiert in einer E‑Mail über Musik und Anatomie – zwei Begriffe, die auf den ersten Blick unvereinbar scheinen. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto deutlicher erkenne ich eine mögliche Verbindung. Sicher ist es das Thema des Todes, dass die Musik dort dominieren würde, sodass mir spontan Besetzungen wie Orgel (allmächtiger Charakter), Xylofon (Kälte, Leblosigkeit) oder Chor (Totenklage) einfallen. Ich kann mir entweder sehr alte Musikstile, wie Gregorianik und Frühbarock, oder Musik des 20./21. Jahrhunderts vorstellen, z. B. John Cage oder George Crumb, deren Intention immerhin gerade in einer gewissen Absurdität, Grenzüberschreitung, bzw. in gewollter Entfernung von der Ästhetik der Wirklichkeit zu finden ist. Gerade dieses Moment prägt die Atmosphäre des Präpariersaales: eine zwar artifizielle, jedoch nicht primär ästhetische Arbeit an menschlichen Körpern, die durch den Tod und den Vorgang des Haltbar-Machens von einem Individuum zu einem Präparat verwandelt wurden, sodass Zeitlosigkeit an die Stelle dynamischen Lebens getreten ist. Es ist nicht leicht an Musik in diesem Zusammenhang zu denken, da sich Musik gerade durch ihren ewigen Fluss, ihre im Inneren geborgene Lebendigkeit auszeichnet, ihre Seele, die niemals sterben kann, selbst dann nicht, wenn noch so viele Versuche unternommen werden, sie in Momentaufnahmen zu konservieren. — stop