Aus der Wörtersammlung: taschenlampe

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vor neufundland 02.12.08 : atem

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alpha : 0.02 — Vom Fens­ter aus beob­ach­te ich seit zwei Stun­den ein Rudel Eich­hörn­chen, das auf der Stra­ße weit unten tollt, als gäbe es irgend­et­was zu fei­ern. Wenn ich sie mit einer Taschen­lam­pe beleuch­te, blei­ben sie für einen Moment still sit­zen, ich kann sie zäh­len, es sind 12 Eich­hörn­chen, sie schau­en zu mir her­auf, ich habe kei­ne Ahnung, ob sie mich erken­nen. Ich dach­te an Tau­cher Noe, der ges­tern eine Nach­richt sen­de­te und an Natha­lie Sar­rau­te, ihre Bemer­kung, sie habe mit ihrem Roman Kind­heit ver­sucht, Bil­der ihrer Erin­ne­rung zusam­men­zu­stel­len, die sie wie aus einem Stück Wat­te her­aus­zie­hen konn­te. Ger­ne wür­de ich Noe von Natha­lie Sar­rau­te erzäh­len. Er ist nicht erreich­bar, er ver­mag zu sen­den, aber kann kei­ne Nach­rich­ten emp­fan­gen. Ges­tern zuletzt aus 785 Fuß Tie­fe vor Neu­fund­land > ANFANG 02.12.08 | | | > s t o p. nie­mals wer­de ich auf­hö­ren zu schrei­ben und wenn ich nur noch ein wort schrei­ben könn­te weil mir kein wei­te­res wort ein­fal­len wird. s t o p an wel­chem wort wer­de ich mich fest­hal­ten? s m a l l g r e e n f i s h m a k i n g b a c k f l i p s . s t o p ich wünsch­te ich könn­te lesen was ich je geschrie­ben habe. s t o p zurück­keh­ren in zei­ten die ich den­ke. s t o p kor­ri­gie­ren. s t o p löschen was ich ein­mal geschrie­ben und gedacht haben wer­de. t w o b l u e f i s h e s i n l o v e r i g h t w a r d s . s t o p solan­ge ich schrei­be atme ich. s t o p es ist ein und das sel­be. s t o p ich hebe mei­nen lin­ken fuß und sin­ke nach rechts. s t o p ich hebe mei­nen rech­ten fuß und sin­ke nach links. s t o p. erstaun­lich. s t o p | | | ENDE 02.15.32 — stop

nach­rich­ten von noe »

ping

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im keller

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gink­go : 1.52 — Sechs Stock­wer­ke abwärts, ich stei­ge in den Kel­ler in räu­di­ge Land­schaft, schnee­wei­ße Spin­nen­ge­bei­ne, die von der Decke schau­keln. Nacht ist, ich ahne Rat­ten, die mich betrach­ten von irgend­wo­her, ein unheim­li­cher Ort, einer, der dem Besu­cher die Augen öff­net. Im Licht der Taschen­lam­pe kann man den Leu­ten, die über der Kel­ler­land­schaft schla­fen, in ihre Müll­höh­len schaun. Die­ses Durch­ein­an­der von Holz­tei­len und Ölfäs­sern und Fahr­rad­ske­let­ten könn­te zur Woh­nung X gehö­ren, und das alles zur Woh­nung Y, wie sorg­fäl­tig sich die Kar­to­na­gen doch sta­peln, in wel­chen Bücher ver­mo­dern und Män­tel und Schals und Strümp­fe. In einem der Kel­ler­ab­tei­le ruht ein Plat­ten­spie­ler zen­tral auf dem Boden, sonst ist dort nichts zu sehn, nur die­ser eine Plat­ten­spie­ler, stau­big. Hin­ter der Luft­schutz­tür von schwe­rem Eisen rei­hen sich Schau­feln der Haus­meis­te­rei, die schon lan­ge ohne den Haus­meis­ter selbst aus­kom­men muss, das Hoch­was­ser des ver­gan­ge­nen Jah­res, wie es eine Linie zeich­ne­te, stand den Besen bis zum Hals. Nicht rau­chen ist noch immer an einer Wand ver­merkt in alt­deut­scher Schrift. Und wenn ich so wei­ter­ge­he um eine Ecke her­um, sto­ße ich auf ein schma­les Abteil, das sich mit einer Geschich­te ver­bin­det. Es scheint nun leer zu sein, war aber ein­mal ein beson­de­rer Ort. Ich erin­ne­re mich an eine Öllam­pe, an eine Matrat­ze, einen Stuhl und den Schat­ten eines Men­schen, der auf die­ser Matrat­ze ruh­te: Im Schat­ten saßen Augen fest, sie starr­ten in mei­ne Lam­pe, dann flüch­te­ten sie, dann kamen sie nicht zurück. — stop

station

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von nelken

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echo : 6.10 — Ich beob­ach­te­te eine alte Frau, wie sie unter einem Regen­schirm im Gar­ten kniend Nackt­schne­cken von Nel­ken­blu­men pflück­te. Neben sich hat­te die alte Frau einen klei­nen Eimer abge­stellt, der sich nach und nach mit Schne­cken­kör­pern füll­te. Hef­ti­ger Regen. Ich konn­te den Regen hören, wie er auf den Schirm der alten Frau trom­mel­te. Und ich hör­te eine hel­le Stim­me, die mit sich selbst oder zu den Schne­cken sprach. Immer wie­der ein­mal stand die alte Frau vor­sich­tig auf, um in ihr Haus zurück­zu­keh­ren. Sie klopf­te dann ihre Schu­he ab, stand hin­ter dem Fens­ter, schau­te in den Gar­ten und war­te­te bis wei­te­re Schne­cken ohne Häu­ser in die Nähe ihrer Nel­ken gekom­men waren. Die­se Schne­cken reis­ten nicht von der Sei­te her an, son­dern kamen tat­säch­lich von unten aus dem erdi­gen Boden her­auf. Waren es wie­der vie­le Schne­cken gewor­den, kehr­te die alte Frau zurück in ihren Gar­ten und erneut hör­te ich den Regen und eine hel­le Stim­me. Ich hat­te bald den Ein­druck, die­se Schne­cken, die unab­läs­sig aus dem Boden stie­gen, könn­ten rein aus etwas Haut und kla­rem Was­ser bestehen, es waren der­art vie­le, dass sie ganz ein­fach zunächst sehr klei­ne Wesen sein muss­ten, die sich zu ihrer vol­len Ent­fal­tung mit Was­ser füll­ten sobald es reg­ne­te. Nach drei Stun­den war der Eimer gefüllt und die alte Frau deck­te ihn mit einem Koch­topf­de­ckel zu, hol­te aus dem Haus einen wei­te­ren Eimer, der etwas grö­ßer gewe­sen war, als der ers­te Eimer. Es däm­mer­te, dann war es dun­kel, und als es rich­tig dun­kel gewor­den war, fins­ter, kehr­te die alte Frau mit einer Taschen­lam­pe in den Gar­ten zurück. Sie trug jetzt Gum­mi­stie­fel an den Füßen und ein Nacht­hemd und es reg­ne­te noch immer. — stop

ping

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im garten

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ulys­ses : 2.28 — Um mir eine Freu­de zu machen, gehe ich nachts noch in den Gar­ten. Grü­ne Fal­ter mit hauch­dün­nen Flü­geln sind unter­wegs im Dun­keln. Eigent­lich kön­nen sie über­haupt nicht flie­gen wie sie wol­len, son­dern wer­den von feins­ten Strö­mun­gen der Luft diri­giert. Kaum habe ich mei­nen Mund geöff­net, liegt ein flat­tern­der Kör­per auf der Zun­ge. Sie schme­cken bit­ter und sie weh­ren sich tap­fer. Die­se Flie­gen also, und die­se Nacht, ster­nen­klar. Ich steh ganz still, höre einem Flug­zeug zu, das süd­wärts fliegt. Ich war­te. Plötz­lich ist im Gar­ten jen­seits des Zau­nes ein Geräusch zu hören. Ein Mann geht gebückt unter Bäu­men. Es raschelt. Ich ken­ne die­sen Mann, ich ken­ne ihn nicht gut, aber ich weiß, dass er bald eine Taschen­lam­pe zücken und in die Knie gehen wird. Er spricht dann, aber so lei­se, dass ich nichts von den Wör­tern hören kann, nicht ein­mal kann ich sicher sein, dass er Wör­ter spricht, viel­leicht singt er nur vor sich hin, singt wäh­rend er mit einer Taschen­lam­pe Grä­ser beleuch­tet. Noch vor weni­gen Tagen habe ich mich über den Mann gewun­dert. In die­ser Nacht wun­de­re ich mich nicht. Ich habe erfah­ren, dass der Mann sich bückt mit sei­nem Licht, um nach Schne­cken zu suchen. Ich stell­te mir vor, der Mann wür­de sei­ne Beu­te in eine sei­ner Hosen­ta­sche ste­cken. Aber so ist das ganz und gar nicht. Sobald der Mann eine Schne­cke fin­det, zückt er im Licht der Taschen­lam­pe eine Sche­re und schnei­det die Schne­cke in zwei Tei­le, so dass sie sich nicht mehr bewe­gen kann, weil sie tot ist. Ein laut­lo­ser Vor­gang, so laut­los, dass ich ihn lan­ge Zeit nicht bemerk­te, ja, viel­leicht nie­mals bemerkt haben wür­de, hät­te ich nicht von dem selt­sa­men Ver­hal­ten des Man­nes erzählt. Nun weiß ich, war­um er sich bückt. Noch zehn Minu­ten, dann geht er wie­der ins Haus zurück und auch ich wer­de nicht mehr da sein. — stop

ping

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stonington island

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whis­key : 2.32 — Das Labor der Eis­bü­cher, mit dem ich vor weni­gen Minu­ten tele­fo­nier­te, befin­det sich seit zwölf Wochen auf Ston­ing­ton Island, einer fel­si­gen Gegend am nörd­li­chen Rand des ant­ark­ti­schen Kon­ti­nents. Ich habe einen Text trans­fe­riert, der in die­sen Minu­ten mög­li­cher­wei­se von feins­ten Frä­sen in Eis­blät­ter ein­ge­tra­gen wird. Ich stel­le mir vor, ein hel­les Geräusch ist zu ver­neh­men, in dem ein Robo­ter äußerst behut­sam zu schrei­ben beginnt. Es geht dar­um, das Eis­blatt nicht zu zer­bre­chen, das so dünn ist, dass man mit einer Taschen­lam­pe hin­ter die Zei­chen mei­nes Tex­tes leuch­ten könn­te. Es ist kalt, der Wind pfeift um höl­zer­ne Bara­cken, in wel­chen hun­der­te Schreib­ma­schi­nen bewe­gungs­los war­ten, bis man sie anruft. Fol­gen­de Geschich­te habe ich ins Tele­fon gespro­chen: Drau­ßen, vor weni­gen Stun­den noch, rausch­te Was­ser vom Him­mel. Aber jetzt ist es still. Es ist eine tat­säch­lich nahe­zu geräusch­lo­se Nacht. Die letz­te Stra­ßen­bahn ist längst abge­fah­ren, kein Wind, des­halb auch die Bäu­me still und die Vögel, alle Men­schen im Haus unter mir schei­nen zu schla­fen. Für einen Moment dach­te ich, dass ich viel­leicht wie­der ein­mal mein Gehör ver­lo­ren haben könn­te, ich sag­te zur Sicher­heit ein Wort, das ich ges­tern ent­deck­te: Kapr­un­bi­ber. Das Wort war gut zu hören gewe­sen, mei­ne Stim­me klang wie immer. Aber auf dem Fens­ter­brett hockt jetzt ein Mari­en­kä­fer, einer mit gel­bem Pan­zer, sie­ben Punk­te, ich habe nicht bemerkt, wie er ins Zim­mer geflo­gen war. Es ist nicht der ers­te Käfer die­ses Jah­res, aber einer, den ich mit ganz ande­ren Augen betrach­te. Ich hat­te für eine Sekun­de die Idee, die­ser Käfer könn­te viel­leicht ein künst­li­cher Käfer sein, einer, der mich mit dem Vor­satz besuch­te, Foto­gra­fien mei­ner Woh­nung auf­zu­neh­men, oder Gesprä­che, die ich mit mir selbst füh­re, wäh­rend ich arbei­te. War­um nicht auch ich, dach­te ich, ein Ziel. Ich nahm den Käfer, der sei­ne Geh­werk­zeu­ge unver­züg­lich eng an sei­nen Kör­per leg­te, in mei­ne Hän­de und trans­por­tier­te ihn in die Küche, wo ich ihn in das grel­le Licht einer Tisch­lam­pe leg­te. Wie ich ihn betrach­te­te, bemerk­te ich zunächst, dass ich nicht erken­nen konn­te, ob der Käfer in der künst­li­chen Hel­lig­keit sei­ne Augen geschlos­sen hat­te. Weder Herz­schlag noch Atmung war zu erken­nen, auch nicht unter einer Lupe, nicht die gerings­te Bewe­gung, aber ich fühl­te mich von dem Käfer selbst beob­ach­tet. Also dreh­te ich den Käfer auf den Rücken und such­te nach einem Zugang, nach einem Schräub­chen da oder dort, einer Ker­be, in wel­che ich ein Mes­ser­werk­zeug ein­füh­ren könn­te, um den Pan­zer vom Käfer zu heben. Man stel­le sich ein­mal vor, ein sehr klei­ner Motor wäre dort zu fin­den, Mikro­pho­ne, Sen­der, Lin­sen, es wäre eine unge­heu­re Ent­de­ckung. Im Moment zöge­re ich noch, den ers­ten Schnitt zu setz­ten, es reg­net wie­der, jawohl, ich wer­de am Bes­ten zunächst noch ein wenig den Regen beob­ach­ten, es ist kurz nach drei. – stop

polaroidtapete

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nachts

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del­ta : 0.18 — Ich bat einen Freund, eine Geschich­te zu erzäh­len vom Glück als er noch ein Kind gewe­sen war. Er muss­te nicht lan­ge über­le­gen. Er sag­te, dass er abends, sobald das Licht in sei­nem Zim­mer aus­ge­schal­tet wur­de, heim­lich in sei­nen Büchern gele­sen habe. Zu die­sem Zweck hat­te er eine Taschen­lam­pe unter sei­nem Kopf­kis­sen ver­steckt. Er las immer im Sit­zen, die Bei­ne ver­schränkt, Jules Ver­nes zum Bei­spiel. Auf­re­gend, nicht nur die Bücher, son­dern das ver­bo­te­ne Lesen zur Nacht­zeit selbst. Wäh­rend mein Freund von sei­nem Glück berich­te­te, erin­ner­te er sich, wie sein Bru­der, der in dem­sel­ben Zim­mer geschla­fen hat­te, ihm ein­mal erzähl­te, er, der Älte­re der bei­den, habe zur Som­mer­zeit wie ein leuch­ten­der Berg aus­ge­se­hen, der sich manch­mal beweg­te. Hin und wie­der fla­cker­te das Licht, weil die Kraft der Bat­te­rien in der klei­nen Lam­pe zur Nei­ge ging. Man muss­te dann immer ein wenig war­ten, bis sich die Bat­te­rien wie­der erhol­ten. Oft war er in die­ser Zeit des War­tens noch im Sit­zen ein­ge­schla­fen. — stop
ping

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innenohrmuscheln

9

echo : 6.22 — Lud­wig, der mich ges­tern Abend besuch­te, hat­te einen klei­nen Rausch mit­ge­bracht, an dem woll­te er voran­ar­bei­ten. Er hat­te dar­um eine Fla­sche bil­li­gen Cognacs in eine Papier­tü­te gesteckt, um sie den Abend über an sei­nem Bauch zu wär­men. Wenn er ab und zu einen Schluck aus der Fla­sche nahm, mach­te er sei­ne Augen zu Schlit­zen, er konn­te dann nicht mehr sehen, obwohl er eigent­lich nichts schme­cken woll­te. Es war ein lus­ti­ger Abend, ein­mal schlief Lud­wig ein im Bad, ich weck­te ihn und führ­te ihn zurück in die Küche. Das war gegen 22 Uhr gewe­sen. Ich konn­te zu die­sem Zeit­punkt kei­ne Bewei­se dafür fin­den, dass Lud­wig mir noch immer zuhör­te oder mich über­haupt noch hören konn­te. Aber sich selbst schien er noch wahr­neh­men zu kön­nen. Wör­ter ent­gleis­ten, die Sät­ze, die sei­ne Geschich­ten erzähl­ten, waren jedoch mit­tels Kom­bi­na­ti­on ver­ständ­lich. Um kurz vor Mit­ter­nacht berich­te­te Lud­wig von einer Frau, die er ein­mal lieb­te. Sie wohn­te lan­ge Zeit in Lis­sa­bon, was sie dort mach­te, wovon sie leb­te, wuss­te Lud­wig nicht zu berich­ten, aber dass sie über beson­de­re Ohren ver­füg­te. In ihren Ohr­mu­scheln links und rechts sol­len sich wei­te­re klei­ne Ohr­mu­scheln befin­den, exakt in der sel­ben Form ange­legt, nur eben klei­ner. Aber nicht genug damit, wenn man mit einer Taschen­lam­pe in die Innen­ohr­mu­scheln der Frau leuch­te­te, waren ein wei­te­res Paar noch klei­ne­rer Ohr­mu­scheln zu ent­de­cken. Das war eine sehr sel­te­ne ato­mi­sche Erschei­nung. Als ich wis­sen woll­te, wie sich Lud­wig impli­zier­te Muschel­fo­ma­tio­nen erklär­te, war der ver­lieb­te Mann bereits ein­ge­schla­fen. Er saß vor mei­nem Küchen­tisch, die Fla­sche war geleert, der Kopf auf sei­ne schma­le Brust gesun­ken, so schlief er, ohne vom Stuhl zu fal­len. Als ich am frü­hen Mor­gen die Küche betrat, saß er noch immer in die­ser Hal­tung am Tisch. Bei­na­he hät­te ich ihn für ein Kunst­werk gehal­ten, für eine beklei­de­te Gips­fi­gur: Trin­ken­der Freund. Aber Lud­wig atme­te. Der Atem war flach. Es war ein Atem, der gera­de noch zum Leben reich­te. Ich muss­te Lud­wig wecken, ich muss­te ihn wecken, um nicht schul­dig zu wer­den. – Guten Mor­gen. Es ist Mon­tag. — stop
ping

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versuchsanordnung

9

echo : 2.05 — Ges­tern, am spä­ten Abend, wur­de ich wäh­rend mei­ner Arbeit von einem Eich­hörn­chen beob­ach­tet. Das klei­ne Tier kau­er­te im Kirsch­baum auf Höhe der Fens­ter mei­nes Arbeits­zim­mers gut sicht­bar im Licht einer Stra­ßen­lam­pe. Bei­na­he woll­te ich mei­nen, dass es sich mit Absicht zeig­te. Sei­ne Augen leuch­te­ten röt­lich, als wären sie Taschen­lam­pen. Ich trat vor­sich­tig ans Fens­ter und schon war das Tier ver­schwun­den. Es war also fast Mit­ter­nacht gewe­sen, ich ver­such­te zu die­sem Zeit­punkt ein Expe­ri­ment zu wie­der­ho­len, das ich vor 5 Jah­ren bereits erfolg­reich im Inter­net unter­nom­men hat­te. Krapp war mit mei­ner Hil­fe in Chat­räu­men zu Spra­che gekom­men. In einem 30-Sekun­den­rhyth­mus wie­der­hol­te er Sät­ze, die Samu­el Beckett für ihn notier­te. Eine hal­be Stun­de arbei­te­te ich mich damals vor­an, als in der künst­li­chen Welt auf Krapp reagiert wur­de. Das war ein fas­zi­nie­ren­der Vor­gang gewe­sen, ein Ereig­nis, das sich ges­tern lei­der nicht wie­der­hol­te. Extra­or­di­na­ry silence this evening. Wie ich es auch ver­such­te, Krapp wur­de nicht bemerkt oder wur­de unhöf­li­cher­wei­se igno­riert. Hier nun noch ein­mal das Doku­ment aus dem Jahr 2007 : >

ping
Versuchsanordnung >
20.05 – 20.07 Uhr MEZ
Krapp im Chat

[Log­in OK]
[Krapp joi­n­ed chan­nel Welcome!]
[82users in chan­nel Welcome!]

RickJ2!!: Bye bye.
Krapp: „Have just eaten I reg­ret to say three bana­nas and
only with dif­fi­cul­ty refrai­ned from a fourth.“
Gulli_S2: Hotmail?
[katsu left chan­nel Welcome!]
UrFix­a­ti­on: Omg, stop it with the bana­na story.
Krapp: „Fatal things for a man with my condition.“
2005Guy!!: Ur…is get­ting visuals..lol
Gulli_S2: Hotmail
[muff’ joi­n­ed chan­nel Welcome!]
Krapp: „Extra­or­di­na­ry silence this evening.“
UrFix­a­ti­on: lol
UrFix­a­ti­on: I am
RickJ2!!: Some old sto­ries krapp.
[muff’ left chan­nel Welcome!]
Devilish.fr is away from keyboard.
UrFix­a­ti­on: Flashbacks
UrFix­a­ti­on: lol
Gulli_S2: Fuck you!
Krapp: „I strain my ears and do not hear a sound.“
RickJ2!!: lol
[Gulli_S2 left chan­nel Welcome!]
2005Guy!!: I bet…not pretty
UrFix­a­ti­on grins evilly.
RickJ2!!: Watch out gulli
Krapp: „Just been lis­tening to an old year,
pas­sa­ges at random.“
[2HOT4YOU left chan­nel Welcome!]
Angus­Y­oung: I just found out i have lung
can­cer and it sucks!
RickJ2!!: aww
Krapp: „I did not check in the book, but it must
be at least ten or twel­ve years ago.“
UrFix­a­ti­on: Whe­re did that come from?
[Gui­tarAd­dic­ted left chan­nel Welcome!]
2005Guy!!: Woaw.
[Play­boyl­overs joi­n­ed chan­nel Welcome!]
Krapp: „Now the day is over.“
2005Guy!!: Zackly.
SlicK­girl: Should i sim­ply mute him?
[Muff joi­n­ed chan­nel Welcome!]
RickJ2!!: Same sto­ries krapp, right?
[Kalkan left chan­nel Welcome!]
[Space Mon­key left chan­nel Welcome!]
Muff greets all.
Krapp: „Night is dra­wing nigh-igh.“
[Por­to-boy joi­n­ed chan­nel Welcome!]
2005Guy!!: I thought i just had dezavu…
RickJ2!!: Get it??
Play­boyl­overs: hi dudes
Play­boyl­overs: lol
Krapp: „Shadows.“
2005Guy!!: Don’t know how to spell it..lol
[Angus­Y­oung left chan­nel Welcome!]
RickJ2!!: Hey baaby
[Bryan1997_4_you joi­n­ed chan­nel Welcome!]
[Desi­ree left chan­nel Welcome!]
Bryan1997_4_you: Hi all
Muff: Chess game anybody?
Bryan1997_4_you: Anyo­ne wan­na chat
RickJ2!!: Krapp do you know english?
[Andriy!!!! left chan­nel Welcome!]
[Lana-puma-hoty joi­n­ed chan­nel Welcome!]
19-m-Fran­cais: Kein Deutsch hier?
UrFix­a­ti­on: Nein
Muff: RickJ2 do you fan­cy me.
Krapp: „Past mid­night. Never knew such silence.
The earth might be uninhabited.“
The­bi­go­ne greets all.
[BlackScor­pi­on left chan­nel Welcome!]
[Joe­NY left chan­nel Welcome!]
Bryan1997_4_you: hi courtney
RickJ2!!: what u mean muff
[Coun­try-Boy joi­n­ed chan­nel Welcome!]
Muff: RickJ2 why do u igno­re me?
Por­to-boy greets all.
[Krapp left channel]
[Wel­co­me!]

ping

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eisbuch

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hima­la­ya : 0.02 — Beson­de­rer Abend, Frost­nacht erwar­tet. Seit zwei Stun­den schwebt der Zei­ger mei­nes Außen­luft­ther­mo­me­ters dicht über der Null­li­nie. Ste­he am Fens­ter und freu mich dar­auf, dass ich das ers­te Eis­buch mei­nes Lebens, das seit Mona­ten im Kühl­schrank auf Pan­ga­si­us­fi­lets gebet­tet liegt, nun end­lich her­vor­ho­len kann. Wer­de dann bald in den klei­nen Park um die Ecke spa­zie­ren und mich auf eine eisi­ge Bank setz­ten, das Buch behut­sam ent­blät­tern und lesen im Licht einer Taschen­lam­pe von nor­di­schen Strän­den, von Instru­men­ten­bau­ern und Musi­kern, die in Zel­ten woh­nen. — Wie mutig wäre ich im Wider­stand gegen den geheim­dienst­li­chen Zugriff einer Dik­ta­tur auf mei­ne Person?
ping