Aus der Wörtersammlung: zeit

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propellerfeige

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del­ta : 2.38 — Wie man mit einem Stift eine Sub­stanz zu einem Zei­chen auf Papier setzt, wird mit dem Skal­pell die Atmo­sphä­re des Prä­pa­rier­saa­les in einen Kör­per ein­ge­tra­gen. Zer­glie­dern heißt zunächst, Räu­me zu schaf­fen für das Licht. — Oder das Den­ken. Wie man von Satz zu Satz Räu­me öff­net zu wei­te­ren Gedan­ken, die bereits lan­ge Zeit unbe­merkt exis­tiert haben könn­ten. Wör­ter, die sich wie Anten­nen in unbe­kann­te Zim­mer tas­ten. Pro­pel­ler­fei­ge. — stop

polaroidairbus

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nüsse. 20 gramm

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oli­mam­bo : 0.15 — Als ich unlängst von einer Rei­se zurück­kehr­te, ent­deck­te ich Esme­ral­da auf dem Rah­men der Tür zum Arbeits­zim­mer. Die klei­ne Schne­cke hock­te genau dort, wo ich sie vor mei­ner Abrei­se zuletzt gese­hen hat­te. Viel­leicht konn­te sie das Gewicht mei­ner Schrit­te auf der Trep­pe spü­ren, ihre Füh­ler­au­gen jeden­falls waren bereits aus­ge­fah­ren, als ich die Tür zur Woh­nung öff­ne­te. Esme­ral­da schien den heim­keh­ren­den Mann in aller Ruhe zu betrach­ten. Ich über­leg­te, kaum hat­te ich die Woh­nung betre­ten, ob es mög­lich sein könn­te, dass sich das Schne­cken­we­sen in der Zeit mei­ner Abwe­sen­heit nicht von der Stel­le bewegt haben könn­te. Geschäl­te Pekan­nüs­se, die ich im Dezem­ber noch in Küche und Die­le auf den Boden leg­te, waren unbe­rührt. Nun aber, da ich mei­nen Kof­fer aus­pack­te, rühr­te sich Esme­ral­da. Sie schien an Gewicht ver­lo­ren zu haben, war in ihrer Wan­de­rung jedoch so schnell wie üblich, wes­halb ich behaup­ten möch­te, dass Esme­ral­da kei­nen Scha­den genom­men haben dürf­te. Nach einer Wei­le erreich­te sie das Arbeits­zim­mer und klet­ter­te unver­züg­lich zur Decke empor, um direkt über mei­nem geöff­ne­ten Kof­fer Platz zu neh­men. Dort ver­weil­te sie für meh­re­re Stun­den, auch als ich mei­nen Kof­fer längst ent­leert und das Licht im Zim­mer aus­ge­schal­tet hat­te, rühr­te sie sich nicht. Direkt unter ihr, auf dem Sofa, lagen ein Paar Hand­schu­he und ein Notiz­buch. Gegen Mit­ter­nacht mel­de­te sich L. Er berich­te­te, er habe einen Auf­trag ange­nom­men, näm­lich in die Gegend von Nar­vik zu rei­sen, um zwei­hun­dert tief­ge­fro­re­ne Seen, die noch ohne Namen sein sol­len, zu bezeich­nen. Als ich kurz dar­auf in mein Arbeits­zim­mer zurück­kehr­te, genau in dem Moment, da ich das Licht anschal­te­te, ließ Esme­ral­da sich von der Decke fal­len. Sie lan­de­te weich auf mei­nen Hand­schu­hen. Ein unglaub­li­cher Anblick, es schien, als wür­de die Schne­cke in dras­ti­scher Wei­se mit mir kom­mu­ni­zie­ren. Indem ich sie in die Luft hob, ver­such­te sie ver­geb­lich, sich in ihr Haus zurück­zu­zie­hen. Jetzt wie­der Ruhe. Nebel­nacht. — stop

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polaroidmonroe2

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fenster süd

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echo : 2.28 — Fünf Mari­en­kä­fer sit­zen auf einem Rol­lo, das das Süd­fens­ter mei­ner Woh­nung von innen her ver­dun­kelt. Sie sind klein, unge­fähr so groß wie der Glas­kopf einer Steck­na­del. Noch nie habe ich der­art klei­ne Käfer gese­hen. Ver­mut­lich sind sie hier in mei­ner Woh­nung ent­stan­den, ken­nen von der Welt nichts als mei­ne Zim­mer, Die­le, Bad und Küche. Ich glau­be, es ist noch nicht viel Zeit ver­gan­gen, seit sie geschlüpft sind, ein oder zwei Tage viel­leicht. Wenn ich mich mit einer Lupe nähe­re, gehen sie etwas in die Knie, legen den Pan­zer auf­grund, und war­ten ab, dass sich das gro­ße Auge, das sie betrach­tet, wie­der zurück­zieht. Eine Wei­le las in einer Erzäh­lung von Juli­an Bar­nes her­um, ruh­te auf dem Sofa. Von dort aus konn­te ich, obwohl sie wirk­lich sehr klein waren, die Kör­per der Käfer auf dem gro­ßen Weiß erken­nen. Zunächst dach­te ich, sie beweg­ten sich nicht. Wenn ich mich aber län­ge­re Zeit auf die Sät­ze des Buches kon­zen­trier­te, waren ihre Kör­per doch wei­ter­ge­rückt, sobald ich zum Fens­ter blick­te. Ich dach­te, dass sie sich viel­leicht nur dann beweg­ten, wenn ich sie nicht betrach­te­te, dass sie also ihrer­seits mich beob­ach­te­ten. Wahr­schein­li­cher ist, dass mein Gehirn ihre lang­sa­me Art und Wei­se der Bewe­gung nicht zu erfas­sen ver­mag, weil sein Nah­zeit­spei­cher äußerst flüch­tig zu sein scheint. Ein­mal stand ich auf und pflück­te einen Käfer vom Rol­lo und warf ihn vor­sich­tig in die Luft. Damit hat­te der Käfer nicht gerech­net. Er stürz­te, ohne sei­ne Flü­gel geöff­net zu haben, auf die wei­che Flä­che mei­nes Sofas ab. Unver­züg­lich schlief der Käfer ein, weil es immer­hin weit nach Mit­ter­nacht gewor­den war. Wer­de selbst bald schla­fen, zuvor aber fünf klei­ne Mari­en­kä­fer in eine Schach­tel set­zen, wer­de den Deckel der Schach­tel mehr­fach mit einer Gabel per­fo­rie­ren, und die­se Schach­tel in mei­nen Kühl­schrank legen, 6° Cel­si­us. Bald Früh­ling. — stop
ping

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code blue

2

gink­go

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : CODEBLUE
date : jan 8 14 3.15 p.m.

Eis schin­delt auf der Upper New York Bay. Es ist kalt gewor­den, kla­re Luft. Seit zwei Tagen ankert das Fähr­schiff John F. Ken­ne­dy vor dem Saint Geor­ge Ter­mi­nal. Wir haben Erlaub­nis, an Bord zu blei­ben. Not­be­leuch­tung auf den Decks. Alli­son war kurz an Land gegan­gen, um Erd­nüs­se für Fran­kie zu besor­gen. Er tollt jetzt schon seit Stun­den auf dem Schiff her­um, als wür­de es ihm allein gehö­ren. Wir erle­ben in die­ser Wei­se eine ruhi­ge Zeit, nie­mand hier, der Fran­kie zu nahe kom­men könn­te. Von der Besat­zung des Schif­fes ist nur ein Matro­se geblie­ben. Er hat damit begon­nen, die Rah­men der Fens­ter zu strei­chen. Auf den Fähr­schif­fen, die an uns vor­bei­zie­hen, sind ver­mumm­te Pas­sa­gie­re zu erken­nen. Man­che wagen sich auf die Pro­me­na­den hin­aus, vie­le tra­gen Mas­ken vor ihrem Gesicht, ein unheim­li­cher Anblick. Und das Knis­tern des Eises, das sich in Ufer­nä­he sofort wie­der hin­ter den Schif­fen schließt. Noch ist es kein Hin­der­nis. Schol­len rich­ten sich senk­recht auf, blei­ben ste­hen wie mes­ser­schar­fe Zäh­ne. Ein Tran­sis­tor­ra­dio spielt Jazz­mu­sik. Stünd­li­che Nach­rich­ten von der Lage in der Stadt. Kir­chen und Schutz­räu­me sol­len für Per­so­nen ohne Woh­nung geöff­net wor­den sein. Wir fra­gen uns, ob Fran­kie im Cen­tral Park über­lebt haben wür­de. Wei­ter­hin, auch nachts, sind Möwen am Him­mel. — Mal­colm. Ahoi! / code­wort : codeblue

emp­fan­gen am
8.01.2014
1171 zeichen

mal­colm to louis »

polaroidlungen

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remington

9

whis­key : 1.28 — In der ver­gan­ge­nen Nacht träum­te ich von einer Schreib­ma­schi­ne. Die­se Schreib­ma­schi­ne ver­füg­te über ein Band von roter und schwar­zer Far­be sowie über einen Satz Ham­mer­zei­chen, die sich nur dann beweg­ten, wenn ich die Tas­ten mit gro­ßer Kraft in das mecha­ni­sche Getrie­be der Maschi­ne drück­te. Manch­mal, wäh­rend ich notier­te, blie­ben ein­zel­ne der Tas­ten in der Tie­fe hän­gen, als woll­te die Schreib­ma­schi­ne nicht von dem Zei­chen las­sen, das sie gera­de noch auf das Papier gesetzt hat­te. Eine Tas­te nach der ande­ren fiel aus, bis ich nur noch das Zei­chen M bewe­gen konn­te. Ich erin­ne­re mich, in mei­nem wirk­li­chen Leben tat­säch­lich eine Schreib­ma­schi­ne wie die geträum­te Schreib­ma­schi­ne beses­sen zu haben. Sie stand lan­ge Zeit auf mei­nem Schreib­tisch, ich hob sie nur sel­ten an, weil sie schwer gewe­sen war, 10 oder 15 Kilo­gramm. Es war eine Reming­ton mit einem Farb­band, tro­cken wie nami­bi­scher Wüs­ten­sand. Da nie­mand wuss­te, auf wel­chem Wege man an ein fri­sches Farb­band gelan­gen konn­te, erzeug­te die Schreib­ma­schi­ne zeit­le­bens kein sicht­ba­res, aber tast­ba­re Zei­chen, und doch tipp­te ich manch­mal auf der Maschi­ne her­um, als wür­de ich etwas auf­schrei­ben, als wür­de ich üben, laut­lo­se Musik, Ges­ten, stum­me Gedan­ken. In mei­nem Traum der ver­gan­ge­nen Nacht wur­de die Maschi­ne unter mei­nen Hän­den immer klei­ner, bis sie zuletzt ver­schwun­den war. Ich habe dann noch etwas wei­ter geträumt. Ich war in einem U‑Boot unter­wegs. Ich fuhr den Mis­sis­sip­pi auf­wärts. Das Was­ser war dun­kel. Ich beob­ach­te­te leuch­ten­de Rin­der, wie sie auf dem Grund des Flus­ses durch knie­ho­hen Schlamm wate­ten. — stop
polaroidzeichnungen

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schachtelzimmer

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echo : 0.02 — Julio Cor­tá­zar erzählt in sei­nem Kalei­do­skop Rei­se um den Tag in 80 Wel­ten eine Geschich­te, in wel­cher eine Flie­ge von zen­tra­ler Bedeu­tung ist. Die­se Flie­ge soll auf dem Rücken geflo­gen sein, als der Autor sie ent­deck­te, Augen nach unten dem­zu­fol­ge, Bein­chen nach oben, ein für Flie­gen­tie­re nicht übli­ches Ver­hal­ten. Natür­lich muss­te die­se selt­sa­me Flie­ge unver­züg­lich näher betrach­tet wer­den. Julio Cor­tá­zar erfand des­halb ein Zim­mer, in wel­chem die Flie­ge fort­an exis­tier­te, und einen Mann, der die Flie­ge zu fan­gen such­te. Wie zu erwar­ten gewe­sen, war der Mann in sei­ner Beweg­lich­keit viel zu lang­sam, um die Flie­ge behut­sam, das heißt, ohne Beschä­di­gung, erha­schen zu kön­nen. Er bemüh­te sich red­lich, aber die Flie­ge schien jede sei­ner Bewe­gun­gen vor­her­zu­se­hen. Nach einer Wei­le mach­te sich der Mann dar­an, das Zim­mer, in dem er sich mit der Flie­ge auf­hielt, zu ver­klei­nern. Er fal­te­te Papie­re zu Schach­teln, die den Flug­raum der beson­de­ren Flie­ge all­mäh­lich der­art begrenz­ten, dass sie sich zuletzt kaum noch bewe­gen konn­te. Flie­ge und Fän­ger waren in einem licht­lo­sen Raum inner­halb eines Schach­tel­zim­mers gefan­gen, dar­an erin­ne­re ich mich noch gut, oder auch nicht, weil ich die­se Geschich­te bereits vor lan­ger Zeit gele­sen habe, immer wie­der von ihr erzähl­te, wes­halb sich die Geschich­te ver­än­dert, von der ursprüng­li­chen Geschich­te ent­fernt haben könn­te. Das Buch, in dem sie sich auf­hält, befin­det sich zur­zeit außer Reich­wei­te, aber ich wer­de die Geschich­te so bald wie mög­lich über­prü­fen. Es ist eine klei­ne Geschich­te, die behilf­lich sein könn­te, schnel­le Droh­nen­vö­gel ein­zu­fan­gen, wenn man ihrer Gat­tung ein­mal zufäl­lig begeg­nen soll­te oder von einer Mikro­droh­ne ver­folgt sein wür­de. Ich glau­be, ich habe noch etwas Zeit, das Jahr ist erst weni­ge Tage alt. — stop
ping

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isaak b. singer

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nord­pol : 2.55 — Ich stell­te mir soeben einen jun­gen Mann vor, der an einer län­ge­ren Novel­le schreibt. Die­se Novel­le erzählt von Kie­men­men­schen, wel­che in Was­ser­woh­nun­gen der Stadt Val­let­ta exis­tie­ren sol­len. Merk­wür­dig ist viel­leicht, dass der jun­ge Mann einen Erzähl­band Isaac B. Sin­gers auf sei­nen Arbeits­tisch leg­te, dem er nun Wör­ter ent­nimmt, die er in sei­ner Novel­le ver­wen­den will. Ich spre­che mit dem jun­gen Mann, erfah­re, dass er für sei­ne Geschich­te aus­schließ­lich Wör­ter ver­wen­den dür­fe, die im Buch Isaac B. Sin­gers ent­hal­ten sind. Es han­delt sich um eine Über­set­zung der Coll­ec­ted Sto­ries aus dem Jahr 1983. In dem Buch sind kaum noch freie Wör­ter zu fin­den. Wör­ter, die bereits ver­wen­det wur­den, sind mit Blei­stift mar­kiert. Der jun­ge Mann blät­tert wie wild gewor­den in sei­nem Buch her­um, er sucht nach den Wör­tern Lun­gen­schleu­se und See­ane­mo­nen­baum, er sucht viel­leicht ver­geb­lich, weil die­se Wör­ter in dem Roman Isaac B. Sin­gers bis­her von nie­man­dem ent­deckt wer­den konn­ten. Zu die­sem Zeit­punkt, inmit­ten der Nacht, ist denk­bar, dass der jun­ge Mann noch Jah­re so sit­zen wird und suchen, ohne sei­ne Geschich­te je fort­set­zen oder zu Ende schrei­ben zu kön­nen. — stop
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regensprache

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tan­go : 6.35 — Wäh­rend einer Trau­er­fei­er für Nel­son Man­de­la, hef­ti­ger Regen, soll ein Mann, den ich mit eige­nen Augen ohne Ver­zö­ge­rung beob­ach­te­te, in einer merk­wür­di­gen Zei­chen­spra­che Reden über­setzt oder beglei­tet haben, die für gehör­lo­se Men­schen nicht ver­ständ­lich gewe­sen war. Bereits nach den ers­ten Minu­ten sei­nes Auf­tritts hat­ten sich Men­schen irri­tiert und wütend an Fern­seh­sen­der mit der Fra­ge gewen­det, um wen es sich dort auf dem Bild­schirm eigent­lich han­del­te. Eine doch selt­sa­me Geschich­te. Man über­leg­te, ob der Mann viel­leicht gefähr­lich gewe­sen sein könn­te. Aber der Mann mach­te nur Luft­zei­chen mit sei­nen Hän­den, nichts wei­ter. Ich habe mich in den ver­gan­ge­nen Tagen gefragt, was der Mann erzählt haben könn­te oder durch sei­nen Auf­tritt andeu­ten woll­te. Der Mann war von sehr ordent­li­cher Gestal­tung gewe­sen, wirk­te klar und kon­zen­triert. Er erweck­te nicht den Ein­druck, als woll­te er aus rein per­sön­li­chen, aus Eitel­keits­grün­den dort oben auf der Büh­ne neben berühm­ten Per­sön­lich­kei­ten ste­hen, um auf sich auf­merk­sam zu machen. Er war ganz ein­fach da und ges­ti­ku­lier­te. Ich dach­te, es könn­te sich in die­ser welt­weit sicht­ba­ren Spra­che um eine erfun­de­ne, um eine zufäl­li­ge, also gar kei­ne Spra­che gehan­delt haben, weil man sie nie­mals ein­deu­tig wie­der­ho­len könn­te. Viel­leicht war es Musik, die der Mann mit sei­nen Zei­chen in aller Stil­le zur Auf­füh­rung brach­te. Viel­leicht über­setz­te er die Geräu­sche des Regens. — stop

polaroidlesende2

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schlafen in turku

pic

hima­la­ya : 2.32 — Viel­leicht wer­den Sie sich erin­nern. Vom Schla­fen habe ich bereits im Jahr 2008 notiert, und zwar im Monat Novem­ber. Vor weni­gen Minu­ten, als ich nach schwe­ben­den Bal­lo­nen über der Stadt Tur­ku such­te, habe ich einen ent­spre­chen­den Text unter dem Titel „Schla­fen in Tur­ku“ in den Ver­zeich­nis­sen der Goog­le-Such­ma­schi­ne wie­der­ent­deckt. Der Text ist mir noch immer nah, wes­halb ich ihn mit­ge­nom­men und an die­sem Zeit­ort ein­ge­fügt habe. Ich stel­le nun zum zwei­ten Mal die Fra­ge: Ist Ihnen viel­leicht bekannt, dass Wale, Pott­wa­le genau­er, wenn sie schla­fen, Kopf nach oben im Was­ser schwe­ben? Lang­sam sin­ken­de Tür­me, lei­se sin­gend, lei­se knat­ternd, fried­vol­le Ver­samm­lun­gen, die mit dem Golf­strom trei­ben. Wenn Sie ein­mal wach lie­gen soll­ten, wenn Sie nicht schla­fen kön­nen, weil Sor­gen Sie bedrän­gen oder ande­re schmerz­vol­le Gedan­ken, wird es hilf­reich sein, eine Tauch­fahrt zu unter­neh­men im Kopf durchs Bild der träu­men­den Wale. Oder Sie rei­sen an die Ost­see, neh­men die nächs­te Fäh­re nach Tur­ku. Sie wer­den dann schon sehen. Bal­lo­ne, zum Bei­spiel, Bal­lo­ne wer­den Sie sehen am Hori­zont, Bal­lo­ne am dämm­ri­gen Him­mel, dort müs­sen Sie hin. Alles ist gut zu Fuß zu errei­chen, eine Stun­de oder zwei, nicht län­ger, je nach Gepäck. Man wird Sie schon erwar­ten, man wird Sie freund­lich begrü­ßen, man wird Sie fra­gen, wie lan­ge Zeit Sie zu schla­fen wün­schen, wel­cher Art die Din­ge sind, die Sie zu ver­ges­sen haben, die Sie beschwe­ren. Man wird Ihren Blick zum Him­mel len­ken und Sie wer­den erken­nen, dass unter den Bal­lo­nen Men­schen schwe­ben, auf­recht und reg­los, in Dau­nen­män­tel gehüllt, von einem leich­ten Wind hin und her geschau­kelt, hun­der­te, ja tau­sen­de Men­schen. — Stil­le herrscht. — Nur das Fau­chen der Feu­er­ma­schi­nen von Zeit zu Zeit. - Drei Uhr drei­und­drei­ßig auf dem Mai­dan zu Kyjiw. — stop

polaroidkiemenana

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schirmqualle

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oli­mam­bo

~ : oe som
to : louis
sub­ject : SCHIRMQUALLE
date : dez 06 13 6.22 p.m.

Ges­tern ist Mar­len zu ihrer zwei­ten Exkur­si­on in die Tie­fe zu Noe auf­ge­bro­chen. Seit sie von ihrem ers­ten Besuch zurück­ge­kehrt war, hat­te sie nicht viel mit uns gespro­chen. Sie erzähl­te ledig­lich, dass sie sich wäh­rend der ers­ten Stun­den ihres Auf­ent­hal­tes unter der Was­ser­ober­flä­che in ihrem Tau­cher­an­zug vor allem dar­auf kon­zen­triert habe, sich mög­lichst nicht zu bewe­gen. Immer dann, wenn sie sich beweg­te, sei die Enge ihres Habi­tats deut­lich spür­bar gewor­den, sie habe dann unter Atem­not gelit­ten. Solan­ge sie sich jedoch kaum beweg­te, sei alles gut gewe­sen. Noe habe kei­ne Notiz von ihr genom­men. Sie habe sei­ne Augen bes­tens erkannt hin­ter der Schei­be sei­nes Hel­mes, aber er selbst habe nicht ein­mal ver­sucht, ihre, Mar­lens Augen, auf­zu­su­chen. Es sei ihr unheim­lich gewe­sen, ent­we­der sei Noe sehr dis­zi­pli­niert oder längst ver­rückt gewor­den. Natür­lich habe sie geschla­fen, selbst­ver­ständ­lich habe sie wäh­rend des Schla­fens ihre Augen geschlos­sen, und natür­lich kön­ne sie nicht aus­schlie­ßen, dass Noe ihr in die­ser Zeit nicht doch etwas Auf­merk­sam­keit gewid­met haben könn­te. In den lan­gen Stun­den ihres Besu­ches habe er ohne Unter­bre­chung vor­ge­le­sen. Er habe das Buch indes­sen mit sei­nen eiser­nen Hand­schu­hen fest­ge­hal­ten. Fische waren nicht in ihre Nähe gekom­men, wes­halb sie Fische nicht beschrei­ben kön­ne, aber eine blau leuch­ten­de Schirm­qual­le. Sie habe das Seil, an dem Noe befes­tigt ist, genau­er betrach­tet, es sei doch sehr dünn, auch Noe’s Atem­ver­sor­gung wir­ke höchst zer­brech­lich. Natür­lich habe sie nicht unmit­tel­bar ver­stan­den, wel­che Wör­ter und Sät­ze Noe for­mu­lier­te, obwohl sie ihm sehr nah gekom­men war. Sie habe jedoch Noe’s Stim­me mit­tel­bar über den Funk des Schif­fes gehört, eine Stim­me, wie aus einer gro­ßen Ent­fer­nung. – Wei­ter­hin Schnee­fall und hef­ti­ger Wind. Es wird früh dun­kel und spät wie­der hell. Bob ist see­krank. Ich mel­de mich wie­der. Ahoi. Dein OE SOM

gesen­det am
6.12.2013
1878 zeichen

oe som to louis »

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