Aus der Wörtersammlung: apfel

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von rechenkernen

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lima : 18.12 UTC — Apfel­kern. Man­del­kern. Rechen­kern. — Ich stell­te mir vor, wie ich mit feins­ten Werk­zeu­gen einen Kirsch­kern öff­ne, wie ich in der Kirsch­kern­höh­le ein gefal­te­tes Blatt Papier able­ge, auf dem mit kleins­ten Schrift­zei­chen ein Gedicht ver­zeich­net wur­de. Wie ich nun den Kern ver­schlie­ße, wie ich ihn zurück­le­ge in sei­ne Frucht, wie ich jetzt zufrie­den und glück­lich bin. — Oder die Vor­stel­lung der Rechen­ker­ne eines Pro­zes­sors. Wie ein oder zwei Roman­ent­wür­fe mög­li­cher­wei­se heim­lich in ihren Regis­ter­wer­ken ver­steckt sein könn­ten, kurio­se Idee. Das habe ich mir aus­ge­dacht, weil ich ges­tern Abend hör­te, dass Rechen­ker­ne für mathe­ma­tisch-logi­sche Sprach­ein­drü­cke zu jeder Zeit emp­fäng­lich sind. Dar­über soll­te unbe­dingt wei­ter nach­ge­dacht wer­den. — stop
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im verborgenen

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del­ta : 0.55 — In Peter Bichsel’s Erzäh­lung Die Erde ist rund war­tet ein wun­der­ba­rer ers­ter Satz. Der Satz geht so: Ein Mann, der wei­ter nichts zu tun hat­te, nicht mehr ver­hei­ra­tet war, kei­ne Kin­der mehr hat­te und kei­ne Arbeit mehr, ver­brach­te sei­ne Zeit damit, dass er sich alles, was er wuss­te, noch ein­mal über­leg­te. — Wie wür­de ich anstel­le des Man­nes zunächst vor­ge­hen. Wür­de ich viel­leicht ein Ver­zeich­nis mei­ner Erin­ne­run­gen anle­gen, oder wür­de ich mich still in mei­ne Küche set­zen und mich umse­hen und über­le­gen, was ich von mei­ner Küche weiß? Da war vor­hin noch eine Schüs­sel vol­ler Äpfel, Man­da­ri­nen, Bana­nen gewe­sen, und der Wunsch, Gegen­stän­de, auch erfun­de­ne Din­ge und Wesen, unver­züg­lich zu öff­nen, um nach­zu­se­hen, was in ihrem Inne­ren zu ver­mer­ken ist. Vor­wärts suchen und erfin­den in die Tie­fe. Vor­wärts bis hin zur letz­ten ein­sa­men Haut, die jedes ver­blei­ben­de Geheim­nis umwi­ckelt, eine Beru­hi­gung. Aber dann, sobald ich bei­spiels­wei­se ein Fern­seh­ge­rät betrach­te, wenn es acht Uhr abends gewor­den ist, weiß ich, dass ich kaum noch etwas von da drau­ßen wis­sen kann, weil je nur hal­be Äpfel oder noch klei­ne­re Tei­le zu erken­nen sind, oder Äpfel, die nur vor­ge­ben oder behaup­ten, Äpfel zu sein, oder Äpfel, die zu schnell gewor­den sind. Ein­mal beob­ach­te­te ich dort auf dem Bild­schirm eine Kampf­ma­schi­ne, die von einem Flug­zeug­trä­ger aus star­te­te. Im Ver­bor­ge­nen, außer­halb mei­ner Bild­schirm­licht­zeit, flog die Kampf­ma­schi­ne ver­mut­lich wei­ter. Was ist gesche­hen? — stop
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nahe turku

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nord­pol : 5.12 – Ges­tern, es ist natür­lich Nacht gewe­sen, über­leg­te ich, ob es even­tu­ell mög­lich sein könn­te, eine Uhr von reins­tem Eis zu kon­stru­ie­ren, eine Uhr, die Zeit anzu­zei­gen, eine funk­tio­nie­ren­de Uhr, nicht nur ein­fach eine schö­ne Uhr und kalt, eine Uhr mit einem Uhr­werk von Eis, mit Zahn­räd­chen, die zu Was­ser wür­den, wenn man sie erwärm­te, und einem grö­ße­ren und einem klei­ne­ren Zei­ger aus den Tie­fen des Hum­boldt-Glet­schers sowie einem Zif­fer­blatt von Schnee. Plötz­lich hal­te ich einen Apfel in der Hand und frie­re und beschäf­ti­ge mich eine hal­be Stun­de mit der Fra­ge, woher die Vor­stel­lung einer Eis­uhr viel­leicht gekom­men sein könn­te. — stop

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nachtorte

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ulys­ses : 1.15 — Und träu­me von frü­her. Als die Zeit noch eine Figur war, die eine Rol­le spiel­te. Damals dach­te ich, dass, wenn bei uns Tag war, wir die Nacht auf der ande­ren Sei­te der Welt bewach­ten. Bis mir klar wur­de, dass wir ihren Schlaf nicht bewach­ten, son­dern sie im Schlaf aus­raub­ten. Dann bin ich auf­ge­wacht. — Die­se Beob­ach­tung habe ich in einer Text­samm­lung Ali­s­sa Walsers ent­deckt: Von den Tie­ren im Notie­ren. Kur­ze Zeit spä­ter, auf dem Weg zum Fens­ter, erin­ner­te ich mich an das Muse­um der Nacht­häu­ser, das sich am Shore Bou­le­vard nörd­lich der Hell Gates Bridge befin­det, die den New Yor­ker Stadt­teil Queens über den East River hin­weg mit Rand­alls Island ver­bin­det. Ich weiß nicht, ob das Muse­um noch immer exis­tiert, es war oder ist ein recht klei­nes Haus, rote Back­stei­ne, ein Schorn­stein, der an einen Fabrik­schlot erin­nert, ein Gar­ten, in dem ver­wit­ter­te Apfel­bäu­me ste­hen, und der Fluss so nah, dass man ihn rie­chen konn­te. Wäh­rend eines Spa­zier­gan­ges, zufäl­lig, ent­deck­te ich die­ses Muse­um, von dem ich nie zuvor hör­te. Es war ein spä­ter Nach­mit­tag, ich muss­te etwas war­ten, weil das Muse­um nicht vor Ein­bruch der Däm­me­rung öff­nen wür­de, ein Muse­um für Nacht­men­schen eben, die in Nacht­häu­sern woh­nen, wel­che erfun­den wor­den waren, um Nacht­men­schen art­ge­rech­tes Woh­nen zu ermög­li­chen. Als das Muse­um dann end­lich öff­ne­te, war ich schon etwas müde gewor­den, und weil ich der ein­zi­ge Besu­cher gewe­sen, führ­te mich ein jun­ger Mann per­sön­lich her­um. Er war sehr gedul­dig, war­te­te, wenn ich wie wild in mein Notiz­buch notier­te, weil er span­nen­de Geschich­ten erzähl­te von jenen merk­wür­di­gen Gegen­stän­den, die in den Vitri­nen des Muse­ums ver­sam­melt waren. Von einem die­ser Gegen­stän­de will ich kurz berich­ten, von einem metal­le­nen Wesen, das mich an eine Kreu­zung von Gecko und Spin­ne erin­ner­te. Das ver­ros­te­te Ding war von der Grö­ße eines Schuh­kar­tons. An je einer Sei­te des Objekts saßen Bei­ne fest, die über Saug­näp­fe ver­füg­ten, eine Kame­ra thron­te oben­auf wie ein Rei­ter. Der jun­ge Mann erzähl­te, dass es sich bei die­sem Gerät um ein Instru­ment der Ver­tei­di­gung han­del­te, aus einer Zeit, da Nacht­men­schen mit Tag­men­schen noch unter ein und dem­sel­ben Haus­dach wohn­ten. Das klei­ne Tier saß in der Vitri­ne in einer Hal­tung, als wür­de er sich ducken, als wür­de es jeder­zeit wie­der eine Wand bestei­gen wol­len. Das war näm­lich sei­ne vor­neh­me Auf­ga­be gewe­sen, Zim­mer­wän­de zu bestei­gen in der Nacht, sich an Zim­mer­de­cken zu hef­ten und mit klei­nen oder grö­ße­ren Ham­mer­werk­zeu­gen Klopf- oder Schlag­ge­räu­sche zu erzeu­gen, um Tag­men­schen aus dem Schlaf zu holen, die ihrer­seits weni­ge Stun­den zuvor noch durch ihre erbar­mungs­los har­ten Schrit­te den Erfin­der der Geck­oma­schi­ne, einen Nacht­ar­bei­ter, aus sei­nen Träu­men geris­sen haben moch­ten. Es war, sag­te der jun­ge Mann, immer so gewe­sen damals in die­ser schreck­li­chen Zeit, dass sich Tag­men­schen sicher fühl­ten vor Nacht­men­schen, die unter ihnen leb­ten, die mit Schrit­ten Zim­mer­de­cken ihrer Woh­nung nie­mals erreich­ten. Aus und fini! — stop

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ein apfel

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india : 1.02 — Der Blick vom 15. Stock eines Apart­ment­hau­ses mit­tels eines Fern­gla­ses über die Park Ave­nue hin­weg. Es ist Abend gewor­den in Man­hat­tan, schon dun­kel. Hin­ter einem unge­wöhn­lich gro­ßen Fens­ter schwebt ein älte­rer Herr unge­fähr einen Meter über dem Boden eines hell erleuch­te­ten Zim­mers. Es han­delt sich um ein geräu­mi­ges Zim­mer, beige­far­be­ne Wän­de. Der alte Herr bewegt sich lang­sam wie in Zeit­lu­pe. Er scheint mir zu win­ken, als ob er mich wahr­neh­men kön­ne, obwohl ich doch im Halb­dun­kel ste­he und zugleich weit ent­fernt bin. In sei­ner lin­ken Hand hält er einen Apfel fest, in der rech­ten Hand ein Mes­ser. Er beginnt den Apfel mit einer krei­sen­den Bewe­gung zu schä­len, schaut immer wie­der in mei­ne Rich­tung. Für einen Augen­blick hält er inne, dann lässt er die Scha­le des Apfels los, sie ent­fernt sich, von einer Strö­mung erfasst, lang­sam, sehr lang­sam, eine Schrau­be von Haut. In die­sen Minu­ten, da ich notie­re, was ich beob­ach­te­te, wird der alte Herr ein­ge­schla­fen sein, der Apfel, den er schäl­te, hat inzwi­schen sei­ne Hand ver­las­sen, sinkt auf den Boden des Zim­mers. — Vier Uhr und sie­ben Minu­ten im Flücht­lings­la­ger Jar­muk nahe Damas­kus. — stop

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im orbit

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india : 18.16 — Die zärt­lichs­te Art und Wei­se, einen Men­schen zu berüh­ren, ist viel­leicht die Berüh­rung durch Vor­stel­lungs­kraft. stop. Mut. stop. Mut zur Erin­ne­rung. stop. Das schwei­gen­de, ver­trau­te Gehen in den Ber­gen. stop. Zitro­nen­fal­ter. stop. Ein fröh­li­ches Lachen, das Doh­len­vö­gel lock­te. stop. Wol­ken. stop. Gemein­sa­me Wol­ken. stop. Der Geschmack von Apfel­schei­ben. stop. Zeit­los sein. stop. Leicht und von Sor­gen frei. stop. Gebor­gen. stop. Und Namen, Namen wie erfun­den: Müll­ner­horn. stop. Koli­brispit­ze. stop. Auf den Pfa­den der Blick über die Schul­ter zurück: Bist du noch da? stop. Das Geräusch einer Glo­cke seit unge­zähl­ten Jah­ren in einer Pum­pen­rad­sta­ti­on. stop. Das rie­seln­de Geräusch des Salz­was­sers. stop. Ein gebro­che­ner Arm, der Zeit für Nähe spen­det. stop. Eine Tas­se Kaf­fee am Mor­gen im Auf­bruch, ein war­mer Kuss, ein Lächeln. stop. Das Schnur­ren einer Kat­ze am Tele­fon. stop. Der süße Duft eines Ohres. stop. Ein roter Kof­fer, und im Win­ter Geis­ter­mas­ken, und wie man Feu­er in einem Kachel­ofen ent­facht. stop. Ja, wo bist Du, bist Du noch da? stop. Immer wie­der das Wort See­len­ort­fe­der in die­sen Tagen, das ich am 20. Okto­ber 2010 ent­deck­te und sofort ver­schenk­te. — stop
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furcht vor pegida

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echo : 0.12 — Ihr Sohn heißt Miran, ihre Toch­ter Shirin. Sie selbst wur­de im Osten der Tür­kei gebo­ren, ihre Kin­der, 12 und 14 Jah­re alt, in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Einen Mann gibt es nicht mehr. Sie arbei­tet in einem Café, eine fröh­li­che, zier­li­che Frau, ihr Haar ist pech­schwarz, eigent­lich bereits grau oder weiß. Seit sie im Café arbei­tet, ruhen unter Bee­ren-Muf­fins, Schwarz­wäl­der­kirsch Tor­te, Käse­ku­chen und Apfel­stru­del­schei­ben, auch kur­di­sche Plätz­chen, Kuli­ce, mit Wal­nüs­sen, Man­deln, Zimt und Zucker gefüllt. Ich weiß schon von der ein oder ande­ren wil­den Geschich­te, die sie erleb­te, kur­ze Geschich­ten sind das, eilig wäh­rend einer Tas­se Kaf­fee erzählt, eigent­lich klei­ne Roma­ne, weil ich sie nicht ver­ges­sen kann, weil sie sich erzäh­len wie von selbst. Ges­tern ist eine wei­te­re Geschich­te hin­zu­ge­kom­men. Anis­un berich­te­te, sie wer­de am kom­men­den Wochen­en­de nach einem Weih­nachts­baum suchen wie jedes Jahr um die­se Zeit, doch, doch, nach einem Weih­nachts­baum, in die­sem Jahr sei sie spät dran, ja, ja, mit allem, was man sich den­ken kann, aber elek­tri­sche Ker­zen, schon immer, seit die Kin­der in die Schu­le gehen, kom­me ein Baum ins Haus, ja, wir sind Ale­vi­ten, auch die Kin­der, aber immer haben wir Weih­nach­ten gefei­ert, man trifft sich, Freun­de, Schwes­tern, Brü­der, Onkel, Tan­ten, und kocht und freut sich, und die Kin­der bekom­men Geschen­ke, doch, doch, du brauchst dich nicht zu wun­dern, wir fei­ern gern, ja, ja, wir fürch­ten uns, eine Hand­voll Furcht, es ist ein schlim­mes Jahr gewe­sen, auch für uns Ale­vi­ten, das ist mei­ne Hei­mat hier, und wie­der fürch­te ich mich, wir spre­chen nicht viel dar­über, wir hof­fen, dass es nicht näher kommt. — stop

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apfel pfirsich bananen

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sier­ra : 3.15 — Es war kurz nach sechs Uhr mor­gens. Ich beob­ach­te­te am Flug­ha­fen eine Frau, wie sie im Super­markt Früch­te berühr­te. Ihre Hän­de steck­ten in Plas­tik­hand­schu­hen, sie trug eine Bril­le, die groß aus­ge­fal­len war, und einen papie­re­nen Schutz vor dem Mund, der sich wie ein Segel vor ihrem Atem bläh­te. Sie schien sehr auf­ge­regt zu sein, ihre Hän­de beweg­ten sich has­tig, zwei Äpfel, einen Pfir­sich, drei Bana­nen leg­te sie in ihr Körb­chen ab, dann eil­te sie wei­ter sofort zur Kas­se, wo sie war­ten muss­te. Sie wirk­te selt­sam ver­lo­ren, kaum jemand schien sie zu beach­ten. Sie stand in der Schlan­ge, unru­hig, eine Erschei­nung, als wäre sie ver­se­hent­lich viel zu früh an einem Zeit­ort ange­kom­men, der bis jetzt nicht bereit war, sie auf­zu­neh­men. Plötz­lich stell­te sie das Körb­chen, das sie auf ihrem Roll­kof­fer balan­cier­te, auf dem Boden ab und flüch­te­te. — Ein Gedan­ke zunächst, dann ein Wort, ein ers­tes Wort, ein Satz, ein ers­ter Satz. Dort her­um wach­sen wei­te­re Gedan­ken, lang­sa­me Tage, Tage des Sam­melns, lang­same Näch­te, Näch­te des War­tens, Land ent­steht, Land, auf dem sich’s leben und erzäh­len lässt. Zei­chen für Zei­chen, das Wach­sen eines Koral­len­mun­des.- stop

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am nachttisch

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india : 3.02 — Ich träum­te von Win­ter­flie­gen. Als ich auf­wach­te, erin­ner­te ich mich, vor Jah­ren ein­mal über Win­ter­flie­gen nach­ge­dacht zu haben. Ich notier­te Fol­gen­des: Die Gat­tung der Win­ter­flie­gen soll­te in eisi­ger Umge­bung exis­tie­ren, in Höh­len, die sie mit ihren Flie­gen­fü­ßen per­sön­lich in den Schnee ein­gra­ben. Viel­leicht, das ist mög­lich, sind Win­ter­flie­gen von Natur aus eher küh­le Wesen, oder aber sie tra­gen einen wär­men­den Pelz, ein Fell, wie das der Eis­bä­ren, wei­che, wei­ße Män­tel von Haut und Haar, die ihre äußerst lang­sam schla­gen­den Her­zen schüt­zen. Die­se Flie­gen, dach­te ich, wer­den ein­hun­dert Jah­re oder älter, sie könn­ten sich von feins­ten Stäu­ben ernäh­ren, vom Plank­ton, das aus den vom Wind gebeug­ten Wäl­dern ange­flo­gen kommt, von Moo­sen, Bir­ken­pol­len, vom Kot­sand nor­di­scher Füch­se. Ich stell­te mir vor, sie sind weiß, so weiß, dass man sie nicht sehen wird, wenn sie über den Schnee spa­zie­ren. Man wird mei­nen, der Schnee bewe­ge sich selbst oder es wäre der Wind, der den Schnee bewegt, statt­des­sen sind es die Flie­gen, die nicht grö­ßer sind als jene Flie­gen, die nacht­wärts im Som­mer aus einem Apfel stei­gen. – Ein ruhi­ger Tag, Augen zu, warm, Son­ne. — Abends sit­ze ich in der Küche am Tisch. Ich öff­ne eine Schreib­ma­schi­ne, die ich vor drei Jah­ren aus dem akti­ven Schreib­ma­schi­nen­le­ben in mein Schreib­ma­schi­nen­mu­se­um trans­fe­rier­te, um nach­zu­se­hen, ob ich sie viel­leicht noch ein­mal in Gang set­zen könn­te. Klei­ne Schrau­ben tür­men sich zu einem Berg, es riecht nach Metall, nach Zinn, wie in der Kind­heit, wenn ich mei­ne Nase an Radio­ge­rä­te drück­te. An der Wand in nächs­ter Nähe hockt Esme­ral­da, sie scheint mich zu beob­ach­ten oder das Inne­re der Schreib­ma­schi­ne. Aus dem Neben­zim­mer drin­gen noch immer Kampf­ge­räu­sche, Schüs­se von Geweh­ren, hel­le Töne, als wür­den Kie­sel­stei­ne anein­an­der schla­gen. Auch gro­ße Kali­ber sind zu ver­neh­men, deren genaue Bezeich­nun­gen ich nicht ken­ne, Mör­ser viel­leicht, Pan­zer­ka­no­nen, Maschi­nen­waf­fen. Ein Mann, ich möch­te sei­nen Deck­na­men an die­ser Stel­le nicht ver­zeich­nen, sam­melt Fil­me in der digi­ta­len Sphä­re, die er zu end­lo­sen Ket­ten knüpft, Sze­nen aus dem syri­schen Bür­ger­krieg, zuletzt von dem Kampf um Kobanê. Per­so­nen ste­hen auf einer Stra­ße, sie feu­ern auf Häu­ser, plötz­lich fal­len sie um. Ein jun­ger Mann hüpft vor dem Kör­per einer jun­gen Frau, die auf dem Rücken liegt, ein Teil ihres Gesich­tes fehlt. Der jun­ge Mann preist Gott, er stellt sei­nen Stie­fel auf die Brust der jun­gen Frau, die ver­mut­lich, nein sicher, gegen ihn kämpf­te. Bär­ti­ge Män­ner eilen gebückt über Fel­der, einem der Män­ner fliegt ein Arm davon. — stop

nach­rich­ten von esmeralda »
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