Aus der Wörtersammlung: iss

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ai : INDONESIEN

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MENSCHEN IN GEFAHR: „Am 27. Sep­tem­ber ver­ab­schie­de­te das Par­la­ment von Aceh das isla­mi­sche Straf­ge­setz für die Pro­vinz Aceh (Qanun Hukum Jina­yat) auf Grund­la­ge der Scha­ria. Dar­in sind unter ande­rem bis zu 100 Stock­schlä­ge für gleich­ge­schlecht­li­che sexu­el­le Bezie­hun­gen und vor- sowie außer­ehe­li­che sexu­el­le Bezie­hun­gen (“Ehe­bruch”) vor­ge­se­hen. Das Gesetz sieht die Prü­gel­stra­fe zudem für eine Rei­he wei­te­rer Ver­ge­hen vor, wie z. B. Alko­hol­kon­sum, Glücks­spiel, “Allein­sein mit einer oder einem Ange­hö­ri­gen des ande­ren Geschlechts, der oder die kein(e) Ehepartner_in oder Ver­wand­te® ist” (khal­wat), sexu­el­le Miss­hand­lung, Ver­ge­wal­ti­gung, außer­ehe­li­cher Aus­tausch von Zärt­lich­kei­ten sowie Beschul­di­gung einer Per­son, Ehe­bruch began­gen zu haben, ohne aber vier Zeu­gen vor­wei­sen zu kön­nen. Es wird zudem befürch­tet, dass die Vor­schrif­ten zur Beweis­last in Fäl­len von Ver­ge­wal­ti­gung und sexu­el­ler Miss­hand­lung nicht den inter­na­tio­na­len Stan­dards ent­spre­chen. Das isla­mi­sche Straf­ge­setz der Pro­vinz Aceh ist auf in der Pro­vinz wohn­haf­te Mus­li­me anwend­bar. Jedoch könn­ten auch Nicht­mus­li­me unter dem Gesetz ver­ur­teilt wer­den, wenn es um Ver­ge­hen geht, die nicht im indo­ne­si­schen Straf­ge­setz­buch gere­gelt sind. /Das isla­mi­sche Straf­ge­setz der Pro­vinz Aceh wird nur dann der Zen­tral­re­gie­rung zur Bil­li­gung vor­ge­legt, wenn der Gou­ver­neur der Pro­vinz es zuvor abzeich­net. Nach den gegen­wär­ti­gen Rege­lun­gen hat die Zen­tral­re­gie­rung nach Vor­la­ge des Geset­zes 60 Tage Zeit, eine Über­ar­bei­tung anzu­ord­nen oder das Gesetz abzu­leh­nen, falls es der indo­ne­si­schen Ver­fas­sung oder ande­ren natio­na­len Geset­zen zuwi­der­läuft. / Die Prü­gel­stra­fe stellt eine grau­sa­me, unmensch­li­che und ernied­ri­gen­de Stra­fe dar, die gegen das Völ­ker­recht ver­stößt, ins­be­son­de­re gegen Arti­kel 7 des Inter­na­tio­na­len Pak­tes über bür­ger­li­che und poli­ti­sche Rech­te und die UN-Anti­fol­ter­kon­ven­ti­on, deren Ver­trags­staat Indo­ne­si­en ist.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 14. Novem­ber 2014 hin­aus, unter »> ai : urgent action

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vor dem bildschirm

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echo : 6.22 — Wür­de ich in die­ser Minu­te aus mei­ner Haut fah­ren, sagen wir, oder mit einem Auge mei­nen klei­nen Kör­per ver­las­sen und etwas in der Zeit zurück­rei­sen, dann könn­te ich mich selbst beob­ach­ten, einen Mann, der an einem Abend in der Küche steht, einen Mann, der Tee kocht, er spricht mit sich selbst. Er sagt: Heu­te machen wir das, heu­te ist es rich­tig. Ein Bün­del Melis­se zieht durchs flim­mern­de Was­ser, bald trägt der Mann eine damp­fen­de Tas­se durch den Flur ins Arbeits­zim­mer. Er schal­tet sei­ne Schreib­ma­schi­ne an, sitzt auf einem Gar­ten­stuhl vor einem Bild­schirm und arbei­tet sich durch elek­tri­sche Ord­ner in die Tie­fe sei­ner Ver­zeich­nis­se vor­an. Eine Vier­tel­stun­de ste­he ich hin­ter ihm und seh ihm zu. Dann erhebt sich der Mann, er steht jetzt zwei Meter vom Bild­schirm ent­fernt und war­tet. Der Bild­schirm ist aus der Ent­fer­nung gese­hen hand­li­cher gewor­den, ein klei­nes Fens­ter von Licht. Dort kniet ein Mensch auf dem Boden, ein Mensch, der sich fürch­tet. Eine Stim­me ist zu hören, eine schril­le Stim­me. Sie spricht schep­pernd Sät­ze in ara­bi­scher Spra­che, uner­träg­lich die­se Geräu­sche. Der Mann vor dem Schreib­tisch tritt einen wei­te­ren Schritt zurück. Er scheint flüch­ten zu wol­len. Zwei Fin­ger sei­ner rech­ten Hand for­men einen Ring, er hält ihn vor sein lin­kes Auge, wäh­rend das rech­te Auge geschlos­sen bleibt. So ver­harrt er, leicht gebeugt, bewe­gungs­los, zwei Minu­ten, drei Minu­ten. Ein­mal ist sein Atem zu hören, hef­tig. Kurz dar­auf steht der Mann wie­der in der Küche, er lehnt mit dem Rücken am Kühl­schrank, denkt, dass es schneit und spürt Unru­he, die lan­ge Zeit in die­ser Hef­tig­keit nicht wahr­zu­neh­men gewe­sen war. Ein Mensch, Dani­el Pearl, wur­de zur Ansicht getö­tet. Was machen wir jetzt? — stop / Kof­fer­text 12 Feb. 2010 : In die­sen Tagen spre­chen die Mör­der der IS eng­li­sche Sprache.

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katta

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papa : 02.08 — Ich beob­ach­te­te, dass ein klei­ner Affe, sobald ich mich mit der lin­ken Hand stoß­ar­tig von oben kom­mend näher­te, die­se lin­ke Hand als einen Raub­vo­gel betrach­te­te, vor dem er hupend und fau­chend mit gebleck­tem Gebiss rück­wärts über den Tisch gehend die Flucht ergriff, ohne sich an mei­ner rech­ten Hand zu stö­ren, die in nächs­ter Nähe mit sei­nen Sul­ta­ni­nen spiel­te. Der­art gründ­lich habe ich mit mei­nen Hän­den auf dem Tisch das Jagen und Sam­meln geübt, dass ich sie bis­wei­len als zwei sepa­ra­te Lebe­we­sen betrach­ten kann. Wenn ich mei­ne lin­ke Hand mit mei­ner rech­ten Hand berüh­re, durch­bre­che ich einen Spie­gel. Wenn ich sage, mei­ne Hand ohne Haut, habe ich in mei­nem Kopf ein Bild zur Ver­fü­gung, das sich bewe­gen lässt. Wenn ich sage, mei­ne schla­fen­den Hän­de, spre­che ich von Hän­den, die ich nie gese­hen habe. Gera­de eben noch habe ich eine Apfel­si­ne geschält. Wäh­rend ich mei­ne Hän­de beob­ach­te­te, wie sie geschickt die Ker­ne der Frucht von­ein­an­der trenn­ten, ohne dass ich ihnen genaue­re Anwei­sun­gen geben muss­te, dach­te ich dar­über nach, wie vie­le Apfel­si­nen die­se Hän­de in ihrem Leben bereits geschält haben könn­ten. — Drei Uhr zwölf in Koba­ni, Syria. — stop
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krim : lichtbild No 2

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ulys­ses : 6.55 — Asso­cia­ted Press ver­öf­fent­lichte vor eini­gen Mona­ten eine bemer­kens­wer­te Foto­gra­fie. Men­schen sind zu sehen, die an der Kas­se eines Ladens dar­auf war­ten, bedient zu wer­den, oder Waren, die sie in Plas­tik­beu­teln mit sich füh­ren, bezah­len zu dür­fen. Es han­delt sich bei die­sem Laden offen­sicht­lich um ein Lebens­mit­tel­ge­schäft, das von künst­li­chem Licht hell aus­ge­leuch­tet wird. Im Hin­ter­grund, rech­ter Hand, sind Rega­le zu erken­nen, in wel­chen sich Sekt– und Wein­fla­schen anein­an­der­rei­hen, gleich dar­un­ter eine Tief­kühl­truhe in der sich Spei­se­eis befin­den könn­te, und lin­ker Hand, an der Wand hin­ter der Kas­se, wei­tere Rega­le, Zeit­schrif­ten, Spi­ri­tuo­sen, Scho­ko­lade, Bon­bon­tü­ten. Es ist alles schön bunt, der Laden könn­te sich, wenn man bereit ist, das ein oder ande­re erkenn­bare kyril­li­sche Schrift­zei­chen zu über­se­hen, in einem Vor­ort der Stadt Paris befin­den oder irgend­wo in einem Städt­chen im Nor­den Schwe­dens, nahe der Stadt Rom oder im Zen­trum Lis­sa­bons. Es ist Abend, ver­mut­lich oder Nacht, eine küh­le Nacht, weil die Frau, die vor der Kas­se war­tet, einen Ano­rak trägt von hell­blauer Far­be und fei­ne dunk­le Hosen, ihre Schu­he sind nicht zu erken­nen, aber die Schu­he der Män­ner, es sind vier Per­so­nen, ver­mut­lich mitt­le­ren Alters. Sie tra­gen schwar­ze, geschmei­dig wir­kende Mili­tär­stie­fel, außer­dem Uni­for­men von dun­kel­grü­ner Far­be, run­de Schutz­helme, über wel­chen sich eben­so dun­kel­grüne Tarn­stoffe span­nen, wei­ter­hin Wes­ten mit aller­lei Kampf­werk­zeu­gen, der ein oder ande­re der Män­ner je eine Sturm­wind­brille, Knie­schüt­zer, Hand­schuhe. Die Gesich­ter der Män­ner sind der­art ver­mummt, dass nur ihre Augen wahr­zu­neh­men sind, nicht ihre Nasen, nicht ihre Wan­gen, nicht ihre Mün­der. Sie tra­gen kei­ne Hoheits­zei­chen, aber sie wir­ken kampf­be­reit. Einer der Män­ner schaut miss­trau­isch zur Kame­ra hin, die ihn ins Visier genom­men hat, ein Blick kurz vor Gewalt­tä­tig­keit. Jeder Blick hin­ter eine Mas­ke her­vor ist ein selt­sa­mer Blick. Einer ande­rer der Män­ner hält sei­nen Geld­beu­tel geöff­net. Die Män­ner wir­ken alle so, als hät­ten sie sich gera­de von einem Kriegs­ge­sche­hen ent­fernt oder nur eine Pau­se ein­ge­legt, ehe es wei­ter gehen kann jen­seits die­ses Bil­des, das Erstau­nen oder küh­le Furcht aus­zu­lö­sen ver­mag. Ich stel­le mir vor, ihre Sturm­ge­wehre lehn­ten vor dem Laden an einer Wand. Und wenn wir gleich her­aus­tre­ten an die fri­sche Luft, wenn wir den Blick zum Him­mel heben, wür­den wir die Ster­ne über Sim­fe­ro­pol erken­nen, oder über Jal­ta, Luhansk, Mariu­pol. — stop / kof­fer­test : updated — ich habe die­se auf­nah­me mit eige­nen augen gesehen.
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zenobe inc.

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MELDUNG. Von 3.00 bis 4.30 Uhr aus­ge­raubt wur­den bereits in der Nacht zum Frei­tag Zen­tral­la­ger fol­gen­der Fir­men: Mor­se & Co [ Lon­don ] sowie Zen­obe inc. [ Buda­pest ]. 3870 Model­le der Dampf­lo­ko­mo­ti­ven­gat­tun­gen DR 4137 sowie DR 4105 wer­den ver­misst, auch Gelei­se sowie Signal­an­la­gen [ Deut­sche Reichs­bahn ] : 18 Kilo­me­ter HO [ 15.008 Kar­tons ]. — stop
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kleine anatomische geschichte

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echo : 5.01 — Ges­tern ist mir wie­der ein­mal etwa Selt­sa­mes mit mir selbst pas­siert. Ich beob­ach­te­te im Spie­gel ein Augen­lid, das flat­ter­te. Ich war noch nicht lan­ge wach gewe­sen. Als sich das Augen­lid beru­higt hat­te, bemerk­te ich, dass auch ein klei­ner Mus­kel an mei­ner lin­ken Wan­ge beb­te und ich über­leg­te, wel­cher Mus­kel das genau sein könn­te. In die­sem Moment erin­ner­te ich mich an eine klei­ne Geschich­te, die ich vor weni­gen Jah­ren in einem Café erleb­te. Eine Freun­din saß mir gegen­über. Wir spra­chen über dies und das. Plötz­lich beschwer­te sie sich, ich wür­de sie so selt­sam anse­hen. Tat­säch­lich hat­te ich Bewe­gun­gen ihres Gesich­tes beob­ach­tet, in den Momen­ten genau, da sie sprach oder lach­te. Es war ein unwill­kür­li­cher Blick unter die Haut gewe­sen, ein sozu­sa­gen ana­to­mi­scher Blick, der sie irri­tier­te, ohne zu wis­sen, wes­halb genau. Sie mein­te, ich wür­de ihr nicht zuhö­ren, son­dern träu­men. In die­sem Moment wur­de deut­lich: Sobald ich einen Men­schen in ana­to­mi­scher Wei­se betrach­te, wird mein Blick in den Augen des Betrach­te­ten kein schar­fer Blick sein, wie man viel­leicht erwar­ten wür­de, son­dern ein unschar­fer Blick, eine Gren­ze über­schrei­tend, fan­ta­sie­rend. — stop
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ohne radioradar

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nord­pol : 1.55 — Eine stil­le Arbeits­nacht. Auf dem Tisch in der höl­zer­nen Küche unter dem Dach sta­peln sich Ton­spu­len, die ich nach Zeit­punkt der Auf­nah­me oder den Namen der Per­so­nen, die ich befrag­te, sor­tier­te: Katin­ka 1 — 3. Vor weni­gen Minu­ten war ich kurz ein­ge­schla­fen, ohne vom Stuhl zu fal­len. Balan­ce scheint mög­lich zu sein, oder ich habe nicht sehr tief geschla­fen. Als ich erwach­te, saß Esme­ral­da vor mir auf dem Tisch. Sie betrach­te­te mich. Ihre Füh­ler­au­gen beweg­ten sich äußerst lang­sam auf und ab. Dann setz­te sie sich in Bewe­gung, wen­de­te sich einer Bana­ne zu, die auf dem Tel­ler lag, dort schien sie bald ein­ge­schla­fen zu sein. Ich kann sie der­zeit berüh­ren, ihren schim­mern­den Leib, sie flüch­tet nicht, sie ist kühl und sie riecht nach Eisen und Regen und etwas nach Salz. Ges­tern hat­te ich mich wie­der ein­mal gefragt, ob Esme­ral­da viel­leicht in der Lage sei, zu hören. Ich mach­te mich sofort auf den Weg zum Com­pu­ter, um nach­zu­for­schen, ob Schne­cken über ein Gehör ver­fü­gen. Dann klin­gel­te das Tele­fon, eine Stun­de spä­ter erin­ner­te ich mich, dass ich nach den Ohren der Schne­cken fra­gen woll­te. Heu­te aber ist eine sol­che Nacht, da ich nichts wis­sen will, auch nicht ob Esme­ral­da hören kann, wenn ich pfei­fe oder spre­che. In mei­ner Nähe, sie schla­fen ver­mut­lich gera­de, exis­tie­ren Per­so­nen, die nichts ahnen vom Mor­den in der Ukrai­ne, von Viren, die in Afri­ka Men­schen befal­len, von Flücht­lin­gen, die durch das Sing­schar — Gebir­ge irren. Sie lesen kei­ne Zei­tung, sie besit­zen weder Radio noch Fern­seh­ge­rät, aber sie lesen Bücher, die sich immer sehr weit hin­ter der Jetzt­zeit bewe­gen. — stop

nach­rich­ten von esmeralda »
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herr bisaso

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hima­la­ya : 2.08 — Jeden Mor­gen, im Früh­ling oder im Som­mer, Herbst oder Win­ter, erscheint Herr Bisaso gegen 4 Uhr am Ter­mi­nal 1 des Frank­fur­ter Flug­ha­fens. Er trägt eine graue Hose, ein dun­kel­blau­es Hemd, eine gel­be Kra­wat­te und ein Schild­chen, auf dem das Wort SECURITY zu lesen steht, außer­dem ein Stäb­chen von etwa 1 Meter 50 Län­ge, das er in der rech­ten oder lin­ken Hand mit sich zu füh­ren pflegt. Das Stäb­chen scheint aus Bam­bus­rohr gemacht, an sei­ner Spit­ze sitzt eine wei­che Bee­re von Leder und Samt, die von Herrn Bisaso ver­mut­lich höchst­per­sön­lich dort ange­bracht wor­den war. Der alte Mann ist von statt­li­cher Erschei­nung, bei­na­he zwei Meter groß, er wur­de in Mom­ba­sa gebo­ren, lebt aber schon lan­ge Zeit, Jahr­zehn­te, in Euro­pa. Blitz­blan­ke, schwar­ze Schu­he. Auf die­sen Schu­hen macht er sich nun auf sei­nen mor­gend­li­chen Weg, der ihn über das Ter­mi­nal 1 zum Ter­mi­nal 2 und wie­der zurück­füh­ren wird. Ich sehe ihn, wie er sich umsieht und pfeift, er scheint fröh­lich zu sein, er liebt den Mor­gen und viel­leicht auch sei­ne Arbeit, sei­nen Auf­trag. In die­ser Wei­se, lei­se pfei­fend, nähert er sich einer Bank, auf wel­cher ein Mann liegt, der schläft. Das Hemd des Man­nes ist ver­rutscht, sein Bauch zu sehen, auch sind sei­ne Schu­he zu Boden gefal­len. Es riecht ein wenig bit­ter in der Luft. Behut­sam berührt Herr Bisaso den Mann mit jenem wei­chen Ende sei­nes Bam­bus­zei­gers an der Schul­ter, und schon fährt der Mann hoch aus einem Traum, reibt sich die Augen, fuch­telt dann mit den Hän­den, und beginnt laut zu schimp­fen. Guten Mor­gen, ent­geg­net Herr Bisaso mit tie­fer Stim­me. Er steht ganz ruhig und war­tet, bis der noch halb­wegs, Schla­fen­de auf­ge­stan­den ist. Jetzt ist er zufrie­den. Er schlen­dert zur nächs­ten Bank, die zum Nacht­la­ger einer jun­gen Frau gewor­den ist, auch sie scheint ein wenig bit­ter zu rie­chen und ohne Kof­fer zum Flug­ha­fen gekom­men zu sein. Bald steht auch sie, reibt sich die Augen, betrach­tet den gro­ßen Mann und sein Stäb­chen, das Herr Bisaso noch nicht sehr lan­ge Zeit mit sich führt. Fol­gen­de Nach­richt wäre vor weni­gen Wochen noch mög­lich gewe­sen. MELDUNG: Von 4 bis 5 Uhr wur­den in den Ter­mi­nals des Frank­fur­ter Flug­ha­fens 87 Per­so­nen, die auf Sitz­ge­le­gen­hei­ten ruh­ten, von Mr. Bisaso geweckt. Er muss­te des­halb 2 Trit­te, eine Umar­mung, alle­samt unwill­kür­lich, aber nur zwei Ohr­fei­gen ent­ge­gen­neh­men. — stop

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mr. ruby

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sier­ra : 0.02 — Eine Dach­woh­nung im 32. Stock eines Hau­ses an der Madi­son Ave­nue. Auf­zü­ge fah­ren nur noch bis zum 20. Stock, das Gebäu­de scheint lang­sam zu ver­fal­len, irgend­je­mand will Rat­ten in der 15. Eta­ge gese­hen haben. Der Bewoh­ner des klei­nen Habi­tats, ein Mann von 72 Jah­ren, geht kaum noch vor die Tür. Er kann sich glück­li­cher­wei­se einen Boten leis­ten, der sei­ne Hem­den und Hosen zur Rei­ni­gung bringt, Ein­käu­fe erle­digt, Post aus dem Brief­kas­ten holt, sei­nen Kühl­schrank füllt. Zudem genießt er einen groß­ar­ti­gen Aus­blick auf die Stadt. Vor den Fens­tern der Woh­nung war­ten Tele­sko­pe, die wie grö­ße­re Stelz­jagd­vö­gel auf lan­gen Bei­ne ste­hen. Es geht ihm nicht dar­um, in der Nacht heim­lich Men­schen zu betrach­ten, in Woh­nun­gen zu spä­hen, wie man viel­leicht mei­nen möch­te, nein, es geht dar­um, das Licht zu beob­ach­ten, dort, wo zu viel Licht ist, wo man ver­säum­te, das Licht aus­zu­schal­ten. Zum Bei­spiel am ver­gan­ge­nen Sams­tag, da brann­ten in einem Gebäu­de der Hafen­be­hör­de Höhe 48. Stra­ße im sechs­ten Stock noch ein paar Bir­nen. Unver­züg­lich wur­de von der Madi­son Ave­nue aus ein Tele­fon­ge­spräch geführt: Hal­lo, guten Abend, hier Ruby, spre­che ich mit Mr. Bale, oh, lei­ten sich mich doch bit­te an die Haus­ver­wal­tung wei­ter! Kurz dar­auf sehe ich Ruby nach Süd­wes­ten spä­hen. Ich bemer­ke ihn über­haupt zum ers­ten Mal in vol­ler Grö­ße. Ein klei­ner Mann, der immer einen Hut trägt, einen Came­ron Pork Pie, mehr­fach gewa­schen, ich kann nicht sagen, war­um ich das weiß. Ich sehe ihn genau, er ist bar­fuß, sei­ne Kon­tur, sei­nen Umriss, fast bewe­gungs­los vor dem Licht­meer der gro­ßen Stadt ste­hen. Und ich höre ihn seuf­zen als im 8. Stock der Hafen­be­hör­de das Licht erlischt, eines nach dem ande­ren, Zim­mer für Zim­mer. Und schon wech­selt er das Fens­ter und späht wie­der in die Stadt hin­aus. Stadt­plä­ne lie­gen auf dem Boden der Woh­nung her­um. Es ist kurz vor Mit­ter­nacht. Ein Fracht­schiff fährt den Hud­son her­auf. Natür­lich scheint die­se Geschich­te aus sehr unter­schied­li­chen Grün­den nicht mög­lich zu sein. Ers­ter Ver­such. — stop

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vom rotkehlchen

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char­lie : 16.02 — Am 28. Juli 2014 bereits wur­de am Fuße eines Ber­ges im Schat­ten einer Buche eine Rechen­ma­schi­ne gefun­den, in ihren Ver­zeich­nis­sen ein Ord­ner, den der Besit­zer der Rechen­ma­schi­ne Herr Lud­wig L. mit der Bezeich­nung Archiv ver­se­hen hat­te. Es han­delt sich um einen unge­wöhn­lich umfang­rei­chen Ord­ner, 425 Giga­byte groß, in dem 1245 ver­schlüs­sel­te Fil­me ent­hal­ten sein sol­len. Wo sich Herr L. zu die­sem Zeit­punkt befin­det, weiß nie­mand so genau. Er soll sich auf den Weg auf­wärts gemacht haben, zuletzt wur­de er auf moos­be­wach­se­nen Stei­nen eines Bach­bet­tes klet­ternd gese­hen. Er mach­te auf einer Höhe von 872 Metern einen fröh­li­chen Ein­druck, war mit fes­ten Schu­hen, einem gel­ben Ruck­sack, Regen­schirm und Regen­um­hang aus­ge­rüs­tet, einem Seil wei­ter­hin, Kara­bi­nern, sowie einem klei­nen Ham­mer und einem Kom­pass. So jeden­falls wur­de er beschrie­ben von meh­re­ren Zeu­gen, die ihm begeg­net sein wol­len. Sie sagen alle das­sel­be: Der Mann war glück­lich. Ein­mal stand er bis zu den Hüf­ten im kal­ten Was­ser eines Kes­sels, den der Bach gleich­mü­tig in das Gestein des Ber­ges gegra­ben hat­te. Er grüß­te zur Brü­cke hin­auf, Wan­de­rer beob­ach­te­ten ihn. Ein Rot­kehl­chen bade­te in sei­ner Nähe. Forel­len hüpf­ten aus dem Was­ser, glän­zen­de Rücken im Licht der Son­ne, die durch die kar­gen Wip­fel strahl­te. Auf 2105 Metern Höhe begeg­ne­te der Mann einem Hir­ten und sei­nem Hund, dann war er ver­schwun­den. Kei­ner­lei Spur seit­her, auch heu­te nicht, da sich ein Zoll­be­am­ter der Unter­su­chung der zurück­ge­las­se­nen Rechen­ma­schi­ne wid­me­te. Es ist 15 Uhr, Frei­tag. — stop

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