Aus der Wörtersammlung: jahre

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hirnhummeltee

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echo

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : HIRNHUMMELTEE
date : oct 8 13 6.11 p.m.

Am ach­ten Sep­tem­ber, es war ein Sonn­tag gewe­sen, ein war­mer, freund­li­cher Tag, erreich­te Fran­kie Bat­tery Park. Er hielt sich nicht lan­ge auf unter den Bäu­men, die sich bereits herbst­lich färb­ten, folg­te der Küs­ten­li­nie, um zwei Stun­den spä­ter das Schiffs­ter­mi­nal South Fer­ry zu errei­chen. Bis dahin hat­ten wir ver­mu­tet, Fran­kie sei ein scheu­es, ein men­schen­scheu­es Tier, doch gegen den Abend zu in der Däm­me­rung, wag­te sich das Eich­hörn­chen in den zen­tra­len Saal des Gebäu­des, in wel­chem hun­der­te Pas­sa­gie­re auf das nächs­te Schiff nach Sta­ten Island war­te­ten. Alli­son warn­te als Ers­te mit­tels eines Funk­spru­ches, Fran­kie könn­te viel­leicht eines der Fähr­schif­fe entern. Und genau­so war es gekom­men, das klei­ne, mus­ku­lö­se Tier has­te­te laut­los über den blitz­blan­ken Boden des Ter­mi­nals, duck­te sich unter Sitz­bän­ken, ver­barg sich in den Schat­ten des Abends, um von den Hun­den der Küs­ten­wa­che unbe­merkt, nur von eini­gen Kin­dern stau­nend betrach­tet, über den Steg an Bord der John F. Ken­ne­dy zu huschen. Hier befin­den wir uns zu die­sem Zeit­punkt. Es ist wie­der Abend gewor­den, der drei­ßigs­te Tag, an dem Fran­kie auf dem Fähr­schiff über die Upper­bay pen­del­te, neigt sich dem Ende zu. Am Hori­zont, im Wes­ten, leuch­ten die Hafen­krä­ne New Jer­seys, sie blin­ken, mäch­ti­ge Eisen­vö­gel. Auf der Pro­me­na­de spa­zie­ren Men­schen mit Foto­ap­pa­ra­ten. Es ist ein schö­ner Spät­som­mer­abend. Seit vie­len Stun­den rollt ein Ball von einer Sei­te des Schif­fes zur ande­ren. Ich wer­de müde, indem ich ihm mit den Augen fol­ge. Nie­mand scheint sich an sei­ner Bewe­gung zu stö­ren, es ist so, als wür­de der Ball zum Schiff gehö­ren, als wür­de er schon seit vie­len Jah­ren über das Hur­ri­ka­ne­deck rol­len. Fran­kie schläft. Er ruht in einer Ret­tungs­wes­te, die unter einer Sitz­bank bau­melt. Die Wes­te schau­kelt im leich­ten See­gang hin und her. — Ihr Mal­colm / code­wort : hirnhummeltee 

emp­fan­gen am
8.10.2013
1871 zeichen

mal­colm to louis »

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im gebirge

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echo : 22.02 — Vor län­ge­rer Zeit begeg­ne­te mir ein alter Mann im Gebir­ge. Ich erin­ne­re mich des­halb gut an ihn, weil er rasant auf­wärts gestie­gen war. Er muss­te über acht­zig Jah­re alt gewe­sen sein, ich war damals Mit­te drei­ßig, konn­te ihm aber nicht fol­gen. Er trug ein karier­tes Hemd, des­sen Mus­ter durch dich­ten Nebel leuch­te­te, der sich lang­sam über den Rücken des Ber­ges beweg­te. Amei­sen über­quer­ten die stei­ni­gen, sehr stei­len Pfa­de. Sie waren so lei­se wie die Wol­ken um uns her. Auch der alte Mann beweg­te sich fast geräusch­los. Manch­mal hör­te ich einen Stein, der abwärts roll­te und das Pfei­fen der Doh­len von weit oben. Nach einer Wei­le war der alte Mann ver­schwun­den, zwei oder drei Stun­den spä­ter tauch­te er in der Nähe des Gip­fels wie­der auf. Er saß auf einem Stein unweit des Weges. In sei­ner Nähe, in Sicht­wei­te, war an einem Fel­sen ein Bild­stock befes­tigt. Das Mar­terl beher­berg­te die Schwarz-Weiß-Foto­gra­fie eines jun­gen Man­nes. Ich grüß­te den alten Mann und stieg wei­ter zum Gip­fel auf. Nach einer hal­ben Stun­de mach­te ich mich auf den Rück­weg. An der Stel­le, an wel­cher der alte Mann geras­tet hat­te, rauf­ten sich ein paar Doh­len um etwas Brot. Noch heu­te mei­ne ich, ihre schril­len Rufe hören zu kön­nen. — stop

polaroidorna

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vom fliegen

9

echo : 22.08 — Mein Vater ver­füg­te über ein her­vor­ra­gen­des Gedächt­nis. Jah­re­lang konn­te er sich an Geschich­ten erin­nern, die unmit­tel­bar mit Licht­bil­dern, die er auf­ge­nom­men hat­te, in Ver­bin­dung ste­hen. Nun, da er gestor­ben ist, exis­tie­ren vie­le die­ser Geschich­ten im Ver­bor­ge­nen, weil mein Vater sich nicht mehr an sie erin­nert, sie nicht mehr erzäh­len wird. In sei­nem Arbeits­zim­mer, wei­ter­hin unbe­rührt, steht ein schwe­rer, alter Schrank gleich neben einem Fens­ter zum Gar­ten, in wel­chem sich tau­sen­de Auf­nah­men in Maga­zi­nen befin­den. Eini­ge der Maga­zi­ne wur­den beschrif­tet. Ägyp­ten 1986, Chi­ca­go 1978 oder Wan­dern im Wal­lis 1969. Auf einer klei­nen Schach­tel ist Fol­gen­des notiert: Andre­as läuft. 87 Dia­fo­to­gra­fien sind in die­ser Schach­tel ent­hal­ten, far­bi­ge Auf­nah­men, die sich mit mei­nen ers­ten Spa­zier­ver­su­chen ver­bin­den. Ich tra­ge wei­che, hel­le Hosen und einen roten Pull­over. Ich schei­ne sehr begeis­tert gewe­sen zu sein, mache gro­ße, run­de Augen, manch­mal sit­ze ich auf dem Boden und lache, ein ander­mal sit­ze ich auf dem Boden und wei­ne. Auf der ein oder ande­ren Foto­gra­fie kom­men Hän­de von der Sei­te her ins Bild oder sie kom­men von oben. Ein­mal sind nur mei­ne Füße zu sehen, sehr klei­ne Füße in blau­en Strümp­fen. Man könn­te mei­nen, die­se Auf­nah­me wür­de doku­men­tie­ren, dass ich das Flie­gen lern­te, noch ehe ich rich­tig ste­hen und lau­fen konn­te. Indem ich die Bil­der mei­nes Vaters beob­ach­te, wird sei­ne Gegen­wart inten­siv spür­bar, er war bei jeder Auf­nah­me in mei­ner Nähe gewe­sen, in der Nähe eines Kin­des, das zur Zeit der Licht­nah­me noch kei­ne wirk­li­che Vor­stel­lung davon haben konn­te, was Erin­ne­rung ist. Und tat­säch­lich, ich kann mich nicht dar­an erin­nern, wie ich das Lau­fen lern­te. – Spä­ter Abend. stop. In Brook­lyn, Haus 77, Oran­ge St., soll eine Stein­kir­sche, Stein­kir­sche No 632, voll­endet wor­den sein. — stop. — 5.08 Gramm. — stop

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versuch über nachtsprache

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romeo : 22.58 — Vor einem mei­ner Fens­ter in der Höhe ist heu­te Abend eine klei­ne Spin­ne auf­ge­taucht, ein Jäger auf dem Fens­ter­brett, schnell, geschmei­dig, gestreif­ter Pelz, Augen so klein, dass ich sie nicht sehen kann. Mit die­sen Augen, die ich nicht sehen kann, beob­ach­te­te mich die Spin­ne ver­mut­lich, wäh­rend ich in ihrer Nähe am Fens­ter stand und Sät­ze wie­der­hol­te, die der­art ver­kno­tet waren, dass ich sie kaum aus­spre­chen konn­te. Die Spin­ne beweg­te sich nicht, und ich dach­te, viel­leicht hör­te sie mir zu, hört, was N., die seit zwölf Jah­ren als Sach­be­ar­bei­te­rin in der Nähe eines Flug­ha­fens arbei­tet, erzähl­te, war­um näm­lich die Begrü­ßung in der Nacht unter Nacht­ar­bei­tern eine selt­sa­me Ange­le­gen­heit sein kann. N’s Aus­sa­ge zur Fol­ge soll es jeweils nach Mit­ter­nacht zu Schwie­rig­kei­ten des­halb kom­men, weil man bis zur Mit­ter­nachts­stun­de noch einen guten Abend wün­schen kön­ne, indes­sen eine Per­son, der man im Auf­zug begeg­ne, in den ers­ten Minu­ten eines neu­en Tages bereits mit einem fröh­li­chen guten Mor­gen zu begrü­ßen sei, obwohl doch der nächs­te Mor­gen mit Licht oder Aus­sicht auf Fei­er­abend zu die­sem Zeit­punkt noch vie­le Stun­den weit ent­fernt sein müss­te. Ein eigen­tüm­li­ches Gefühl, sag­te N., das die­ser vor­aus­ei­len­de Mor­gen inmit­ten der Nacht noch nach Jah­ren in ihr erzeu­ge. Tat­säch­lich scheint es so zu sein, dass inmit­ten der Nacht die Nacht selbst in einer Begrü­ßungs­for­mel nicht ange­spro­chen wer­den kann, weil die For­mu­lie­rung Gute Nacht im all­ge­mei­nen Abschied bedeu­tet unter Men­schen, die zur übli­chen Wach­zeit exis­tie­ren, obwohl man doch im Moment des Abschie­des viel­leicht gera­de Stirn an Stirn in einem Bett liegt, man macht die Augen zu und schläft, sofern man glück­lich und zufrie­den ist. Zwei Schla­fen­de. Es ist so, als wären sie bei­de ver­reist, als wären sie bei­de nicht anwe­send, nicht erreich­bar, auch nicht für sich selbst, weil ein Schla­fen­der nie­mals zuver­läs­sig in der Lage sein wird, sich per­sön­lich zu wecken, ohne vor­beu­gend exter­nes Glo­cken­werk pro­gram­miert zu haben. Aber das ist schon wie­der eine ganz ande­re Geschich­te. — stop

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stille

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tan­go : 22.15 — Am 21. Dezem­ber des ver­gan­ge­nen Jah­res notiert Wolf­gang Herrn­dorf auf Posi­ti­on Arbeit und Struk­tur : Ago­ta Kris­tofs Tri­lo­gie zum drit­ten Mal nach­ein­an­der in Fol­ge gele­sen, das Per­so­nal ver­irrt sich schon in mei­ne Träu­me. Einer der ein­ei­igen Zwil­lin­ge, Klaus, Schrift­stel­ler wie im Buch, steht von Gaf­fern und Poli­zis­ten umringt auf dem Nürn­ber­ger Haupt­markt und hält ein Manu­skript mit dem Titel Die glück­li­che Stadt hoch, des­sen sofor­ti­ge Publi­ka­ti­on er ver­langt. Es hand­le von Unge­heue­rem, Skan­da­lö­sem, Ver­bor­ge­nem. Doch nie­mand, scheint ihm, nimmt ihn ernst; man behan­de­le ihn wie einen Wahn­sin­ni­gen. Ein Poli­zist sagt: War­um brin­gen Sie es nicht zur Zei­tung, um es dort ver­öf­fent­li­chen zu las­sen? / Klaus betritt ein Gebäu­de, des­sen Flu­re und Räu­me an einen vor Jahr­zehn­ten still­ge­leg­ten Büro­kom­plex der Deut­schen Post erin­nern, und gibt sein Manu­skript zusam­men mit einem klei­nen Zet­tel an der zustän­di­gen Stel­le ab. Beim Ver­las­sen der Redak­ti­on bemerkt er, dass alle ihm mit­lei­dig nach­schau­en. Er kehrt um. Ein jun­ger Mann erklärt: Sie kom­men jedes Jahr ein­mal mit Ihren Doku­men­ten hier­her und geben sie zusam­men mit einem Zet­tel ab, auf dem steht: “Bit­te neh­men Sie mein Manu­skript ent­ge­gen, tun Sie so, als ob Sie es dru­cken, und las­sen Sie mich nie­mals wis­sen, was auf die­sem Zet­tel steht.” / Das gro­ße Heft. / Der Beweis. / Die drit­te Lüge. / Die Geschich­te des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts in einer Nuss­scha­le, die die Dimen­sio­nen eines Rie­sen­tan­kers hat, unge­heu­er, wahn­sin­nig, maxi­mal kaputt.Stil­le. - stop

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babuschka

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echo : 4.12 — Vor eini­ger Zeit hat­te ich einen Text geschrie­ben, den ich nur des­halb notier­te, um ihn mit­tels eines Ver­schlüs­se­lungs­pro­gramms in einen Zustand der Unles­bar­keit zu ver­set­zen. Genau­ge­nom­men hat­te ich den Text mit einer beson­de­ren Haut, mit einer Zeit­haut umge­ben. Um ihn näm­lich lesen zu kön­nen, müss­te man den Text zunächst deco­die­ren, das heißt, solan­ge mit­tels einer Com­pu­ter­ma­schi­ne sei­ne Öff­nung pro­bie­ren, bis der rich­ti­ge Schlüs­sel gefun­den ist. Ges­tern, bei gro­ßer Hit­ze, stell­te ich mir vor, was gesche­hen wür­de, wenn nun nach Tagen, Wochen oder Jah­ren des Rech­nens das suchen­de Pro­gramm mel­den wür­de: Ich bin fün­dig gewor­den! Wie ein mensch­li­cher Ana­lyst sich in die­sem Moment zufrie­den sei­nem Bild­schirm nähert, um fest­zu­stel­len, dass sich hin­ter den Zei­chen eines ver­schlüs­sel­ten Tex­tes wei­te­re ver­schlüs­sel­te Zei­chen befin­den. stop – Auf den ers­ten Blick ist fol­gen­dem kodier­ten Text nicht anzu­se­hen, hin­ter wie vie­len Zeit­häu­ten sein les­ba­rer Ursprung ver­bor­gen lie­gen könn­te: ANFANG === B U C W 0 G c o a G j I B W W f k p h Z L v 0 h 4 Y J j 9 4 4 t m c e K C l x B M b L 4 q T d x Y I w B U v V 3 E b p b X y A z Y B e R 5 C a 9 n b s E B p U I 6 z q 3 Z C 6 a Q A R Q 1 a 8 P I N 1 j T L B b V 9 e O F 0 j 5 G s F f y 5 E M D 3 5 a r / C G 0 j V z 4 v n e u M z p T K W Y t 4 D m s J t e / F E C Y C a j 3 Z L Z / h l x G M W I 4 7 v 8 / B I g H c E / Q 2 F 9 G s W Z i z Q K 0 7 k t O W 7 8 k S k A t q u J Z 5 2 F A u n a J 6 C G B u A 7 R o C u P p D n C m 8 F 7 9 F E e m H / T T 3 K x z S 7 r 3 i 0 y 4 g M Z u m G m x i A q 4 l z d A x i o P m 0 O I b x M i T I x P w X j 5 A I i 1 z c e + T W i i x A + 6 A h k p q h o n a D e M / y s A l y W r i p 4 s Z m m / q X y n 2 o P H R q z g U i + T s H B c z + J v K 3 A a d v j Z F L 9 i R M s C f m W y U d 6S 4 4 O f z l 8 x P z H B W z 1 H 2 6 z Z o z F s C U U D Y v k +Y N F 0 f U t A y k a Y 7 E L j / u N X s s q 1 K 1 V z A C i z K Z Y 7 F N J C q y t x s Q c b W r C 3 k 4 i f V 1 l K u g f b N i P t y O 8 1 7 e l u y x d r o i d 5 d X 3 E D g O V s X i T e e 5 Q q i 0 U 6 E o 3 G 5 y r 2 9 a f a w X M a U U r Q V d b i U A V 8 F e y 4 m k e W b 9 e u b 1 i S W F g m K y 4 P 1 0 m 0 e 3 x 5 V q b N W c v i 3 6 j L h / u O I j K 8 L s t Y B s 9 F 4 l l c Q A h B J s Q h U 6 i b R U 5 B 4 f g 3 f j r 2 C I i k c M q R U C 4 4 F E u o Y i R w A r D x H W u 2 2 P w 9 d 8 f A 1 f A r 3 5 D l V 3 B G p / J m h b h 8 w F n 7 p v x g x z 9 i b / S h F t K M v 6 l 6 W L A 5 r 7 U F R S O k l C f 0 L H B a J h n V y w Q 0 e Y k 9 w 9 y / Z M 4 Y m F W O T m x 4 s s A W 5 w X 2 N z L g 3 + 9 + d x L 7 T 8 U + A Y C U L b T M J y l M + H Q y S F 7 S T D I / 8 O 6 4 K F 0 4 d 7 g v I === ENDE / code­wort : babusch­ka — stop

polaroidno7772

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lufteis

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ulys­ses : 0.22 — Ob es geheim­dienst­li­chen Ana­ly­se­ma­schi­nen mög­lich ist, zwi­schen fik­tio­na­len Tex­ten und nicht fik­tio­na­len Tex­ten zu unter­schei­den? — Wei­ter­hin Wär­me in den Zim­mern. Kaum Flie­gen, viel­leicht weil es drau­ßen schön kühl ist. Gewit­ter­duft, wür­zig nach Moos und Frö­schen. Ich erin­ne­re mich in die­sem Moment vor eini­gen Jah­ren einen beson­de­ren Kühl­schrank in Emp­fang genom­men zu haben, einen Behäl­ter von enor­mer Grö­ße. Ich wie­der­ho­le, dass die­ser Kühl­schrank, in wel­chem ich pla­ne im Som­mer wie auch im Win­ter kost­ba­re Eis­bü­cher zu stu­die­ren, eigent­lich ein Zim­mer für sich dar­stellt, ein gekühl­tes Zim­mer, das wie­der­um in einem höl­zer­nen Zim­mer sitzt, das sich selbst in einem grö­ße­ren Stadt­haus befin­det. Nicht dass ich in der Lage wäre, in mei­nem Kühl­schrank­zim­mer auf und ab zu gehen, aber es ist groß genug, um einen Stuhl in ihm unter­zu­brin­gen und eine Lam­pe und ein klei­nes Regal, in dem ich je zwei oder drei mei­ner Eis­bü­cher aus­stel­len wer­de. Dort, in nächs­ter Nähe zu Stuhl und Regal, habe ich einen wei­te­ren klei­ne­ren, äußerst kal­ten, einen sehr gut iso­lier­ten Kühl­schrank auf­ge­stellt, einen Kühl­schrank im Kühl­schrank sozu­sa­gen, der von einem Not­strom­ag­gre­gat mit Ener­gie ver­sorgt wer­den könn­te, damit ich in den Momen­ten eines Strom­aus­fal­les aus­rei­chend Zeit haben wür­de, jedes ein­zel­ne mei­ner Eis­bü­cher in Sicher­heit zu brin­gen. Es ist näm­lich eine uner­träg­li­che Vor­stel­lung, jene Vor­stel­lung war­mer Luft, wie sie mei­ne Bücher berührt, wie sie nach und nach vor mei­nen Augen zu schmel­zen begin­nen, all die zar­ten Sei­ten von Eis, ihre Zei­chen, ihre Geschich­ten. Seit ich den­ken kann, woll­te ich Eis­bü­cher besit­zen, Eis­bü­cher lesen, schim­mern­de, küh­le, uralte Bücher, die knis­tern, sobald sie aus ihrem Schnee­schu­ber glei­ten. Wie man sie für Sekun­den lie­be­voll betrach­tet, ihre pola­re Dich­te bewun­dert, wie man sie dreht und wen­det, wie man einen scheu­en Blick auf die Tex­tu­ren ihrer Gas­zei­chen wirft. Bald sitzt man in einer U‑Bahn, den lei­se sum­men­den Eis­buch­rei­se­kof­fer auf dem Schoß, man sieht sich um, man bemerkt die begeis­ter­ten Bli­cke der Fahr­gäs­te, wie sie flüs­tern: Seht, dort ist einer, der ein Eis­buch besitzt! Schaut, die­ser glück­li­che Mensch, gleich wird er lesen in sei­nem Buch. Was dort wohl hin­ein­ge­schrie­ben sein mag? Man soll­te sich fürch­ten, man wird sei­nen Eis­buch­rei­se­kof­fer viel­leicht etwas fes­ter umar­men und man wird mit einem wil­den, mit einem ent­schlos­se­nen Blick, ein gie­ri­ges Auge, nach dem ande­ren gegen den Boden zwin­gen, solan­ge man nicht ange­kom­men ist in den fros­ti­gen Zim­mern und Hal­len der Eis­ma­ga­zi­ne, wo man sich auf Eis­stüh­len vor Eis­ti­sche set­zen kann. Hier end­lich ist Zeit, unter dem Pelz wird nicht gefro­ren, hier sitzt man mit wei­te­ren Eis­buch­be­sit­zern ver­traut. Man erzählt sich die neu­es­ten ark­ti­schen Tief­see­eis­ge­schich­ten, auch jene ver­lo­re­nen Geschich­ten, die aus purer Unacht­sam­keit im Lau­fe eines Tages, einer Woche zu Was­ser gewor­den sind: Haben sie schon gehört? Nein! Haben sie nicht? Und doch ist kei­ne Zeit für alle die­se Din­ge. Es ist immer die ers­te Sei­te, die zu öff­nen, man fürch­tet, sie könn­te zer­bre­chen. Aber dann kommt man schnell vor­an. Man liest von uner­hör­ten Gestal­ten, und könn­te doch nie­mals sagen, von wem nur die­se fei­ne Luft­eis­schrift erfun­den wor­den ist. — stop

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ein seltsames buch

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echo : 1.18 — Seit zwei Stun­den beob­ach­te ich ein Buch, das kein gewöhn­li­ches Buch ist, son­dern ein selt­sa­mes Buch. Dass es sich um ein selt­sa­mes Buch han­delt, ist dem Buch zunächst nicht anzu­se­hen, weil es sei­ner äuße­ren Gestalt nach, ein übli­ches Buch zu sein scheint. Die­ses hier auf mei­nem Tisch ist von einer blau­en Far­be. Sobald man das blaue Buch in die Hän­de nimmt, wird man aber spü­ren, dass das Buch atmet, weil an sei­ner Rück­sei­te durch fei­ne Lamel­len war­me Luft aus­zu­tre­ten scheint. Das ist des­halb so, weil sich in dem Buch eine Rechen­ein­heit befin­det, ein win­zi­ger Com­pu­ter, der sich mit dem Text oder mit der Geschich­te, die sich in dem Buch befin­det, beschäf­tigt. Es han­delt sich bei dem Buch­kör­per bei genau­er Betrach­tung näm­lich um eine Ver­samm­lung hauch­dün­ner Bild­schir­me, auf wel­chen sich Zei­chen befin­den, Bild­schir­me, die man umblät­tern kann. Was zunächst zu sehen ist, gleich auf wel­cher Sei­te das Buch auf­ge­schla­gen wird, sind eben erwähn­te Buch­sta­ben oder Zif­fern, die sich rasend schnell bewe­gen, sodass man nicht lesen, viel­mehr nur ahnen wird, was sich dort befin­den könn­te. Es ist dies der Moment, da der Com­pu­ter des Buches jenen Text, den man mit eige­nen Augen ger­ne sofort lesen wür­de, zu ent­schlüs­seln beginnt. Ein mög­li­cher­wei­se auf­wen­di­ges, zeit­rau­ben­des Ver­fah­ren. Als ich das Buch kauf­te, konn­te mir der Händ­ler der ver­schlüs­sel­ten Bücher nicht sagen, wie lan­ge Zeit ich war­ten müs­se, bis der Text des Buches für mich sicht­bar wer­den wür­de. Es berei­te­te ihm Freu­de, ich bin mir sicher, aus­zu­spre­chen, was ich längst dach­te, dass die Ent­schlüs­se­lung des Tex­tes eine Stun­de, einen Tag oder zwei­hun­dert Jah­re dau­ern könn­te, das sei immer­hin das Prin­zip, wes­halb man ein Buch die­ser Art erwer­ben woll­te, dass man ein Buch besitzt, von dem man nicht sagen kön­ne, ob es jemals les­bar wer­den wird. — Kurz nach Mit­ter­nacht. — stop

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ludmilla

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echo : 6.12 — Ich habe eine E‑Mail bekom­men. Lesen Sie selbst: Ver­ehr­ter Lou­is, wie geht es Ihnen? Ich hof­fe, Sie sind wohl­be­hal­ten zurück­ge­kehrt von Ihrer Rei­se. Lei­der konn­ten wir uns nicht tref­fen, so wie noch im Janu­ar geplant. Es ist schwie­ri­ger gewor­den, das Haus zu ver­las­sen. Ich füh­le mich nicht län­ger sicher auf der Stra­ße. Aber auch unter mei­nem eige­nen Dach habe ich immer wie­der das Gefühl, beob­ach­tet zu wer­den. Ich neh­me an, es exis­tie­ren längst Ideen über mich, viel­leicht wird man sagen: Er könn­te nun doch ver­rückt gewor­den sein. Aber natür­lich weiß ich, was ich tue und wovor ich mich fürch­te. Im April war ich noch lan­ge Stun­den am Strand unter­wegs gewe­sen, besuch­te mei­ne Freun­din Lud­mil­la, die abends vor dem Board­walk mit ihren Freu­den im kal­ten See­wind sitzt. Ihr gehört jetzt ein Roll­stuhl, den sie von eige­ner Hand bewe­gen kann, weil sie zäh und leicht ist, Sie wür­den stau­nen. Irgend­wann muss ich das Haus wie­der ver­las­sen, das ist mir Her­zens­wunsch, ich kann Lud­mil­la doch nicht ver­lie­ren, ohne sie noch ein­mal gese­hen zu haben. Im Dezem­ber wird sie 92 Jah­re alt, da kann man an das Ende schon ein­mal den­ken, nicht wahr! Nun, ich will nicht kla­gen, bin sehr vor­sich­tig gewor­den. Wenn ich zum Ein­kau­fen gehe ein­mal in der Woche, dann nie­mals allein, son­dern immer in der Beglei­tung eines alten Freun­des. Sie wer­den ver­ste­hen, dass ich sei­nen Namen nicht erwäh­ne. Er ist zuver­läs­sig, hilft mir beim Tra­gen der Fla­schen. Was ich sonst noch benö­ti­ge, las­se ich mir kom­men. Ich erin­ne­re mich, jetzt, da ich hier sit­ze und schrei­be, dass ich als Kind ein­mal über­leg­te, eine Spra­che zu erfin­den, die nur ich ver­ste­hen kann. Ich hat­te mir vor­ge­nom­men, alle Wör­ter, die ich kann­te, in mei­ne neue Spra­che zu über­set­zen. Ich woll­te ler­nen, mit­tels die­ser Wör­ter zu den­ken. Seit weni­gen Tagen arbei­te ich nun dar­an, mir genau die­sen uralten Wunsch zu erfül­len. Ist das nicht wun­der­bar! Viel­leicht wer­de ich mich bald wie­der sicher füh­len. See­mö­wen sit­zen auf dem Bal­kon, ihre Augen wir­ken bei­zei­ten so, als wären sie Objek­ti­ve, die man füt­tern kann. Genug! Es ist Sonn­tag. Mor­gen wer­de ich Ihnen einen Brief von Papier über­mit­teln, in wel­chem ich eine Lis­te von Wör­tern ver­merk­te, die Sie in Zukunft bit­te nicht wei­ter ver­wen­den, wenn Sie mir eine E‑Mail schrei­ben. Sie wis­sen, wo der Brief zu fin­den ist. Bis bald, mein lie­ber Lou­is. Ihr Micha­el – stop

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