Aus der Wörtersammlung: mai

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schlafen in turku

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hima­la­ya : 2.32 — Viel­leicht wer­den Sie sich erin­nern. Vom Schla­fen habe ich bereits im Jahr 2008 notiert, und zwar im Monat Novem­ber. Vor weni­gen Minu­ten, als ich nach schwe­ben­den Bal­lo­nen über der Stadt Tur­ku such­te, habe ich einen ent­spre­chen­den Text unter dem Titel „Schla­fen in Tur­ku“ in den Ver­zeich­nis­sen der Goog­le-Such­ma­schi­ne wie­der­ent­deckt. Der Text ist mir noch immer nah, wes­halb ich ihn mit­ge­nom­men und an die­sem Zeit­ort ein­ge­fügt habe. Ich stel­le nun zum zwei­ten Mal die Fra­ge: Ist Ihnen viel­leicht bekannt, dass Wale, Pott­wa­le genau­er, wenn sie schla­fen, Kopf nach oben im Was­ser schwe­ben? Lang­sam sin­ken­de Tür­me, lei­se sin­gend, lei­se knat­ternd, fried­vol­le Ver­samm­lun­gen, die mit dem Golf­strom trei­ben. Wenn Sie ein­mal wach lie­gen soll­ten, wenn Sie nicht schla­fen kön­nen, weil Sor­gen Sie bedrän­gen oder ande­re schmerz­vol­le Gedan­ken, wird es hilf­reich sein, eine Tauch­fahrt zu unter­neh­men im Kopf durchs Bild der träu­men­den Wale. Oder Sie rei­sen an die Ost­see, neh­men die nächs­te Fäh­re nach Tur­ku. Sie wer­den dann schon sehen. Bal­lo­ne, zum Bei­spiel, Bal­lo­ne wer­den Sie sehen am Hori­zont, Bal­lo­ne am dämm­ri­gen Him­mel, dort müs­sen Sie hin. Alles ist gut zu Fuß zu errei­chen, eine Stun­de oder zwei, nicht län­ger, je nach Gepäck. Man wird Sie schon erwar­ten, man wird Sie freund­lich begrü­ßen, man wird Sie fra­gen, wie lan­ge Zeit Sie zu schla­fen wün­schen, wel­cher Art die Din­ge sind, die Sie zu ver­ges­sen haben, die Sie beschwe­ren. Man wird Ihren Blick zum Him­mel len­ken und Sie wer­den erken­nen, dass unter den Bal­lo­nen Men­schen schwe­ben, auf­recht und reg­los, in Dau­nen­män­tel gehüllt, von einem leich­ten Wind hin und her geschau­kelt, hun­der­te, ja tau­sen­de Men­schen. — Stil­le herrscht. — Nur das Fau­chen der Feu­er­ma­schi­nen von Zeit zu Zeit. - Drei Uhr drei­und­drei­ßig auf dem Mai­dan zu Kyjiw. — stop

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sekundenfliege

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nord­pol : 1.32 — In der ver­gan­ge­nen Nacht habe ich eine E‑Mail notiert. Es war kurz nach drei Uhr. Die Frau, an die ich schrieb, lag ver­mut­lich in einem Bett und schlief. Dass ich an Men­schen schrei­be, die in dem Moment, da ich notie­re, schla­fen, ist für mich nicht unge­wöhn­lich, weil ich immer­hin wache, wäh­rend alle ande­ren in mei­ner euro­päi­schen Umge­bung schla­fen. Ges­tern aber hat­te ich ein selt­sa­mes Gefühl. Ich mein­te, mit der schla­fen­den Frau unmit­tel­bar spre­chen zu kön­nen, in dem ich notier­te. Ich wuss­te, dass sie bald auf­ste­hen wür­de, weil sie gegen 4 Uhr einer wich­ti­gen Auf­ga­be nach­zu­ge­hen hat­te. Ich notier­te: Lie­be H., es ist kurz nach drei Uhr. Lei­der musst Du bald auf­ste­hen. Aber das weißt Du ver­mut­lich gera­de noch nicht. – In die­sem Moment hör­te ich auf zu schrei­ben, ich war mir nicht sicher, ob ich nicht viel­leicht gera­de Unsinn notier­te. Plötz­lich die Fra­ge, ob man davon spre­chen kann, dass man im Schlaf etwas weiß, obwohl man gera­de dar­an nicht den­ken kann, weil man von etwas Ande­rem träumt? Ich dach­te: Lie­ber Lou­is, aber natür­lich weißt Du, dass in Dei­ner Küche Schei­ben einer Enten­brust dar­auf war­ten, ver­zehrt zu wer­den. Du weißt das genau seit zwei Stun­den, obwohl Du Dich seit­her in Gil­les Leroys Roman Zola Jack­son ver­tief­test. Ja, so dach­te ich. Auch erin­ner­te ich mich an eine Win­ter­flie­ge, die seit ges­tern Mor­gen durch mei­ne Woh­nung brummt. Vor drei Minu­ten habe ich von ihrer Exis­tenz schein­bar nichts gewusst, weil ich mich nicht erin­ner­te, als wäre sie nie­mals anwe­send gewe­sen. Irgend­et­was ist selt­sam hier. — stop
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hummergeschichte

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alpha : 20.16 — Ich habe ges­tern mit K. gespro­chen. Er erzähl­te, er habe unlängst ver­suchs­wei­se online von Ham­burg aus einen gekoch­ten Hum­mer in Man­hat­tan bestellt. Das Tier kos­te­te 28 Dol­lar, alle not­wen­di­gen Anga­ben waren bald aus­ge­füllt, Name, Adres­se, Kre­dit­kar­ten­num­mer. Es war ein spä­ter Abend gewe­sen. K. erhielt einen Anruf. Er plau­der­te eini­ge Zeit mit einem Freund. Als er an den Com­pu­ter zurück­kehr­te, war sei­ne Maschi­ne ein­ge­schla­fen, sie erwach­te sofort, als er eine Tas­te beweg­te. In die­sem Moment muss es gesche­hen sein. K. berühr­te die wei­ter­hin geöff­ne­te Bestell­form an ent­schei­den­der Stel­le mit sei­ner Mou­se, kurz dar­auf erreich­te ihn per E‑Mail eine Bestä­ti­gung, der Hum­mer sei (Ship­ping) auf dem Weg. Ver­su­che K.’s, die Bestel­lung tele­fo­nisch rück­gän­gig zu machen, schlu­gen fehl, der Betrag von 28 Dol­lar für das Tier plus 25 Dol­lar Trans­port­ge­bühr wur­den von sei­nem Kre­dit­kar­ten­kon­to abge­bucht. Zwei Wochen spä­ter erhielt K. Nach­richt von hie­si­ger Zoll­be­hör­de, eine Sen­dung lie­ge für ihn am Hafen zur Abho­lung bereit. Ein fla­ches Gebäu­de, Import, meh­re­re Schal­ter, Trans­port­bän­der, Beam­te in grü­nen Uni­for­men. Als K. vor Ort erschien, wur­de gera­de eine Per­son, die hef­tig dis­ku­tier­te, in Hand­schel­len abge­führt. K. war­te­te. Nach einer Stun­de wur­de er zu einem Schal­ter geru­fen. Man über­reich­te ihm ein For­mu­lar, dem eine Foto­gra­fie bei­gefügt wor­den war. Das Doku­ment zeig­te ein geöff­ne­tes Paket von Sty­ro­por, dar­in einen Sud, in wel­chem wesent­li­che Tei­le eines Hum­mers schwam­men, Füh­ler, Schwanz, Augen­stie­le, Zan­gen, alles war noch gut zu erken­nen gewe­sen. Hän­de, die in Hand­schu­hen steck­ten, hiel­ten das Paket ins Licht. Auf beglei­ten­dem Schrei­ben wur­den Ver­bren­nungs­kos­ten von 118 EUR für impor­tier­te Son­der­müll­wa­re ange­mahnt. Ein Beam­ter berich­te­te, einer sei­ner Kol­le­gen sei wäh­rend der Öff­nung des Pake­tes umge­fal­len, die­ser habe sich am Kopf ver­letzt, wei­te­re Kos­ten wären denk­bar. – Sonn­tag. stop. Viel­leicht. stop. Guten Abend! — stop
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amsterdam

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india : 5.28 — Eine absur­de Geschich­te könn­te in die­sen Tagen ihren Anfang neh­men oder ihren Anfang längst genom­men haben. Sie ist schnell erzählt. Eine E‑Mailbotschaft wird von einer in gehei­mer Wei­se for­schen­den Behör­de abge­fan­gen. Die Bot­schaft ist auf­wen­dig ver­schlüs­selt. Weil man ver­schlüs­sel­te Nach­rich­ten nicht unver­züg­lich dechif­frie­ren kann, wird die Depe­sche in einem rie­si­gen Daten­spei­cher auf­ge­nom­men, das heißt, nicht die Nach­richt selbst, aber eine Kopie die­ser Nach­richt. Unver­züg­lich neh­men Rechen­ma­schi­nen, die rasend schnell zu den­ken in der Lage sind, ihre spe­zi­el­le Arbeit der Ent­schlüs­se­lung auf. Die Nach­richt scheint auf den ers­ten Blick nicht sehr kom­plex zu sein. Ver­mut­lich sind vier oder fünf Sät­ze ent­hal­ten. Genau lässt sich das nicht bestim­men, auch Satz­zei­chen und Leer­räu­me sind ver­schlüs­selt wie die Buch­sta­ben der Nach­richt selbst. 2700 Jah­re ver­ge­hen. Hun­der­te Rechen­ma­schi­nen haben zum Zweck der Deco­die­rung rou­ti­niert gerech­net, Maschi­nen, die von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on schnel­ler und schnel­ler wur­den. An einem Sonn­tag, 4713 nach Chris­ti Geburt, mel­det eines der rech­nen­den Sys­te­me mit­tels zar­ten Glo­cken­ge­räu­sches, die Nach­richt lie­ge nun in ver­ständ­li­cher Fas­sung vor. Uralte Spra­che, nie­der­län­di­sche Spra­che, aber les­bar, das heißt, gleich­wohl über­setz­bar. Jene Nach­richt, die von Jan Ver­meer an San­ne Kes­ten im Novem­ber des Jah­res 2013 gesen­det wur­de, lau­tet so: Mon Ché­rie, kom­me Sams­tag nach Ams­ter­dam. Gleis 8. 22 Uhr 07. Zäh­le die Stun­den. Dein Jan – stop

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manitoba

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del­ta : 2.15 — Vor weni­gen Minu­ten erreicht mich eine E‑Mail. Ein Freund notiert, er habe von der kana­di­schen Fir­ma Metro­melt Inc. vor lan­ger Zeit bereits einen Auf­trag erhal­ten, der sehr anspruchs­voll sei. Es gin­ge dar­um, eine Vor­rich­tung zu kon­stru­ie­ren, die in der Lage sei, Infor­ma­ti­on der Wet­ter­diens­te so zu bear­bei­ten, dass sie mit­tels eines spe­zi­el­len Funk­ge­rä­tes in die Gehir­ne schla­fen­der Mit­ar­bei­ter gesen­det wer­den könn­ten. Die­se Mit­ar­bei­ter sei­en zustän­dig für die Alar­mie­rung zahl­rei­cher Schnee­räum­ko­lon­nen in den Pro­vin­zen Bri­tish Colum­bia sowie Mani­to­ba. Ins­be­son­de­re sei es not­wen­dig, Mess­füh­ler, die der Kon­zern in den betrof­fe­nen Gebie­ten instal­liert habe, aus­zu­le­sen und zu ana­ly­sie­ren, um zu einem defi­nier­ten Zeit­punkt, Träu­me von Schnee in den Schlaf­kam­mern der Ange­stell­ten des Unter­neh­mens zu erzeu­gen, sodass sie, einem Reflex fol­gend, inmit­ten der Nacht unver­züg­lich erwa­chen und zu ihren Tele­fo­nen grei­fen wür­den. Mein Freund berich­te­te, er habe sei­nen Auf­trag­ge­bern ange­bo­ten, ein Sys­tem zu for­mu­lie­ren, das geeig­net sei, im Fal­le von Schnee, Glo­cken­wer­ke in Betrieb zu set­zen, die jeden, der Schnee räu­men­den Ange­stell­ten unmit­tel­bar und recht­zei­tig wecken wür­den. Die­sen sei­nen Vor­schlag habe man abge­lehnt. Nun wüss­te er nicht wei­ter, er tra­ge seit Wochen ein ungu­tes Gefühl mit sich her­um. – Zwei Stun­den nach Mit­ter­nacht. 3° Cel­si­us Außen­tem­pe­ra­tur. Ers­te Gedan­ken. — stop
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ai : TSCHECHISCHE REPUBLIK

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MENSCH IN GEFAHR: „Tatia­na Paras­ke­vich, eine Asyl­be­wer­be­rin aus Kasach­stan, befin­det sich seit mehr als 18 Mona­ten in der Tsche­chi­schen Repu­blik in Haft. Ihr droht nun die unmit­tel­ba­re Aus­lie­fe­rung in die Ukrai­ne oder die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on. In bei­den Fäl­len wird sie anschlie­ßend ver­mut­lich nach Kasach­stan zurück­ge­führt, wo ihr auf­grund ihrer Ver­bin­dun­gen zu dem kasa­chi­schen Oppo­si­tio­nel­len Mukhtar Ably­azov Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen sowie ein unfai­res Gerichts­ver­fah­ren dro­hen. / Die 49-jäh­ri­ge Tatia­na Paras­ke­vich besitzt die rus­si­sche und die kasa­chi­sche Staats­bür­ger­schaft und befin­det sich der­zeit als Asyl­be­wer­be­rin in der Tsche­chi­schen Repu­blik. Sie wur­de im Mai 2012 mit einem Haft­be­fehl von Inter­pol ver­haf­tet, als sie sich in Kar­l­o­vy Vary (Karls­bad) im Nord­wes­ten Tsche­chi­ens wegen eines Herz­lei­dens medi­zi­nisch behan­deln ließ. Im Juni 2012 bean­trag­ten die ukrai­ni­schen Behör­den wegen ver­meint­li­cher Finanz­de­lik­te die Aus­lie­fe­rung von Tatia­na Paras­ke­vich. Zudem haben die rus­si­schen Behör­den ein Aus­lie­fe­rungs­er­su­chen ein­ge­reicht. Der Gerichts­hof in Pil­sen hat zwei­mal gegen die Aus­lie­fe­rung von Tatia­na Paras­ke­vich in die Ukrai­ne geur­teilt: im Okto­ber 2012 und im Janu­ar 2013. Im Febru­ar 2013 ent­schied der Obers­te Gerichts­hof in Prag jedoch, dem Aus­lie­fe­rungs­er­su­chen statt­zu­ge­ben. Ein anschlie­ßen­des Rechts­mit­tel vor dem Ver­fas­sungs­ge­richt wur­de im Mai 2013 zurück­ge­wie­sen. Einen Monat zuvor, im April 2013, hat­te Tatia­na Paras­ke­vich Asyl bean­tragt, die Ent­schei­dung über die Asyl­ge­wäh­rung steht jedoch aus. Nach gegen­wär­ti­gem tsche­chi­schem Recht kann die Aus­lie­fe­rung eineR Asyl­be­wer­be­rIn nicht erfol­gen, solan­ge das Asyl­ver­fah­ren noch läuft. Tatia­na Paras­ke­vich befin­det sich seit über 18 Mona­ten in Pil­sen in Haft. /Die Aus­lie­fe­rungs­er­su­chen der ukrai­ni­schen und rus­si­schen Behör­den sind allem Anschein nach auf die Ver­bin­dun­gen von Tatia­na Paras­ke­vich zu dem kasa­chi­schen Oppo­si­tio­nel­len Mukhtar Ably­azov zurück­zu­füh­ren. Die­ser war 2009 aus Kasach­stan geflo­hen und wur­de 2011 in Groß­bri­tan­ni­en als Flücht­ling aner­kannt. Mukhtar Ably­azov befin­det sich der­zeit in Frank­reich in Aus­lie­fe­rungs­haft. Auch er soll in die Ukrai­ne oder die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on aus­ge­lie­fert wer­den. Tatia­na Paras­ke­vich ist die ehe­ma­li­ge Geschäfts­füh­re­rin einer Invest­ment­grup­pe. Ihr wird von der ukrai­ni­schen sowie der rus­si­schen Staats­an­walt­schaft vor­ge­wor­fen, zusam­men mit Mukhtar Ably­azov Finanz­de­lik­te began­gen zu haben. Mukhtar Ably­azov ist der ehe­ma­li­ge Vor­stands­vor­sit­zen­de der kasa­chi­schen BTA Bank. / Auf der Grund­la­ge des Völ­ker­rechts hat die Tsche­chi­sche Repu­blik die unein­ge­schränk­te Ver­pflich­tung, nie­man­den in ein Land aus­zu­lie­fern, in dem ihm oder ihr Ver­fol­gung oder ande­re schwe­re Men­schen­rechts­ver­bre­chen dro­hen. Dies bezieht sich auch auf die Abschie­bung in Län­der, in denen einer Per­son die Rück­füh­rung in ein ande­res Land droht, in dem sie wie­der­rum sol­chen Ver­stö­ßen aus­ge­setzt wäre. Die tsche­chi­schen Behör­den müs­sen also die Aus­lie­fe­rung von Tatia­na Paras­ke­vich in die Ukrai­ne oder die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on ver­hin­dern, denn dies wür­de einen Ver­stoß gegen die inter­na­tio­na­len Men­schen­rechts­ver­pflich­tun­gen Tsche­chi­ens dar­stel­len.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 2. Dezem­ber 2013 hin­aus, unter »> ai : urgent action

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mohn

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del­ta : 6.38 — Ges­tern erreich­te mich eine Post­kar­te aus Finn­land, die in einem Brief­um­schlag steck­te. Ein Freund hat­te sie vor fünf Tagen abge­schickt. Er notier­te Fol­gen­des: Mein lie­ber Lou­is, heu­te, mit die­ser Post­kar­te, wird eine neue Zeit ange­bro­chen sein. Ich habe soeben mei­ne E‑Mails gelöscht und mei­ne Com­pu­ter­schreib­ma­schi­ne auf den Dach­bo­den gestellt, weil ich in Zukunft nur noch Brie­fe oder Post­kar­ten per Hand schrei­ben wer­de. Was ist das doch eine ange­neh­me Vor­stel­lung, dass ich mich fort­an in einer ruhi­gen, gedul­di­gen Art mit Dir unter­hal­ten könn­te. Mor­gens der Spa­zier­gang vors Haus, um nach­zu­se­hen, ob viel­leicht eine Ant­wort ein­ge­trof­fen ist. Ich soll­te damit begin­nen, Post­wert­zei­chen zu sam­meln. Erin­nerst Du Dich an den Duft der rau­en Papie­re, sobald sie aus Indi­en zu uns kom­men, weich, san­dig, grau. Ja, ganz sicher wirst Du Dich erin­nern. Und Du wirst Dich fra­gen, war­um ich in die­ser Wei­se han­de­le. Davon ein­mal spä­ter. Habe ich schon berich­tet, dass uns end­lich gelun­gen ist, einen blau­en Pan­ther­fal­ter mit­tels einer Funk­steue­rung ein­mal durch den Gar­ten unter Bir­ken­bäu­men her­um zu diri­gie­ren? — Dein Tim­mi­nen, respekt­voll. ps. Umsei­ti­ge Foto­gra­fie zeigt Emil Nol­des Mohn aus dem Jahr 1950. — stop

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ai : SUDAN

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MENSCH IN GEFAHR: „Ein Anwalt befin­det sich im suda­ne­si­schen Bun­des­staat Süd-Dar­fur ohne Ankla­ge in Haft. Er könn­te gefol­tert und ander­wei­tig miss­han­delt wer­den. / Adam Sha­rief arbei­tet als Anwalt und ist Koor­di­na­tor der Anwalts­ver­ei­ni­gung Dar­fur Bar Asso­cia­ti­on im suda­ne­si­schen Bun­des­staat Süd-Dar­fur. Er wur­de am 26. Sep­tem­ber fest­ge­nom­men und wird ohne Ankla­ge und Zugang zu einem Rechts­bei­stand vom suda­ne­si­schen Geheim­dienst in Nya­la fest­ge­hal­ten. / Sechs Tage vor sei­ner Fest­nah­me gab Adam Sha­rief dem unab­hän­gi­gen Radio­sen­der Radio Daban­ga ein Inter­view. Dar­in kri­ti­sier­te er den Gou­ver­neur von Süd-Dar­fur wegen der schlech­ten Sicher­heits­la­ge in Nya­la, der Haupt­stadt des Bun­des­staa­tes. Er erhob den Vor­wurf, die ört­li­chen Behör­den wür­den Mili­zen für sich arbei­ten las­sen, wel­che die Ver­ant­wor­tung für eine Rei­he von Tötun­gen tra­gen, die in jüngs­ter Zeit in Nya­la began­gen wur­den. Unter ande­rem töte­ten sie Ismail Ibra­him Wadi, einen bekann­ten Geschäfts­mann der Regi­on, sowie des­sen Sohn und Nef­fen. Adam Sha­rief übte zudem Kri­tik dar­an, dass die Sicher­heits­kräf­te am 19. Sep­tem­ber schar­fe Muni­ti­on gegen Demons­trie­ren­de ein­setz­ten, die sich am Tag der Bei­set­zung von Ismail Ibra­him Wadi ver­sam­melt hat­ten. Berich­ten zufol­ge wur­den dabei min­des­tens fünf Men­schen getö­tet und 48 so schwer ver­letzt, dass sie im Kran­ken­haus behan­delt wer­den muss­ten. / Amnes­ty Inter­na­tio­nal befürch­tet, dass Adam Sha­rief allein wegen der fried­li­chen Wahr­neh­mung sei­nes Rechts auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung inhaf­tiert wur­de. Die Orga­ni­sa­ti­on for­dert daher sei­ne sofor­ti­ge Frei­las­sung, sofern er kei­ner als Straf­tat aner­kann­ten Hand­lung ange­klagt wird.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 13. Novem­ber 2013 hin­aus, unter »> ai : urgent action

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perugia

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MELDUNG. Per Kurs­wa­gen via Rom – Flo­renz – Mai­land – Paris in Lon­don ein­ge­trof­fen: Sing­zi­ka­den auf Ach­se, ein gutes Dut­zend, Gleis 18, Water­loo Sta­ti­on. Man kommt aus Peru­gia, man spielt sich zur­zeit etwas Wär­me unter den Pan­zer. — stop

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fenster zum fluss

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sier­ra : 17.08 — Ein Freund, der sich seit län­ge­rer Zeit in Man­hat­tan auf­hält, erzählt via E‑Mail eine hei­te­re Geschich­te, die er selbst erlebt haben will. Vor eini­gen Tagen habe er dem­zu­fol­ge eine Bekann­te besucht, die ein Apart­ment in einem moder­nen Miets­haus der Upper East Side bewohnt. Es han­de­le sich um eine geräu­mi­ge Woh­nung in der 28. Eta­ge mit fas­zi­nie­ren­der Aus­sicht auf den East River. Eine Lei­den­schaft der Woh­nungs­be­sit­ze­rin, eine Pas­si­on gera­de­zu, sei die Beob­ach­tung der Schif­fe gewor­den, die den Fluss tief unten befah­ren. Der Anblick der Käh­ne und Oze­an­damp­fer beru­hi­ge sie, schon von Wei­tem kön­ne sie erken­nen, wenn sich ein grö­ße­res Schiff vom Atlan­tik her nähe­re. Nicht zu ver­ges­sen natür­lich, jene zier­li­chen, wei­ßen und gel­ben Amei­sen­schif­fe, Was­serta­xis bei Tag und Nacht, und das bestän­di­ge Blin­ken der Spie­ren­ton­nen, Pul­se, wel­che sie durch ihr Fern­glas wahr­neh­men kön­ne. Als nun mein Freund sei­nen Besuch tele­fo­nisch ankün­dig­te, wur­de er gewarnt, der Auf­zug des Hau­ses sei seit zwei Wochen defekt, wes­halb vie­le der älte­ren Bewoh­ner das Haus seit Tagen ent­we­der gar nicht oder für län­ge­re Zeit ganz ver­las­sen haben, er müs­se zu Fuß empor­stei­gen und eine hal­be Stun­de Zeit für sei­nen Auf­stieg berech­nen, er sol­le sich etwas Pro­vi­ant mit­neh­men. Mein Freund mach­te sich weni­ge Stun­den spä­ter auf den Weg nach oben. Weil er nicht trai­niert war, ging er lang­sam, zunächst zähl­te er noch sei­ne Schrit­te, aber bereits in der 6. Eta­ge muss­te er sich set­zen und sei­nen Atem beru­hi­gen. Eini­ge Boten, jun­ge Män­ner mit Ruck­sä­cken auf dem Rücken, kamen vor­über. Kurz dar­auf pas­sier­te ihn eine älte­re Dame, schla­fend oder bewusst­los, auf einer Tra­ge lie­gend abwärts. Höhe der 18. Eta­ge stand die Tür einer Woh­nung offen. Tre­ten Sie ein, war auf einem Zet­tel zu lesen. Im Wohn­zim­mer saß eine wei­te­re älte­re Dame hin­ter einem Tisch, reich gedeckt, Obst und kal­ter Fisch und Brot und Was­ser. Ein rei­zen­der Anblick, Kat­zen lagen auf dem Boden her­um. Die alte Frau war­te­te unter einem Son­nen­schirm. Sie sag­te: Komm, komm, in Zei­ten der Not muss man zusam­men­hal­ten, alles ist umsonst, aber Du darfst in der Stadt nicht davon erzäh­len! Eine Stun­de spä­ter erreich­te mein Freund end­lich die Woh­nung sei­ner Bekann­ten. Sie saßen lan­ge Zeit vor dem Fens­ter zum Fluss. Ein­mal näher­te sich ein Hub­schrau­ber. Er lan­de­te auf dem Dach. – stop

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