Aus der Wörtersammlung: rascheln

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von stimmen

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del­ta : 18.12 UTC — Ich habe lan­ge Zeit über das Bild der Kehl­köp­fe nach­ge­dacht, wie sie in einem ana­to­mi­schen Prä­pa­rier­saal durch die Luft flie­gen, als wären sie Vögel. Wann die­ses Bild zum ers­ten Mal auf­tauch­te, weiß ich nicht. Viel­leicht wäh­rend eines Spa­zier­gan­ges über den alten Münch­ner Fried­hof St. Georg. Ich stand vor Liesl Karl­stadts Grab, plötz­lich hör­te ich ihre Stim­me, die von irgend­wo her aus den Kas­ta­ni­en­bäu­men in nächs­ter Nähe zu kom­men schien. Oran­ge­far­be­ne Blü­ten, Fuchs­köp­fen ähn­lich, lun­ger­ten auf dem klei­nen Karl­stadt­hü­gel. Blaue Füh­ler­kä­fer hetz­ten über san­di­gen Boden. Wald­bie­nen, Moo­shum­meln, Rau­pen­flie­gen, es sirr­te und brumm­te in allen mög­li­chen Tönen. Auf dem Gedenk­stein für Rai­ner Wer­ner Fass­bin­der hock­te ein Mari­en­kä­fer von Holz, der Schirm eines Fächer­ahorns spen­de­te Schat­ten. Auch an Fass­bin­ders Stim­me konn­te ich mich sofort erin­nern, ohne einen kon­kre­ten Satz aus sei­nem Mun­de zu ver­neh­men. Es war ganz so, als wür­den die Stim­me in mei­nem Kopf eine Stim­me simu­lie­ren. Erich Käst­ner aller­dings war mir ent­we­der abhan­den­ge­kom­men oder ich habe sei­ne Stim­me tat­säch­lich noch nie in mei­nem Leben gehört. Aber den Sedl­mayr, Wal­ter, erin­ner­te ich unver­züg­lich und auch die ange­nehm war­me Stim­me Bernd Eichin­gers, der so plötz­lich gestor­ben war. Som­mer­fä­den schweb­ten durch die Luft. Das Rascheln der Eich­hörn­chen unter dem Efeu. Über mir ein blau­grau­er, blit­zen­der Him­mel. Es duf­te­te nach Zimt, war­um? — stop / koffertext 

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im central park

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nord­pol : 20.05 UTC — Ich war spa­zie­ren an einem win­di­gen Tag. Wie ich unter dem Regen­schirm west­wärts ging, beob­ach­te­te ich mei­ne Schu­he, die sich vor­wärts beweg­ten, als gehör­ten sie nicht zu mir. In die­sem Moment hat­te ich den Ein­druck, durch den Cen­tral Park zu gehen. Das war näm­lich so, dass ich an dem ers­ten Tag, den ich in der Stadt New York ver­brach­te, unter einem Regen­schirm durch den Cen­tral Park wan­der­te und mei­ne Schu­he beob­ach­te­te. Es war damals Mai und recht kalt gewe­sen. Von Zeit zu Zeit war ich ste­hen geblie­ben, um eines der Eich­hörn­chen zu betrach­ten, die groß sind in Nord­ame­ri­ka und unge­stüm. Ich erin­ner­te mich noch gut an die­sen Augen­blick, da ich im Cen­tral Park spa­zie­rend wie­der­um eine Pan­ther­ge­schich­te erin­ner­te, die ich ein­mal notiert hat­te über einen wei­te­ren Park, in des­sen Nach­bar­schaft ich lebe. In der Erin­ne­rung an mei­nen Spa­zier­gang in New York kehr­te die Pan­ther­ge­schich­te zurück, ich dreh­te um und ging nach Hau­se, um nach der Geschich­te zu suchen. Ich habe sie sofort gefun­den. Pan­ther­ge­schich­te: Da ist mir doch tat­säch­lich ein jun­ger Pan­ther zuge­laufen, ein zier­li­ches Wesen, das mühe­los vom Boden her auf mei­ne Schul­ter sprin­gen kann, ohne dabei auch nur den gerings­ten Anlauf neh­men zu müs­sen. Sei­ne Zun­ge ist rau, sei­ne Zäh­ne kühl, ich bin stark, auch im Gesicht, gezeich­net von sei­nen wil­den Gefüh­len. Der Pan­ther schläft, unter­dessen ich arbei­te. So glück­lich sieht er dort aus, auf der Decke unter der Lam­pe lie­gend, dass ich selbst ein wenig schläf­rig wer­de, auch wenn ich nur an ihn den­ke, an das Licht sei­ner Augen, das gelb ist, wie er zu mir her­über­schaut bis in den Kopf. Spät­abends, wenn es lan­ge schon dun­kel gewor­den ist, gehen wir spa­zie­ren. Ich lege mein Ohr an die Tür und lau­sche, das ist das Zei­chen. Gleich neben mir hat er sich aufge­richtet, schärft an der Wand sei­ne Kral­len, dann fegt er hin­aus über die Stra­ße, um einen vom Nacht­licht schon müden Vögel zu ver­spei­sen. Dar­an sind wir gewöhnt, an das lei­se Kra­chen der Gebei­ne, an schau­kelnde Federn in der Luft. Dann wei­ter die heim­liche Rou­te unter der Stern­warte hin­durch in den Palmen­garten. Es ist ein gro­ßes Glück, ihm beim Jagen zuhö­ren zu dür­fen. Ich sit­ze, die Bei­ne über­ein­ander geschla­gen, auf einer Bank am See, schaue gegen die Ster­ne, und ver­neh­me Geräu­sche der Wande­rung des klei­nen Jägers ent­lang der Ufer­strecke. Ein Rascheln. Ein Kräch­zen. Ein Schlag ins Was­ser. Wenn der Pan­ther genug hat, gehen wir nach Hau­se. — stop
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bambus vol. 2

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echo : 1.08 — Wie Men­schen nun Han­dys nicht län­ger an ihre Ohren hal­ten, son­dern vor den Mund. Viel­leicht auch des­halb, um gleich­zei­tig spre­chen und lesen zu kön­nen, spre­chen also und hören und noch etwas Wei­te­res tun. — Wie­der Nacht. In einem Moment der Stil­le beob­ach­te­te ich vor weni­gen Minu­ten ein Bücher­re­gal, das in mei­nem Arbeits­zim­mer steht. Ich mein­te wie­der ein­mal, ein Geräusch wahr­ge­nom­men zu haben, in etwa hör­te sich das so an, als wür­de man ein Ohr an ein Bam­bus­rohr legen, durch wel­ches Kie­sel­stei­ne fal­len. Zunächst mel­de­te sich das Geräusch links oben unter der Decke, wo sich Bücher befin­den, die ich bis­her nicht gele­sen habe, war­ten­de Bücher, sagen wir, Mah­nen­de. Kurz dar­auf wan­der­te das Geräusch in die Mit­te des Regals, Chris­toph Rans­mayr klim­per­te, John Ber­ger, Janet Frame, Anto­nio Tabuc­chi. Ich hat­te für eini­ge Minu­ten den Ein­druck, das Geräusch oder sei­ne Ursa­che könn­te sich ver­viel­fäl­tigt haben. Wenn nun fol­gen­des gesche­hen wäre, dass sich die Bücher mei­nes Regals in Funk­bü­cher ver­wan­del­ten, in Bücher, die nur vor­ge­ben, Bücher von Papier zu sein, in Bücher also, die über Sei­ten ver­fü­gen, die eigent­lich Bild­schir­me sind, die man umblät­tern kann. Dann wäre denk­bar, dass ich jenes typi­sche Geräusch ver­nom­men habe, das in genau dem Moment ent­steht, da der Autor eines Buches mit­tels Funk­wel­len eine erneu­er­te Fas­sung sei­nes Wer­kes in die Zim­mer der Welt ent­sen­det. Ich muss dar­über nach­den­ken, was die Mög­lich­keit oder die Exis­tenz der Funk­bü­cher bedeu­ten wür­de für das Schrei­ben, für das Auf­hö­ren kön­nen, für Anfang und Ende einer Geschich­te. Und wenn nun Jean Pauls Komet in mei­nem Zim­mer rascheln wür­de, oder Dan­tons Tod, Georg Büch­ner? – Noch zu tun: Regen­wör­ter erfin­den. — stop

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kurz vor mitternacht

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sier­ra : 23.55 — In U‑Bahnen rei­send immer wie­der der Ein­druck, Men­schen wür­den mit­tels ihrer rascheln­den Zei­tun­gen zuein­an­der spre­chen. Eine Wei­le ist Ruhe, aber dann blät­tert jemand eine Sei­te um, und schon knis­tert der Wag­gon von Rei­he zu Rei­he wei­ter. Man möch­te in die­sen Momen­ten mei­nen, die Papie­re selbst wären am Leben und wür­den die Lesen­den bewe­gen. Ein­mal habe ich mir Zei­tungs­pa­pie­re von stoff­ar­ti­ger Sub­stanz vor­ge­stellt, Papie­re von Sei­de zum Bei­spiel, sodass kei­ner­lei Geräusch von ihnen aus­ge­hen wür­de, sobald man sie berühr­te. Eine eigen­tüm­li­che Stil­le, Geräusch­lo­sig­keit, Lee­re, ein Sog, eine Wahr­neh­mung gegen jede Erfah­rung. — Kurz vor Mit­ter­nacht. Ich habe die­se klei­ne Geschich­te soeben Schne­cke Esme­ral­da vor­ge­le­sen, um sie zu wecken. Sie war in der Abend­däm­me­rung über mei­nen Küchen­tisch gekro­chen, hat­te sich auf eine Bana­ne gesetzt und war dann ver­mut­lich ein­ge­schla­fen, wäh­rend ich eine Debat­te des grie­chi­schen Par­la­ments via Live­stream beob­ach­te­te. Dort auf dem Bild­schirm auf­ge­reg­te Men­schen, die in einer wohl­klin­gen­den Spra­che for­mu­lier­ten, die ich nicht ver­ste­he, aber sofort erken­ne, sobald ich sie ver­neh­me. Ein­mal mein­te ich, den Namen Wil­ly Brandts gehört zu haben. — stop. Wol­ken­lo­ser Him­mel. stop. Nichts wei­ter. — stop

nach­rich­ten von esmeralda »

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moskau

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bamako : 6.55 — Vor einem Schal­ter am Zen­tral­bahn­hof stand eine alte Dame mit einem Kof­fer, den sie hin­ter sich her­zie­hen konn­te. Sie trug ein blau­es Hüt­chen auf dem Kopf, und sie war grell geschminkt und lach­te. Auf den ers­ten Blick schien sie fröh­lich zu war­ten wie ihr klei­ner Kof­fer, auf den zwei­ten Blick aller­dings war zu sehen, dass sie nicht nur war­te­te, son­dern bewacht wur­de von einer wei­te­ren, sehr viel jün­ge­ren Frau und einem Mann, der die Uni­form der Bahn­ge­sell­schaft trug. Wie Säu­len stan­den sie links und rechts der alten Dame, die jun­ge Frau hat­te über­dies die Hand­ta­sche der Bewach­ten an sich genom­men, um sie zu durch­su­chen. Eine ihrer Hän­de wühl­te so hef­tig in der Tasche her­um, dass ein Rascheln weit­hin zu ver­neh­men war. Sie forsch­te ein oder zwei Minu­ten in die­ser wil­den Art und Wei­se. Weil sich aber in der Bör­se der alten Dame kein Doku­ment zur Iden­ti­fi­zie­rung auf­spü­ren ließ, schüt­tel­te sie den Kopf, beug­te sich noch ein­mal her­ab, sprach lei­se zu der alten Dame hin, um sich kurz dar­auf an einen Schal­ter zu wen­den. Dort saß hin­ter spie­geln­dem Glas ein Schat­ten, der ein Mikro­fon an sei­nen Mund führ­te, kurz dar­auf war eine war­me, melo­di­sche Stim­me zu hören, die durch die Bahn­hofs­hal­le schall­te, sie sag­te: Ach­tung! Wir bit­ten um ihre Auf­merk­sam­keit, vor dem Infor­ma­ti­ons­schal­ter Gleis 24 war­tet ein Per­so­nen­fund­stück. Bit­te mel­den Sie sich! — Die­se Geschich­te ereig­ne­te sich ges­tern am frü­hen Abend, kurz bevor der Fern­zug aus Mos­kau via War­schau den Bahn­hof erreich­te. Auf dem Bahn­steig war­te­ten vie­le Men­schen. Man­che hiel­ten Blu­men in ihren Hän­den. Ande­re foto­gra­fier­ten. — stop

polaroidstrand1

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papiere in zügen

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del­ta : 0.08 — Ich erin­ner­te mich an einen Mann, dem ich vor zwei Jah­ren in einem New Yor­ker U‑Bahnzug begeg­net war. Der Mann saß gleich vis-à-vis, sein Rücken lehn­te an der Wand des Wag­gons, er hat­te die Bei­ne über­ein­an­der geschla­gen, trug ram­po­nier­te, blaue Turn­schu­he, und einen hell­grau­en Anzug, ein wei­ßes Hemd zudem, sowie eine grell­bun­te Kra­wat­te, deren Kno­ten locker vor einem lan­gen, schma­len Hals schau­kel­te. Ich hat­te damals den Ein­druck, dass der Mann sich freu­te, weil ich ihn beob­ach­te­te, indem er Zei­tun­gen durch­such­te, die sich auf dem Sitz­platz neben ihm türm­ten, und zwar in einer sehr sorg­fäl­ti­gen Art und Wei­se durch­such­te, jede der Zei­tun­gen Sei­te für Sei­te. Er schien Übung zu haben in die­ser Arbeit, sei­ne Augen beweg­ten sich schnell und ruck­ar­tig, wie die Augen eines Habichts, hin und her. Von Zeit zu Zeit hielt er inne, sein Kopf neig­te sich dann leicht nach vorn, um mit einer Sche­re einen Arti­kel oder eine Foto­gra­fie aus der Zei­tung zu schnei­den. Das Rascheln des Papiers. Und das hel­le, zie­hen­de Geräusch der Sche­re, wie es die Sei­ten zer­teil­te. Ich notier­te in mein Notiz­buch: Ein ver­rück­ter Mann, ich wer­de ihm nie wie­der begeg­nen. Die­se Notiz habe ich heu­te bemerkt unter wei­te­ren Noti­zen, die sich mit dem gedul­di­gen Schla­fen in U‑Bahnzügen beschäf­ti­gen. Ich fra­ge mich nun, wie ich dar­auf gekom­men sein könn­te, den beob­ach­te­ten Mann als ver­rückt zu bezeich­nen. Viel­leicht des­halb, weil ich mir vor­ge­stellt hat­te, wie der Mann leben könn­te. Ich glau­be, ich stell­te mir das Leben eines Ver­rück­ten vor. In sei­ner Woh­nung türm­ten sich Zei­tun­gen, Tische, Stüh­le, Schrän­ke exis­tier­ten nicht, aber ein Bett, das von Papie­ren bedeckt war. Auch in der Woh­nung, oder gera­de eben dort, wur­den Zei­tun­gen durch­sucht, neue­re oder älte­re Zei­tun­gen, die der Mann wäh­rend sei­ner täg­li­chen Spa­zier­fahr­ten durch die Stadt mit sich nahm. Eigent­lich las der Mann die Zei­tun­gen nicht wirk­lich, son­dern nur Über­schrif­ten. Sobald er eine bemer­kens­wer­te Über­schrift ent­deck­te, wur­de der dazu­ge­hö­ren­de Arti­kel gesi­chert, Arti­kel, die sich bei­spiels­wei­se mit Blu­men, Afri­ka, Ozea­no­gra­fie, Geheim­diens­ten, Waf­fen­sys­te­men, Hun­gers­nö­ten oder erzäh­len­der Lite­ra­tur beschäf­tig­ten. Hun­dert­tau­sen­de Schrift­stü­cke waren so über vie­le Jah­re gesam­melt wor­den, eine fas­zi­nie­ren­de Tätig­keit, eine Arbeit, die den Mann glück­lich gemacht haben könn­te, ich ver­mu­te, weil er vor sich selbst ver­heim­lich­te, dass er sei­ne gesam­mel­ten Doku­men­te nie­mals lesen wird, weil sei­ne Lebens­zeit nicht aus­reich­te, selbst dann nicht, wenn er das Sam­meln ein­stel­len und mit der Lek­tü­re sei­ner Beweis­stü­cke ohne Ver­zug begin­nen wür­de. — stop

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bambus

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marim­ba : 3.58 — In einem Moment der Stil­le beob­ach­te­te ich vor weni­gen Stun­den ein Bücher­re­gal, das in mei­nem Arbeits­zim­mer steht. Ich mein­te, ein Geräusch wahr­ge­nom­men zu haben, in etwa hör­te sich das so an, als wür­de man ein Ohr an ein Bam­bus­rohr legen, durch wel­ches Kie­sel­stei­ne fal­len. Zunächst mel­de­te sich das Geräusch links oben unter der Decke, wo sich Bücher befin­den, die ich nicht gele­sen habe, war­ten­de Bücher, sagen wir, Mah­nen­de. Kurz dar­auf wan­der­te das Geräusch in die Mit­te des Regals, Chris­toph Rans­mayr klim­per­te, John Ber­ger, Janet Frame, Anto­nio Tabuc­chi. Ich hat­te für eini­ge Minu­ten den Ein­druck, das Geräusch oder sei­ne Ursa­che könn­te sich ver­viel­fäl­tigt haben. Wenn nun fol­gen­des gesche­hen wäre, dass sich die Bücher mei­nes Regals in Funk­bü­cher ver­wan­del­ten, in Bücher, die nur vor­ge­ben, Bücher von Papier zu sein, in Bücher also, die über Sei­ten ver­fü­gen, die eigent­lich Bild­schir­me sind, die man umblät­tern kann. Dann wäre denk­bar, dass ich jenes typi­sche Geräusch ver­nom­men habe, das in genau dem Moment ent­steht, da der Autor eines Buches mit­tels Funk­wel­len eine erneu­er­te Fas­sung sei­nes Wer­kes in die Zim­mer der Welt ent­sen­det. Ich muss dar­über nach­den­ken, was die Mög­lich­keit oder die Exis­tenz der Funk­bü­cher bedeu­ten wür­de für das Schrei­ben, für das Auf­hö­ren kön­nen, für Anfang und Ende einer Geschich­te. Und wenn nun Jean Pauls Komet in mei­nem Zim­mer rascheln wür­de, oder Dan­tons Tod, Georg Büch­ner? – Noch zu tun: Regen­wör­ter erfin­den. — stop
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stimmen zu st. georg

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echo : 0.28 — Ein Spa­zier­gang über den alten Münch­ner Fried­hof St. Georg. Ich stand vor Liesl Karl­stadts Grab, plötz­lich hör­te ich ihre Stim­me, die von irgend­wo her aus den Kas­ta­ni­en­bäu­men in nächs­ter Nähe zu kom­men schien. Oran­ge­far­be­ne Blü­ten, Fuchs­köp­fen ähn­lich, lun­ger­ten auf dem klei­nen Karl­stadt­hü­gel. Blaue Füh­ler­kä­fer hetz­ten über san­di­gen Boden. Wald­bie­nen, Moo­shum­meln, Rau­pen­flie­gen, es sirr­te und brumm­te in allen mög­li­chen Tönen. Auf dem Gedenk­stein für Rai­ner Wer­ner Fass­bin­der hock­te ein Mari­en­kä­fer von Holz, der Schirm eines Fächer­ahorns spen­de­te Schat­ten. Auch an Fass­bin­ders Stim­me konn­te ich mich sofort erin­nern, ohne einen kon­kre­ten Satz aus sei­nem Mun­de zu ver­neh­men. Es war ganz so, als wür­den die Stim­me in mei­nem Kopf eine Stim­me simu­lie­ren. Erich Käst­ner aller­dings war mir ent­we­der abhan­den­ge­kom­men oder ich habe sei­ne Stim­me tat­säch­lich noch nie in mei­nem Leben gehört. Aber den Sedl­mayr, Wal­ter, erin­ner­te ich unver­züg­lich und auch die ange­nehm war­me Stim­me Bernd Eichin­gers, der so plötz­lich gestor­ben war. Som­mer­fä­den schweb­ten durch die Luft. Das Rascheln der Eich­hörn­chen unter dem Efeu. Über mir ein blau­grau­er, blit­zen­der Him­mel. Es duf­te­te nach Zimt, war­um? Irgend­wo in mei­nem Kopf, ich spür­te das genau, muss eine Erin­ne­rung an die Stim­me Oskar Maria Grafs zu fin­den sein. Und wenn ich nun noch zwei oder drei Stun­den auf mei­nem Sofa sit­ze und lau­sche in die­ser stil­len Nacht, wird sie viel­leicht hör­bar wer­den. — stop

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trockenzungen

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del­ta : 6.22 — Ich träum­te ein­mal von einem Schlaf­saal, in dem ein­hun­dert arme Dich­ter wohn­ten. Sie lie­fen sehr lang­sam, sagen wir, vor­sich­tig her­um, weil sie nicht wach waren, son­dern schlie­fen. Eines Abends wur­den sie in dem Auf­trag geweckt, fei­ne For­mu­lie­run­gen für einen beson­de­ren Regen zu fin­den, einen Regen, der eine gro­ße Stadt unter Was­ser set­zen soll­te. Ihre Freu­de, ihre Begeis­te­rung, viel­leicht end­lich wie­der gehört zu wer­den. Wie sie durch­ein­an­der spa­zier­ten. Und das Rascheln der Papie­re, das Knir­schen der Stif­te, das Geräusch ihrer suchen­den Tro­cken­zun­gen. — stop

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mangrove

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india : 22.58 — Im Pal­men­gar­ten befin­den sich acht waben­för­mi­ge Glas­häu­ser, die durch Schleu­sen­räu­me mit­ein­an­der ver­bun­den sind, sodass man in weni­gen Minu­ten zunächst durch eine Wüs­te spa­zie­ren kann, dann durch einen Regen- und kurz dar­auf durch einen Nebel­wald. Ich sitz gern dort, jen­seits der Man­gro­ven­ab­tei­lung im Bro­me­li­en­haus, und lese in was­ser­fes­ten Büchern her­um. Es ist ange­nehm still. Kaum jemand ver­irrt sich hier­her, so ver­steckt liegt die Wabe im Zen­trum der Glas­haus­ver­samm­lung. Und viel­leicht genau aus die­sem Grund, weil es von Men­schen still ist, kom­men dut­zen­de, lei­se jau­len­der Wach­teln unter Bäu­men zusam­men, auf wel­chen Blu­men lun­gern wie schla­fen­de Vögel. Hat­te vor Stun­den noch unter Luft­wur­zeln etwas Wil­helm Gen­a­zi­no beob­ach­tet. Plötz­lich bemerk­te ich, dass kein Geräusch um mich her­um zu hören war. Völ­li­ge Stil­le. Eine merk­wür­di­ge, eine tro­cke­ne Stil­le. Für einen kur­zen Moment der Ein­druck, wäh­rend des Lesens viel­leicht taub gewor­den zu sein. Schau­te mich um, sah eine Hand auf einer Buch­sei­te lie­gen und dach­te, dass ich jetzt mit die­ser Hand sofort zur Beru­hi­gung ein Papier­ge­räusch erzeu­gen müs­se. Ich blät­ter­te also um, und ich hör­te ein Rascheln und das lei­se Sau­sen der Luft, hör­te Vögel wie­der pfei­fen, das Trop­fen des Was­sers. Ich hör­te mei­ne Stim­me das Wort selt­sam sagen. — stop
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