whiskey : 1.28 — In der vergangenen Nacht träumte ich von einer Schreibmaschine. Diese Schreibmaschine verfügte über ein Band von roter und schwarzer Farbe, sowie über einen Satz Hammerzeichen, die sich nur dann bewegten, wenn ich die Tasten mit großer Kraft in das mechanische Getriebe der Maschine drückte. Manchmal, während ich notierte, blieben einzelne der Tasten in der Tiefe hängen, als wollte die Schreibmaschine nicht von dem Zeichen lassen, das sie gerade noch auf das Papier gesetzt hatte. Eine Taste nach der anderen fiel aus, bis ich nur noch das Zeichen M bewegen konnte. Ich erinnere mich, in meinem wirklichen Leben tatsächlich eine Schreibmaschine wie die geträumte Schreibmaschine besessen zu haben. Sie stand lange Zeit auf meinem Schreibtisch, ich hob sie nur selten an, weil sie schwer gewesen war, 10 oder 15 Kilogramm. Es war eine Remington mit einem Farbband trocken wie namibischer Wüstensand. Da niemand wusste, auf welchem Wege man an ein frisches Farbband gelangen konnte, erzeugte die Schreibmaschine zeitlebens kein sichtbares, aber tastbare Zeichen, und doch tippte ich manchmal auf der Maschine herum, als würde ich etwas aufschreiben, als würde ich üben, lautlose Musik, Gesten, stumme Gedanken. In meinem Traum der vergangenen Nacht wurde die Maschine unter meinen Händen immer kleiner, bis sie zuletzt verschwunden war. Ich habe dann noch etwas weiter geträumt. Ich war in einem U‑Boot unterwegs. Ich fuhr den Mississippi aufwärts. Das Wasser war dunkel. Ich beobachtete leuchtende Rinder, wie sie auf dem Grund des Flusses durch kniehohen Schlamm wateten. — stop
Aus der Wörtersammlung: musik
regensprache
tango : 6.35 — Während einer Trauerfeier für Nelson Mandela, heftiger Regen, soll ein Mann, den ich mit eigenen Augen ohne Zeitverzögerung beobachtete, in einer merkwürdigen Zeichensprache Reden übersetzt oder begleitet haben, die für gehörlose Menschen nicht verständlich gewesen war. Bereits nach den ersten Minuten seines Auftritts hatten sich Menschen irritiert und wütend an Fernsehsender mit der Frage gewendet, um wen es sich dort auf dem Bildschirm eigentlich handelte. Eine doch seltsame Geschichte. Man überlegte, ob der Mann vielleicht gefährlich gewesen sein könnte. Aber der Mann machte nur Luftzeichen mit seinen Händen, nichts weiter. Ich habe mich in den vergangenen Tagen gefragt, was der Mann erzählt haben könnte oder durch seinen Auftritt andeuten wollte. Der Mann war von sehr ordentlicher Gestaltung gewesen, wirkte klar und konzentriert. Er machte nicht den Eindruck, als wollte er aus rein persönlichen, aus Eitelkeitsgründen dort oben auf der Bühne neben berühmten Persönlichkeiten stehen, um auf sich aufmerksam zu machen. Er war ganz einfach da und gestikulierte. Ich dachte, es könnte sich in dieser weltweit sichtbaren Sprache um eine erfundene, um eine zufällige, also gar keine Sprache gehandelt haben, weil man sie niemals eindeutig wiederholen könnte. Vielleicht war es Musik, die der Mann mit seinen Zeichen in aller Stille zur Aufführung brachte. Vielleicht übersetzte er die Geräusche des Regens. — stop
lunar caustic
sierra : 22.02 — Wie ich an diesem schönen warmen Sonntagabend aus dem Fenster sehe, entdeckte ich eine Eidechse, die sich bis zu mir hinauf unter das Dach vorgearbeitet hatte. Sie saß nur eine Armlänge entfernt, gelbe Augen, blaugrün schillernde Haut und beobachtete mich natürlich. Ich konnte nicht entscheiden, ob sie mich nun mit den Augen oder mit ihrer nervösen Zunge präziser zu erfassen vermochte. Ich schien ihr nicht verdächtig gewesen zu sein, das schlanke Tier flüchtete nicht. Im Gegenteil, die Eidechse kam noch näher heran, kauerte bald auf dem Fensterbrett, das warm von der Sonne war, und schaute wie ich gegen den Himmel. Es war ein schöner Himmel voll bauschiger Wolken, die sich kaum bewegten. Nach einer Viertelstunde zog ich mich vorsichtig vom Fenster zurück, hoffte, die Eidechse würde in mein Zimmer kommen, würde einige Wochen Lebenszeit bei mir verbringen, über die Wände meiner Wohnung huschen, Fliegen und Falter jagen, die meine Räume in großer Zahl bewohnen. Es ist jetzt 22 Uhr. Bislang ist am Fenster noch nichts geschehen. Ich wüsste gerne, ob es zu diesem Zeitpunkt sinnvoll wäre, das kleine Tier mit etwas Fleisch oder Musik anzulocken, Strawinsky, zum Beispiel, oder Coltrane. Ja, dieser Abend ist ein sehr angenehmer Abend. Endlich ist es mir gelungen, für Mr. Oe Som eine Liste von Büchern zu erstellen, die unbedingt in die Sphäre wasserfester Lektüren transkribiert werden sollten. Ich habe folgende Auswahl übermittelt: Alice Munro Collected Stories . Louis Begley Novels . Max Frisch Montauk . Don DeLillo The Body Artist . James Salter Collected Srories . Jeffrey Eugenidis Middkesex . Bruce Chatwin The Songlines . Conrad Aiken Strange Moonlight . Samuel Beckett Krapps Last Tape . Italo Calvino Der Baron auf den Bäumen . Elias Canetti Die Stimmen von Marrakesch . Jürg Federspiel Die Ballade von der Typhoid Mary . Albert Sanchez Pinol Im Rausch der Stille . John Steinbeck Travels with Charley . José Saramago Kleine Erinnerungen . H.G.Wells The Island of Dr. Moreau . Paul Auster Red Notebook . Charles Simmons Salt Water . Jack Kerouac Book of Dreams . Malcolm Lowry Lunar Caustic . Patricia Highsmith Stories . Natalie Sarraute Kindheit . Herta Müller Herztier . Lutz Seiler Die Zeitwaage — stop
jean paul
charlie : 3.08 — Während eines Gespräches im Gehen erzählte ich Mutter, dass ich vor Jahren einmal fürchtete, ihr Leben könnte vor dem Leben meines Vaters enden. In Bruchteilen einer Sekunde antwortete sie, dass Vater ihr in diesem Falle sehr bald nachgestorben wäre. Ich war sofort stehengeblieben, das Wort nachsterben irritierte. Ich meinte dieses Wort noch nie zuvor gehört zu haben, und überlegte, ob Mutter das Wort vielleicht erfunden haben könnte, ein Wort also für eine Situation, die sie sich selbst vorgestellt haben mochte. Einige Stunden später suchte ich nach dem Wort in der digitalen Sphäre. Tatsächlich existiert dieses Wort bereits seit langer Zeit. Ich war nun ein altes Kind gewesen, das Wörter lernt, in dem es Geräusche von den Lippen seiner Mutter liest. Habe auf der Suche nach den Spuren jenes Wortes eine feine Beobachtung Jean Pauls entdeckt: Außerhalb des Traums kommen uns Empfindbilder öfter von Tönen als von Reden und Schällen vor; nach einer Musiknacht kann die bewegte Seele sich willkürlich die Melodien, aber nicht die Gespräche wiederklingen lassen; denn wie sehr der Musikton, die Poesie des Klanges, so tief mehr in uns als um uns zu spielen und unter allen Empfindungen von uns mehr geschaffen als empfangen zu werden scheint, beweiset die schon angeführte Erfahrung, daß wir an einem Singen und Flöten, das in immer weitere Ferne verfließt, gerade mit dem gespanntesten Ohre die letzten aussterbenden Töne von Außen nicht von den nachsterbenden von Innen sondern können. — stop. Drei Uhr. stop. Heute Nacht pfeift ein Vogel irgendwo im Dunkeln, obwohl es noch lange Zeit nicht hell werden wird. Das ist seltsam. Er scheint mich im Auge zu behalten. Ich stehe am Fenster und bewege einen Arm und eine Hand als würde ich winken. Diese Geste lässt den Vogel verstummen, warum? — stop
nachtameise
~ : sam
to : Mr. louis
subject : WANDERAMEISE
Mein lieber Freund Louis, es gibt Neues zu berichten. Ich bin nämlich umgezogen, von einer Wohnung in eine andere Wohnung, beide befinden sich in demselben Haus. Jahrelang, wie Du weißt, lebte ich im 3. Stock, jetzt schaue ich vom 25. Stockwerk auf die Straße hinunter. Die Menschen sind noch kleiner geworden, ihre Stimmen nicht länger zu hören. Ich wohne unter dem Dach. Manchmal liege ich rücklings auf dem Boden und denke, dass es hier ganz wunderbar ist, weil ich nie wieder von Schritten geweckt werde, wenn ich schlafe. Natürlich ist der Aufstieg beschwerlich, kein Liftzug nach wie vor, aber die Luft scheint hell zu sein, auch nachts, weil sie so gut riecht, nach Seeluft, ja, nach Seeluft. Vor wenigen Stunden öffnete ich das Fenster nach Süden hin und fütterte Möwen mit Brot, seither umkreisen sie lauernd das Haus. Die Wohnung nebenan scheint leer zu stehen, von unten ist leise Klaviermusik zu hören, nichts weiter. Es ist überhaupt sehr still hier oben. Während ich nachts, eine Wanderameise, meine Bücher und Papiere nach oben schleppte, war ich keiner Menschenseele begegnet. Aber ich hörte Stimmen, nicht von den Türen, von irgendwo her, als wären Menschen in den Stufen, dem Holz des Treppengeländers, den Wänden des alten Hauses gefangen. In den höheren Stockwerken befinden sich Briefkästen mit schweren, eisernen Deckeln, in welche man Botschaften abwerfen kann. Natürlich bin ich nicht sicher, ob sie noch funktionieren. Ich habe zur Probe eine Nachricht folgenden Inhaltes an mich selbst abgeschickt: Etwas Seltsames ist geschehen. Bin gestern Abend eingeschlafen, obwohl ich in einem äußerst spannenden Buch geblättert hatte. Vielleicht war’s die schwere, warme Luft oder eine schlaflose Nacht der vergangenen Jahre, die rasch noch nachgeholt werden musste. So oder so schlummerte ich eine Stunde tief und fest im Gras und wäre vermutlich bis zum frühen Morgen hin in dieser Weise anwesend und abwesend zur gleichen Zeit auf dem Boden gelegen, wenn ich nicht sanft von einer nachtwandernden Ameise geweckt worden wäre. Kaum hatte ich die Augen geöffnet, war ich schon mit einer Frage beschäftigt, die ich erst wenige Stunden zuvor entdeckt hatte, mit der Frage nämlich, wie Tiefseeelefanten hören, was sie miteinander sprechen, da doch die Sprechgeräusche ihrer Rüssel sehr weit von ihren Ohren entfernt jenseits der Wasseroberfläche zur Welt kommen und rasch in alle Himmelsrichtungen verschwinden. Eine diffizile Frage, eine Frage, auf die ich bisher vielleicht deshalb keine Antwort gefunden habe, weil ich eine Antwort nur im Schlaf finden kann, wenn mein Gehirn machen darf, was es will. – Dein Sam. Guten Morgen! — stop
gesendet am
17.03.2013
8.15 pm
2253 zeichen
trombone
nordpol : 6.08 — Ob es wohl möglich ist, mit einer Posaune unter Wasser Geräusche zu erzeugen, die Musik sind? — stop
sarajevo
ginkgo : 6.38 — Ich habe diese Geschichte gestern Abend selbst erlebt. Wenn sie mir jemand anderes als ich selbst erzählt haben würde, hätte ich sie vielleicht nicht geglaubt, weil sie schon ein wenig verrückt ist. Die Geschichte beginnt damit, dass ich in einem Café sitze und auf einen jungen Mann warte, der mir etwas erzählen will. Ich bin frühzeitig gekommen, bestelle einen Cappuccino und schalte mein kleines Handkino an, beobachte eine Dokumentation der Arbeit Maceo Parkers in New York, mitreißende Musik, gerade eben umarmt die Sängerin Kym Mazelle den Posaunisten Fred Wesley, als der junge Mann, den ich erwartete, plötzlich neben mir sitzt. Er schaut wie ich auf den kleinen Bildschirm. Sofort kommen wir ins Gespräch. Ich frage ihn, welche Musik er gehört habe, als Kind in der belagerten Stadt Sarajevo. Jedenfalls nicht solche Musik, antwortet er, und lacht, no Funk, wir hatten keinen Strom. Avi ist heute Anfang dreißig, dass er noch lebt ist ein Wunder. Tatsächlich steht ihm jetzt Schweiß auf der Stirn, wie immer, wenn er von der Stadt Sarajevo erzählt. Einmal fragte ich ihn, was er empfunden habe, als er von Karadzics Verhaftung hörte. Anstatt zu antworten, perlte in Sekundenschnelle Schweiß von Avis Stirn. Heute schwitzt er schon, ehe er überhaupt zu erzählen beginnt, weil er weiß, dass er gleich wieder berichten wird von den Straßen seiner Heimatstadt, die nicht mehr passierbar waren, weil Scharfschützen sie ins Visier genommen hatten. Man schleuderte Papiere, Zigaretten, Brote, Wasserflaschen in Körben von einer Seite der Straße zu anderen. Diese Körbe wurden nicht beschossen, aber sobald ein Mensch auch nur eine Hand aus der Deckung hielt, ja, aber dann. Avi war ein kleiner Junge. Er war so klein, dass er nicht verstehen konnte, was mit ihm und um ihn herum geschah, auch dass ein Holzsplitter sein linkes Auge so schwer verletzte, dass er jetzt ein Glasauge tragen muss, das so gut gestaltet ist, dass man schon genau hinsehen muss, um sein künstliches Wesen zu erkennen. Er sagt, er könnte, wenn ich möchte, das Auge für mich herausnehmen. Aber das will ich nicht. Ich erzähle ihm, dass ich damals, als er klein gewesen war, jeden Abend Bilder aus Sarajevo im Fernsehen beobachtet habe. Was das für Bilder gewesen seien, will Avi wissen. Ich sage: Das waren Bilder, die rennende Menschen zeigten. Avi schwitzt. Und er lacht: Das Fernsehen kann nicht gezeigt haben, was geschah, weil es immer sehr schnell und überall passierte. Und diese Geräusche. Plötzlich nimmt der junge Mann mein kleines Kino in die Hand zurück, setzt sich die Kopfhörer in seine Ohren ein, hört Maceo Parker, Kim Macelle, Fred Wesley, Pee Wee Ellis, nickt im Rhythmus der Musik mit dem Kopf. Ein Wispern. — stop
ein anderes zimmer
tango : 6.30 — Wieder die Frage, wie lange Zeit ich bereits über Augen verfüge? Wann genau schaltete sich die Übertragung des Lichts für mich ein? Existieren noch Erinnerungen an diesen ersten Moment, Erinnerung von Farbe, Schatten, Bewegung? Welches Geräusch war erste das Geräusch gewesen, das ich hörte? Ein Herzpochen, ein Rauschen vielleicht, oder ein Standard von Benny Goodman, Musik in allernächste Nähe, und doch wie aus einem anderen Zimmer kommend? — stop
im pullmannwagen
himalaya : 6.46 — Seit einigen Stunden sind heftige Arbeitsgeräusche, — Hämmern, Bohren, Sägen -, aus dem kleinen Raum zu vernehmen, der sich neben meinem Arbeitszimmer befindet, und Männerstimmen, die scherzen und pfeifen. Ich will das schnell erzählen, es handelt sich um einen Vorgang der Montage, weil zwei Handwerker damit beschäftigt sind, einen Eisenbahn-reisewagon, genauer, die Abteilscheibe eines Zuges, zu verschrauben, die mir gestern Nachmittag bei äußerst schlechtem Wetter in Einzelteilen angeliefert worden waren. Ich habe keinen wirklichen Ausblick auf das, was dort im Einzelnen geschieht, aber ich kann das feine Leder der Sitze des alten Pullmannwagens bereits riechen, den ich mir wünschte, um darin jederzeit fahren und arbeiten zu können. Ein großartiges Erlebnis soll das sein, Stunde um Stunde im historischen Wagon zu sitzen und zu schauen und zu schreiben oder zu schlafen, das rhythmische Geräusch der Schwellen, sommerliche Rheinlandschaften, die auf Bildschirmfenstern vorüberziehen. Die Stimme eines Schaffners, der sich nach Fahrkarten erkundigt, sie kommt näher, der Mann grüsst durch das Fenster der Tür in meine Richtung, immer wieder wird er kommen, ohne je das Abteil zu betreten, in dem ich sitze. Kinder tollen auf den Wagonfluren herum, irgendwo schreit jemand, dass endlich Ruhe sein soll, Tanzmusik vom Nachbarabteil, Reisende vertreten sich die Beine, zeigen auf Dampferschiffe draußen auf dem Fluss, auch sie sind Bildschirmwesen, dreißiger Jahre, sehr gut gemacht. Ein Kombüsenwägelchen scheppert vorüber, ein Bahnhof, eine Uhr, es wird dunkel und plötzlich tief stehende Sonne über den wilden zornigen Bäumen, die geduckt in einer Schneelandschaft stehen, bald, in wenigen Minuten, werden wir Oslos Zentralstation erreichen. — stop
rom : taschen
marimba : 22.05 — Man wird vielleicht nicht sofort bemerken, dass man sich in einem Jagdgeschehen befindet. Nein, von Jägern ist auf der Piazza Navona zunächst nichts zu sehen und nichts zu hören. Ein zauberhafter Platz, länglich in der Form, drei Brunnen, eine Kirche, und Cafes, eines nach dem anderen, kleinere Läden, in welchen wir Pasta in allen möglichen Formen und Farben entdecken, Weine, Schinken, Käse. Am Abend fliegen beleuchtete Propeller durch die Luft. Maler, welche entsetzliche Bilder produzieren, erwarten amerikanische Kunden, sie sitzen auf Klappstühlen im Licht ihrer Glühlampen, die sie mittels Batterien mit Strom versorgen. Straßenmusikanten sind da noch mit ihren Bandoneons, Geigen, Kontrabässen, und Angestellte der Müllentsorgung, Frauen, jüngere Frauen in weinroten Overalls, ihre Hände sind gepflegt, ihre Fingernägel rot lackiert. Aber jetzt, wenn man in Richtung jener schwarzhäutigen jungen Männer blickt, die vor einem der Brunnen den Versuch unternehmen, ihre Arbeit zu verrichten, wird es ernst. Sie haben Handtaschen in allen möglichen Formen auf den Boden vor sich abgestellt, je zwei Reihen, Behälter von Prada, Picard, Chanel, Griffe derart ausgerichtet, dass man sie mit je einer Handbewegung allesamt sofort ergreifen und flüchten kann. Eine durchaus typische Geste, sind doch jene armselig wirkenden Händler der Luxustaschen mehr oder weniger flüchtende Wesen. Kaum haben sie ihre Anordnung im Flanierbezirk möglicher Kunden sorgfältigst aufgebaut, raffen sie ihre Ware wieder zusammen und rasen in eine der Seitenstraßen davon, um nach wenigen Minuten wieder hervorzukommen, wie in einem Spiel, wie aufgezogen. Am ersten Abend meiner Beobachtungen auf der Piazza Navona, waren nur Flüchtende zu sehen, nicht aber die Jäger, eine eigenartige Situation, aber schon am zweiten Abend war eine jagende Gestalt vor meinen Augen in Erscheinung getreten. Es handelte sich um einen Hauptmann der Carabinieri, um einen Herrn präzise mit äußerst aufrechtem Gang. Er trug weiße Streifen an seinen Hosen, und eine Uniformjacke, tadellos, und eine Mütze, sehr amtlich, er war eine wirkliche Zierde, ein Staatsmann, wie er so über den Platz schritt, hinter den flüchtenden afrikanischen Männer her, ausdauernd, lauernd, ein Ansitzjäger, möchte ich sagen, einer, der an Straßenecken wartet, um die Wiederkehr der schwarzen Händler zu unterbinden oder um einen von ihnen einzufangen und an Ort und Stelle unverzüglich zu verspeisen. Stop. Freitagabend. stop. Eine Biene überquert zur Unzeit den Platz in südliche Richtung, als wär sie ein Zugvogel. — stop