Aus der Wörtersammlung: endlich

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minutenzeitung

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hima­la­ya : 5.16 — Ges­tern erzähl­te Mut­ter, nein, nein, sie lese kei­nes­wegs lang­sa­mer durch ihre mor­gend­li­che Zei­tung als frü­her noch, viel­mehr sei­en die Zei­tun­gen selbst schwe­rer, das heisst, umfang­rei­cher oder dicker gewor­den. Das kön­ne nie­mand mehr lesen, jeden Tag eine neue dicke Zei­tung. Ich dach­te, man müss­te ein­mal die Zeit anhal­ten, sagen wir für zwei oder drei Mona­te. Alles wür­de zit­ternd still ste­hen auf unse­rer Erd­ku­gel, allein Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten wären noch beweg­lich. Sie rei­sen nun her­um, betrach­te­ten fünf Minu­ten Zeit welt­weit, die sich über­all solan­ge wie­der­holt, bis sie von Spra­che und Foto­gra­fie erfasst sein wird. In einem Flücht­lings­la­ger hält eine Groß­mutter ein gera­de gebo­re­nes Kind aus einem Zelt her­aus, der Vater kippt etwas Regen­was­ser über den klei­nen rosa­far­be­nen Leib, und schon sind fünf Minu­ten Zeit ver­gan­gen und das Kind wie­der in den Leib der Mut­ter zurück­ge­kehrt. Als das Kind unver­züg­lich erneut gebo­ren wird, sind drei wei­te­re Foto­gra­fen vor das Zelt getre­ten, um das Kind zu foto­gra­fie­ren, wie es von sei­nem Vater gewa­schen wird. In Oslo sto­ßen zwei Stra­ßen­bah­nen solan­ge gegen­ein­an­der bis end­lich über sie berich­tet wird. Auf Neu­see­land, nahe Parapa­ra, fällt ein Kind von einem Baum, minu­ten­wei­se klet­tert es wie­der hin­auf und fällt wie­der zu Boden, ehe ein Repor­ter vor­über­kom­men wird, um viel­leicht gera­de noch recht­zei­tig das Kind auf­zu­fan­gen. Auch die alte Mar­tha will bemerkt wer­den, sie hat wie­der ein­mal ein paar Match­box­au­tos ver­schluckt in Lon­don im Kauf­haus bei Har­rods. Eine umfang­rei­che Zei­tung könn­te ent­ste­hen, eine Welt­zei­tung von 5 Minu­ten Zeit, die von zehn­tau­sen­den Jour­na­lis­ten notiert wur­de, die wie Wan­der­amei­sen Blät­ter, Wör­ter, Gedan­ken, Foto­gra­fien sam­mel­ten, um zu erzäh­len was der Fall ist. – Fünf Uhr sech­zehn in Ido­me­ni, Grie­chen­land. – stop
ping

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von teefliegen

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india : 3.22 — Seit Stun­den sitz­te ich wie­der ein­mal im Dun­keln, weil ich her­aus­zu­fin­den wün­sche, ob Libel­len auch in licht­lee­ren Räu­men flie­gen, schwe­ben, jagen. Als ich ges­tern näm­lich gegen den Mit­tag zu erwach­te, balan­cier­te eine Libel­le, mari­ne­blau, auf dem Rand einer Karaf­fe Tee, die ich neben mei­nem Bett abge­stellt hat­te, sie schau­te mir beim Auf­wa­chen zu und nasch­te, indem sie rhyth­misch mit einer sehr lan­gen Zun­ge bis auf den Grund des zimt­far­be­nen Gewäs­sers tauch­te. Viel­leicht jag­te sie nach Fischen oder Lar­ven oder klei­nen Flie­gen, nach Tee­flie­gen, kochend­heiß, die küh­ler gewor­den sein moch­ten wäh­rend ich schlief. Oder aber sie hat­te end­lich Geschmack gefun­den auch an süßen Din­gen des Lebens, wes­halb ich kurz vor Mit­ter­nacht einen Löf­fel Honig erhitz­te und auf die Fens­ter­bank trop­fen ließ, um dann sofort das Licht zu löschen. Und so war­te ich nun bereits seit drei Stun­den und höre selt­sa­me Geräu­sche, von Men­schen viel­leicht oder ande­ren wil­den Tie­ren. — stop

tapete

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nazamins schwester

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echo : 5.08 — Ich träum­te von merk­wür­di­gen Tie­ren, die sehr flach sind und weich und außer­dem sehr schön gestal­tet. Wenn man eines die­ser Tie­re auf einem Tisch in der Wirk­lich­keit vor sich lie­gend betrach­ten könn­te, wür­de man viel­leicht die Ähn­lich­keit zu Brief­mar­ken erken­nen, so wie wir sie als Kin­der ent­de­cken und zu sam­meln begin­nen. Tat­säch­lich han­delt es sich bei jenen Tie­ren, wel­che ich träum­te, um Brief­mar­ken­tie­re, die sehr leicht sind, man­che tra­gen die Zeich­nung wei­te­rer Tie­re auf ihrem Kör­per, Zebras oder Schmet­ter­lin­ge oder Sing­vö­gel sind häu­fig auf ihrem Rücken zu erken­nen. An einem ihrer gezahn­ten Rän­der sit­zen sehr klei­ne Augen fest, dort soll sich gleich­wohl ein Mund befin­den, der feins­te Stäu­be aus der Luft ent­nimmt, Pol­len­sa­men, Bak­te­ri­en, Spo­ren jeder Art, davon ernäh­ren sich Brief­mar­ken­tie­re vor­nehm­lich, es sein denn, sie wer­den mit feins­tem Puder­zu­cker vor­sätz­lich gefüt­tert. Brief­mar­ken­tie­re sol­len dort zu erwer­ben sein, wo man auch her­kömm­li­che Post­wert­zei­chen bestel­len kann, sie sind zunächst nicht so preis­wert wie das papie­re­ne Mate­ri­al, dafür mehr­fach ver­wend­bar. Um einen Brief mit einem Brief­mar­ken­tier zu ver­se­hen, legt man das betref­fen­de Schrift­stück im Kuvert auf einen Tisch, setzt nun behut­sam eines der Brief­mar­ken­tie­re an geeig­ne­te Stel­le, näm­lich genau dort­hin, wo nor­ma­ler­wei­se papie­re­ne Brief­mar­ken auf­zu­tra­gen sind, und schon wird man beob­ach­ten wie sich das Brief­mar­ken­tier mit sei­nem neu­en Zuhau­se ver­bin­det, es schmiegt sich an und ist fort­an vom Brief nur noch mit­tels Gewalt zu tren­nen. Wie es jetzt leuch­tet, wie es sei­ne wun­der­ba­ren Far­ben zeigt, wie es mit Mus­tern spielt und mit Bil­dern, die zu Fil­men wer­den, zu Geschich­ten, die das Brief­mar­ken­tier irgend­wo gelernt haben muss. Und wenn nun der Brief auf die Rei­se geht, reist das Brief­mar­ken­tier mit ihm mit, und bleibt dem Brief solan­ge ver­bun­den, bis der Brief geöff­net wird. In die­sem Moment der Öff­nung, löst sich das Brief­mar­ken­tier von sei­nem Brief, der nun nicht mehr sein Brief sein kann. Es ist kaum zu glau­ben, aber es ist wahr, ich hab’s geträumt, das Brief­mar­ken­tier segelt sogleich durch die Luft davon, es ist sehr schnell unter­wegs, schnell wie ein Zug­vo­gel kehrt es zu sei­nem Absen­der zurück, Tage oder auch Wochen ist es unter­wegs, Schwär­me von Brief­mar­ken­tie­ren wur­den bereits in gro­ßer Höhe über dem Erd­bo­den beob­ach­tet. Zuhau­se end­lich ange­kom­men, lun­gern sie dann gern an den Fens­tern und war­ten. stop. Ende mei­nes Trau­mes. stop – Naza­mins Schwes­ter wur­de am ver­gan­ge­nen Sams­tag in den Ber­gen nahe Sem­din­li ver­mut­lich von tür­ki­scher Mili­tär­po­li­zei getö­tet. Naza­mins Schwes­ter wird nie wie­der erwa­chen. – stop

ping

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nabokovs uhr

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gink­go : 6.12 — Nabo­kov schrieb vor eini­ger Zeit, er habe mir eine unge­wöhn­li­che Uhr geschickt, ich sol­le ihm notie­ren, sobald sie ange­kom­men sei. Ver­gan­ge­nen Frei­tag erneu­te Fra­ge: Lie­ber Lou­is, ist die Uhr, die ich vor zwei Mona­ten sen­de­te, ange­kom­men? Ges­tern war Nabo­kovs Uhr end­lich im Brief­kas­ten, zoll­amt­li­cher Ver­merk: Zur Prü­fung geöff­net. Ich will an die­ser Stel­le bemer­ken, von der Öff­nung des Päck­chens war nicht die min­des­te Spur zu erken­nen, kein Schnitt, kein Riss, kei­ne Fal­te. Im Päck­chen nun eine Schach­tel von hel­lem Kar­ton, in der Schach­tel Sei­den­pa­pie­re, von Nabo­kovs eige­ner Hand ver­mut­lich zer­knüllt. In wei­te­re Sei­den­pa­pie­re ein­ge­schla­gen, besag­te Uhr, wun­der­ba­res Stück, ova­les Gehäu­se, ble­chern, ver­mut­lich Trom­pe­te, wel­ches schwer in der Hand liegt. Kurio­ser­wei­se fehlt der Uhr das Zif­fer­blatt, wei­ter­hin kei­ner­lei Zei­ger, weder Dioden noch Leucht­zei­chen. Ich ver­such­te das Gehäu­se der Uhr zu öff­nen, ver­geb­lich. Erstaun­lich ist nun, dass, wenn ich auf das Gehäu­se der Uhr Druck aus­übe, sich ein schma­ler Schacht seit­lich öff­net, dem, wie zum Beweis der Exis­tenz der Zeit, ein Strei­fen feins­ten Papiers ent­kommt, auf wel­chem ein Uhr­zeit­punkt auf­ge­tra­gen wor­den ist. Sechs­sieb­zehnzwölf. Aller­bes­ten Dank, Nabo­kov, aller­bes­ten Dank! — stop
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nachtorte

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ulys­ses : 1.15 — Und träu­me von frü­her. Als die Zeit noch eine Figur war, die eine Rol­le spiel­te. Damals dach­te ich, dass, wenn bei uns Tag war, wir die Nacht auf der ande­ren Sei­te der Welt bewach­ten. Bis mir klar wur­de, dass wir ihren Schlaf nicht bewach­ten, son­dern sie im Schlaf aus­raub­ten. Dann bin ich auf­ge­wacht. — Die­se Beob­ach­tung habe ich in einer Text­samm­lung Ali­s­sa Walsers ent­deckt: Von den Tie­ren im Notie­ren. Kur­ze Zeit spä­ter, auf dem Weg zum Fens­ter, erin­ner­te ich mich an das Muse­um der Nacht­häu­ser, das sich am Shore Bou­le­vard nörd­lich der Hell Gates Bridge befin­det, die den New Yor­ker Stadt­teil Queens über den East River hin­weg mit Ran­di­lis Island ver­bin­det. Ich weiß nicht, ob das Muse­um noch immer exis­tiert, es war oder ist ein recht klei­nes Haus, rote Back­stei­ne, ein Schorn­stein, der an einen Fabrik­schlot erin­nert, ein Gar­ten, in dem ver­wit­ter­te Apfel­bäu­me ste­hen, und der Fluss so nah, dass man ihn rie­chen konn­te. Wäh­rend eines Spa­zier­gan­ges, zufäl­lig, ent­deck­te ich die­ses Muse­um, von dem ich nie zuvor hör­te. Es war ein spä­ter Nach­mit­tag, ich muss­te etwas war­ten, weil das Muse­um nicht vor Ein­bruch der Däm­me­rung öff­nen wür­de, ein Muse­um für Nacht­men­schen eben, die in Nacht­häu­sern woh­nen, wel­che erfun­den wor­den waren, um Nacht­men­schen art­ge­rech­tes Woh­nen zu ermög­li­chen. Als das Muse­um dann end­lich öff­ne­te, war ich schon etwas müde gewor­den, und weil ich der ein­zi­ge Besu­cher gewe­sen, führ­te mich ein jun­ger Mann per­sön­lich her­um. Er war sehr gedul­dig, war­te­te, wenn ich wie wild in mein Notiz­buch notier­te, weil er span­nen­de Geschich­ten erzähl­te von jenen merk­wür­di­gen Gegen­stän­den, die in den Vitri­nen des Muse­ums ver­sam­melt waren. Von einem die­ser Gegen­stän­de will ich kurz berich­ten, von einem metal­le­nen Wesen, das mich an eine Kreu­zung von Gecko und Spin­ne erin­ner­te. Das ver­ros­te­te Ding war von der Grö­ße eines Schuh­kar­tons. An je einer Sei­te des Objekt saßen Bei­ne fest, die über Saug­näp­fe ver­füg­ten, eine Kame­ra thron­te oben­auf wie ein Rei­ter. Der jun­ge Mann erzähl­te, dass es sich bei die­sem Gerät um ein Instru­ment der Ver­tei­di­gung han­del­te, aus einer Zeit, da Nacht­men­schen mit Tag­men­schen noch unter ein und dem­sel­ben Haus­dach wohn­ten. Das klei­ne Tier saß in der Vitri­ne in einer Hal­tung als wür­de er sich ducken, als wür­de es jeder­zeit wie­der eine Wand bestei­gen wol­len. Das war näm­lich sei­ne vor­neh­me Auf­ga­be gewe­sen, Zim­mer­wän­de zu bestei­gen in der Nacht, sich an Zim­mer­de­cken zu hef­ten und mit klei­nen oder grö­ße­ren Ham­mer­werk­zeu­gen Klopf- oder Schlag­ge­räu­sche zu erzeu­gen, um Tag­men­schen aus dem Schlaf zu holen, die ihrer­seits weni­ge Stun­den zuvor noch durch ihre erbar­mungs­los har­ten Schrit­te den Erfin­der der Geck­oma­schi­ne, einen Nacht­ar­bei­ter, aus sei­nen Träu­men geris­sen haben moch­ten. Es war, sag­te der jun­ge Mann, immer so gewe­sen damals in die­ser schreck­li­chen Zeit, dass sich Tag­men­schen sicher fühl­ten vor Nacht­men­schen, die unter ihnen leb­ten, die mit Schrit­ten Zim­mer­de­cken ihrer Woh­nung nie­mals erreich­ten. Aus und fini! — stop

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aylan kurdi

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sier­ra : 23.25 — Ich hat­te bis zum spä­ten Abend kei­ne Zei­tung gele­sen und auch die Fern­seh­ma­schi­ne nicht ange­stellt. Gegen 22 Uhr rief ein Freund an, frag­te, ob ich die Foto­gra­fie mit dem Jun­gen gese­hen hät­te, der aus Koba­ne geflüch­tet, vor einem Urlau­ber­strand der Tür­kei ertrun­ken und Land gespült wor­den sei. Er sag­te, er habe mir die Auf­nah­me gera­de eben geschickt, und ich hör­te genau in die­sem Moment das Geräusch einer ankom­men­den E‑Mail mit dem Betreff: Der Jun­ge. Eine hal­be Stun­de spä­ter öff­ne­te ich die Datei. Auf der Foto­gra­fie war der Kör­per eines Kin­des am Strand zu erken­nen, ein­sam, unend­lich ein­sam, so, als habe das Meer, in dem das Kind ertrun­ken war, sei­nen Kör­per behut­sam am Strand abge­legt, seht her, schaut was gesche­hen ist, öff­net die Gren­zen, lasst Flücht­lings­men­schen end­lich mit Flug­zeu­gen zu euch kom­men, wehrt sie nicht ab, errich­tet kei­ne Zäu­ne, hört auf, Waf­fen zu lie­fern, mit wel­chen tat­säch­lich auf Men­schen geschos­sen wird, ich bin das Meer, aus dem ihr alle gekom­men seid. Mil­lio­nen elek­tri­sche Exem­pla­re die­ser Foto­gra­fie eines leb­lo­sen Kin­des sol­len sich inner­halb weni­ger Stun­den um die Welt ver­brei­tet haben, eine Foto­gra­fie, die nie wie­der ver­schwin­den wird, ein Gedächt­nis­bild mög­li­cher­wei­se, wie das Bild ( Pulit­zer­preis 1973 ) der durch fri­end­ly fire schwer ver­letz­ten Kim Phúc und der Geschwis­ter des Mäd­chens, flie­hend auf einer Stra­ße im Süden Viet­nams, ein Gedächt­nis­bild, an das sich die Mensch­heit nun gewöh­nen wird, das Bild betrach­ten und beden­ken, damit es sei­nen Schre­cken ver­liert, bis man es nicht mehr wahr­neh­men wird. Der Name des Jun­gen: Aylan Kur­di. Er wur­de 3 Jah­re alt. Nicht alle wer­den sich gewöh­nen. — stop

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ai : KONGO

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MENSCHEN IN GEFAHR : “Zahl­rei­che Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger wer­den in der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go seit dem 15. März ohne Kon­takt zur Außen­welt fest­ge­hal­ten. Sie hat­ten im Elo­ko-Maka­si-Jugend­zen­trum in der Haupt­stadt Kin­sha­sa eine Pres­se­kon­fe­renz gege­ben, die von Sicher­heits­kräf­ten gewalt­sam auf­ge­löst wur­de. / Am 15. März stürm­ten Sicher­heits­kräf­te eine Pres­se­kon­fe­renz im Elo­ko-Maka­si Jugend­zen­trum in Kin­sha­sa, der Haupt­stadt der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go. Sie nah­men etwa 30 Per­so­nen fest, dar­un­ter Mit­glie­der der kon­go­le­si­schen Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on Lut­te pour le Chan­ge­ment (LUCHA), der sene­ga­le­si­schen Bewe­gung Y’en a Mar­re, der bur­k­in­i­schen Grup­pe Balai Citoy­en, sowie einen US-ame­ri­ka­ni­schen Diplo­ma­ten und anwe­sen­de Journalist_innen. Die Pres­se­kon­fe­renz wur­de im Anschluss an einen Work­shop über die Betei­li­gung von Jugend­li­chen an poli­ti­schen Pro­zes­sen im Vor­feld der anste­hen­den Wah­len im Land abge­hal­ten. Ver­an­stal­ter waren die ört­li­chen NGOs la Jeu­nesse pour une Nou­vel­le Socié­té (JNS), le Forum Natio­nal de la Jeu­nesse pour l’Ex­cel­lence (FNJE) und Lut­te pour le Chan­ge­ment (LUCHA). / Amnes­ty Inter­na­tio­nal lie­gen Infor­ma­tio­nen dar­über vor, dass eini­ge Per­so­nen wäh­rend der Fest­nah­me von den Sicher­heits­kräf­ten miss­han­delt wur­den. Ein Augen­zeu­ge berich­te­te, dass Per­so­nen von den Sicher­heits­kräf­ten schi­ka­niert und grob behan­delt wur­den, bevor man sie an unbe­kann­te Orte ver­brach­te. Der US-ame­ri­ka­ni­sche Diplo­mat und die aus­län­di­schen Journalist_innen wur­den noch am sel­ben Tag wie­der frei­ge­las­sen, die sene­ga­le­si­schen und bur­k­in­i­schen Aktivist_innen wur­den aus­ge­wie­sen. Wei­te­re kon­go­le­si­sche Menschenrechtler_innen befin­den sich nach wie vor ohne Kon­takt zur Außen­welt an unbe­kann­ten Orten in Haft. Ihnen dro­hen Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen. / Amnes­ty Inter­na­tio­nal sieht die­se Angrif­fe auf die Meinungs‑, Ver­samm­lungs- und Ver­ei­ni­gungs­frei­heit mit gro­ßer Sor­ge. — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 4. Mai hin­aus, unter »> ai : urgent action

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camilla

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hima­la­ya : 5.32 — Ob Camil­la wirk­lich exis­tier­te, ver­mag ich nicht mit Sicher­heit zu sagen. Aber der klei­ne Mann, Feli­pe, der von Camil­la erzähl­te, exis­tiert tat­säch­lich, er hat mir wäh­rend einer mor­gend­li­chen Bus­fahrt die Hand gege­ben, eine klei­ne, raue Hand, die Hand eines Man­nes, der ein Leben lang hart gear­bei­tet haben muss. Ein Fin­ger sei­ner Hand fehl­te, glau­be ich, ja, ich bin mir nicht sicher, ich mei­ne gespürt zu haben, dass etwas fehl­te, sein fes­ter Hän­de­druck, und als ich nach­se­hen woll­te, hat­te Feli­pe sei­ne Hand eilig hin­ter dem Rücken ver­steckt. Ich frag­te ihn, wo er gebo­ren wur­de, er ant­wor­te­te mit einem Namen, der sehr schön in mei­nen Ohren klang, einen spa­ni­schen Namen. Er wohn­te in die­ser Stadt sein Leben lang. Fünf­zig Jah­re arbei­te­te er in einer Fabrik, in wel­cher Papie­re erzeugt wur­den, die in der Lage waren, Strom zu lei­ten. Man mach­te aus die­sem merk­wür­di­gen Papie­ren zum Bei­spiel Bücher, die sich in küh­ler Luft erwärm­ten. Beim Schnei­den der Papier­bö­gen könn­te das mit dem Fin­ger pas­siert sein vor lan­ger Zeit, als Camil­la noch nicht in sei­nem Leben gewe­sen war. Wie Feli­pe von Camil­la erzähl­te, leuch­te­ten sei­ne Augen, er ist doch ein groß­ar­ti­ger Erzäh­ler. Dass sie ihn trotz sei­nes feh­len­den Fin­gers lieb­te, erzähl­te er nicht, aber dass sie ein wenig grö­ßer war als er selbst, und dass sie über sehr schö­ne Ohren ver­füg­te, die wackel­ten wenn sie lach­te. Mit dem Alter wur­de Camil­la klei­ner. Weil auch Feli­pe klei­ner wur­de, änder­te sich nichts dar­an, dass sie grö­ßer war. Wie ich ihn so sah, neben sei­nem Kof­fer sit­zend im schau­keln­den Bus, dach­te ich dar­an, dass wir noch immer in einer Zeit leben, da Men­schen sich damit abfin­den müs­sen, dass Fin­ger für immer ver­schwin­den, oder Camil­la mit ihren beben­den Ohren. — stop

polaroidwindows

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vor neufundland 22.14.08 uhr : zarte finger von licht

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lima : 2.22 — Ges­tern am Abend seit lan­ger Zeit end­lich wie­der ein Funk­spruch Noes. Ver­mut­li­che Tie­fe: 855 Fuß. Posi­ti­on: 80 See­mei­len süd­öst­lich der Küs­te Neu­fund­lands seit nun­mehr 1356 Tagen im Tief­see­tauch­an­zug unter Was­ser. Ich hör­te sei­ne schep­pern­de Stim­me gegen 2 Uhr Mor­gens mit­tel­eu­ro­päi­scher Zeit über Kurz­wel­le. Ver­trau­te Sät­ze. Dann lan­ge Zeit gewar­tet. Fol­gen­de Bot­schaft: ANFANG 22.14.08 | | | > groß­ar­ti­ge aus­sicht. s t o p lang­sam auf­stei­gen­der wal. s t o p muschel­rü­cken. s t o p kra­ter­haut. s t o p als wür­de der mond vor­über­zie­hen. s t o p lan­ge zei­ten der stil­le. s t o p lan­ge zei­ten ohne einen gedan­ken ohne einen wunsch ohne eine erin­ne­rung. s t o p blick ins was­ser. s t o p zar­te fin­ger von licht. s t o p ob mir jemand zuhört? s t o p < | | | ENDE 22.16.58

nach­rich­ten von noe »

ping

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san lorenzo de esmeraldas

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kili­man­dscha­ro : 6.55 — Am Sams­tag der ver­gan­ge­nen Woche erreich­te mich eine Waren­sen­dung, die in einem Dorf namens San Loren­zo de Esme­ral­das bereits im Juli auf­ge­ge­ben wor­den war. Die klei­ne Ort­schaft liegt nahe der Gren­ze zu Kolum­bi­en im Dschun­gel unweit der Pazi­fik­küs­te, lan­ge Näch­te, feuch­te Luft, krei­schen­de Tama­ri­ne. Das Päck­chen, ich hat­te lan­ge dar­auf gewar­tet, ent­hielt ein Käst­chen von Holz in der Grö­ße einer Zigar­ren­schach­tel, das mit­tels eines blau­en Gum­mi­rie­mens ver­schlos­sen wur­de. Ich stell­te das Käst­chen auf mei­nen Schreib­tisch ab, um es vor­sich­tig zu öff­nen. Fei­ner, hel­ler Sand wur­de sicht­bar, Sand, so fein wie gemah­le­ner Kam­pot­pfef­fer. Bald arbei­te­te ich mich mit einem Pin­sel vor­sich­tig in die Tie­fe vor­an, bis ich auf zwei Kör­per stieß. Es han­del­te sich um Käfer­we­sen, die des­halb etwas Beson­de­res dar­stell­ten, weil sie je über zwei Köp­fe ver­füg­ten und über sechs Füh­ler. die im Moment mei­ner Besich­ti­gung nicht im Gerings­ten auf mei­ne Gegen­wart reagier­ten. Nach einer hal­ben Stun­de, ich hat­te die Käfer bis dahin lie­be­voll betrach­tet, waren end­lich Lebens­zei­chen zu erken­nen, die Füh­ler der Käfer beweg­ten sich, und ich hob sie aus ihrem Sand­bett und sie schlu­gen mit den Flü­geln, als woll­ten sie mich begrü­ßen. Ihre Kör­per waren weich, sie beb­ten, und sie ver­ström­ten einen fei­nen Duft, der mich an Man­deln erin­ner­te. Zur ers­ten Pro­be setz­te ich einen der Käfer an mein lin­kes Ohr, und der Käfer drang unver­züg­lich in mich ein, sehr behut­sam, bis ich bemerk­te, dass sei­ne Füh­ler mein Trom­mel­fell betas­te­ten. Kurz dar­auf wei­te­te sich sein Kör­per, ich hör­te ihn knis­tern, bis er mei­nen Gehör­gang voll­stän­dig füll­te. Ein Pochen war zu ver­neh­men, das mich müde wer­den lies. Kaum hat­te ich den zwei­ten Käfer in das ande­re mei­ner Ohren gesetzt, schlief ich ein. Zwölf Stun­den lang schlief ich tief und fest, mei­ne Stirn ruh­te auf dem Schreib­tisch. Als ich erwach­te, hat­ten sich bei­de Käfer wie­der in ihr Sand­bett zurück­ge­zo­gen. Es ist jetzt frü­her Mor­gen. — stop
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