Aus der Wörtersammlung: luft

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prada

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tan­go : 5.16 — Die Hand­ta­sche, der ich mich in der ver­gan­ge­nen Nacht ein­ge­hend wid­me­te, ist rot und weiß und von feins­tem Leder. Zwei Fächer sind in ihrem schma­len Bauch zu fin­den, die man mit Druck­knöp­fen ver­schlie­ßen kann. In die­sem Moment steht die Tasche auf vier metal­le­nen Füß­chen vor mir auf dem Schreib­tisch, Schul­ter­rie­men, Tra­ge­hen­kel, Außen­fä­cher, ein wirk­lich ansehn­li­ches Exem­plar, das glänzt und leicht ist. Die Tasche wiegt in nicht befüll­tem Zustand gera­de ein­mal 400 Gramm, so leicht ist die­se Tasche, ganz erstaun­lich. Nun habe ich Fol­gen­des unter­nom­men, ich habe zunächst in sorg­fäl­tigs­ter Wei­se einen präch­ti­gen Haut­bal­lon gefal­tet und in das lin­ke Sei­ten­fach der Leicht­hand­ta­sche abge­legt. Es han­delt sich um ein fili­gra­nes, flug­fä­hi­ges Natur­pro­dukt, wel­ches aus der Schwimm­bla­se eines Mond­fi­sches gefer­tigt wur­de. Ein fei­ner Schlauch, nicht sicht­bar auf den ers­ten Blick, führt vom Hals des Bal­lons wie­der­um zu einem Siphon, in dem sich Heli­um befin­det. Ich habe ihn, nach län­ge­rer Über­le­gung, auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te, im zwei­ten Außen­fach der Tasche unter­ge­bracht. Er ver­fügt über ein Ven­til, wel­ches unkon­trol­lier­tes Aus­strö­men des Gases ver­hin­dert, über einen Ver­schluss also, der mit einer sanf­ten Fin­ger­be­we­gung jeder­zeit geöff­net wer­den könn­te, sodass das Gas im Bruch­teil einer Sekun­de in den Bal­lon schie­ßen, das Fut­te­ral des Bal­lons öff­nen und die Hand­ta­sche mit Auf­trieb ergrei­fen wür­de. Soll­te ich zu die­sem Zeit­punkt das Ven­til der Tasche öff­nen, ende­te ihr Flug an der Decke mei­nes Zim­mers. — Kurz vor fünf Uhr am Mor­gen. Schon zu spät, um inmit­ten der Stadt heim­lich einen Frei­luft­ver­such unter­neh­men zu kön­nen. Noch etwas schla­fen dar­um, dann eine Spin­del mit äußerst fei­nem, aber zug­fes­tem Faden in der Län­ge von 100 Metern an der Tasche befes­ti­gen, dann wie­der Nacht. — stop

polaroidmolluske

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bohumil hrabal

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tan­go : 6.56 — Ich beob­ach­te mei­nen Fern­seh­bild­schirm. Er ist so flach, dass ich mei­ne, das beweg­te Bild, wel­ches er emp­fängt, müss­te trans­pa­rent sein wie ein Schmet­ter­lings­flü­gel. Ich könn­te in die­ser Vor­stel­lung durch das Zim­mer lau­fen, um jene Sequen­zen, die von Kriegs­vor­be­rei­tun­gen, von chir­ur­gi­schen, begrenz­ten Luft­schlä­gen erzäh­len, von der ande­ren Sei­te her zu betrach­ten. Erin­ne­re mich an Boh­u­mil Hra­bal, von dem berich­tet wird, er wür­de bevor­zugt hin­ter sei­nem Fern­seh­ge­rät Platz genom­men haben. Das muss zu einer Zeit gewe­sen sein, als Bild­schir­me in den Rah­men mons­trö­ser Appa­ra­tu­ren hock­ten, Röh­ren­bild­schir­me genau­er, die noch explo­die­ren konn­ten. Indem Hra­bal sei­nen Bild­emp­fän­ger von hin­ten betrach­te­te, han­del­te er mit dem Aus­druck äußers­ter Ver­wei­ge­rung, er saß dort und konn­te sich dar­auf ver­las­sen, kei­nes der emp­fan­ge­nen Bil­der sehen zu kön­nen, er war genau dort hin­ter jener Maschi­ne, die die Bil­der erzeug­te, vor den Bil­dern sicher. Viel­leicht hat­te er über­dies das Fern­seh­ge­rät aus­ge­schal­tet, ich weiß es nicht, gern wür­de ich ihn fra­gen, ihm erzäh­len, wie ich das mache in die­sen Tagen, da ich nicht mehr sicher bin, Lüge von Halb­wahr­heit oder Wahr­heit unter­schei­den zu kön­nen. Wirk­lich, wahr­haf­tig ist die­ses selt­sa­me, schmer­zen­de Gefühl, das ich bei dem Gedan­ken emp­fin­de, man könn­te die Armee des Dik­ta­tors Baschar al-Assad bom­bar­die­ren, sei­ne Flug­hä­fen, sei­ne Flug­zeu­ge, Rake­ten. Es ist ein zufrie­de­nes, zustim­men­des Gefühl, ein Reflex, wie ich so in mei­ner fried­li­chen, siche­ren Woh­nung sit­ze, eine Tas­se Kaf­fee in der Hand. Bald wan­de­re ich in die Küche und bra­te mir einen Fisch, eine klei­ne Dora­de. Ich höre die Stim­men der Kom­men­ta­to­ren vom Arbeits­zim­mer her, die wei­ter spre­chen, obwohl ich abwe­send bin. Und ich höre den Regen, es reg­net tat­säch­lich, dann hört es wie­der auf. Vögel flie­gen vor­über. Auf der Schei­be eines Fens­ters sitzt ein Mari­en­kä­fer und nascht von den Res­ten einer Wes­pe, die ich einen Tag zuvor töte­te, weil sie sich in der Dun­kel­heit mei­nem Bett näher­te. — stop
ping

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unter wasser

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del­ta : 22.58 — Ich stell­te mir vor, wie es wäre, wenn ich durch mei­ne Woh­nung tau­chen könn­te. Mach­te mich unver­züg­lich an die Arbeit. Zunächst stieg das Was­ser in den Zim­mern. Es kam nicht von oben, son­dern von unten, das Was­ser kam wie ein Gast durch die Woh­nungs­tür her­ein, die geschlos­sen war, aber nicht wirk­lich dicht. Es stieg schnell, viel zu schnell, um mei­ne Bücher noch in Sicher­heit brin­gen zu kön­nen. Saß auf einem Stuhl in der Küche, die Füße auf dem Boden, als das Was­ser, bern­stein­far­ben und warm, eine Steck­do­se erreich­te. Ich erwar­te­te, von einem Wand­blitz getrof­fen zu wer­den, ein Irr­tum. Statt­des­sen begann ich zu leuch­ten, zunächst leuch­te­te ich mit den Hän­den, dann leuch­te­ten mei­ne Arme. In dem Moment, da das Was­ser mei­nen Mund erreich­te, hol­te ich tief Luft und tauch­te los. Eine Bana­ne schweb­te vor­über wie ein Fisch, Papie­re und Zei­tun­gen und zwei hef­tig zap­peln­de Mäu­se, von deren Exis­tenz ich nichts ahn­te. Die Schreib­ma­schi­ne auf dem Tisch funk­tio­nier­te noch, wie alle Lam­pen in der Woh­nung. Und so schwe­be ich nun also gera­de kopf­über und schrei­be. Schö­ne Geräu­sche sind zu hören, es knis­tert, viel­leicht bin ich das selbst. Spä­ter Abend. — stop

ping

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linie 16

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romeo : 4.15 —  Mit der ers­ten Fahrt der Stra­ßen­bahn mor­gens kommt der Tag in die Nacht, Vögel stei­gen aus, hocken sich in Bäu­me und sin­gen, wäh­rend Flie­gen und Fal­ter aus mei­ner Woh­nung flüch­ten, um ein­zu­stei­gen und schnell auf und davon­zu­fah­ren. Ich soll­te ein­mal mor­gens auf die Stra­ße tre­ten und zur Hal­te­stel­le gehen. Wenn nun die ers­te Fahrt der Linie 16 ein­tref­fen wird, der Fah­rer von Nacht­fal­tern bedeckt, Sit­ze und Lam­pen und auch die Arbei­ter und Arbei­te­rin­nen der Früh­schicht. Dich­te, bit­te­re, stau­bi­ge Luft, ein sono­res Sum­men tau­sen­der Flü­gel. Klei­ne, har­te Käfer­kör­per, Ver­irr­te, stür­men durch den wei­chen, flie­gen­den Fal­ter­wald. Abends kommt man dann wie­der zurück, steigt aus mit der letz­ten Fahrt, hell­graue Geis­ter. Ende August. In Syri­en, nahe Damas­kus, sol­len mehr als 1000 Men­schen durch Gift­gas getö­tet wor­den sein. — stop

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marías

2

echo

~ : oe som
to : louis
sub­ject : MARÌAS
date : aug 10 13 10.58 p.m.

Seit Noe eine Bril­le trägt, liest er zügig und feh­ler­frei wie noch vor Mona­ten aus Büchern, die wir zu ihm in die Tie­fe sen­den. Als ich ihn besuch­te, war er müde von der Lek­tü­re Javier Marí­as soeben ein­ge­schla­fen. Und so konn­te ich für län­ge­re Zeit heim­lich sein Gesicht betrach­ten hin­ter der Schei­be von gepan­zer­tem Glas. Er ist blass gewor­den. Kein Wun­der, kaum Son­nen­licht an der Gren­ze zur Fins­ter­nis. Wäh­rend ich Noe betrach­te­te, wan­der­te eine Put­zer­schne­cke über sei­ne Stirn dahin. Sie stieg bald über Noes Nase abwärts, um kurz dar­auf in aller See­len­ru­he sei­ne lin­ke Wan­ge zu bewan­dern. Er scheint sich an die Exis­tenz der Tie­re auf sei­nem Kör­per gewöhnt zu haben, nach wie vor sind es fünf Schne­cken. Er wird von ihren Berüh­run­gen nie­mals wach, selbst dann nicht, wenn sie sich um sei­ne Lip­pen bemü­hen. Ich über­leg­te, wie der Geruch der Luft in Noes Anzug nach lan­ger Zeit der Abge­schie­den­heit beschaf­fen sein könn­te. Ein Schwarm Hai­füss­lie­re näher­te sich, neu­gie­ri­ge Wesen? Viel­leicht wur­den sie von Noe ange­zo­gen, einem sich lang­sam durch das Zwie­licht dre­hen­den Fin­ger. Er scheint zu fla­ckern. Ich hat­te ver­ges­sen, wie jung Noe doch ist. Ohne ihn aus der Nähe sehen zu kön­nen, nur sei­ne lesen­de Stim­me hörend, war der Tau­cher in mei­ner Wahr­neh­mung geal­tert, ohne dass ich das bemerk­te. Sein Gesicht ist schmal gewor­den. Ich ver­moch­te sei­ne Augen­bäl­le zu erken­nen, die sich unter ihren Lidern hin und her beweg­ten. Plötz­lich sah er mich an. Er lächel­te, und er sprach ein paar Wör­ter, die ich nicht ver­ste­hen konn­te, obwohl ich nur weni­ge Zen­ti­me­ter ent­fernt gewe­sen war. Ich ant­wor­te­te, ich sag­te: Noe, hör zu, Dein Vater ist gestor­ben. Da lach­te Noe, ver­mut­lich dach­te er: Der Mann ist so nah und er spricht und doch kann ich nicht hören, was er sagt. Dann mach­te ich mich an die Arbeit. Ich befes­tig­te Noes Bril­le an sei­nem Helm. — Dein OE SOM

gesen­det am
10.08.2013
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oe som to louis »

polaroidsecuso

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von eisbriefboten

9

nord­pol : 6.33 — Ein Eis­brief­bo­te war­te­te ges­tern, es war ein Diens­tag, vor mei­ner Woh­nungs­tü­re im 22. Stock. Der Mann trug blaue Turn­schu­he der Mar­ke Nike, kur­ze, hel­le Hosen und ein wei­ßes Hemd, das viel zu groß gewe­sen war für sei­nen schmäch­ti­gen Kör­per. Er schwitz­te, weil er die Trep­pe neh­men muss­te, da in mei­nem Haus kei­ner­lei Auf­zug exis­tiert, wes­halb das Haus nicht sehr beliebt ist bei Gäs­ten und Boten. Meis­tens bie­te ich den hart arbei­ten­den Män­nern über die Funk­sprech­an­la­ge an, ihnen ent­ge­gen­zu­kom­men. Ich sage: Tref­fen wir uns im 11. Stock in 10 Minu­ten! Ges­tern aber war ich sehr müde gewe­sen. Ich trank einen Kaf­fee, tele­fo­nier­te mit einer Behör­de, und war­te­te dann still in aller Ruhe, bis der Mann bei mir oben unter dem Dach ange­kom­men war. Es sind die­se ers­ten Bli­cke, die ich nie ver­ges­se. Der erschöpf­te Bote öff­ne­te sei­ne Kühl­ta­sche und über­reich­te mir einen wei­te­ren eis­ge­kühl­ten wei­chen Behäl­ter, in wel­chem sich nun unmit­tel­bar ein Brief von Eis befand, den ich zunächst in mei­nen Gefrier­schrank zu wei­te­ren Eis­brie­fen und Eis­bü­chern leg­te. Kurz dar­auf setz­te ich mich ins Trep­pen­haus und hör­te dem jun­gen Mann bei sei­nem Abstieg zu. Er war sehr schnell unter­wegs gewe­sen, er schien zu flie­gen, stürz­te im fünf­ten oder sechs­ten Stock, Minu­ten lang war kein Laut zu hören, dann das Wim­mern einer Ambu­lanz. Da saß ich längst in mei­ner Küche und las, was mir ein Freund notier­te, wie er schrieb, mit gro­ßer Freu­de auf dem ver­gäng­lichs­ten Mate­ri­al, das ihm zur Ver­fü­gung ste­he: Lie­ber Lou­is, die­ser Brief ist geheim. Er wird sich auf­lö­sen, sobald oder bevor Du ihn gele­sen haben wirst. Du musst Dich also beei­len oder den Brief immer wie­der ein­mal in den Kühl­schrank zurück­le­gen oder ihn foto­gra­fie­ren, ehe er geschmol­zen sein wird. Sei behut­sam, mein Lie­ber. Lies bit­te nicht an Tagen, da es warm ist in Dei­ner Woh­nung unter dem Dach, es könn­te sein, dass Du in schwü­ler Luft nicht schnell genug lesen kannst. Ich ver­mu­te, ich habe die Wör­ter an die­ser Stel­le bereits ver­geb­lich geschrie­ben. Dein K. – stop
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abschnitt neufundland

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Abschnitt Neu­fund­land mel­det fol­gende gegen Küs­te gewor­fene Arte­fakte : Wrack­teile [ See­fahrt – 156, Luft­fahrt — 832, Auto­mo­bile — 5422 ], Gruß­bot­schaf­ten in Glas­be­häl­tern [ 18. Jahr­hun­dert — 3, 19. Jahr­hun­dert – 32, 20. Jahr­hun­dert – 65 , 21. Jahr­hun­dert — 2317 ], phy­si­cal memo­ries [ bespielt — 125, gelöscht : 33 ], Licht­fang­ma­schi­nen [ Lubi­tel 166-Uni­ver­sal / Roll­fim : 8 ], Dia­ries [ Helen Capo­te 2007 : 1, Mit­su Limi 2006 — 2008: 1 ] Öle [ 3.7 Ton­nen ], Pro­the­sen [ Herz — Rhyth­mus­be­schleu­ni­ger – 28, Knie­ge­lenke – 11, Hüft­ku­geln – 325, Bril­len – 7564 ], Schu­he [ Grö­ßen 28 – 39 : 886, Grö­ßen 38 — 45 : 65 ], Kühl­schränke [ 3 ], Tief­see­tauch­an­züge [ ohne Tau­cher – 7, mit Tau­cher – 43 ], Engels­zun­gen [ 82 ] | stop |

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kilimandscharo

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del­ta

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : KILIMANDSCHARO
date : aug 05 12 8.08 p.m.

Es war gegen Mit­ter­nacht ges­tern, als Fran­kie das Haus in der 11. Stra­ße über eine Feu­er­lei­ter ver­ließ. Unver­züg­lich kehr­te er an den Hud­son River zurück, hock­te eini­ge Stun­den auf einer Mau­er am Was­ser, von dem in die­sen Tagen ein stren­ger Geruch aus­geht. Es ist heiß und schwül. Wir haben tote Fische beob­ach­tet, deren Kör­per an den Quai schla­gen. Der Fluss schäumt in sei­nen Press­wir­beln, New Jer­sey scheint nah, als wür­de die Luft eine unsicht­bare Lupe for­mie­ren. Alles geht einen guten Weg. Vor zwei Wochen hat­ten wir Fran­kie zuletzt betäubt, um Brenn­stoff­zel­len sei­ner Sen­der zu erneu­ern. Weit in das kom­mende Jahr wer­den sie kraft­voll arbei­ten. Tat­säch­lich scheint sich unser Eich­hörn­chen von den Stra­pa­zen der Nar­kose schnell erholt zu haben. In den Minu­ten sei­nes Auf­bruchs hat­te er es nicht eilig. Rose sag­te, sie habe den Ein­druck, Fran­kie wür­de dar­auf ach­ten, dass wir ihm fol­gen. Im Mor­gen­grauen setz­te er sei­ne Wan­de­rung süd­wärts fort. Fröh­lich sei­ne Bewe­gun­gen hin und her, und da die Bäu­me wie­der ernst zu neh­men­de Höhen errei­chen, auf und ab. Es ist jetzt längst Abend gewor­den, wir ruhen Höhe Moo­re Street auf einer Bank. Fran­kie betrach­tet Schif­fe, die den Fluss pas­sie­ren. Manch­mal rich­tet er sei­nen Blick auf uns, ich glau­be, wir sind ihm tat­säch­lich ver­traut gewe­sen, Freun­de, die ihn jeder­zeit mit einem Knopf­druck töten könn­ten. Ein kaum hör­ba­res Geräusch. Ein Herz, das zer­bricht. Ich habe von die­sem Moment eines unglück­li­chen Endes geträumt, von mei­nem Fin­ger, der Fran­kies Leben löscht, von einer Sekun­de zur ande­ren, ohne Erklä­rung, ohne War­nung, weil wir den Befehl dazu erhal­ten haben. Es war ein Alb­traum, den wir alle schon träum­ten. Aber wir spre­chen nicht viel davon, nicht vom Ende, aber natür­lich davon, dass Fran­kie bald Bat­tery Park erreicht haben wird. Nie­mand weiß, wie es wei­ter­ge­hen wird. — Ihr Mal­colm / code­wort : kilimandscharo

emp­fan­gen am
05.08.2013
1880 zeichen

mal­colm to louis »

polaroidmanhattan2

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lufteis

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ulys­ses : 0.22 — Ob es geheim­dienst­li­chen Ana­ly­se­ma­schi­nen mög­lich ist, zwi­schen fik­tio­na­len Tex­ten und nicht fik­tio­na­len Tex­ten zu unter­schei­den? — Wei­ter­hin Wär­me in den Zim­mern. Kaum Flie­gen, viel­leicht weil es drau­ßen schön kühl ist. Gewit­ter­duft, wür­zig nach Moos und Frö­schen. Ich erin­ne­re mich in die­sem Moment vor eini­gen Jah­ren einen beson­de­ren Kühl­schrank in Emp­fang genom­men zu haben, einen Behäl­ter von enor­mer Grö­ße. Ich wie­der­ho­le, dass die­ser Kühl­schrank, in wel­chem ich pla­ne im Som­mer wie auch im Win­ter kost­ba­re Eis­bü­cher zu stu­die­ren, eigent­lich ein Zim­mer für sich dar­stellt, ein gekühl­tes Zim­mer, das wie­der­um in einem höl­zer­nen Zim­mer sitzt, das sich selbst in einem grö­ße­ren Stadt­haus befin­det. Nicht dass ich in der Lage wäre, in mei­nem Kühl­schrank­zim­mer auf und ab zu gehen, aber es ist groß genug, um einen Stuhl in ihm unter­zu­brin­gen und eine Lam­pe und ein klei­nes Regal, in dem ich je zwei oder drei mei­ner Eis­bü­cher aus­stel­len wer­de. Dort, in nächs­ter Nähe zu Stuhl und Regal, habe ich einen wei­te­ren klei­ne­ren, äußerst kal­ten, einen sehr gut iso­lier­ten Kühl­schrank auf­ge­stellt, einen Kühl­schrank im Kühl­schrank sozu­sa­gen, der von einem Not­strom­ag­gre­gat mit Ener­gie ver­sorgt wer­den könn­te, damit ich in den Momen­ten eines Strom­aus­fal­les aus­rei­chend Zeit haben wür­de, jedes ein­zel­ne mei­ner Eis­bü­cher in Sicher­heit zu brin­gen. Es ist näm­lich eine uner­träg­li­che Vor­stel­lung, jene Vor­stel­lung war­mer Luft, wie sie mei­ne Bücher berührt, wie sie nach und nach vor mei­nen Augen zu schmel­zen begin­nen, all die zar­ten Sei­ten von Eis, ihre Zei­chen, ihre Geschich­ten. Seit ich den­ken kann, woll­te ich Eis­bü­cher besit­zen, Eis­bü­cher lesen, schim­mern­de, küh­le, uralte Bücher, die knis­tern, sobald sie aus ihrem Schnee­schu­ber glei­ten. Wie man sie für Sekun­den lie­be­voll betrach­tet, ihre pola­re Dich­te bewun­dert, wie man sie dreht und wen­det, wie man einen scheu­en Blick auf die Tex­tu­ren ihrer Gas­zei­chen wirft. Bald sitzt man in einer U‑Bahn, den lei­se sum­men­den Eis­buch­rei­se­kof­fer auf dem Schoß, man sieht sich um, man bemerkt die begeis­ter­ten Bli­cke der Fahr­gäs­te, wie sie flüs­tern: Seht, dort ist einer, der ein Eis­buch besitzt! Schaut, die­ser glück­li­che Mensch, gleich wird er lesen in sei­nem Buch. Was dort wohl hin­ein­ge­schrie­ben sein mag? Man soll­te sich fürch­ten, man wird sei­nen Eis­buch­rei­se­kof­fer viel­leicht etwas fes­ter umar­men und man wird mit einem wil­den, mit einem ent­schlos­se­nen Blick, ein gie­ri­ges Auge, nach dem ande­ren gegen den Boden zwin­gen, solan­ge man nicht ange­kom­men ist in den fros­ti­gen Zim­mern und Hal­len der Eis­ma­ga­zi­ne, wo man sich auf Eis­stüh­len vor Eis­ti­sche set­zen kann. Hier end­lich ist Zeit, unter dem Pelz wird nicht gefro­ren, hier sitzt man mit wei­te­ren Eis­buch­be­sit­zern ver­traut. Man erzählt sich die neu­es­ten ark­ti­schen Tief­see­eis­ge­schich­ten, auch jene ver­lo­re­nen Geschich­ten, die aus purer Unacht­sam­keit im Lau­fe eines Tages, einer Woche zu Was­ser gewor­den sind: Haben sie schon gehört? Nein! Haben sie nicht? Und doch ist kei­ne Zeit für alle die­se Din­ge. Es ist immer die ers­te Sei­te, die zu öff­nen, man fürch­tet, sie könn­te zer­bre­chen. Aber dann kommt man schnell vor­an. Man liest von uner­hör­ten Gestal­ten, und könn­te doch nie­mals sagen, von wem nur die­se fei­ne Luft­eis­schrift erfun­den wor­den ist. — stop

polaroidcassini

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ein mantel

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papa : 2.45 — Kurz nach Mit­ter­nacht war ich zum Kühl­schrank gelau­fen, um für eini­ge Minu­ten mei­ne rech­te Hand ins Eis­fach zu legen. Als ich wie­der zurück­kehr­te in mein Arbeits­zim­mer, konn­te ich sie ange­nehm deut­lich zu spü­ren, kühl, und auch die war­me, feuch­te Luft auf der Haut mei­nes Kör­pers, ein schwe­rer Man­tel, den ich in die­ser Nacht ein- und aus­at­me, jeder Zug eine flüch­ti­ge Bewe­gung im Hals. Da war noch etwas Selt­sa­mes. An mei­nem Unter­arm ent­deck­te ich ein Gebiet, das ich sehen, jedoch nicht erfüh­len konn­te, als wäre mei­ne Eis­fach­hand nicht län­ger mit mir ver­bun­den. – stop

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