Aus der Wörtersammlung: lust

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winter

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oli­mam­bo : 5.10 — Es ist sehr lan­ge her, war noch Win­ter gewe­sen, als ich Mut­ter beob­ach­te­te, wie sie im Ses­sel vor Vaters Schreib­tisch kau­er­te. Sie hat­te sich getraut und sei­nen Com­pu­ter ange­schal­tet. Ja, Vaters Com­pu­ter lässt sich noch immer betrei­ben. Obwohl ich nicht damit gerech­net habe, dass mit dem Tod eines Men­schen auch die Exis­tenz sei­ner Uhren und Schreib­bild­ma­schi­nen enden wür­de, wun­de­re ich mich, wenn ich Vaters lei­se ticken­de Uhr an mei­nem lin­ken Arm betrach­te. Und das sum­men­de Geräusch sei­nes Com­pu­ters, er macht ein­fach wei­ter. Man stel­le sich ein­mal vor, es wäre anders­her­um, mit dem Ver­sa­gen der Com­pu­ter wür­de auch das Leben ihrer Besit­zer enden. Das wäre selt­sam und sehr gefähr­lich in unse­rer Zeit. Aber es ist denk­bar, dass ein­mal Com­pu­ter exis­tie­ren wer­den, die drei­hun­dert Jah­re alt wer­den oder noch älter, ohne dass ihnen das Licht aus­ge­hen wür­de. Kurz­um, Mut­ter saß vor dem Schreib­tisch. Immer, wenn ich sie so sehe, bemer­ke ich, wie klein sie gewor­den ist, ohne dass ich selbst grö­ßer gewor­den wäre. Sie saß weit nach vor­ne gebeugt. Ich beob­ach­te­te ihre Hän­de, die ver­such­ten den Zei­ger auf dem Bild­schirm in nächs­ter Nähe zu bän­di­gen. Ihr Gesicht berühr­te bei­na­he den Bild­schirm. Und als ich sie frag­te, war­um sie so selt­sam dasit­zen wür­de, sag­te sie, dass sie die Buch­sta­ben mei­ner par­tic­les-Arbeit nur in die­ser Wei­se lesen kön­ne, sie sei­en viel zu klein und sie habe ver­ges­sen, wie man die Buch­sta­ben grö­ßer machen kön­ne. Des­halb sind die Buch­sta­ben mei­ner par­tic­les-Arbeit grund­sätz­lich gewach­sen und wir sind jetzt sehr zufrie­den, weil wir wis­sen, dass die Grö­ße der Buch­sta­ben auf Bild­schir­men mani­pu­liert wer­den kann. — Weit nach Mit­ter­nacht. Der Him­mel tropft und die Bäu­me und Dach­rin­nen und Vögel. Gegen drei Uhr hat­te ich, wie aus hei­te­rem Him­mel, Lust auf gebra­te­ne Wach­teln, war­um? — stop 

ping

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auf der roseninsel

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india : 5.15 — Ich habe etwas Lus­ti­ges geträumt. War nachts mit einem Zug nach Pos­sen­ho­fen gefah­ren. Ein har­ter Win­ter, schlen­der­te am Ufer des Starn­ber­ger Sees. Man­schet­ten von Eis umsäum­ten Stei­ne und Höl­zer, die im Nied­rig­was­ser sicht­bar gewor­den waren. Ich erin­ne­re mich, dass ich ver­such­te Wör­ter zu fin­den für Geräu­sche, die mei­ne Schrit­te auf dem gefro­re­nen Boden erzeug­ten. Ich hat­te viel Zeit, ich war auf dem Weg zur Rosen­in­sel. Eich­hörn­chen flitz­ten durchs Unter­holz, auf Bän­ken, wel­che ich pas­sier­te, saßen gefro­re­ne Men­schen, das war selt­sam, weil sie alle lächel­ten, als wäre das Erfrie­ren ein ange­neh­mer Vor­gang gewe­sen. Außer­dem konn­ten sie lei­se spre­chen. Wenn ich ihnen eine Fra­ge stell­te, näm­lich, ob ich auf dem rich­ti­gen Weg zur Rosen­in­sel sei, ant­wor­te­ten sie, jaja, ihre Stim­men kamen aus den Ohren der gefro­re­nen Gestal­ten her­aus, sodass ich den Ein­druck hat­te, in den mensch­li­chen Kör­pern wür­den wei­te­re Kör­per sit­zen. Auch Fische spa­zier­ten im Traum her­um, auf Füs­sen, an wel­chen sie Wan­der­schu­he tru­gen. Dann war ich irgend­wann ange­kom­men und war­te­te am Ufer, ob mich jemand holen wür­de. Das Was­ser an die­ser Stel­le leuch­te­te, ein Licht, das sich beweg­te. Plötz­lich tauch­te ein klei­nes U‑Boot aus dem Was­ser. Es hat­te die Form einer Zigar­re und war durch­sich­tig und kam sehr nah an das Ufer her­an. Eine Luke öff­ne­te sich. Robert de Niro wink­te und er sag­te, ich sol­le zu ihm ins Boot stei­gen. Wir tauch­ten dann rüber zur Insel, es war Tag als wir ange­kom­men waren, Som­mer. Auf einer Bank sass mein Vater, er las in einer Zei­tung. Hier, in sei­ner Nähe, wach­te ich auf, weil mein Wecker klin­gel­te. Ich nahm den Wecker in die Hand, und als ich drei Stun­den spä­ter wie­der ein­mal wach gewor­den war, hat­te ich den Wecker noch immer der Hand, so wie es sein muss, mit den Weckern, wenn man sie träumt. — stop

polaroidwolken

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muscheln

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nord­pol : 6.36 — Ich hat­te einen lus­ti­gen Traum. In die­sem Traum saß ich mit einem jun­gen Mann in einem Cafe. Ich erin­ne­re mich, dass wir uns über Char­lie Par­ker unter­hiel­ten, wäh­rend ich beob­ach­te­te wie sich die Ohren des jun­gen Man­nes sanft beweg­ten, so als wür­den sie über hun­der­te Mus­keln ver­fü­gen, Lebe­we­sen mit je einer See­le und eige­nem Wil­len sein. Sie ent­fal­te­ten sich vor mei­nen Augen, schirm­ten aus zur Grö­ße einer Unter­tas­se, dann wie­der kehr­ten ihre Muschel­rän­der zuein­an­der zurück, die Ohren des jun­gen Man­nes wur­den zu Knos­pen, sie sahen jetzt aus als wür­den sie schla­fen. Aber das war noch nicht alles gewe­sen, was ich träum­te. Der jun­ge Mann hat­te näm­lich sei­ne Ohr­mu­scheln bald so dicht zuein­an­der gefal­tet, dass er sie in sei­nen Schä­del ein­füh­ren konn­ten, sie waren nun voll­stän­dig im Kopf ver­schwun­den. Mei­ne Ohren schla­fen, sag­te der jun­ge Mann, und lach­te. Aber dann wur­de er schnell wie­der ernst, weil eine sei­ner Ohr­mu­scheln sich ver­klemmt hat­te, wäh­rend das ande­re Ohr bereits aus sei­nem Gehör­gang­etui her­vor­ge­kom­men war. stop. Frei­tag. stop. Die Luft riecht Schnee. stop. Nichts wei­ter. — stop

ping

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dampfende ohren

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alpha : 6.55 — Ich for­sche gern in mei­nem digi­ta­len Ana­ly­se­pro­gramm nach Fra­gen an Such­ma­schi­nen, die zu mei­ner Par­tic­les­ar­beit führ­ten. Merk­wür­di­ge, ver­rück­te, poe­ti­sche Sen­ten­zen sind zu fin­den. In der ver­gan­ge­nen Woche zum Bei­spiel fol­gen­de: mei­ne schreib­ma­schi­ne schreibt buch­sta­ben über­ein­an­der . klei­ne rote flie­gen in der küche . käfer der auf unse­rem kör­per wohnt . lus­ti­ge geschich­ten über ohren . ägyp­ti­sches frau­zei­chen mit flü­geln . schim­pan­sen im welt­all . schla­fen­de ele­fan­ten . män­ner mit klei­nen köp­fen . ist albert san­chez pinol ein mann . lou­is’ licht­ge­schich­te. stop — Über Nacht ist es kalt gewor­den. An der Stra­ßen­bahn­hal­te­stel­le beob­ach­te ich einen älte­ren Herrn, aus des­sen Ohren Dampf zu tre­ten scheint. Man könn­te sagen, es han­delt sich um den ers­ten rau­chen­den Kopf, den ich in mei­nem Leben per­sön­lich gese­hen habe. Als ich näher her­an tre­te, erken­ne ich, dass sich in den Ohren des damp­fen­den Herrn je ein Tier befand. Ich frag­te, ob ich viel­leicht ein­mal genau­er betrach­ten dürf­te, was dort in sei­nen Ohren exis­tiert. Weil der alte Mann nichts hör­te, trug ich mein Anlie­gen in Zei­chen­spra­che vor. Er schien mich zu ver­ste­hen und neig­te unver­züg­lich sei­nen Kopf, so dass ich eine gute Aus­sicht hat­te auf das rech­te sei­ner Ohren. Tat­säch­lich waren dort Augen und Zan­gen eines Käfers zu erken­nen. Als ich mich näher­te, zog sich das Wesen ein wenig in die Tie­fe des Ohres zurück, das von wei­ßem flau­mi­gen Haar besetzt war, wie von einem kost­ba­ren Pelz. Der dün­ne Faden des Käfe­ratems, den ich kurz zuvor beob­ach­tet hat­te, war nun gut zu sehen, aber ich konn­te nicht ein­deu­tig iden­ti­fi­zie­ren, woher der Atem des Käfers eigent­lich kam, wo der Atem, der in der kal­ten Luft kon­den­sier­te, den Käfer­kör­per prä­zi­se ver­ließ. Noch ehe ich mei­ne Fra­ge zur Kon­struk­ti­on des Käfers stel­len konn­te, war der alte Herr in eine Stra­ßen­bahn gestie­gen und davon­ge­fah­ren. — Diens­tag. — stop.

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rom : bälle

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vic­tor : 17.16 — Nah der Iso­la Tibe­ri­na befin­det sich eine von Men­schen­hand gefer­tig­te Schwel­le im Tiber­bett, die den lang­sam dahin rei­sen­den Fluss zu einem rei­ßen­den Strom wer­den lässt. Das braun­grü­ne Was­ser ist hell gewor­den, blau und frisch von der ein­ge­fan­ge­nen Luft. Fla­schen, Bäl­le, Höl­zer wer­den zu Spiel­zeu­gen der stru­deln­den Wal­ze, die sie fängt, die sie mit sich in die Tie­fe nimmt, um sie kurz dar­auf wie­der frei­zu­las­sen für Sekun­den. Wenn man dort sitzt und war­tet, kann man sich kaum satt sehen an jener lebens­lus­ti­gen Ord­nung des Zufalls. Jun­ge Men­schen kau­ern am Ufer, schau­en zu, zäh­len Bäl­le, Far­ben, For­men, spä­hen fluss­auf­wärts, ob wei­te­re Gegen­stän­de sich nähern, um vom Was­ser bear­bei­tet zu wer­den, bis sie sich irgend­wann ein­mal auf­ge­löst haben wer­den oder so leicht gewor­den sind, dass ein Wind­stoss sie der Umar­mung des Flus­ses ent­zie­hen kann. Die Wän­de der Tiber­fas­sung ragen hoch hin­ter uns auf, zehn oder zwan­zig Meter, kaum Geräu­sche mensch­li­chen Lebens drin­gen bis hier­her, Stadt und Fluss schei­nen getrennt. Schwe­re, dun­kel gefie­der­te See­mö­wen haben vom Meer hier­her gefun­den. Ruhig ste­hen sie am Was­ser, blin­ken mit den Augen als wären sie Foto­ap­pa­ra­te. Irgend­wo in nächs­ter Nähe sol­len sich Fun­da­men­te Jahr­tau­sen­de alter Brü­cken unter der Was­ser­ober­flä­che befin­den. Wenn man sie ein­mal zu Gesicht bekom­men soll­te, müss­te der Fluss bald ver­schwun­den sein, ver­dampft wie die Spat­zen, deren Spe­zi­es ich bald ver­ges­sen haben wer­de, dass sie je exis­tier­te. — stop
ping

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quallenuhr

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ulys­ses

~ : oe som
to : louis
sub­ject : QUALLENUHR
date : sept 12 12 10.22 a.m.

Ganz plötz­lich, lie­ber Lou­is, habe ich Lust bekom­men, Dir zu schrei­ben. Eigent­lich woll­te ich mich erst am kom­men­den Sams­tag mel­den, aber ein Sturm bewegt sich auf uns zu und es ist nichts zu tun, als zu war­ten, ob er uns mit vol­ler Wucht tref­fen wird. Ver­mut­lich ist es die­se War­te­rei, die an unse­ren Ner­ven zerrt. Auch, dass die Tage wie­der kür­zer wer­den. Ges­tern haben wir einen Schwarm Tin­ten­fi­sche beob­ach­tet, der unser Schiff umkreis­te. Eine unge­wöhn­li­cher Anblick, die Tie­re waren schnee­weiß. Wir haben eini­ge gefan­gen, sie schme­cken süß, wenn man sie brät, nach Brot, nach Gebäck, nach Man­deln. Beun­ru­hi­gend ist, dass sie weder über Her­zen noch Augen ver­fü­gen. Eine hal­be Nacht haben wir einen Fisch nach dem andern durch­sucht. Als wir kein Exem­plar mehr hat­ten, um unse­re Suche fort­set­zen zu kön­nen, ist Mil­ler mit dem Bei­boot los­ge­fah­ren. Fast wind­still ist es hier unten auf Höhe des Mee­res, weit oben jedoch rasen­de Wol­ken von West nach Ost. Ja, lie­ber Lou­is, wir durch­le­ben schwie­ri­ge Tage. Und Noe, unser Noe in der Tie­fe, ist von Fie­ber befal­len. Wir haben ihn gut 150 Fuß ange­ho­ben, damit er Licht sehen kann. Seit meh­re­ren Stun­den wie­der­holt er eine klei­ne Geschich­te, von der wir nicht wis­sen, woher sie kommt. Noe sagt, Noe stel­le sich ein Zim­mer vor, ein freund­li­ches, hel­les Zim­mer von aller­feins­ter Qual­len­haut, ein Zim­mer von Was­ser, ein Zim­mer von Salz, ein Zim­mer von Licht. Man könn­te die­ses Zim­mer, und alles was sich im Zim­mer befin­det, das Qual­len­bett, die Qual­len­uhr, und all die Qual­len­bü­cher und auch die Schreib­ma­schi­nen von Qual­len­haut, trock­nen und fal­ten und sich 10 Gramm schwer in die Hosen­ta­sche ste­cken. Und dann geht man mit dem Zim­mer durch die Stadt spa­zie­ren. Oder man geht kurz mal um die Ecke und setzt sich in ein Kaf­fee­haus und war­tet. Noe sitzt also ganz still und zufrie­den unter einer Ven­ti­la­tor­ma­schi­ne an einem Tisch, trinkt eine Tas­se Kakao und lächelt und ist gedul­dig und sehr zufrie­den, weil nie­mand weiß, dass er ein Zim­mer in der Hosen­ta­sche mit sich führt, ein Zim­mer, das er jeder­zeit aus­pa­cken und mit etwas Was­ser, Salz und Licht, zur schöns­ten Ent­fal­tung brin­gen könn­te. Hier spricht Noe. Noe stellt sich ein Zim­mer vor, ein freund­li­ches, hel­les Zim­mer von feins­ter Qual­len­haut. — Bes­te Grü­ße. Ahoi. Dein OE SOM

gesen­det am
12.09.2012
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august august

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alpha : 1.02 — Der 23. August. Gewit­ter­chen plus­tern sich überm Haus. Bin ein unru­hig, weil ich mich einem beson­de­ren Tag nähe­re. Ich habe für die­sen beson­de­ren Tag in mei­nem digi­ta­len Kalen­der vor bei­na­he fünf Jah­ren fol­gen­den Satz ver­merkt: Tru­man kehrt zurück! Noch drei Näch­te, dann ist es soweit, Tru­man wird zurück­ge­kehrt sein und mir viel­leicht auf eine Fra­ge ant­wor­ten, die ich ihm gestellt hat­te. Ein Par­tic­le aus dem Som­mer des Jah­res 2007 erzählt davon: > Frü­her Abend. Sehr hei­ße Luft. Ich wün­sche zu wis­sen, ob Geschöp­fe, die über 5 Bein­paa­re ver­fü­gen, noch als Käfer anzu­se­hen sind. Also schrei­be ich einem Freund eine E‑Mail. Kaum habe ich mei­ne Fra­ge notiert, abge­schickt und mich erho­ben, um etwas die Bei­ne zu ver­tre­ten, kommt mit einem Ping­ge­räusch sei­ne Ant­wort: Bin zurück > Sonn­tag, 26. August 2012. Haben Sie eine gute Zeit. Tru­man. — Es ist jetzt bei­na­he 5 Jah­re spä­ter. Und wie­der die Fra­ge: Habe ich die­se Geschich­te erfun­den? — stop

ping

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fingersträußchen

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del­ta : 6.22 — Über Nacht war alles wie­der nach­ge­wach­sen. Mei­ne Hän­de blüh­ten. Ich mach­te mich auf den Weg süd­wärts durch Man­hat­tan zu den Fäh­ren hin. Am Tre­sen einer Schiffs­kan­ti­ne war­te­te bereits Mr. Mel­ro­se, über­reich­te mir einen Becher Kakao. Als  er mei­ne blü­hen­den Hän­de ent­deck­te, füt­ter­te er mich höchst­per­sön­lich mit­tels eines Tee­löf­fels. Schenk­te ihm zum Dank einen mei­ner Fin­ger, mach­te mich dann auf mei­nen täg­li­chen Weg über das Hur­ri­ka­ne­deck, sprach all die war­ten­den Pend­ler­men­schen freund­lich an, zeig­te ihnen mei­ne Hän­de, die als sol­che nicht zu erken­nen waren, weil sie Fin­ger­sträu­ßen ähnel­ten. Man muss sich das vor­stel­len, an jeder Hand trug ich 20 bis 30 Fin­ger­ex­em­pla­re, die meis­ten waren Mit­tel­fin­ger, Dau­men waren kei­ne dar­un­ter. Sobald ich an einem der Fin­ger zog, lös­te er sich, so dass ich ihn wei­ter­rei­chen konn­te. Für jeden Fin­ger bekam ich 5 Dol­lar. Ich erin­ne­re mich nicht, je Schmerz emp­fun­den oder geblu­tet zu haben. Viel­mehr emp­fand ich Ver­gnü­gen, Freu­de, Lust. – Die­ser Traum wur­de so oder ähn­lich geträumt kurz vor vier Uhr in der ver­gan­ge­nen Nacht. — stop

ping

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apfelohren

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del­ta : 6.35 — Ges­tern hab ich eine lus­ti­ge E‑Mail emp­fan­gen. Sie war irgend­wann wäh­rend ich schlief auf mei­nem Com­pu­ter laut­los ein­ge­trof­fen. Die Per­son, die mir geschrie­ben hat­te, woll­te wis­sen, wie ich vor­ge­he, wenn ich nachts einen Apfel oder eine Apri­ko­se oder Bana­nen belau­sche. Ich hat­te zunächst eini­ge gute Grün­de auf die­se Fra­ge nicht ein­zu­ge­hen, gera­de auch des­halb, weil der Absen­der der E‑Mail, einen selt­sa­men Namen ange­ge­ben hat­te, des­sen Exis­tenz ich über die Goog­le — Such­ma­schi­ne ver­geb­lich zu prü­fen such­te. Aber dann schien mir doch reiz­voll zu sein, dem Absen­der der E‑Mail zu ant­wor­ten. Ich notier­te kurz und bün­dig, dass ich, wenn ich einen Apfel belau­sche, den Apfel in eine mei­ner Hän­de neh­me, um ihn tat­säch­lich an eines mei­ner Ohren zu füh­ren. Was man, wenn man in die­ser Wei­se vor­geht, hören kann, ist natür­lich zunächst das Rau­schen des Blu­tes in den eige­nen Ohr­ge­fä­ßen, sonst aber nichts, abge­se­hen von Geräu­schen viel­leicht, die man sich gründ­lich vor­zu­stel­len ver­mag, Geräu­schen orga­ni­schen Zer­falls zum Bei­spiel, einem Pfei­fen, einem Sau­sen, oder den Beiß­ge­räu­schen eines Wurm­kie­fers in grö­ße­rer Apfel­tie­fe. Ich attes­tier­te in einem Ant­wort­schrei­ben sehr ernst­haft, dass ein Apfel ein stil­les Wesen sei, immer­hin habe ich nicht nur einen, ich habe min­des­tens fünf Äpfel belauscht, Bir­nen, Trau­ben, Bana­nen, Pfir­si­che, alle sind sie ohne tat­säch­li­che Geräu­sche in den Fre­quen­zen mensch­li­chen Hör­ver­mö­gens. Dafür leg ich eine Hand ins Feu­er, jawohl, es ist Mon­tag: Rasen­de Wol­ken. — stop

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luftgespräch

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tan­go : 15.01 — Eine Notiz wie­der­ge­fun­den, die Mr. Sal­ter vor eini­gen Jah­ren unter dem Titel Ele­phan­tis­land notier­te. Er schrieb fol­gen­des: Kurz nach acht Uhr. Kal­te, tro­cke­ne Luft, ich notie­re mit klam­men Hän­den. Um 7 Uhr heu­te Mor­gen haben wir bei stür­mi­scher See Ele­phan­tis­land erreicht. Suche nach Mil­ler unver­züg­lich auf­ge­nom­men. Süd­west­li­che Bewe­gung die Küs­te ent­lang. Gegen 9 Uhr ers­te grö­ße­re See­ele­fan­ten­grup­pen gesich­tet. Hef­ti­ger Schnee­fall. Mit­tags dann auf mensch­li­che Spu­ren gesto­ßen. Eine Mul­de von zwei Fuß Tie­fe im gro­ben Unter­grund, hüft­ho­her Stein­wall nord­wärts. Im Wind­schat­ten: drei gebleich­te Wal­kno­chen, ein hal­bes Dut­zend fin­ger­di­cker Haut­stü­cke, ein Kamm, zwei ros­ti­ge Kugel­schrei­ber, eine Blech­t­as­se, zwölf Pin­gu­in­schnä­bel, fünf Bat­te­rien, drei Klum­pen ran­zi­gen Fet­tes, Bruch­stü­cke eines Son­nen­kol­lek­tors und einer Schreib­ma­schi­ne. Das Werk­zeug war in einer Wei­se sorg­fäl­tig demo­liert, als sei eine Dampf­wal­ze dar­über hin und her gefah­ren. Dann wei­te­re zehn Minu­ten die Küs­te ent­lang, dann auf Mil­ler gesto­ßen. Der Dich­ter stand mit dem Rücken zu einem Fel­sen hin und rich­te­te ein Mes­ser gegen einen See­ele­fan­ten. Das Tier, das sehr gewal­tig vor unse­rem Mann in den Him­mel rag­te, war nur noch zwei Armes­län­gen ent­fernt und scheu­er­te mit dem Rücken über den Fel­sen. Eigen­ar­ti­ge Geräu­sche. Geräu­sche wohl der Lust. Geräu­sche, als habe das Tier eine ver­beul­te Trom­pe­te ver­schluckt. Geräu­sche auch von Mil­ler. Hel­le Geräu­sche, krei­schen­de, irre Töne. Wir haben zu die­sem Zeit­punkt das Fol­gen­de über Mil­ler zu sagen: Unser Mann ist ent­kräf­tet und stark ver­schmutzt. Zwei Fin­ger der lin­ken Hand sind erfro­ren. Kopf­wärts wan­dern­de Spu­ren von Dehy­dra­ti­on. Mil­ler spricht nur einen Satz: All for not­hing. Wir haben den Rück­weg ange­tre­ten, indes­sen, bei genaue­rer Betrach­tung unse­rer Umge­bung, auf Fels­for­ma­tio­nen ent­lang der Küs­te Frag­men­te von Zei­chen­ket­ten ent­deckt. Ein­deu­tig Mil­lers Hand­schrift. Brin­gen Dich­ter Mil­ler jetzt nach Hau­se. — Mitt­woch: Ein wis­pern­der, knat­tern­der, sin­gen­der, knirsch­nen­der, lirr­pen­der, pfei­fen­der, sir­ren­der Bauch. Tie­re von Luft sind zu Besuch gekom­men, hüp­fen, sprin­gen, sei­len unterm Zwerg­fell­dach. Gesprä­che tat­säch­lich, die ich hören kann. — stop