Aus der Wörtersammlung: stunde

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pong

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alpha : 20.02 — Kaum eine hal­be Stun­de ist ver­gan­gen, seit ich den Wunsch ver­spür­te, mich zu beru­hi­gen. Das war vor allem des­halb gewe­sen, weil ich mei­nen Puls in den Ohren schla­gen hör­te. So sehr hat­te ich mich auf­ge­regt über einen klei­nen Text, dem ich auf Posi­ti­on Twit­ter begeg­net war, dass ich kaum noch den­ken konn­te. Ich dach­te nur das eine: Du bist wütend, Lou­is! Ich setz­te mich also auf einen Stuhl und kon­zen­trier­te mich auf die Erfin­dung eines Wor­tes. Das half, das war schon immer so gewe­sen. Eini­ge Wör­ter, die ich bis­lang nicht kann­te, also ent­deck­te, sind Gebur­ten see­li­scher Span­nung. Auch dies­mal war bald Ruhe ein­ge­kehrt, nach­dem ich das Wort Zika­den­pau­ke for­mu­lier­te. Ver­mut­lich waren mei­ne Ohr­ge­räu­sche unmit­tel­bar für das Wort ver­ant­wort­lich. Aber das ist im Grun­de nicht wesent­lich. Das Wort ist ent­deckt und kann nun von Such­ma­schi­nen gefun­den, fest­ge­hal­ten und wei­ter­ge­ge­ben wer­den. — stop

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samuel beckett : 16 steine

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romeo : 3.25 UTC – Ich nut­ze die­sen Auf­ent­halt, um mich mit Stei­nen zum Lut­schen zu ver­sor­gen. Es waren klei­ne Kie­sel, aber ich nen­ne sie Stei­ne. Ja, die­ses Mal brach­te ich einen bedeu­ten­den Vor­rat von ihnen zusam­men. Ich ver­teil­te sie gleich­mä­ßig in mei­nen vier Taschen und lutsch­te sie nach­ein­an­der. Dadurch ent­stand ein Pro­blem, das ich zunächst auf fol­gen­de Art lös­te: Ange­nom­men, ich hat­te sech­zehn Stei­ne und vier davon in jeder mei­ner vier Taschen, näm­lich in den zwei Taschen mei­ner Hose und den zwei­en mei­nes Man­tels. Wenn ich einen Stein aus der rech­ten Man­tel­ta­sche nahm und in den Mund steck­te, so ersetz­te ich ihn in der rech­ten Man­tel­ta­sche durch einen Stein aus der rech­ten Hosen­ta­sche, den ich durch einen Stein aus der lin­ken Hosen­ta­sche ersetz­te, den ich durch einen Stein aus der lin­ken Man­tel­ta­sche ersetz­te, den ich wie­der­um durch den Stein in mei­nem Mund ersetz­te, sobald ich mit dem Lut­schen fer­tig war. Auf die­se Wei­se befan­den sich immer vier Stei­ne in jeder mei­ner vier Taschen, aber nicht genau die­sel­ben… / Mitt­woch. stop. Wie­der Samu­el Becketts wun­der­ba­rer Text der sech­zehn Stei­ne an die­sem spä­ten Abend. Dun­kel. Schwe­re wür­zi­ge Luft der Kas­ta­ni­en­blü­te. Nacht­bie­nen pfei­fen am Fens­ter vor­über. Das war schon ein­mal so gewe­sen. — stop

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ai : ÄGYPTEN

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MENSCH IN GEFAHR : “Am 9. Mai stell­te Amal Fathy ein Video auf ihrer Face­book-Sei­te ein, in dem sie die von ihr erleb­te sexua­li­sier­te Beläs­ti­gung the­ma­ti­sier­te, die Dring­lich­keit die­ses Pro­blems in Ägyp­ten beton­te und die Regie­rung kri­ti­sier­te, weil sie die Frau­en in Ägyp­ten nicht davor schützt. Zudem kri­ti­sier­te sie das schar­fe Vor­ge­hen der Regie­rung gegen die Men­schen­rech­te, die sozio­öko­no­mi­schen Bedin­gun­gen und die Miss­stän­de im öffent­li­chen Dienst­leis­tungs­sek­tor. Dar­auf­hin durch­such­te die Poli­zei am 11. Mai gegen 2:30 Uhr die Woh­nung von Amal Fathy und inhaf­tier­te sie in der Poli­zei­wa­che Maa­di in Kai­ro zusam­men mit ihrem Ehe­mann Moha­med Lot­fy, einem frü­he­ren Mit­ar­bei­ter von Amnes­ty Inter­na­tio­nal und aktu­el­len Direk­tor der Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Ägyp­ti­sche Kom­mis­si­on für Rech­te und Frei­hei­ten (Egyp­ti­an Com­mis­si­on for Rights and Free­doms – ECRF) und ihrem drei­jäh­ri­gen Kind. Mann und Kind wur­den nach drei Stun­den wie­der frei­ge­las­sen. / Am 11. Mai prüf­te die Staats­an­walt­schaft Maa­di Amal Fathys Fall und ord­ne­te 15 Tage Haft für die Dau­er der Ermitt­lun­gen zu den gegen sie erho­be­nen Vor­wür­fen an – unter ande­rem „Ver­öf­fent­li­chung eines Vide­os, das Falsch­in­for­ma­tio­nen ent­hält, die den öffent­li­chen Frie­den beein­träch­ti­gen könn­ten”. Am fol­gen­den Tag ver­hör­te die Staats­an­walt­schaft der Staats­si­cher­heit sie in einem wei­te­ren Fall zu ihrer angeb­li­chen Ver­bin­dung zur Jugend­be­we­gung 6. April. Für die Dau­er der Ermitt­lun­gen wegen Mit­glied­schaft in einer ver­bo­te­nen Grup­pe ord­ne­te sie wei­te­re 15 Tage Unter­su­chungs­haft an. / Inter­net-Trol­le kopier­ten das Video und Fotos von Amal Fathy von ihren Sozia­len Medi­en-Sei­ten und pos­te­ten sie auf Face­book und Twit­ter zusam­men mit geschlechts­spe­zi­fi­schen Beschimp­fun­gen und der For­de­rung nach ihrer Fest­nah­me. Meh­re­re regie­rungs­freund­li­che und staat­li­che Medi­en ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel über das Video und behaup­te­ten fälsch­lich, dass sie eine Akti­vis­tin der Jugend­be­we­gung 6. April sei und bei der ECRF arbei­te. Dar­über­hin­aus schrie­ben sie, dass sie mit dem Direk­tor der ECRF ver­hei­ra­tet sei und ver­stie­ßen damit gegen ihr Recht auf Pri­vat­sphä­re.” - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 30.6.2018 unter > ai : urgent action
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von magnetbändern

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lima : 0.06 UTC — Ein­mal, vor lan­ger Zeit, traf ich einen Freund. Sei­ne Frau war kurz zuvor gestor­ben. Wir saßen in einem Café im bota­ni­schen Gar­ten. Mein Freund erzähl­te von der See­fahrt als jun­ger Mann in Maschi­nen­räu­men, von him­mel­blau­en fin­ni­schen Win­ter­näch­ten, Polar­lich­tern, Ker­zen. Sei­ne Trau­rig­keit an die­sem Tag, weil er ein­sam gewor­den war, weil er sein eige­nes Alt­wer­den spür­te. Er erzählt von den letz­ten Tagen sei­ner Frau. Wie sie auf­räum­te in der Woh­nung, wie sie Bücher beschrif­te­te, dann wie­der ins Kran­ken­haus, in Sicher­heit, aber ohne zu viel Mor­phi­um, um nicht ein­zu­schla­fen. Die letz­ten 30 Stun­den war sie dann doch bewusst­los gewe­sen. Ein­mal sprach sie wun­der­schö­ne Sät­ze für ihn auf den Anruf­be­ant­wor­ter, die er ver­se­hent­lich lösch­te. Auf Magnet­bän­dern, 30 Jah­re sind sie alt, fin­den sich Auf­nah­men, das weiß er genau, der Cem­ba­lis­tin, aber es fehlt das Abspiel­ge­rät dazu. Es geht mir ans Herz, wie ich den alten Mann in Rich­tung einer blü­hen­den Kas­ta­nie davon­ge­hen sehe. Ich hat­te ihn gefragt, ob er sich mit sei­ner Gelieb­ten noch unter­hal­te, und er sag­te, irgend­wie schon, es ist ja so vir­tu­ell, und es kom­men kei­ne Ant­wor­ten. — stop

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nicht atmen

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nord­pol : 18.15 UTC — Heu­te ist ein glück­li­cher Tag. Der Wind rast ums Haus, nur noch weni­ge Stun­den Zeit, April­wind zu sein. Und die­se Blei­stif­te, die heu­te ange­kom­men sind, so spitz und hart, wie ich sie mir kaum vor­zu­stel­len trau­te. Um 17 Uhr und drei Minu­ten erreicht mich die Nach­richt der Biblio­thek, Robert Walsers Mikro­gram­me Aus dem Blei­stift­ge­biet sei­en ein­ge­trof­fen, ich könn­te sie abho­len bis 18 Uhr, also dann am Mitt­woch. Wie bin ich auf Robert Wal­ser gesto­ßen nach lan­ger Zeit? Nun, weil ich vor weni­gen Tagen einen Mann in der Schnell­bahn beob­ach­te­te, der mit einer Lupe einen Zet­tel stu­dier­te, auf dem Schrift­zei­chen zu erken­nen waren, so klein, dass ich nicht vor­zu­stel­len wag­te, ein mensch­li­ches Wesen könn­te sie von Hand auf das Papier auf­ge­tra­gen haben. Der Mann schien sehr müde gewe­sen zu sein, und ich dach­te: Ein Mensch, der in die­ser Wei­se schreibt, schreibt lei­se, war­um? — stop
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brooklyn : february house

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nord­pol : 23.56 UTC — Weni­ge Wochen vor einer Rei­se nach New York brach ich mir den rech­ten Arm. Das ist jetzt bereits eini­ge Jah­re her, der kom­pli­zier­te Bruch ist gut ver­heilt, ich kann ohne Beschwer­den wie­der mit der Hand notie­ren. Damals aber waren mei­ne Bewe­gun­gen unge­lenk, ich schrieb wie ein Kind mit sehr gro­ßen Buch­sta­ben. Eini­ge die­ser Zei­chen ent­deck­te ich am spä­ten Abend in Carson McCul­lers selt­sa­mer Erzäh­lung Die Bal­la­de vom trau­ri­gen Café. Auf der Sei­te 52 des Buches hat­te ich zwei Wör­ter ver­merkt: Febru­ary House. Ich erin­ner­te mich, dass ich damals den Ent­schluss fass­te, einer Spur der Dich­te­rin in New York zu fol­gen. Ich schrieb um Wochen ver­zö­gert und noch immer unter Schmer­zen: Weil ich nur sehr schwer­fäl­lig mit der Hand in mein Notiz­buch schrei­ben kann, notie­re ich wäh­rend des Lesens, indem ich in Gedan­ken wie­der­ho­le, was zu tun ist in den kom­men­den Stun­den. Nach­for­schen in der Digi­ta­len Sphä­re. Wo genau, in wel­cher Stra­ße, in wel­chem Haus wohn­te Carson McCul­lers in Brook­lyn? Ist denk­bar, dass die jun­ge Dich­te­rin tat­säch­lich drei Wochen benö­tig­te, um das Sub­way-Sys­tem der Stadt New York ver­las­sen zu kön­nen? Oder such­te sie in eben die­sem Raum der Zeit nach ihrer Woh­nung, die sie nicht wie­der fin­den konn­te, weil sie mit­tel­los und ohne genaue­re Orts­kennt­nis in einem U‑Bahnwagon zurück­ge­las­sen wor­den war. Wie vie­le Dol­lar kos­te­te eine Fla­sche Whis­key im Jahr 1934? Wie viel ein Taxi? – Wenn ich in Gedan­ken notie­re, wie­der­ho­le ich drei­fach, was ich mir zu mer­ken wün­sche. Ver­lo­re­nes, das könn­te sein, bemer­ke ich nicht. Oder nur einen Schat­ten ohne Wör­ter. — stop

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vor dem radio

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hima­la­ya : 18.55 UTC – Ich stel­le mir vor, wie ich in der Küche vor einem Tisch sit­ze. Auf dem Tisch steht ein Radio. Das Radio ist 10 cm lang und eben­so breit und eben­so hoch, ein Wür­fel dem­zu­fol­ge. Der Wür­fel ver­fügt über zwei Knöp­fe, die ich ver­tie­fen einer­seits und an wel­chen ich dre­hen kann ande­rer­seits. Dort, wo ich Schrau­ben erken­ne, die in das höl­zer­ne Gehäu­se ein­ge­las­sen sind, scheint sich die hin­te­re Sei­te des klei­nen Radi­os zu befin­den. Ich kann das Radio öff­nen. Als ich es öff­ne, ent­de­cke ich wei­te­re sehr klei­ne Schrau­ben, eine Pla­ti­ne, Dioden, Wider­stän­de, Beschrif­tun­gen in einer Spra­che, die ich nicht zu lesen ver­mag, außer­dem einen Zylin­der. Ich ent­de­cke also vie­le Din­ge, aber nichts, was mir behilf­lich sein konn­te, das Radio zum Schwei­gen zu brin­gen, das Radio spielt näm­lich in einem Abstand von einer Stun­de eine Pas­sa­ge aus der 2. Sym­pho­nie Rach­ma­ni­nows, die weder lei­ser noch lau­ter ein­zu­stel­len ist, sie ist eben wie sie ist, laut genug, um das Radio vor das Fens­ter stel­len zu müs­sen. Ein­mal sit­zen zwei Tau­ben links und rechts des Radi­os. Als das Radio sei­ne Musik spielt, erschre­cken sie und flie­gen davon. Ein ande­res Mal kom­men sie wie­der und bau­en auf dem Radio ein Nest. — stop

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vom fehlenden oder ginkgo

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echo : 20.58 UTC – Notier­te auf der Schreib­ma­schi­ne im Zug und sah gar nicht hin, nicht auf den Bild­schirm, nicht auf mei­ne Hän­de. Ich schrieb eine hal­be Stun­de vor­an, ich schrieb schnel­ler und immer schnel­ler, ich dach­te, da war ein­mal ein Mann gewe­sen mit einem Kin­der­wa­gen ohne Kind auf einem Bahn­steig am Flug­ha­fen. Weil ich mich wun­der­te über sei­nen Kin­der­wa­gen ohne Kind, beob­ach­te­te ich den Mann. Das war eine selt­sa­me Sache, ich schrieb: Wenn man sich über eine Per­son wun­dert, kann man nicht los­las­sen, man kann nicht sagen, ich beob­ach­te­te die­se Per­son bereits ges­tern, heu­te beob­ach­te ich die­se Per­son nicht noch ein­mal, man wird bemer­ken, man folgt der Per­son mit den Augen, ob man nun will oder nicht. Ich hat­te den Ein­druck, es han­del­te sich bei dem Mann um eine melan­cho­li­sche Per­son, um einen Vater viel­leicht, der am Flug­ha­fen auf ein Kind war­te­te, das nicht ankom­men wird, weil das Kind längst getö­tet wur­de von einem Stück Metall, wel­ches in Alep­po durch die Luft schleu­der­te von einem Vor­satz getrie­ben, näm­lich dem Vor­satz Men­schen umzu­brin­gen. Dann plötz­lich betrach­te­te ich mei­nen Bild­schirm und bemerk­te, dass der Buch­sta­be g mei­ner Tas­ta­tur nicht funk­tio­nier­te, dass den Wör­tern der Buch­sta­be g fehl­te, sobald er eigent­lich in die Wör­tern hin­ein­ge­schrie­ben wer­den muss­te. Also schüt­tel­te ich mei­ne Schreib­ma­schi­ne solan­ge, bis sich die G‑Taste mei­ner Tas­ta­tur aus ihrer Blo­cka­de lös­te, ich las mei­nen Text von vorn und füg­te feh­len­de Buch­sta­ben in die Wör­ter ein, so dass der Text selbst bald voll­stän­dig gewor­den war. — stop
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raymond carver goes to hasbrouck heights / 3

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sier­ra : 5.12 UTC — Es ist Sams­tag und ich habe gera­de eine Mel­dung gele­sen, die mir ein Pro­gramm mei­nes Par­tic­les-Ser­vers sen­de­te, es habe näm­lich irgend­ein Mensch, der nahe oder in Washing­ton D.C. leben soll, einen Text besucht, der von Ray­mond Car­ver erzählt. Ich las mei­nen Text nach län­ge­rer Zeit wie­der ein­mal mit älter gewor­de­nen Augen. Und ich dach­te mir, dass ich im Grun­de nicht sicher sein kön­ne, ob ein mensch­li­ches Wesen mei­nen Text in der Wei­te des World Wide Web ent­deck­te, oder ob eine Maschi­ne mein Par­tic­les besuch­te, die einer Spur von Schlüs­sel­wör­tern folg­te. Der Text, der am 12. Dezem­ber 2014 notiert wur­de, geht so: Ich kann nicht mit Sicher­heit sagen, war­um ich mich ges­tern, wäh­rend ich einen Bericht über Unter­su­chun­gen der CIA-Fol­ter­prak­ti­ken durch Ermitt­ler des US-Senats stu­dier­te, an eine klei­ne Stadt erin­ner­te, die ich vor weni­gen Jah­ren ein­mal von Man­hat­tan aus besuch­te. Ich las von Schlaf­ent­zug, von Water­boar­ding, von sehr klei­nen, dunk­len Kis­ten, in wel­che man Men­schen tage­lang sperr­te, von Lärm, von rus­si­schem Rou­lette und plötz­lich also erin­ner­te ich mich an Ole­an­der­bäu­me, die ich gese­hen hat­te in Has­b­rouck Heights an einem son­ni­gen Tag im Mai, an ihren Duft, an einen glück­li­chen Abend am Strand von Coney Island, an ein Jazz­kon­zert nahe der Strand­pro­me­na­de. Ich notier­te damals: Es ist die Welt des Ray­mond Car­ver, die ich betre­te, als ich mit dem Bus die Stadt ver­las­se, west­wärts, durch den Lin­coln­tun­nel nach New Jer­sey. Der Blick auf den von Stei­nen bewach­se­nen Mus­kel Man­hat­tans, zum Grei­fen nah an die­sem Mor­gen küh­ler Luft. Dunst flim­mert in den Stra­ßen, deren Fluch­ten sich für Sekun­den­bruch­tei­le öff­nen, bald sind wir ins Gebiet nied­ri­ger Häu­ser vor­ge­drun­gen, Eis­zap­fen von Plas­tik fun­keln im Licht der Son­ne unter Regen­rin­nen. Der Bus­fah­rer, ein älte­rer Herr, begrüßt jeden zustei­gen­den Gast per­sön­lich, man kennt sich hier, man ist schwarz oder weiß oder gelb oder braun, man ist auf dem Weg nach Has­b­rouck Heights, eine hal­be Stun­de Zeit, des­halb liest man in der Zei­tung, schläft oder schaut auf die Land­schaft, auf ros­ti­ge Brü­cken­rie­sen, die flach über die sump­fi­ge Gegend füh­ren. Und schon sind wir ange­kom­men, ein lie­be­voll gepfleg­ter Ort, der sich an eine stei­le Höhe lehnt, ein­stö­cki­ge Häu­ser in allen mög­li­chen Far­ben, groß­zü­gi­ge Gär­ten, Hecken, Büsche, Bäu­me sind auf den Zen­ti­me­ter genau nach Wün­schen ihrer Besit­zer zuge­schnit­ten. Nur sel­ten ist ein Mensch zu sehen, in dem ich hier schlen­de­re von Stra­ße zu Stra­ße, wer­de dann freund­lichst gegrüßt, how are you doing, ich spü­re die Bli­cke, die mir fol­gen, Bäu­me, Blu­men, Grä­ser schau­en mich an, das Feu­er der Aza­leen, Eich­hörn­chen stür­men über sanft geneig­te Dächer: Habt ihr ihn schon gese­hen, die­sen frem­den Mann mit sei­ner Pola­roid­ka­me­ra, die­sen Mann ohne Arme! Gleich wird er ein Bild von uns neh­men, wird klin­geln, wird sagen: Guten Tag! Ich habe Sie gera­de foto­gra­fiert. Wol­len Sie sich betrach­ten? — stop

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time

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sier­ra : 18.32 — Das selt­sa­me Leben der Uhren, ihre Erschei­nung, oder die Geschwin­dig­keit, in wel­cher sich ihre Zei­ger oder Zif­fern bewe­gen. Immer wie­der die Fra­ge, ob Uhr­wer­ken nicht doch zu miss­trau­en ist. Gera­de Funk­uh­ren schei­nen Per­sön­lich­kei­ten zu sein, sie lau­fen, ich habe das mit eige­nen Augen beob­ach­tet, manch­mal rück­wärts. Und so stell­te ich mir vor, eine Uhr zu ver­wen­den, um eine ande­re Uhr zu kon­trol­lie­ren, oder meh­re­re Uhren einer Umge­bung, in der Hoff­nung, dass sie sich gleich­mä­ßig ver­hal­ten. Die­se Über­le­gun­gen sind Orten ver­bun­den, die nie­mals mit Tages­licht in Berüh­rung kom­men, Räu­me, in wel­chen 28 Stun­den dau­ern­de Tage längst denk­bar gewor­den sind. — stop
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