Aus der Wörtersammlung: east river

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nachtgecko

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alpha : 2.28 — Das Muse­um der Nacht­häu­ser befin­det sich am Shore Bou­le­vard nörd­lich der Hell Gates Bridge befin­det, die den New Yor­ker Stadt­teil Queens über den East River hin­weg mit Ran­di­lis Island ver­bin­det. Ich weiß nicht, ob das Muse­um noch immer exis­tiert, es war oder ist ein recht klei­nes Haus, rote Back­stei­ne, ein Schorn­stein, der an einen Fabrik­schlot erin­nert, ein Gar­ten, in dem ver­wit­ter­te Apfel­bäu­me ste­hen, und der Fluss so nah, dass man ihn rie­chen konn­te. Wäh­rend eines Spa­zier­gan­ges, zufäl­lig, ent­deck­te ich die­ses Muse­um, von dem ich nie zuvor hör­te. Es war ein spä­ter Nach­mit­tag, ich muss­te etwas war­ten, weil das Muse­um nicht vor Ein­bruch der Däm­me­rung öff­nen wür­de, ein Muse­um für Nacht­men­schen eben, die in Nacht­häu­sern woh­nen, wel­che erfun­den wor­den waren, um Nacht­men­schen art­ge­rech­tes Woh­nen zu ermög­li­chen. Als das Muse­um dann end­lich öff­ne­te, war ich schon etwas müde gewor­den, und weil ich der ein­zi­ge Besu­cher gewe­sen, führ­te mich ein jun­ger Mann per­sön­lich her­um. Er war sehr gedul­dig, war­te­te, wenn ich wie wild in mein Notiz­buch notier­te, weil er span­nen­de Geschich­ten erzähl­te von jenen merk­wür­di­gen Gegen­stän­den, die in den Vitri­nen des Muse­ums ver­sam­melt waren. Von einem die­ser Gegen­stän­de will ich kurz berich­ten, von einem metal­le­nen Wesen, das mich an eine Kreu­zung von Gecko und Spin­ne erin­ner­te. Das ver­ros­te­te Ding war von der Grö­ße eines Schuh­kar­tons. An je einer Sei­te des Objekt saßen Bei­ne fest, die über Saug­näp­fe ver­füg­ten, eine Kame­ra thron­te oben­auf wie ein Rei­ter. Der jun­ge Mann erzähl­te, dass es sich bei die­sem Gerät um ein Instru­ment der Ver­tei­di­gung han­del­te, aus einer Zeit, da Nacht­men­schen mit Tag­men­schen noch unter ein und dem­sel­ben Haus­dach wohn­ten. Das klei­ne Tier saß in der Vitri­ne in einer Hal­tung als wür­de er sich ducken, als wür­de es jeder­zeit wie­der eine Wand bestei­gen wol­len. Das war näm­lich sei­ne vor­neh­me Auf­ga­be gewe­sen, Zim­mer­wän­de zu bestei­gen in der Nacht, sich an Zim­mer­de­cken zu hef­ten und mit klei­nen oder grö­ße­ren Ham­mer­werk­zeu­gen Klopf- oder Schlag­ge­räu­sche zu erzeu­gen, um Tag­men­schen aus dem Schlaf zu holen, die ihrer­seits weni­ge Stun­den zuvor noch durch ihre erbar­mungs­los har­ten Schrit­te den Erfin­der der Geck­oma­schi­ne, einen Nacht­ar­bei­ter, aus sei­nen Träu­men geris­sen haben moch­ten. Es war, sag­te der jun­ge Mann, immer so gewe­sen damals in die­ser schreck­li­chen Zeit, dass sich Tag­men­schen sicher fühl­ten vor Nacht­men­schen, die unter ihnen leb­ten, die mit Schrit­ten Zim­mer­de­cken ihrer Woh­nung nie­mals erreich­ten. Aus und fini! - stop

ping

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schnee

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alpha

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : SCHNEE
date : dec 2 12 0.15 p.m.

Über Nacht ist Schnee gefal­len. Ein har­ter, böiger Wind fegt vom East River her durch die Stra­ßen in den Park. Wir sind die ers­ten Spa­zier­gän­ger heu­te Mor­gen. Es ist bei­na­he still in der Däm­me­rung. Weit­hin sehen wir hin­ter uns unse­re eige­ne Spur auf dem Weg, den wir nord­wärts gehen. Immer wie­der blei­ben wir ste­hen, um nach Fran­kie zu sehen. Er scheint sich wohl­zu­füh­len, man könn­te sagen, dass es sich bei die­sem Eich­hörn­chen um einen Schnee­tau­cher han­deln könn­te. Für Minu­ten ist nichts von ihm zu sehen, aber dann plötz­lich sein Kopf, der aus dem Schnee ragt, er schüt­telt sich, sei­ne Ohren beben, ja, Fran­kie scheint glück­lich zu sein in die­ser neu­en wei­ßen Welt. Auch Möwen sind in den Cen­tral Park gekom­men. Sie hocken auf Sitz­bän­ken und Mau­ern, ich glau­be, sie haben es auf Zwer­ge wie Fran­kie abge­se­hen, denk­bar, dass sie den Schnee als Gewäs­ser betrach­ten und jene Tie­re, die sich für einen kur­zen Moment an der Ober­flä­che zei­gen, für Fische, die sie jagen müs­sen. Es sind gro­ße Vögel, gel­be Augen, rie­si­ge Schnä­bel, die uns heu­te Mor­gen tat­säch­lich Sor­ge berei­ten, sie könn­ten Fran­kie erle­gen und mit ihm aufs Meer hin­aus­flie­gen, mit all sei­nen Sen­so­ren, die uns dann nicht wei­ter­hel­fen wer­den. Wann wer­den Sie uns besu­chen, Mr. Lou­is? Wir hof­fen noch in die­sem Win­ter! Ein­mal Fran­kie mit eige­nen Augen betrach­ten, nicht wahr! Schnell ist er gewor­den. In der kom­men­den Woche wol­len wir zum ers­ten Mal erpro­ben, ob wir in der Lage sind, ihn mit unse­rer Fern­steue­rung beein­flus­sen zu kön­nen. Wir haben vor, Fran­kie in Krei­sen durch den Park lau­fen zu las­sen. – Aller­bes­te Grü­ße sen­det ihn Mal­colm / code­wort : hillarystep

emp­fan­gen am
03.12.2012
1630 zeichen

mal­colm to louis »

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grand central terminal : ein kleine lokomotive

2

ulys­ses : 0.22 — Wann war es, dass ich zum ers­ten Mal ent­deck­te, dass das Fah­ren in der Sub­way eine her­vor­ra­gen­de Hand­lung dar­stellt, mei­nen ver­letz­ten Arm zu trai­nie­ren? Eine hal­be Stun­de in die­ser Sache mit der Linie A süd­wärts nach Brook­lyn unter­wegs, dann wie­der nord­wärts unter der Lex­ing­ton Ave­nue rauf nach Har­lem. Kei­ner der mit mir rei­sen­den Men­schen wird bemer­ken, was ich da tue. Ich ste­he in der Nähe einer Tür und hal­te mich ein­ar­mig an einer Hal­te­stan­ge fest. So flie­ge ich durch Tun­nels, wer­de gebremst, beschleu­nigt, rase durch Kur­ven der Fins­ter­nis, die es in sich haben, seg­le über Brü­cken, schauk­le unter dem East River von einer Insel zur ande­ren Insel. Längst wür­de ich, wenn ich nicht mit mei­ner balan­cie­ren­den Extre­mi­tät dem Zug ver­bun­den wäre, umge­fal­len sein, wür­de durch die Zug­ab­tei­le tau­meln auf der Suche nach Gleich­ge­wicht, wür­de über Bür­gern der Stadt zu lie­gen kom­men, kein schö­ner Anblick, nein ganz sicher nicht. Ein Hin­und­her unter der Haut als wür­den mei­ne Mus­keln, Kno­chen, Seh­nen, selbst bereits zum Zug gehö­ren, wohl­tu­en­de, auch schmerz­haf­te Bewe­gun­gen, Befrei­ung. stop. Im Regen durch Chi­na­town. Wie­der das Geräusch der Spa­zier­stö­cke alter Män­ner, die sich in ihren Revie­ren bewe­gen, ich höre sie, weil ich sie sehe, Ein­zel­gän­ger, klein, gebückt. In einem Laden unter dem Grand Cen­tral Ter­mi­nal, es ist Abend gewor­den, eine Minia­tur des Bahn­ho­fes selbst, in dem eine Loko­mo­ti­ve ihre Krei­se zieht. Dort wie­der­um eine wei­te­re Minia­tur des Bahn­ho­fes, in der eine Loko­mo­ti­ve kreist, so klein, dass man sie ein­at­men könn­te. — stop
ping

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roosevelt island : lawrence

2

ulys­ses : 1.58 — Wol­ken­lo­ser Him­mel. ‑8° Cel­si­us. Ich tra­ge heu­te zum ers­ten Mal Law­rence spa­zie­ren unter Man­tel, Pull­over, Hemd unmit­tel­bar auf mei­ner Haut, ein Schlan­gen­we­sen mit einem klei­nem Kopf, der in der Nähe mei­nes Hal­ses zu lie­gen gekom­men ist. Dort lurt er jetzt unterm Schal her­vor, man muss sich das ein­mal vor­stel­len, Lawrence’s sand­far­be­nen Kopf ohne Augen, Ohren, Nase, aber von einem Mund beseelt, den ich mit getrock­ne­ten Speck­strei­fen füt­te­re, wäh­rend ich durch die knis­tern­de Win­ter­luft stel­ze. Ich kann Law­rence hören, er ist ein lei­ser, ein gemäch­li­cher Fres­ser. Und die Wär­me füh­len, wun­der­voll, die sein fein­häu­ti­ger Kör­per erzeugt, der mich fest umwi­ckelt, mei­ne Brust, mei­nen Bauch, mei­ne Arme, mei­ne Bei­ne. Speck für sechs Stun­den Wan­der­zeit hab ich in mei­ne Taschen gepackt. Es ist jetzt 10 Uhr vor­mit­tags, um kurz vor vier Uhr nach­mit­tags sollt ich zurück gekom­men sein, dann sehen wir wei­ter. Sonn­tag ist gewor­den. Und so gehen wir an die­sem Sonn­tag also spa­zie­ren, Law­rence und ich. Zunächst gehen wir die 5th Ave­nue nord­wärts und ein wenig durch den Cen­tral Park. Tau­sen­de hel­ler Wölk­chen stei­gen dort aus den Mün­dern tau­sen­der New Yor­ker Men­schen. Höhe 67. Stra­ße dre­hen wir wie­der um, lau­fen zurück, fol­gen der 59. Stra­ße west­wärts bis wir den East River errei­chen, Roo­se­velt Island Tram­sta­ti­on. In der Seil­bahn über­ge­setzt, ein­mal hin, und sofort wie­der zurück, ping­pong. In einem Baum, 61. Stra­ße, lun­ger­ten hun­der­te schla­fen­der Tau­ben als wären sie Blü­ten. — stop

ping

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sekundenromane : nachts

14

 

 

alpha

~ : louis
to : dai­sy und vio­let hilton
sub­ject : SEKUNDENROMANE : NACHTS

Für Stun­den wie­der ver­sucht, zwei Buch­sta­ben zur sel­ben Zeit auf elek­tri­scher Schreib­ma­schi­ne zu notie­ren, immer ist ein Zei­chen um Bruch­tei­le von Sekun­den schnel­ler als das ande­re Zei­chen auf dem Bild­schirm sicht­bar gewor­den, nie­mals lie­gen sie über­ein­an­der. — Guten Abend Ihr Zwei! Wenn Euch die­se Nach­richt errei­chen wird, habe ich drei oder vier Tage bereits wei­ter­ge­lebt, das hof­fe ich jeden­falls, bin glück­lich mit sehr wesent­li­chen Fra­gen beschäf­tigt, die mei­ne Wahr­neh­mung der Zeit betref­fen oder die Wahr­neh­mung einer mensch­li­chen Stim­me im Schlaf, genau­er, die Stim­me eines schla­fen­den Men­schen, in dem sie hör­bar wird in den Ohren eines wachen­den Men­schen für Sekun­den, Wort­ge­räu­sche, wel­che sehr viel mehr als nur ein Wort in sich ber­gen, eine gan­ze Geschich­te viel­leicht in jedem die­ser Lau­te, wie sie zärt­lich aus nächs­ter Nähe zu mir durch den dunk­len Raum geflo­gen kom­men, unver­gess­lich und doch nicht wie­der­hol­bar, das Zir­pen schnells­ter Erzäh­lung, Roma­ne in Sekun­den­zeit, dann wie­der Atem­zü­ge, Mel­dun­gen des Lebens. >

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

> Ich hat­te eine selt­sa­me Idee, lie­be Dai­sy, lie­be Vio­let, ich über­leg­te, in dem ich nacht­wärts mit mei­ner Stirn an einem sanft­war­men, an einem träu­men­den Rücken leh­nend lausch­te, ob ich nicht einen die­ser beson­de­ren Lau­te auf­zeich­nen und an Euch über­mit­teln könn­te, dort­hin wo man viel­leicht zu spie­len ver­mag mit der Geschwin­dig­keit der Zeit, wie sie sich bewegt, so dass Ihr mir bald ein­mal erzäh­len könn­tet, wovon gespro­chen wur­de in die­ser einen oder ande­ren Sekun­de, an die sich die Schla­fen­de, nach­dem sie erwach­te, nicht erin­nern konn­te. Und so habe ich eine klei­ne Samm­lung der Wort­ge­räusch­ro­ma­ne für Euch auf­ge­zeich­net. Ich bit­te Euch herz­lich, sie lang­sa­mer, sie les­bar zu machen für mich. Anbei, wie ver­spro­chen, eine Minu­te gefilm­ter Zeit vom Lau­fen über den East River von Brook­lyn aus nach Man­hat­tan. Euer Lou­is, cucur­ru­cu, wünscht eine gute Nacht!

gesen­det am
14.01.2011
22.08 MEZ
1785 zeichen

lou­is to dai­sy and violet »

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manhattan : eine frau verschwindet und kehrt wieder

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nord­pol : 7.05 — Ges­tern Abend folg­te ich mit­tels der Goo­g­lee­arth­ma­schi­ne einer beson­de­ren Rou­te durch das süd­li­che Man­hat­tan. Ich kann­te die­se Stre­cke, war dort im Spät­som­mer des ver­gan­ge­nen Jah­res auf eige­nen Füßen spa­ziert, war Mal­colm Lowry auf der Spur gewe­sen, sei­nen enger und enger wer­den­den Krei­sen, die den Schrift­stel­ler ein hal­bes Jahr­hun­dert zuvor in das Bel­le­vue Hos­pi­tal führ­ten, wo er sich, in höchs­ter Not befind­lich, vom Schmerz­man­tel des Alko­hols zu befrei­en such­te. Immer wie­der hat­te ich damals jene Gegend nahe des East River auf­ge­sucht, so dass ich eine bei­na­he ver­trau­te Umge­bung in digi­ta­ler Wei­se berühr­te. Gegen Mit­ter­nacht dann, ich hat­te die Third Ave­nue gekreuzt, bog ich nach Nor­den ab, erreich­te 30 Minu­ten spä­ter die 70th Stra­ße. Da war an einer Ecke ein klei­ner Laden, an den ich mich erin­ner­te. Ver­such­te ihm näher zu kom­men, zoom­te her­an, aber dann über­quer­te ich im Sprung die Stra­ße mit­tels einer zar­ten Bewe­gung der Mou­se, beweg­te mich im Kreis und bemerk­te in die­sem Augen­blick, dass eine Frau mit Hund, die gera­de noch die Stra­ße in nächs­ter Nähe über­quert hat­te, ver­schwun­den war, in dem ich die Kreu­zung von Osten her betrach­te­te. Auch war die Stra­ße dunk­ler gewor­den, als wäre kurz zuvor Regen gefal­len oder die Däm­me­rung des Abends ein­ge­trof­fen. Um ein paar wei­te­re Meter gedreht, war die Frau dann wie­der da gewe­sen und ihr Hund, den Schwanz erho­ben, und die Stra­ße tro­cken. Eine Kreu­zung, so mein Ein­druck, gefal­te­ter Zeit. Ich muss das beobachten.

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manhattan — bellevue hospital

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alpha : 14.15 — Auf einer Bank im Schat­ten küh­len­der Bäu­me gleich neben dem Bel­le­vue Hos­pi­tal sitzt ein alter Mann in einem blau und weiß gestreif­ten Pyja­ma. Er ver­sucht eine Mine­ral­was­ser­fla­sche zu öff­nen, schimpft vor sich hin in die­ser schwe­ren Arbeit, sagt, dass das doch nicht mög­lich sei, war­um sich das ver­damm­te Ding nicht öff­nen lie­ße, er habe die Fla­sche vor einer Stun­de noch selbst zuge­dreht. Ein grau­es Eich­hörn­chen hockt auf mäch­ti­gen Hin­ter­bei­nen neben ihm, beob­ach­tet die Hän­de des alten Man­nes, bleibt auch dann ganz still, als ich mich nähe­re und mei­ne Hil­fe anbie­te. — Ein ange­neh­mer Nach­mit­tag, die Luft ist etwas küh­ler gewor­den und tro­cken, ein leich­ter Wind raschelt in den Bäu­men, die so alt zu sein schei­nen, dass der Schrift­stel­ler Mal­colm Lowry sich an ihren Stäm­men fest­ge­hal­ten haben könn­te, damals, im Jahr 1936, als er schwer alko­hol­süch­tig in enger wer­den­den Krei­sen auf das rot­stei­ner­ne Kran­ken­haus zustürz­te, um in einem Tage wäh­ren­den Deli­ri­um, Wale über den East River flie­gen zu sehen. Der Dich­ter, der Trin­ker auf hoher See. Bel­le­vue war in Lowry’s Kopf zu einem Schiff gewor­den, des­sen Plan­ken unter ihm ächz­ten in den Stür­men, die sein armes Gehirn durch­le­ben muss­te in Fie­ber­schü­ben, unter den schwit­zen­den Hän­den der Matro­sen­ärz­te, die ihn an sein Bett fes­sel­ten. Und wie er dann selbst, oder jene Figur, die Mal­colm Lowry in sei­ner groß­ar­ti­gen Erzäh­lung Lunar Cau­st­ic gegen das Alko­ho­l­un­ge­tüm antre­ten lässt, nach Wochen der Abs­ti­nenz auf­recht und leicht­fü­ßig gehend durch den Haupt­ein­gang des Hos­pi­tals wie­der fes­ten Boden betritt, schon die nächs­te Fla­sche Absinth vor Augen hier am East River, an einem Tag wie die­sem Tag vor lan­ger, lan­ger Zeit.
ping

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bellevue

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ulys­ses : 6.08 — Vor Jah­ren ein­mal ent­deck­te ich nach stun­den­lan­ger Suche in den Archi­ven der Baye­ri­schen Staats­bi­blio­thek eine Foto­gra­fie auf einem Mikro­film­strei­fen und ich wuss­te sofort, dass ich die­ses Licht­bild besit­zen muss­te. Ich bat eine Biblio­the­ka­rin, aus dem Mate­ri­al das Bes­te her­aus­zu­ho­len, höchs­te Auf­lö­sung, wes­we­gen ich bald einen klei­nen Sta­pel Papiers ent­ge­gen­neh­men konn­te, den ich im Arbeits­zim­mer an einer Wand zum Bild zurück­sor­tier­te, zur Ansicht einer Stra­ße des Jah­res 1934 prä­zi­se, einer Stra­ße nahe des Bel­le­vue Hos­pi­tals zu New York. Stau­bi­ge Bäu­me, eilen­de Men­schen­schat­ten, die Sil­hou­et­te einer alten, in den Kno­chen gebeug­ten Frau, der Wagen eines Eis­ver­käu­fers, ros­ti­ge Hydran­ten, die sprö­de Stein­haut der Stra­ße, zwei Vögel unbe­kann­ter Gat­tung, Spu­ren von Hit­ze, und ich erin­ne­re mich noch gut, dass ich eine Zei­le von links nach rechts auf das Papier notier­te: Die­se Stra­ße könn­te Mal­colm Lowry über­quert haben, an einem Tag viel­leicht, als er sich auf den Weg mach­te, sei­nem Kör­per den Alko­hol zu ent­zie­hen. Und weil ich schon ein­mal damit begon­nen hat­te, das Bild zu ver­fei­nern, zeich­ne­te ich in Wor­ten wei­te­re Sub­stan­zen auf das Papier, Unsicht­ba­res oder Mög­li­ches. Einen Schuh notier­te ich west­wärts: Hier flüch­tet Jan Gabri­el, weil sie Mr. Lowrys Lie­be nicht län­ger glau­ben konn­te. Da lag ein Notiz­buch im Schat­ten eines Bau­mes und ich sag­te: Die­ses Notiz­buch wird Mal­colm Lowry fin­den von Zeit zu Zeit, er wird es auf­he­ben und mit zit­tern­den Hän­den in sei­ne Hosen­ta­sche ste­cken. Schon segel­ten fie­bern­de Wale über den East River, der zwi­schen zwei Häu­sern schim­mer­te, ein Schwarm irrer Bie­nen tropf­te von einer Fens­ter­bank, und da waren noch zwei Mäd­chen, bar­fuss, — oder tru­gen sie doch Strümp­fe, doch Schu­he? — sie spiel­ten Him­mel und Höl­le, ihre fröh­li­chen Stim­men. Ich geste­he, dass Dai­sy und Vio­let nicht damals, son­dern in die­ser letz­ten Stun­de einer hei­te­ren Arbeits­nacht ins Bild gekom­men sind.

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