Aus der Wörtersammlung: tod

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wörterbilder

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echo : 2.12 — In der Stadt Kyiv sol­len noch Mona­te nach der Hava­rie des Reak­tors 4 in Tscher­no­byl Stra­ße um Stra­ße ent­lang der Häu­ser­wän­de per­fo­rier­te Roh­re instal­liert wor­den sein, aus wel­chen Was­ser ström­te, um das strah­len­de Gift von den Stra­ßen zu schwem­men. Eine Bekann­te erzähl­te mir von der Exis­tenz die­ser Roh­re, sie war damals in Kyjiw für eini­ge Tage. Ich ken­ne die­ses Bild, ich erin­ne­re mich, das ein Wör­ter­bild ist, kein Licht­bild, da ich kei­ne Foto­gra­fie in der digi­ta­len Sphä­re ent­de­cke. Wie lan­ge Zeit soll­te ich suchen? Stun­den? Oder Tage? Das Wör­ter­bild scheint plau­si­bel zu sein, oder sogar wahr­schein­lich. Wie vie­le Men­schen exis­tie­ren in der Stadt, in der ich lebe, also in mei­ner unmit­tel­ba­ren Nähe, die mit dem Tod bedroht wer­den, weil sie sich Glau­ben und wei­te­ren Ritua­len wider­set­zen? — stop

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aleppo

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hima­la­ya : 0.02 — Viel­leicht darf ich fol­gen­den Bericht in vol­ler Län­ge wie­der­ge­ben. Der jun­ge Jour­na­list Zou­hir al Shim­le berich­tet via E‑Mail für Die Zeit: Seit Alep­po bela­gert ist, flie­gen Assads Trup­pen und sei­ne Ver­bün­de­ten jeden Tag Luft­schlä­ge auf die Vier­tel der Rebel­len, also auch dort, wo ich lebe. Unun­ter­bro­chen dröh­nen Kampf­jets über uns hin­weg, Heli­ko­pter krei­sen über den Häu­sern. Jeden Tag ster­ben hier fast fünf­zig Zivi­lis­ten. Wir leben in einem nie enden­den Getö­se von Schie­ße­rei­en, Explo­sio­nen, Geschrei. Die meis­ten von uns trau­en sich nicht mehr, nach drau­ßen zu gehen. Manch­mal het­zen ein paar Leu­te die Stra­ßen ent­lang, um Lebens­mit­tel zu besor­gen – und ren­nen sofort nach dem Ein­kauf zurück in ihre Woh­nun­gen. Dabei ist es zu Hau­se nicht siche­rer als auf der Stra­ße. Denn die Bom­ben tref­fen auch unse­re Häu­ser. Wäh­rend ich die­se Zei­len schrei­be, höre ich das Don­nern der Kampf­flug­zeu­ge, von irgend­wo her dringt Gefechts­lärm. Gott sei Dank habe ich bis­her alle Angrif­fe über­lebt. Aber vor ein paar Tagen war ich dem Tod so nah wie nie zuvor. Ich war im Vier­tel Al-Mash­had unter­wegs, dort, wo mein Büro ist. Ich stand gera­de im Laden in unse­rer Stra­ße, um mir etwas zu trin­ken zu kau­fen, als die ers­te Fass­bom­be ein­schlug, gera­de mal fünf Häu­ser von uns ent­fernt. Ich duck­te mich für eini­ge Sekun­den vor den umher­flie­gen­den Metall­tei­len. Dann rann­te ich raus auf die Stra­ße. Nur weni­ge Sekun­den spä­ter schlug in der Stra­ße die zwei­te Fass­bom­be ein. Ein Metall­split­ter bohr­te sich in mei­nen Rücken, ein ande­rer in mein Bein. Ich rann­te von der Stra­ße wie­der zurück zum Laden. Und war vor Schock wie gelähmt: Sie­ben Men­schen, die dort Schutz vor der zwei­ten Bom­be gesucht hat­ten, waren tot, zer­quetscht vom Schutt der ein­ge­stürz­ten Decke. Sie star­ben nur, weil sie sich in den Sekun­den der Explo­si­on anders ent­schie­den hat­ten: Sie hiel­ten sich zwi­schen den Rega­len ver­steckt, wäh­rend ich auf die Stra­ße lief. Nur des­we­gen habe ich als Ein­zi­ger von uns über­lebt. Die Hel­fer hat­ten gro­ße Mühe, die ver­dreh­ten und durch­trenn­ten Kör­per aus dem Geröll zu zie­hen. Ange­hö­ri­ge der Toten lagen am Boden und schrien, Kin­der wein­ten. Aus eini­gen Kör­pern quol­len Inne­rei­en, über­all lagen abge­trenn­te Hän­de und Bei­ne. Ins­ge­samt star­ben durch die­se Angrif­fe 15 Men­schen, 25 – mit mir – wur­den ver­letzt. Ich kann die­se Bil­der nicht ver­ges­sen. Ich hät­te einer die­ser Kör­per sein kön­nen. Ich wur­de schnell in ein Kran­ken­haus gebracht, doch hel­fen konn­te mir dort nie­mand. Zu vie­le Men­schen benö­tig­ten Hil­fe, unauf­hör­lich brach­ten Män­ner neue Tra­gen mit Schwer­ver­letz­ten hin­ein. Wäh­rend ich auf den Arzt war­te­te, sah ich so viel Blut, dass ich zu hal­lu­zi­nie­ren begann. Ein Freund brach­te mich des­halb in ein ande­res Kran­ken­haus, wo sich Schwes­tern um mich küm­mer­ten. Sie ent­fern­ten einen Metall­split­ter, der ande­re steckt noch in mei­nem Bein. Sie sagen, er kön­ne erst in eini­ger Zeit ent­fernt wer­den. Doch es sind nicht nur die Bom­ben und Gefech­te, die unser Über­le­ben immer schwe­rer machen. Das Regime hat nun auch die Cas­tel­lo-Stra­ße ein­ge­nom­men. Sie ist eine Todes­zo­ne gewor­den: Stän­dig wird geschos­sen, bren­nen­de Autos lie­gen am Stra­ßen­rand. Das Regime kämpft dort mit aller Macht – und schnei­det uns damit von der Außen­welt ab. Die Cas­tel­lo-Stra­ße war bis­lang die ein­zi­ge Ver­bin­dung von Alep­po nach drau­ßen, in die Vor­or­te und in die Tür­kei. Es war die Lebens­ader der Stadt, von dort haben wir Lebens­mit­tel, Gas, Brenn­stoff, Trink­was­ser und Medi­zin bekom­men.  Die Bela­ge­rung ist für uns dra­ma­tisch. Denn jetzt gibt es kaum noch Obst und Gemü­se zu kau­fen, über­haupt sind die Märk­te fast leer. Auch haben wir immer weni­ger Brenn­stoff, wir ver­brau­chen gera­de die letz­ten Reser­ven der Stadt. Bald schon wer­den wir in kom­plet­ter Dun­kel­heit leben. Das ist es, was das Regime und sei­ne Mili­zen wol­len: dass Alep­po lang­sam stirbt. Sie set­zen dabei allein auf die Zeit. Wir, die noch rund 300.000 Ver­blie­be­nen, wer­den nicht mehr lan­ge ver­sorgt wer­den kön­nen. Ich fürch­te, dass unser Unter­gang schließ­lich dadurch kommt, dass wir alle um Was­ser und Brot kämp­fen. Und dass die, die nicht mehr stark genug sind, dar­um zu kämp­fen, ein­fach ver­hun­gern wer­den. Fakt ist: Wir sit­zen fest. Wir haben kei­ne Chan­ce mehr, aus Ost-Alep­po her­aus­zu­kom­men. Ich habe immer mit drei Freun­den in einer WG zusam­men gewohnt. Jetzt ist nur noch einer von ihnen hier. Malek hat gehei­ra­tet und lebt nun mit sei­ner Frau zusam­men, sie erwar­ten ein Baby. Der ande­re, Jawad, konn­te in die Tür­kei ent­kom­men. Sein Vater wur­de bei einem Angriff schwer ver­letzt und Jawad konn­te mit ihm vor ein paar Wochen in die Tür­kei fah­ren, damit er dort medi­zi­ni­sche Hil­fe bekommt. Jawad ver­sucht, wie­der zu stu­die­ren. Er wird nicht mehr nach Alep­po zurück­kom­men. So zynisch es klingt: Er hat Glück gehabt. Denn nur sehr kran­ke Men­schen dür­fen mit einer Beglei­tung den Grenz­über­gang Bab al-Sal­a­meh in die Tür­kei pas­sie­ren. Die Tür­kei ist da sehr strikt. Für mich gilt das also nicht Selbst, wenn ich Alep­po ver­las­sen woll­te: Ich kann es nicht. Die Bom­bar­die­run­gen in der Stadt sind zu stark, ich wür­de nicht mehr weit kom­men. Ich weiß, dass ich hier nicht mehr weg­kom­men wer­de. Die Bom­ben fal­len wei­ter, jeden Tag, jede Stun­de. Sie tref­fen alles, was sich bewegt. Ich sit­ze in Alep­po fest. Aber noch bin ich am Leben. — stop
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im zug

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nord­pol : 0.02 — Oder aber ich hebe mei­nen Blick vom Bild­schirm mei­ner Schreib­ma­schi­ne. Ich beob­ach­te wie­der­um in einem Nacht­zug rei­send einen Film, der vom Über­le­ben in der Stadt Alep­po erzählt. Plötz­lich glau­be ich zu erken­nen, wie ein Mann im Zug mit einer Pis­to­le um sich schießt. Men­schen flüch­ten und fal­len um. Ich wer­de in die Schul­ter getrof­fen, und ich den­ke noch, ich soll­te wütend wer­den, es wäre gut, wenn man ein Löwe zu wer­den wünscht, wütend zu sein. Ein­mal ste­he ich auf, im Zug herrscht noch Frie­den. Ein älte­rer Mann wirft in die­sem Moment mit Wucht einen Blick auf mich: Bist Du gefähr­lich? Es ist kein ange­neh­mer Blick, es ist ein kal­ter Blick, den man nicht befra­gen kann, weil man weiß, dass man kei­ne kor­rek­te Ant­wort erhal­ten wür­de. Auch so her­um ist das also mög­lich. Selt­sa­me Gedan­ken. — stop
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ai : BAHRAIN

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MENSCH IN GEFAHR : “Der bah­rai­ni­sche Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger Nabeel Rajab ist am 13. Juni fest­ge­nom­men wor­den. Er ist wegen “Ver­brei­tung von fal­schen Infor­ma­tio­nen und Gerüch­ten mit dem Ziel, den Staat in Ver­ruf zu brin­gen” ange­klagt. Die Staats­an­walt­schaft hat eine sie­ben­tä­gi­ge Haft­an­ord­nung gegen ihn erlas­sen. Er ist ein gewalt­lo­ser poli­ti­scher Gefan­ge­ner. Am 13. Juni gegen 5 Uhr mor­gens umstell­ten Bereitschaftspolizist_innen das Vier­tel des Dor­fes Bani Jam­ra west­lich der Haupt­stadt Mana­ma, in dem Nabeel Rajab wohnt, und nah­men den Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger fest. Sie leg­ten einen Durch­su­chungs­be­schluss für sein Haus sowie einen Haft­be­fehl gegen ihn und einen Beschluss für sei­ne Über­ga­be an die Kri­mi­nal­po­li­zei vor. Eine Begrün­dung für die­se Maß­nah­men war dar­aus jedoch nicht ersicht­lich. Sein Han­dy und sein Com­pu­ter wur­den beschlag­nahmt und er ist auf die Poli­zei­sta­ti­on in Ost-Rif­fa süd­lich von Mana­ma gebracht wor­den, wo er sich noch immer befin­det. Man hat ihm erlaubt, sei­ne Fami­lie anzu­ru­fen. Am 14. Juni hat man Nabeel Rajab zur Staats­an­walt­schaft gebracht, wo er wegen “Ver­brei­tung von fal­schen Infor­ma­tio­nen und Gerüch­ten mit dem Ziel, den Staat in Ver­ruf zu brin­gen” ange­klagt wur­de. Die Staats­an­walt­schaft erließ zudem wegen der lau­fen­den Ermitt­lun­gen eine sie­ben­tä­gi­ge Haft­an­ord­nung gegen ihn. Die Rechts­bei­stän­de von Nabeel Rajab waren bei dem Ter­min am 14. Juni anwe­send. Als sei­ne Ange­hö­ri­gen ihn gegen 21 Uhr des­sel­ben Tages besuch­ten, sag­te er ihnen, dass man ihn anders als ande­re Gefan­ge­ne in Ein­zel­haft fest­hal­te. Gegen Nabeel Rajab wird zusätz­lich wegen sepa­ra­ter Vor­wür­fe bezüg­lich eini­ger Twit­ter-Kom­men­ta­re und geteil­ter Twit­ter-Nach­rich­ten ermit­telt. The­men der Kom­men­ta­re sol­len der Krieg im Jemen und Fol­ter­vor­wür­fe im Zusam­men­gang mit einem Häft­lings­streik am 10. März 2015 im Jaw-Gefäng­nis gewe­sen sein. Soll­te auch die­ser Fall vor Gericht gebracht und Nabeel Rajab ver­ur­teilt wer­den, dro­hen ihm bis zu zehn Jah­re Haft. Im Novem­ber 2014 wur­de ein Rei­se­ver­bot gegen ihn ver­hängt.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 28. Juli 2016 hin­aus, unter > ai : urgent action

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ai : SÜDAFRIKA

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MENSCHEN IN GEFAHR: „Im März wur­de der süd­afri­ka­ni­sche Land­rechts­ak­ti­vist und Vor­sit­zen­de des Ama­di­ba Cri­sis Com­mit­tee (ACC), Sik­ho­si­phi Rha­de­be, erschos­sen. Kurz vor sei­nem Tod hat­te er erfah­ren, dass sein Name sowie die Namen zwei­er wei­te­rer Sprecher_innen des ACC auf einer “Abschuss­lis­te” ste­hen. Es gibt Zwei­fel an der Gründ­lich­keit der Unter­su­chun­gen der Tötung. Zudem besteht Sor­ge um die Sicher­heit der bei­den ACC-Spre­cher_in­nen sowie wei­te­rer Aktivist_innen, die in Xolo­be­ni gegen ein Berg­bau­pro­jekt kämp­fen. Sik­ho­si­phi “Bazoo­ka” Rha­de­be wur­de am 22. März 2016 von zwei Män­nern erschos­sen, die ihn bei sich zuhau­se in Lur­hol­we­ni in der Pro­vinz Ost­kap auf­such­ten und sich als Poli­zis­ten aus­ga­ben. Sein min­der­jäh­ri­ger Sohn war bei dem Vor­fall anwe­send. Weni­ge Stun­den vor sei­nem Tod hat­te Sik­ho­si­phi Rha­de­be erfah­ren, dass sein Name auf einer “Abschuss­lis­te” stand. Auf die­ser Lis­te befin­den sich zudem die Namen zwei­er wei­te­rer ACC-Mit­glie­der, Mza­mo Dla­mi­ni und Nonhle Mbut­hu­ma. Sik­ho­si­phi Rha­de­be war Lei­ter des ACC, einer Gemein­schafts­in­itia­ti­ve gegen den Abbau von Titan und ande­ren Schwer­me­tal­len in einem Tage­bau auf Gemein­schafts­land in Xolo­be­ni durch ein loka­les Toch­ter­un­ter­neh­men des aus­tra­li­schen Kon­zerns Mine­ral Com­mo­di­ties Limi­t­ed (MRC). Das ACC befürch­tet, dass infol­ge des Berg­bau­pro­jekts Hun­der­te Ange­hö­ri­ge der Gemein­schaft der Umgun­gund­l­o­vu von ihrem ange­stamm­ten Land ver­trie­ben wer­den, und dass durch Umwelt­schä­den wie z. B. Was­ser­ver­schmut­zung ihr Recht auf einen ange­mes­se­nen Lebens­stan­dard (ein­schließ­lich Zugang zu sau­be­rem Trink­was­ser) ver­letzt wird. Das ACC besteht aus etwa 3.000 Mit­glie­dern und kämpft seit zehn Jah­ren für die Rech­te der Anwohner_innen, die im Fall einer Berg­bau­li­zenz für die MRC-Toch­ter­ge­sell­schaft gefähr­det wären. ACC-Mit­glie­der sind wegen ihrer Arbeit bedroht und ange­grif­fen wor­den, unter ande­rem auch von Anwohner_innen, die das Berg­bau­pro­jekt unter­stüt­zen. Die Orga­ni­sa­ti­on hat die­se Angrif­fe bei der Poli­zei ange­zeigt, die jedoch größ­ten­teils untä­tig geblie­ben ist. Nach der Tötung von Sik­ho­si­phi Rha­de­be sind füh­ren­de ACC-Mit­glie­der äußerst besorgt um ihre Sicher­heit. Kurz nach dem Vor­fall über­gab die ört­li­che Poli­zei die Unter­su­chung der Tötung an die Ein­heit zur Unter­su­chung schwe­rer Straf­ta­ten (Direc­to­ra­te for Prio­ri­ty Cri­mes Inves­ti­ga­ti­on — DCPI) des natio­na­len Poli­zei­diens­tes. Doch die Ermitt­lun­gen wei­sen eini­ge Män­gel auf, was Zwei­fel dar­an auf­kom­men lässt, ob die Fami­lie von Sik­ho­si­phi Rha­de­be Gerech­tig­keit erfah­ren wird.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 6. Juli 2016 hin­aus, unter > ai : urgent action

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ai : IRAN

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MENSCH IN GEFAHR: „Der Obers­te Gerichts­hof des Irans hat das Todes­ur­teil von Moham­mad Ali Tahe­ri im Dezem­ber 2015 auf­ge­ho­ben und sei­nen Fall zur wei­te­ren Unter­su­chung zurück an das Revo­lu­ti­ons­ge­richt ver­wie­sen. Er befin­det sich nun seit mehr als vier Jah­ren in Ein­zel­haft und ist in den Hun­ger­streik getre­ten. / Moham­mad Ali Tahe­ri ist am 30. Janu­ar in den Hun­ger­streik getre­ten, nach­dem ihm Ange­hö­ri­ge des Gefäng­nis­per­so­nals in dem den Revo­lu­ti­ons­gar­den unter­stell­ten Trakt 2A des Evin-Gefäng­nis­ses in Tehe­ran gesagt hat­ten, dass “er sich den Gedan­ken, er wür­de frei­ge­las­sen, aus dem Kopf schla­gen soll”. Nach sie­ben Tagen Hun­ger­streik ver­lor er das Bewusst­sein und wur­de in ein Kran­ken­haus ver­legt. Am 10. Febru­ar brach­te man ihn zurück in das Gefäng­nis. Trotz sei­nes schlech­ten gesund­heit­li­chen Zustands setz­te er sei­nen Hun­ger­streik fort. / Moham­mad Ali Tahe­ri befin­det sich seit Mai 2011 in Ein­zel­haft. Ihm wird unter ande­rem die “För­de­rung von Ver­dor­ben­heit auf Erden” sowie die “Belei­di­gung isla­mi­scher Hei­lig­kei­ten” vor­ge­wor­fen. Für Letz­te­res ver­ur­teil­te ihn ein Revo­lu­ti­ons­ge­richt im Okto­ber 2011 zu fünf Jah­ren Gefäng­nis, wäh­rend das Gericht im Fall der ers­ten Ankla­ge die Not­wen­dig­keit wei­te­rer Unter­su­chun­gen sah. Die Revo­lu­ti­ons­gar­den nah­men dar­auf­hin ihre Ermitt­lun­gen wie­der auf. In die­ser Zeit wur­de sei­ne Unter­su­chungs­haft, die er in Ein­zel­haft ver­bringt, mehr­fach ver­län­gert. Im Juli 2015 wur­de Moham­mad Ali Tahe­ri schließ­lich wegen “För­de­rung von Ver­dor­ben­heit auf Erden” zum Tode ver­ur­teilt. Grund dafür war die Grün­dung der spi­ri­tu­el­len Grup­pe Erfan-e-Halg­heh und sei­ne spi­ri­tu­el­len Leh­ren und Prak­ti­ken, die von den Behör­den als “per­vers” bezeich­ne­ten wur­den und ihnen zufol­ge dazu dien­ten, einen “lang­sa­men Umsturz” der Regie­rung durch die Schwä­chung der reli­giö­sen Über­zeu­gun­gen der Men­schen her­bei­zu­füh­ren. Im Dezem­ber 2015 hob der Obers­te Gerichts­hof das Todes­ur­teil auf und führ­te an, dass der Tat­be­stand der “För­de­rung von Ver­dor­ben­heit auf Erden” nach dem zum Zeit­punkt sei­ner Akti­vi­tä­ten gel­ten­den Recht nicht erfüllt wor­den sei. Der Fall wur­de kürz­lich zur Durch­füh­rung wei­te­rer Ermitt­lun­gen, die zur Erhär­tung des Vor­wurfs führ­ten könn­ten, wie­der an die zustän­di­gen Ermitt­lungs­be­hör­den über­ge­ben. Am 7. Febru­ar 2016 wur­de die fünf­jäh­ri­ge Haft­stra­fe unter Berück­sich­ti­gung der noch immer andau­ern­den Unter­su­chungs­haft als ver­büßt ange­se­hen.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 30. März 2016 hin­aus, unter > ai : urgent action

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ein gespräch

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fox­trott : 0.28 – Ein­mal nur für kur­ze Zeit die unver­rück­ba­re Gren­ze des Todes mit­tels eines Funk­ge­rä­tes über­schrei­ten. Ich stell­te mir vor, ich könn­te ein Gespräch füh­ren mit einem Selbst­mord­at­ten­tä­ter, sagen wir mit MMK. Ich berich­te­te O. von die­ser Idee. Ich sag­te, stell Dir ein­mal vor, ich wür­de fol­gen­de Sät­ze spre­chen: Lie­ber MMK, jetzt bist Du also tot, Du hast Dei­nen Auf­trag zur vol­len Zufrie­den­heit Dei­ner Vor­ge­setz­ten erfüllt, Du hast Dich in die Luft gesprengt, in alle Him­mels­rich­tun­gen sind Tei­le Dei­nes Kör­pers davon­ge­flo­gen. Wie geht es Dir jetzt? Wo bist Du, mein Freund? — O., der inter­es­siert zuge­hört hat­te, ant­wor­te­te: Sag, lie­ber Lou­is, was erwar­test Du denn, was MMK ant­wor­ten wür­de? Ehe ich spre­chen konn­te, setz­te O. fort, er sag­te: Ich neh­me an, Du wirst dar­an den­ken, dass er Dir sagen wird: Kein Para­dies. Dun­kel. Nichts. Ich bin allein, ver­dammt. Er schau­te mich bedeu­tungs­voll an. Was aber, lie­ber Lou­is, machst Du, wenn er Dir erzählt, dass er im Para­dies ange­kom­men sei, dass alles noch wun­der­ba­rer sei, als je vor­ge­stellt, ja, was machst Du dann, mein Jun­ge? — stop

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paris : 5 minuten

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sier­ra : 3.15 – Der jun­ge Mann will wis­sen, ob ich viel­leicht gera­de Nach­rich­ten lese, die von der Stadt Paris erzäh­len. Sein Gesichts­aus­druck, indem er auf mein Mobil­te­le­fon deu­tet, ist ernst. Ich woh­ne in Paris, sagt er, ich bin dort auf­ge­wach­sen, ich stu­die­re in Deutsch­land, ich habe ver­sucht mei­nen Groß­va­ter zu errei­chen, aber er mel­det sich nicht, ich kom­me nicht durch, ich bin so auf­ge­regt, auch mei­ne Freun­din ist ver­schwun­den. Wir ste­hen am Bahn­hof, war­ten auf einen Zug, der in Rich­tung des Flug­ha­fens fährt. Es ist kurz nach Mit­ter­nacht. Auf dem Mobil­te­le­fon des jun­gen Man­nes wird von acht­zehn Todes­op­fern berich­tet, auf mei­nem sind bereits über vier­zig Men­schen gestor­ben. Der jun­ge Mann läuft immer wie­der ein­mal eini­ge Meter den Bahn­steig ent­lang, schaut auf sein Tele­fon, hält es an sein Ohr, kommt wie­der zu mir zurück, fragt, ob ich etwas Neu­es in Erfah­rung brin­gen konn­te. Ich sage: Ich glau­be, für Frank­reich wur­de gera­de der Aus­nah­me­zu­stand erklärt. Oh Gott, ant­wor­tet der jun­ge Mann, was ist nur gesche­hen! Er steht ganz still vor mir, schaut mich an. Wir ken­nen uns eigent­lich nicht gut. Fünf oder sechs Minu­ten Zeit sind ver­gan­gen, seit der jun­ge Mann frag­te, ob ich Nach­rich­ten lese, die von der Stadt Paris erzäh­len. Plötz­lich klin­gelt sein Tele­fon. – stop

fest

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propeller

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tan­go : 6.52 – Die­ses Wort, Pro­pel­ler­wort, das sich seit eini­gen Stun­den, weiß der Him­mel, woher es gekom­men ist, in mei­nem Kopf bewegt, scheint in der wirk­li­chen Welt noch nicht zu exis­tie­ren. Ich such­te in Wör­ter­bü­chern, ich such­te in der digi­ta­len Sphä­re, ver­geb­lich. Was also könn­te unter einem Pro­pel­ler­wort exakt zu ver­ste­hen sein? Ein Wort viel­leicht, das in der Lage wäre, wei­te­re Wör­ter, die vor oder hin­ter ihm in einem Satz­ver­bund notiert wor­den sind, im Geis­te eines Lesen­den zu beschleu­ni­gen, oder den Lesen­den selbst in sei­ner Art des Lesens hef­tig anzu­re­gen. In die­sem Augen­blick kommt mir kein Wort in den Sinn, das in die­ser Wei­se wirk­sam wer­den könn­te. Statt­des­sen dach­te ich an das Wort Zwerg­see­ro­se, wel­ches ich ges­tern noch notier­te, das Wort Zwerg­see­ro­se könn­te für mich zu einem Pro­pel­ler­wort wer­den, weil es mich leich­ter wer­den lässt, weil ich mich freue, sobald ich das Wort den­ke oder höre, weil ich sofort wei­te­re Zwerg­wör­ter bemer­ke, die mir gefal­len, das Wort Zwerg­li­bel­le bei­spiels­wei­se, oder das Wort Zwerg­amei­sen­pferd, von den Amei­sen­pfer­den habe ich bereits erzählt, auch das Wort Ohr­fei­ge, wenn ich das Wort Ohr­fei­ge hin­sicht­lich der Baum­früch­te betrach­te, scheint sich gleich­wohl zu einem Pro­pel­ler­wort zu ent­wi­ckeln. Oh, Du schö­ner Früh­lings­mor­gen. – stop
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