Aus der Wörtersammlung: falle

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bryant park

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sier­ra : 8.57 — Es hat­te Stun­den lang gereg­net, jetzt dampf­te der Boden im süd­wärts vor­rü­cken­den Nord­licht, und das Laub, das alles bedeck­te, die stei­ner­nen Bän­ke, Brun­nen und Skulp­tu­ren, die Büsche und Som­mer­stüh­le der Cafés, beweg­te sich trock­nend wie eine abge­wor­fe­ne Haut, die nicht zur Ruhe kom­men konn­te. Boule­spie­ler waren vom Him­mel gefal­len, feg­ten ihr Spiel­feld, schon war das Kli­cken der Kugeln zu hören, Schrit­te, Rufe. Wie ich so zu den Spie­lern schlen­der­te, kreuz­te eine jun­ge Frau mei­nen Weg. Sie tas­te­te sich lang­sam vor­wärts an einem wei­ßen, sehr lan­gen Stock, den ich ein­ge­hend beob­ach­te­te, rasche, den Boden abklop­fen­de Bewe­gun­gen. Als sie in mei­ne Nähe gekom­men war, viel­leicht hat­te sie das Geräusch mei­ner Schrit­te gehört, sprach sie mich an, frag­te, ob es bald wie­der reg­nen wür­de. Ich erin­ne­re mich noch gut, zunächst sehr unsi­cher gewe­sen zu sein, aber dann ging ich ein Stück an ihrer Sei­te und berich­te­te vom Okto­ber­licht, wel­ches ich so lieb­te, von den Far­ben der Blät­ter, die unter unse­ren Füßen raschel­ten. Bald saßen wir auf einer nas­sen Bank, und die jun­ge Frau erzähl­te, dass sie ein klei­nes Pro­blem haben wür­de, dass sie einen Brief erhal­ten habe, einen lang erwar­te­ten, einen ersehn­ten Brief, und dass sie die­sen Brief nicht lesen kön­ne, ein Mann mit Augen­licht hät­te ihn geschrie­ben, ob ich ihr den Brief vor­le­sen kön­ne, sie sei so sehr glück­lich, die­sen Brief end­lich in Hän­den zu hal­ten. Ich öff­ne­te also den Brief, einen Luft­post­brief, aber da stan­den nur weni­ge, sehr har­te Wor­te, ein Ende in sechs Zei­len, Druck­buch­sta­ben, eine schlam­pi­ge Arbeit, rasch hin­ge­wor­fen, und obwohl ich wuss­te, dass ich etwas tat, das ich nicht tun durf­te, erzähl­te mei­ne Stim­me, die vor­gab zu lesen, eine ganz ande­re Geschich­te. Liebs­te Mar­len, hör­te ich mich sagen, liebs­te Mar­len, wie sehr ich Dich doch ver­mis­se. Konn­te so lan­ge Zeit nicht schrei­ben, weil ich Dei­ne Adres­se ver­lo­ren hat­te, aber nun schrei­be ich Dir, schrei­be Dir aus unse­rem Café am Bryant Park. Es ist gera­de Abend gewor­den in New York und sicher wirst Du schon schla­fen. Erin­nerst Du Dich an die Nacht, als wir hier in unse­rem Café Dei­nen Geburts­tag fei­er­ten? Ich erzähl­te Dir von einer klei­nen, dunk­len Stel­le hin­ter der Tape­te, die so rot ist, dass ich Dir nicht erklä­ren konn­te, was das bedeu­tet, die­ses Rot für sehen­de Men­schen? Erin­nerst Du Dich, wie Du mit Dei­nen Hän­den nach jener Stel­le such­test, wie ich Dei­ne Fin­ger führ­te, wie ich Dir erzähl­te, dass dort hin­ter der Tape­te, ein Tun­nel endet, der Euro­pa mit Ame­ri­ka ver­bin­det? Und wie Du ein Ohr an die Wand leg­test, wie Du lausch­test, erin­nerst Du Dich? Lan­ge Zeit hast Du gelauscht. Ich höre etwas, sag­test Du, und woll­test wis­sen, wie lan­ge Zeit die Stim­men wohl unter dem atlan­ti­schen Boden reis­ten, bis sie Dich errei­chen konn­ten. – An die­ser Stel­le mei­ner klei­nen Erzäh­lung unter­brach mich die jun­ge Frau. Sie hat­te ihren Kopf zur Sei­te geneigt, lächel­te mich an und flüs­ter­te, dass das eine sehr schö­ne Geschich­te gewe­sen sei, eine tröst­li­che Geschich­te, ich soll­te den Brief ruhig behal­ten und mit ihm machen, was immer ich woll­te. Und da war nun das aus dem Boden kom­men­de Nord­licht, das Knis­tern der Blät­ter, die Stim­men der spie­len­den Men­schen. Wir gin­gen noch eine klei­ne Stre­cke neben­ein­an­der her, ohne zu spre­chen. Ich seh gera­de ihren über das Laub tas­ten­den Stock und ein Eich­hörn­chen mit einer Nuss im Maul, das an einem Baum­stamm kau­er­te. Bei­na­he kommt es mir in die­ser Sekun­de so vor, als hät­te ich die­ses Eich­hörn­chen und sei­ne Nuss nur erfun­den. — stop

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wasser

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echo : 2.15 — Seit Stun­den die Fens­ter weit geöff­net, und obwohl ich einen Pull­over tra­gen muss, um nicht zu frie­ren, hal­te ich die Nacht da drau­ßen für eine Som­mer­nacht. Es ist jetzt zwei Uhr und fünf­zehn Minu­ten. Soeben habe ich Joseph Brod­skys fein­sin­ni­ges Vene­dig Buch Ufer der Ver­lo­re­nen auf den Tisch gelegt, um eine Pas­sa­ge dar­aus abzu­schrei­ben. Als ich die Tas­ta­tur in eine güns­ti­ge Posi­ti­on rück­te, sehe ich gera­de noch, wie mei­ne Spring­spin­ne zwi­schen zwei Tas­ten ver­schwin­det, wes­halb ich zunächst nicht wag­te, auch nur ein Zei­chen ein­zu­ge­ben, um sie nicht viel­leicht zu ver­let­zen oder gar zu töten. Habe das klei­ne wei­ße Kla­vier dann über dem Schreib­tisch her­um­ge­dreht und etwas geschüt­telt und wenn ich mich nicht täu­sche, ist mein Freund unter die­ser uner­war­te­ten Bewe­gung her­aus­ge­fal­len. Natür­lich bin ich mir nicht ganz sicher, die Spin­ne ist sehr schnell, und des­halb schrei­be ich die­se und die fol­gen­den Zei­len sehr behut­sam, in einer Wei­se, sagen wir, die Joseph Brod­skys genau­er Beob­ach­tung und sei­nem prä­zi­sen Aus­druck ange­mes­sen ist. Über den Geruch schreibt er das Fol­gen­de: Ein Geruch ist schließ­lich auch eine Ver­let­zung des Sau­er­stoff­gleich­ge­wichts, ein Ein­bruch ande­rer Ele­men­te – Methan? Koh­len­stoff? Schwe­fel? Stick­stoff? Je nach Inten­si­tät die­ser Bei­mi­schung erhältst Du einen Duft, einen Geruch, einen Gestank. Es ist eine Fra­ge von Mole­kü­len, und Glück, so neh­me ich an, ist der Augen­blick, wenn Du die Ele­men­te Dei­ner eige­nen Zusam­men­set­zung im frei­en Raum gewahrst. Davon gab es eine beträcht­li­che Anzahl da drau­ßen, im Zustand tota­ler Frei­heit, und ich spür­te, dass ich in der kal­ten Luft in mein eige­nes Selbst­por­trait hinaustrat.

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mimikri

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tan­go : 5.58 — Wie­der Pseud­ony­me gesucht, gefun­den, gesam­melt. Fei­ne Namen, Namen, die in kei­nem Ver­zeich­nis der Such­ma­schi­nen­welt ent­hal­ten sind. Es ist so, als wür­den Men­schen, die einen die­ser Namen tra­gen, nicht exis­tie­ren, wes­we­gen ich die Namen jener nicht exis­tie­ren­den Men­schen auf einem Zet­tel notier­te. Dann ging ich spa­zie­ren. Ich spa­zier­te am See um die Ecke unter Kas­ta­ni­en­bäu­men und las die Namen laut vor mich hin, und als ich nach weni­gen Minu­ten das Geräusch der ers­ten fal­len­den Kas­ta­nie die­ses Herbs­tes hör­te, wuss­te ich, wie ich fort­an hei­ßen wer­de. Also ging ich wie­der nach Hau­se und leg­te den Namen vor mich auf den Schreib­tisch. Ein guter Name, dach­te ich, ein her­vor­ra­gen­der guter Name für eine erns­te Geschich­te, aber auch für hei­te­re Din­ge. — stop

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yanuk : stille

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marim­ba

~ : yanuk le
to : louis
sub­ject : STILLE
date : sept 7 08 10.15 p.m.

Lie­ber Mr. Lou­is, in der ver­gan­ge­nen Nacht sind selt­sa­me Din­ge gesche­hen. Ich hat­te auf Höhe 258 mein Zelt auf­ge­schla­gen, weil es gereg­net, nein, weil es sehr stark gereg­net hat­te ges­tern Nach­mit­tag. Die Bäu­me tropf­ten und ich ahn­te, dass nachts noch ein­mal Regen fal­len wür­de, so feucht war die Luft gewor­den. Ich leg­te mich also in mein Zelt, hör­te dem Sin­gen der Nacht­af­fen zu und irgend­wann schlief ich ein. Als ich erwach­te, war es noch immer dun­kel. Ich konn­te nichts hören, kei­nen Laut, es war so still, als hät­te ich mei­ne Ohren ver­lo­ren. Ja, für einen Moment dach­te ich, dass das Hör­ver­mö­gen der Lebe­we­sen viel­leicht nur eine Idee gewe­sen war, eine poe­ti­sche Eigen­schaft ohne die Mög­lich­keit einer Ver­wirk­li­chung, und doch hör­te ich Stil­le, ich hör­te, dass ich nichts hör­te, nichts von Außen her, also Stil­le von Außen, aber ein rhyth­mi­sches Geräusch von Innen, ver­mut­lich die Bewe­gung mei­nes Blu­tes. Ich ver­ließ das Zelt und hör­te noch immer nichts als mein Herz, das etwas schnel­ler schlug. Eine Wol­ke kleins­ter Flie­gen tanz­te um mei­ne Klet­ter­la­ter­ne, zwei Geckos saßen an einem Stamm in ihrer Nähe und angel­ten sich die schöns­ten Exem­pla­re her­aus. Ich hat­te ihnen ges­tern bereits bei ihrer beque­men Arbeit zuge­se­hen, und ich erin­ner­te mich, dass der Dschun­gel um mich her­um geknis­tert hat­te und die Affen ein unent­weg­tes Gespräch führ­ten über gro­ße Distanz. Jetzt, wie zur Prü­fung, berühr­te ich mei­ne Ohren, sie waren noch da, bei­de Muscheln. Indem ich an der lin­ken Muschel zog, dreh­te sich etwas her­um in mei­nem Ohr, es krach­te und ich hat­te den fes­ten Ein­druck, besucht wor­den zu sein. Und auch rechts dreh­te man sich in mei­nem Ohr, sobald ich dar­an zog, zur Sei­te, aber dann wie­der Stil­le bei­der­seits. Ich leg­te mich ins Zelt zurück und über­leg­te, ob ich viel­leicht in Gefahr sein könn­te, ob man viel­leicht mein Gehirn betre­ten woll­te, und weil es so schön still war, bin ich ein­ge­schla­fen. Ich schlief sehr lan­ge, war schon hell, als ich erwach­te, und der Dschun­gel knis­ter­te und wis­per­te um mich her, und ich hör­te die Affen des Tages und das Rufen der Nas­horn­vö­gel und lag eine Wei­le so da, froh wie­der hören zu kön­nen. Wie jeden Mor­gen saßen pracht­vol­le Käfer und Fal­ter und Flie­gen an den Wän­den mei­nes Zel­tes. Und alle taten sie so, als hät­ten sie mit mei­nen Ohren nicht das Min­des­te zu tun. stop. Yanuk

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propeller

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sier­ra : 5.15 — Für einen Moment, für 20 oder 30 Sekun­den, war heu­te Nacht der Strom aus­ge­fal­len. Über­fall­ar­tig die schwar­ze Far­be der feucht­war­men Luft und in die­ser Far­be, die sanft mein Gesicht berühr­te, das schnur­ren­de Geräusch der Pro­pel­ler mei­ner Süß­was­ser­fil­ter­ma­schi­ne, Fische, die schlaf­trun­ken durchs Was­ser schos­sen, Fische, die die Gren­zen ihrer glä­ser­nen Welt berühr­ten, auch das ein Geräusch, ein etwas dunk­le­res p i n g, knö­chern, schmerz­haft. Da war noch das Seuf­zen der Kühl­schrank­tür von der Küche her, das Geräusch mei­ner Fin­ger, die auf dem Schreib­tisch nach einem Feu­er­zeug such­ten, Schrit­te von oben, vom Dach, mein Atem. In die­sem Moment der Fins­ter­nis, ich weiß nicht war­um, erin­ner­te ich mich an Noe, mei­nen Tau­cher, und sofort, nach­dem das Licht zurück­ge­kehrt war und mit die­sem Licht, die Mög­lich­keit, das Inter­net zu errei­chen, besuch­te ich Noe, lausch­te eine Wei­le, las was er zu sagen hat­te, was er in der Tie­fe des Atlan­tiks vor Neu­fund­land in die Schreib­ma­schi­ne tipp­te, war glück­lich, dass Noe noch exis­tier­te: r e d f i s h r i g h t w a r d s. s t o p also schrei­be ich. s t o p ich schrei­be was ich sehe. s t o p fei­ne stäu­be trei­ben durchs was­ser. s t o p schat­ten­lo­se wesen. s t o p licht­zei­chen. s t o p pul­se. s t o p habe ver­sucht die gestalt eines kühl­schranks zu erin­nern? s m a l l b l u e f i s h r i g h t h a n d . s t o p lan­ge zei­ten der beob­ach­tung. s m a l l g r e e n f i s h t o p l e f t. s t o p mei­ne schrei­ben­den hän­de. s t o p die bewe­gung der hand­schu­he auf der tas­ta­tur der maschi­ne. s t o p als ob ein ande­rer arbei­te­te so fern schei­nen mir ihre ges­ten zu sein. s t o p fremd. s t o p wie lan­ge zeit habe ich mei­ne unbe­klei­de­ten hän­de nicht gese­hen? s t o p

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yanuk : frogs

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sier­ra

~ : yanuk le
to : louis
sub­ject : LIGHT
date : july 12 08 6.15 p.m.

Lie­ber Mr. Lou­is, ich schreib Dir noch rasch, bevor die Dun­kel­heit wie ein nas­ses Tuch vom Him­mel fal­len wird. Ist Dir bekannt, dass ich seit bald zwei­hun­dert Tagen auf Baum No 728XZ sit­ze, ohne ein­mal den Erd­bo­den berührt zu haben? Viel Zeit habe ich in den ver­gan­ge­nen Wochen damit ver­bracht, mein Zelt gegen das Licht der Son­ne abzu­dich­ten. Wer­de fort­an ver­su­chen, am Tag zu schla­fen und nachts mei­nen For­schungs­ar­bei­ten nach­zu­ge­hen. Bin zufrie­den, habe vie­le neue Wesen ent­deckt, aber die Hit­ze setzt mir zu, und das Licht scheint doch eine Flüs­sig­keit zu sein, die durch den kleins­ten Spalt flie­ßen und mein Zelt aus­zu­fül­len ver­mag. Viel­leicht ist das Licht des­halb nicht aus­zu­schal­ten, weil ich weiß, dass es dort drau­ßen, vor mei­nem Zelt unter dem Man­tel von Blät­tern, hell ist, oder weil Licht in mei­nem Kopf brennt, das ich nicht zu Ende den­ken kann. Und doch, mein lie­ber Lou­is, bin ich glück­lich. Dank Dir herz­lich für den fei­nen Sim­mons Text. Das ers­te Buch, das ich per E‑Mail erhal­ten habe. Ich bin natür­lich bis­lang nicht sehr geübt im Lesen vor Bild­schir­men und die Fal­ter set­zen mir zu. Sie haben die Grö­ße mei­ner Hän­de, sind stau­big und zu schwer für die Zun­gen der Frö­sche, die in mei­ner Nähe sit­zen und war­ten, dass ich mit mei­nen Selbst­ge­sprä­chen begin­nen wer­de. Manch­mal habe ich das Gefühl, bereits selt­sam gewor­den zu sein. Viel­leicht bin ich ein erfun­de­nes Geschöpf? Wirst Du schrei­ben, sobald Du etwas Ver­rückt­heit bei mir fin­dest? – 6.12 p.m. 32 °C. 97 Pro­zent Luft­feuch­te. Posi­ti­on 1°38’S 61°42’W — Yanuk

 

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22.05 UTC
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george w. bush

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tan­go : 14.12 — Mr. Bush mit Gat­tin auf Bild­schirm. Wie­der die Wahr­neh­mung, dass nicht der Prä­si­dent, son­dern Mrs. Lau­ra Bush mir äußerst unheim­lich ist. – Lasst uns nicht trau­ern um die Gefal­le­nen, son­dern froh sein, dass die­se Men­schen gelebt haben. – Mr. Allis­ter [ Mili­tär­pfar­rer ] am 8. Tag der Boden­of­fen­si­ve kurz vor Bagdad. 

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regenmaschine

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char­lie : 0.01 — Wäh­rend eines Spa­zier­gangs ent­deck­te ich unlängst im Ein­gangs­be­reich einer luxu­riö­sen Wohn­an­la­ge eine Regen­ma­schi­ne. Eine Regen­ma­schi­ne, wer­den Sie viel­leicht fra­gen, was ist denn das? Nach Beob­ach­tung, eine hal­be Stun­de, lässt sich Fol­gen­des notie­ren. Eine Regen­ma­schi­ne reg­net je für drei Sekun­den genau dort­hin, wohin ein ordent­li­cher Regen, der vom Him­mel kommt, nicht fal­len kann, weil ihn ein Dach, bei­spiels­wei­se, dar­an hin­dert. Eine Regen­ma­schi­ne hin­ge­gen reg­net auch unter Dächern oder in Haus­ein­gän­gen oder in Woh­nun­gen, und auch dann, wenn es gera­de ein­mal nicht vom Him­mel reg­net, reg­net sie im Takt einer Minu­te. Die­ser Regen einer Regen­ma­schi­ne, wie ich sie vor­ge­fun­den habe, ist also ein beson­de­rer Regen, ein Regen, der sich gegen Per­so­nen rich­tet, gegen Stra­ßen­bür­ger, gegen Men­schen ohne eige­nes Dach über dem Kopf. Orga­ni­sier­ter Regen, sagen wir, Regen gegen den Schlaf und die­se Din­ge. — stop
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edmond jabès

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tan­go : 0.05 — Als wür­de Regen fal­len, so mäch­tig die Küs­se der Flie­gen ins Was­ser. Irr auch die Fal­ter, die Wei­ßen und die Roten und die Blau­en. Und auch die Libel­len am Him­mel, alle irr von der Lie­be. — Wenn der Stein durch­sich­tig wird oder – genau­er – wenn die Durch­sich­tig­keit Stein wird, las­sen sich alle Träu­me der Erde lesen. Edmond Jabès

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mercè rodoreda

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0.02 — Eine wun­der­ba­re Geschich­te habe ich ent­deckt, eine Geschich­te der kata­la­ni­schen Schrift­stel­le­rin Mer­cè Rodo­re­da. Ich darf sie rasch notie­ren: Sie ist weiß und sie ist blau. Das heißt, sie ist weiß wie die wei­ße Rose, und ganz plötz­lich wird sie blau. Ein Insekt färbt sie, so scheint es, aber nie­mand weiß, wie es das macht. Ein Augen­blick der Zer­streut­heit und schon ist sie blau. Die­ses Insekt trägt in einem Knie, mit fadi­gem Spei­chel fest­ge­näht, ein Päck­chen, und in die­sem Päck­chen, umge­ben von Eiern und von Blau – reins­tes Indu­lin – ist der Ehe­mann. Die­ser Ehe­mann schläft den gan­zen Tag und bebrü­tet die Eier, die durch ein Loch in das Päck­chen fal­len, das in dem Knie ist, wor­an es fest­ge­näht ist. Wenn die Stun­de kommt, kriecht das Insekt der Blu­me ins Herz, lädt das Päck­chen ab, und die Blu­me, die weiß war, wird blau von oben bis unten. Sie sagen: — Oh, es ist näm­lich so, daß der Ehe­mann, sobald er sich blu­men­um­hüllt sieht, das Päck­chen auf­bricht und alles von blau­em Saft über­schwemmt wird und die Eier plat­zen und die Klei­nen sofort los­flie­gen, jedes mit sei­nem Päck­chen im Knie … ein­ver­stan­den. Aber das sind blo­ße Ver­mu­tun­gen. Die Wahr­heit ist, daß die Blu­me in einem Nu blau wird. Wie? Dahin­ter kommt man nie, und jeder­mann ist ein biß­chen durch­ein­an­der und ver­wirrt. — stop
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