romeo : 0.22 — In wenigen Stunden werde ich den Versuch unternehmen, einen Tiefflug über Staten Island hin, den ich mittels einer Drohne im Januar 2015 unternommen hatte, zu wiederholen, und zwar möglichst präzise auf den Spuren Samuels, der noch immer nicht verschwunden ist. Ob das möglich sein wird? Ich notierte: Während der Recherche im Internet nach Propellerflugmaschinen, die von Hand zu bedienen sind, entdeckte ich eine Leihstation für Drohnenvögel nahe des St. George Ferry Terminals, und zwar in der Bay Street, Hausnummer 54. Obwohl ich mich in Mitteleuropa befand, musste ich, um Kunde werden zu können, keine weiteren Angaben zur Person hinterlegen als meine Kreditkartennummer, nicht also begründen, weshalb ich den kleinen Metallvogel, sechs Propeller, für drei Stunden nahe der Stadt New York ausleihen wollte. Auch erkundigte sich niemand, ob ich überhaupt in der Lage wäre, eine Drohne zu steuern, seltsame Sache. Ich bezahlte 24 Dollar und startete unverzüglich mit Hilfe meiner Computertastatur vom Dach eines flachen Gebäudes aus. Ich flog zunächst vorsichtig auf und ab, um nach wenigen Minuten bereits einen Flug entlang der Metrogeleise zu wagen, die in einem sanften Bogen in Richtung des offenen Atlantiks nach Tottenville führen. Ich bewegte mich sehr langsam in 20 Metern Höhe dahin, kein Schnee, kaum Wind. Die ferne und doch zugleich nahe Welt unter mir auf dem Bildschirm war sehr gut zu erkennen, ich vermochte selbst Gesichter von Reisenden hinter staubigen Fensterscheiben passierender Züge zu entdecken. Nach einer halben Stunde erreichte ich Clifton, niedrige Häuser dort, dicht an dicht, in den Gärten mächtige, alte Bäume, um nach einer weiteren Viertelstunde Flugzeit unter der Verranzano-Narrows Bridge hindurchzufliegen. Nahe der Station Jefferson Avenue wurde gerade ein Feuer gelöscht, eine Rauchsäule ragte senkrecht hoch in die Luft als wäre sie von Stein. Dort bog ich ab, steuerte in derselben Höhe wie zuvor, der Lower Bay entgegen. Am Strand spazierten Menschen, die winkten, als sie meinen Drohnenvogel oder mich entdeckten. Als ich etwas tiefer ging, bemerkte ich in der Krone eines Baumes in Ufernähe ein Fahrrad, des Weiteren einen Stuhl und eine Puppe, auch Tang war zu erkennen und vereinzelt Vogelnester. Es war später Nachmittag geworden jenseits des Atlantiks, es wurde langsam dunkel. — stop
Aus der Wörtersammlung: island
radionuklidbatterie
~ : louis
to : mr. eliot
subject : RADIONUKLIDBATTERIE
Lieber Eliot! Guten Morgen! Wie geht’s, wie steht’s? Ich fragte mich, ob Du die Hitze, — auch bei Dir drüben soll es sehr heiß sein -, gut vertragen kannst? Ich sorge mich ein wenig, vermutlich ohne Grund! Mir jedenfalls bekommt die Hitze nicht sehr gut. Auch Vaters alter Uhr nicht. Ich trage sie, seit er gestorben ist vor vier Jahren. Jetzt ist sie stehengeblieben, vermutlich weil ihre Batterien in der warmen Luft müde geworden sind. Für ein paar Stunden habe ich mir ausgemalt, dass die Zeit meines Vaters nun endgültig endete. Das ist schmerzvoll, ich würde ihm gern noch einmal erzählen von meinen Wünschen, von einem Vogel beispielsweise, der mein Leben verzeichnet, der mich begleitet, Gespräche, die ich täglich mit Menschen führe oder heimliche Gespräche mit mir selbst. Auch würde vom Vogel aufgenommen, was ich gesehen habe während ich reiste, einen Kentauren im Gebirge, Regentropfen am Strand von Coney Island, eine schlafende Hand, die zeichnete. Manchmal ist es angenehm, sich wünschen zu können, was nicht möglich zu sein scheint, eine große Freiheit der Spekulation. Aber in den vergangenen Tagen wurde mir bewusst, dass die Verwirklichung eines mich begleitenden Vogelwesens nicht länger utopisch sein muss. Ich kann mir eine fliegende Maschine ohne weitere Anstrengung vorstellen, ein künstliches Luftwesen, vier Propeller, angetrieben von einer leichten Radionuklidbatterie, die sich tatsächlich für Jahrzehnte an meiner Seite in der Luft aufhalten könnte, ein beinahe lautloses Wesen in der Gestalt eines Kolibris, eines Taubenschwänzchens oder einer Biene, davon erzählte ich schon. Ich weiß nicht warum das so ist, ich habe den Eindruck, wenn ich Vaters Uhr bald wieder in Gang setzen werde, wird sie meine Uhr geworden sein, das ist vielleicht ein wenig verrückt, oder auch nicht. Gestern habe ich eine Geschichte von 18 Seiten Länge auf ein Tonband gesprochen und derart beschleunigt, dass meine Stimme zu einem Geräusch von 10 Sekunden Dauer wurde, eine Art Hochgeschwindigkeitshörspiel, das ich selbst nicht hören konnte, weil ich sehr hohe Geräusche seit langer Zeit nicht mehr wahrnehme. Ich sende Dir die Datei anbei. Würdest Du bitte prüfen, ob Du selbst sie vielleicht noch hören kannst, oder irgendjemand sonst? Melde Dich bald! Dein Louis
gesendet am
10.09.2016
22.56 UTC
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nahe lemmon creek park
charlie : 2.58 — Seit einer halben Stunde suche ich nach einem Namen für einen Mann, den ich einmal vor längerer Zeit beobachtet habe auf Staten Island an einem Strand im Winter. Ich dachte, verdammt, hätte ich ihn doch nur nach seinem Namen gefragt, ich fürchtete damals, ihn zu stören, fürchtete, dass er sofort in den wilden Wäldern nahe dem Lemmon Creek Park verschwinden würde. So still wie damals am Strand, sitze ich nachdenklich und rufe mir die Gestalt des Mannes in Erinnerung, eine schattenlose Figur, die auf einem verwitterten Baumstamm hockt. Du heißt vielleicht Laurentius, denke ich, oder Henry, nein, nicht Henry, Laurentius wird ein guter Name sein. Der Strand ist nass vom Regen und vom Nebel, der tief über dem Meer hängt. Wenn man raus schaut, weg vom Land, sieht man Schiffe, aber nur ihre Bäuche, nicht Brücken, Container, winkende Passagiere. Ich glaube, auch Laurentius beobachtet in diesem Moment seines Lebens Schiffe und Nebel, manchmal schreibt er ein paar Sätze auf ein Notizblatt, reißt das Papier aus seinem Block, fasst in seine rechte oder linke Hosentasche, holt ein Fläschchen hervor, wickelt das Notizblatt um einen Bleistift, führt das in dieser Weise geformte Notizpapierstäbchen in den Hals des Fläschchens ein, verschließt den Behälter mit einem Korken, steht auf und schleudert ihn aufs Meer hinaus. Dann setzt er sich wieder auf den verwitterten Baumstamm, beobachtet die Schiffe, die west- und ostwärts der Küste folgen, um nach einigen Minuten eine weitere Notiz zu fertigen. Einmal kehrt eines der Fläschchen zurück, es ist möglicherweise von der Bugwelle eines größeren Schiffes aus der Strömung getragen worden. Als Laurentius das Fläschchen bemerkt, steht er auf, holt das Fläschchen aus der Brandung, dreht den Korken vom Flaschenhals und schüttelt das Fläschchen solange, bis das Notizzettelröllchen auf seine Handfläche rutscht. Dann wirft er die leere Flasche wieder weit hinaus aufs Wasser, wo es für einen kurzen Moment verschwindet. — stop
samstags
foxtrott : 5.12 — Früher Nachmittag, Sommer. Ich beobachte auf einem Fährschiff, das nach Staten Island fährt, einen älteren Mann bei konzentrierter Arbeit. Er sitzt auf einer Bank des Promenadendecks tief über ein Buch gebeugt. Einige Kinder tollen in seiner Nähe herum, er nimmt, so sehr ist er bemüht, mit einem Bleistift den Zeilen eines Buches zu folgen, keine Notiz von ihnen. Ich denke zunächst, der alte Mann würde seine Augen mit Hilfe eines Bleistifts entlang der Zeichenlinie führen, aber als ich mich nähere, entdecke ich Wort für Wort eine leichte Verzögerung der Bewegung, die aus der Entfernung betrachtet doch wie eine fließende Bewegung wirkt. Am Ende jeder Zeile notiert der Mann eine Ziffer, vermutlich deshalb, weil er die Wörter des Buches zählt. Das ist seltsam und zugleich berührend, wie er so selbstvergessen auf dem großen Schiff verweilt, und ich hoffe, er möge auf Staten Island angekommen, mit dem nächsten Schiff zurückfahren nach Manhattan, und wiederum auf seinem Transfer Wörter zählen. Als das Schiff an das St. George Terminal anlegt, schließt der alte Mann das Buch, verstaut seinen Bleistift in einer Tasche seines Jacketts, erhebt sich mühevoll, um das Schiff langsam gehend über die Brücke, die sich zur Fähre hin senkte, zu verlassen. Im Saal des Terminals bleibt er für einen Augenblick vor einem Aquarium stehen, betrachtet die Fische oder sein Spiegelbild, um sich wenige Minuten später von der Menschenmenge, die auf das wartende Schiff strömt, mitnehmen zu lassen. Nebel ist aufgekommen, die Möwen, die das Schiff auf seinem Weg nach Manhattan begleiten, still. Ich stehe draußen auf der Promenade und beobachte das Wasser, wie es weit unten entlang des Schiffskörpers schäumt. Von Zeit zu Zeit schau ich durch Fenster zu dem alten Mann hin, zu seinem Buch, seinem Bleistift, seinen Händen. — stop
wegen unsichtbarkeit
lima : 0.08 — Die kleine M. erzählte, sie habe mit ihrer Mutter fünf Jahre im fünfzehnten Stock eines Mietshauses auf Roosevelt Island gelebt. Dort hatten sie zwei Nachbarn, eine Familie links, puertoricanischer Herkunft, Mutter, Vater, drei Kinder, — sowie eine vermutlich alleinstehende Frau in der Wohnung rechts. Während M. und ihre Mutter sehr herzlichen Kontakt zu den Menschen auf der linken Seite ihrer Wohnung pflegten, man feierte sogar gemeinsame Feste, grüsste von Balkon zu Balkon, waren sie jener Frau, deren Stimme häufig schrill durch die Wand zu ihnen in die Wohung drang, in all den Jahren räumlicher Nähe nie persönlich begegnet. Auch auf dem Balkon, berichtete M., hätten sie die Person, die zu der schrillen Stimme gehörte, nie gesehen, nur das Licht, das von der Wohnung her kam, Licht auch, das unter der Tür hindurch auf den Flur leuchtete, ein schmaler Streifen, fade. Das Schildchen, das neben der Tür zur Wohnung angebracht worden war, behauptete hinter der Tür lebe Lucilla Miller, ein Briefkasten, der zur Wohnung gehörte, existierte vor dem Haus, der Briefkasten wurde von irgendjemandem regelmäßig geleert. Manchmal nachts war aus der Wohnung Streit zu hören, Mrs. Millers keifende Stimme, dann wieder Flüstern, von Zeit zu Zeit auch Geräusche, die möglicherweise aus einem Fernsehgerät kamen, Schritte weiterhin, ferne Schritte. Mrs. Miller telefonierte häufig und jeweils lange Zeit, während dieser Gespräche schien Mrs. Miller herumzulaufen, zwei oder dreimal hatten ihre Nachbarn den Verdacht, sie sei vielleicht verreist, einmal wollte man das Jaulen einer Katze vernommen haben. Eigentlich war alles in Ordnung, eigentlich gab es keinen Grund zur Beunruhigung, wenn man doch Mrs. Lucilla Miller wenigstes einmal gesehen hätte, einen Schatten, oder eine Hand, die hinter den vergitterten Fenstern einer Aufzugstüre winkte. Darum wohl hauptsächlich, wegen Unsichtbarkeit, wurde an einem eisigen Wintertag jene geheimnisvolle Wohnung von zwei Feuerwehrmännern geöffnet. Die Wohnung war, von zwei Lautsprechern abgesehen, auf welchen eine schäbige Lampe thronte, vollständig leer. Die kleine M. sagte, während sie an ihrem großen Zeh drehte wie an einem Radioknopf, dass sie sich sehr gewundert habe. Auch alle anderen haben sich gewundert, wie natürlich auch ich, der diese Geschichte aufgeschrieben hat. — stop
ein faden
echo : 22.02 — Einmal fuhr ich auf einer Staten Island Fähre über die Upper New York Upper Bay spazieren. Ich war konzentriert. Ich hatte eine Aufgabe. Ich beobachtete den Himmel. Ich beobachtete die Wolken. Ich beobachtete die Häuser an der südlichen Spitze der Insel Manhattan. ich erinnerte mich an den Film The Look. Es war Sommer. Es war Nachmittag. Ich hörte Nachrichten aus einem Radio, die von einem Hurrikane erzählten, der sich von Westen her nähere. Menschen saßen schweigsam herum, sie fächerten sich Luft zu. Auf dem Dach eines älteren Gebäudes hockten Möwen in großer Höhe. Sie wirkten, als wären sie Erfindungen, kaum sichtbar, ein Schimmern in der Luft. In diesem Augenblick löste sich eine der Möwen vom Dach des Hauses, das ich beobachtete. Sie segelte über den Battery Park, flog bald in einem großzügigen Bogen gegen den Wind, um sehr schnell näher zu kommen. Wenige Sekunden später landete die Möwe nur wenige Meter entfernt auf der Reling des Schiffes. Eine Weile blieb sie dort sitzen, sie schien mich zu betrachten. Dann flog sie los, flog zurück ungefähr auf dem selben Weg, den sie für ihren Hinflug genommen hatte. Bald saß sie wieder auf dem Dach des alten Hauses unter weiteren Möwen, eine schimmernde Erfindung, dachte ich, sehr klein, ich konnte sie gut erkennen entlang eines Fadens von Bildern, den ich verzeichnet hatte. — stop
mrs sini reiss
marimba : 0.08 — Vor einiger Zeit besuchte ich Mrs. Sini Reiss, die im 22. Stock eines Wohnhochhauses nahe der Clark Street wohnt. Ich hörte, sie sei hoch betagt und habe ihr Apartment seit über zehn Jahren nicht verlassen. Die alte Dame lese viel und schaue gern vom Balkon aus zu den orangefarbenen Schiffen hin, die zwischen Manhattan Süd und Staten Island pendeln. Ich erkundigte mich, ob ich mich mit der alten Dame unterhalten müsse. Nein, nein, ich solle nur ein paar Getränke vorbeibringen und vielleicht ein bisschen nach dem Müll schauen, Mrs. Reiss habe noch nie einen deutschen Mann kennengelernt, nur welche im Fernsehen gesehen, sie werde sicher neugierig sein, sie spreche aber nur sehr wenig, sie werde also neugierig vor allem mit ihren Augen sein. Überhaupt solle ich mich nicht wundern, ich würde das hören sobald ich aus dem Aufzug steige, in ihrer Wohnung singen Vögel und brüllen Affen und zetern Zikaden unentwegt. Wenn du die Augen schließt, dann meinst du dich im Urwald zu befinden, das ist so, weil es in den Ohren der alten Dame seit vielen Jahren heftig rauscht und pfeift, weshalb sie jene fremden Stimmen in ihre Wohnung holte, damit sie das Geräusch, das sich in ihren Ohren befindet, nicht als ihr eigenes Geräusch wahrnehmen müsse. Mrs. Sini Reiss trage ein Wölkchen schlohweißen Haares auf dem Kopf, ihr Mund sei hellrot geschminkt, ihre Wangen aprikosenfarben bepudert, sie trage ein dunkelblaues Kostüm, und sie lese die New York Times von der ersten bis zur letzten Seite Tag für Tag, sie wisse über die Welt sehr gut Bescheid, aber sie wolle eigentlich nichts hören und nicht sprechen, sondern nur die Zeitung lesen und den Vögeln und Zikaden lauschen. Genau so ist es gewesen. Es war einem Dienstag. — stop
frankie x 12
echo : 2.28 — Jemand erzählte mir unlängst, irgendwo in Brooklyn existiere ein Laden, in dem man ausgestopfte Eichhörnchen kaufen könne, äußerlich vollständige Wesen, die aus einer gewissen Entfernung betrachtet, von noch lebenden Artgenossen nicht zu unterscheiden seien. In ihrem Inneren sollen sich elektrische Motoren bewegen, so dass jedes dieser Eichhörnchen, entweder geduckt, oder ein anderes Mal aufrecht sitzend erscheint oder gar in der Haltung eines kurz vor dem Sprung stehenden Tieres. Javier Menlo, der in Meeresnähe auf Staten Island lebt, habe ein gutes Dutzend dieser Eichhörnchengespenster am Strand platziert, wo sie in einer Gruppe sitzen und seltsamer Weise von Möwen nicht behelligt werden. Unsichtbare, weil im Erdreich verlegte Drähte versorgen Javiers Eichhörnchen mit dem Strom einer Autobatterie. Kein Hinweis weit und breit, der die Existenz dieser Eichhörnchengruppe erklären würde, weswegen sie möglicherweise unheimlich erscheinen, bedeutungsvoll, wie ein Gebet, eine Anrufung, eine Drohung oder Erinnerung. — stop
von hölzernen büchern
echo : 5.08 — Ein Freund, der viele Jahre lang Notizzettel sammelte, berichtete, er wolle eine Bibliothek gründen, in der sich ausschließlich Bücher befinden werden, die nie geschrieben oder nie zu Ende geschrieben worden sind, Bücher, die nur in den Gehirnen der Schriftstellerinnen und Schriftsteller existierten, Bücher, die vielleicht bedeutende Bücher gewesen wären, aber nicht geschrieben wurden, weil ihre Autoren zu früh verstarben, oder weil sie zu arm waren und andauernd arbeiten mussten, weswegen ihre Bücher nur ausgedacht wurden, gewünscht, erhofft. Er habe einmal einen Büchertisch gesehen, auf dem wirkliche Bücher lagen, in welchen man blättern konnte, und in nächster Nähe ruhten Buchkörper von Holz, das waren jene ausgedachten Bücher, wie Platzhalter im Raum, Mahnung, Erinnerung. Von dieser Art hölzerner Bücher sollte seine Bibliothek gebildet sein, er habe zahlreiche Briefe in dieser Sache verschickt, nach Island zum Beispiel, nach Österreich, nach Nordamerika, Venezuela, Kolumbien, den Senegal, Südafrika, nach Tasmanien. — stop
sekundenseide
sierra : 3.15 — Geschichten, die in Sekundenschnelle als Möglichkeit erscheinen, ihr Ursprung, ihre Entdeckung, in dem Moment, da ich meine Augen schließe, so plötzlich, dass ich ihre Anreise nicht bemerke, die Geschichte von den Papieren und ihren Geräuschen in einem U‑Bahnwagon besipielsweise, eine Summe von Wahrnehmung, von Erfahrung, von neuronalen, unbewussten Aufnahmen, das murmelnde Gespräch der Menschen unterm Schepperschirm einer Blechkiste, die von Coney Island aus nordwärts fährt, der Eindruck, dass Menschen mittels ihrer raschelnden Zeitungen zueinander sprechen. Ein oder zwei Minuten von Ruhe, dann, plötzlich, blättert jemand eine Seite um, und schon knistert der Wagon von Reihe zu Reihe weiter. Man möchte in diesen Momenten meinen, die Papiere selbst wären am Leben und würden die Lesenden bewegen. Einmal habe ich mir Zeitungspapiere von stoffartiger Substanz vorgestellt, Papiere von Seide zum Beispiel, so dass keinerlei Geräusch von ihnen ausgehen würde, sobald man sie berührte. Eigentümliche Stille, Geräuschlosigkeit, Leere, ein Sog, eine Wahrnehmung gegen jede Erfahrung, eine Sekunde, die nicht vergisst. — stop