alpha : 2.25 — Seit einigen Wochen der Verdacht, dass sich Wörter meiner Particles-Sphäre genau so verhalten, als wären sie ungebändigte Lebewesen, sie tun nämlich in heimlicher Weise was sie wollen, fügen sich zum Beispiel selbst Buchstaben hinzu oder lassen Buchstaben, die für ihre spezielle Existenz unverzichtbar sind, verschwinden. Andere Wörter lassen Buchstaben kreisen, einen Buchstaben um einen anderen Buchstaben. Kaum habe ich nach langer Arbeit in der Nacht die Augen zugemacht, geht das alles los. Und wenn ich dann wach geworden bin und betrachte, was ich nachts notierte, mein Gott, denke ich, aus Wetter ist Watte geworden, aus Miete Mut, aus Regenschirmen Schirme von Schnee. Gerade eben habe ich das Wort Möwe in einem Text beobachtet, den ich vor Monaten notierte. Ich hatte dieses Wort schon lange im Auge. Eine Stunde betrachtete ich das Wort, ohne dass es sich veränderte. Kaum aber war ich für eine Minute aus dem Raum getreten, um in die Küche zu gehen, wurde aus der Möwe eine Mive, das kann ich so genau sagen, weil ich, als ich an den Schreibtisch zurückkehrte, gerade noch sehen konnte, wie aus dem Wort Mive wieder das Wort Möwe wurde. Eine seltsame Sache. Auch ganze Wörter scheinen durch den Textraum wie durch Zeit zu reisen. Im Juli 2008 fabrizierte ich eine kleine Geschichte, die davon erzählt, warum ich nachts manchmal im Dunklen sitze. Genau diesen Text scheint das Wort Flamingo besonders angenehm zu finden, weswegen es immer wieder erscheinen will im Text anstelle der Fliegen, die Teefliegen sind. Schauen Sie selbst, Sie müssen nur lange genug Beobachter oder Beobachterin sein, dann werden Sie schon sehen: Heut Nacht sitze ich im Dunkeln, weil ich herauszufinden wünsche, ob Libellen auch in lichtleeren Räumen fliegen, schweben, jagen. Als ich gestern, das sollten Sie wissen, gegen den Mittag zu erwachte, balancierte eine Libelle, marineblau, auf dem Rand einer Karaffe Tee, die ich neben meinem Bett abgestellt hatte, schaute mir beim Aufwachen zu und naschte, solange ich nur ein Auge bewegte, indem sie rhythmisch mit einer sehr langen Zunge bis auf den Grund des zimtfarbenen Gewässers tauchte. Vielleicht jagte sie nach Fischen oder Larven oder kleinen Fliegen, nach Teefliegen, kochend heiß, die kühler geworden sein mochten, während ich schlief. Oder aber sie hatte endlich Geschmack gefunden auch an süßen Dingen des Lebens, weshalb ich kurz vor Mitternacht einen Löffel Honig erhitzte und auf die Fensterbank tropfen ließ, um dann sofort das Licht zu löschen. Und so warte ich nun bereits seit drei Stunden und höre seltsame Geräusche, von Menschen vielleicht oder anderen wilden Tieren. — stop – Zwei Uhr und fünfundzwanzig Minuten. Wahrscheinlich ist auch heute, während ich schlief, wieder alles in Bewegung gewesen. — stop
Aus der Wörtersammlung: heimlich
jamaica
echo : 20.26 — Ich will von einem Mann erzählen, der mir in einem Subwaywagon auf der Fahrt von der Lexington Avenue nach Jamaica begegnet war. Er trug, obwohl es im Abteil sehr warm gewesen war, Handschuhe an beiden Händen. Das waren recht merkwürdige Handschuhe, denn die Daumen des Mannes wurden von Schnüren, die an den Fäustlingen befestigt waren, ins Innere der Hand gezogen. Finger umschlossen sie fest, auch sie waren mittels Schnurwerkes gefesselt. Man könnte sagen, dass die Handschuhe, die der Mann trug, seine Hände bändigten, indem sie Fäuste formten. So, gefesselt, saß der Mann während der langen Fahrt vor mir und nickte. Er betrachtete seine Hände, wie mir schien, mit zärtlicher Aufmerksamkeit, in der Art und Weise der Liebenden vielleicht, wenn ein Blick nachts heimlich einen schlafenden Mund umschmeichelt. Ich versuchte zu arbeiten, konnte mich aber nicht konzentrieren. Nach einiger Zeit fragte ich den Mann, ob er denn etwas in Händen hielte, etwas, das vielleicht flüchten könnte, wenn er seine Hände öffnete. Das schien nicht der Fall zu sein, weil der Mann seinen Kopf schüttelte und lachte, ohne indessen mit mir ein Gespräch aufnehmen zu wollen. Ich wartete also einige Zeit, sah aus dem Fenster, späte Flugzeuge, eine Kette von Lichtern, näherte sich dem Flughafen. Und da war mein müdes Gesicht im Spiegel der Scheibe. Und dann wieder der Mann und seine Hände, die auf seinen Schenkeln lagen. Sie drücken die Daumen, sagte ich, ist das möglich? Der Mann lachte jetzt. Er schien zu überlegen, dann antwortete er mit leiser Stimme, die in dem scheppernden Lärm des Subwaywagons kaum noch zu hören war, dass ein Problem sei, dass er nicht wisse, wie er seine Fäustlinge für das Wünschen bei Nacht, ohne die Hilfe eines weiteren Menschen anlegen könnte. Der linke der Handschuhe war im Übrigen von gelber, der rechte von blauer Farbe. — stop
mululela
bamako : 3.05 — Habe in den vergangenen Wochen verschiedene Wörterbücher untersucht, insbesondere jene Sammlungen, die im Hintergrund zahlreicher Texteditoren heimliche Arbeit verrichten. Es ist so, dass auf der Ebene der Sprachen, Nachtmenschen in einem Wort existieren, aber nicht Tagmenschen. Das Wort Tagmensch wird sofort als nicht korrektes Wort ausgewiesen. Es scheint demzufolge für am Tage lebende Menschen möglich zu sein, andere, nämlich Menschen, die überwiegend in der Nachtzeit existieren, mit einem Wort zu kennzeichnen, während hingegen Nachtmenschen nicht möglich ist, jene Menschen, die die Nacht verschlafen, mit einem eindeutigen Wort zu bezeichnen. Das ist aus meiner Sicht zunächst seltsam, eine Übung, die sich vermutlich bald ändern wird, indem sich Lebensarten und Arbeitswelten der Menschen immer fort verdichten. — Flughafen. Leichter Schneefall. Es ist kurz vor drei Uhr. Eine riesige Antonow-Maschine rollt über das Flugfeld. Kein Laut zu hören vom Ungetüm, das doch fliegen kann. Wenigen Minuten zuvor erzählte mir Mululela, 24, Trainee aus Kamerun, dass sich das Leben in Deutschland doch sehr vom Leben in Afrika unterscheide. In ihrem Dorf, zum Beispiel, spaziere sie einfach los, wenn sie an jemanden denken würde, um diesen Menschen sofort zu besuchen. In Deutschland müsse man zunächst telefonieren, fragen, sich ankündigen. Überhaupt müsse man hier für alles, aber auch wirklich alles bezahlen, nur das Wasser in den Trinkbrunnen scheine kostenlos zu sein und die Luft zum Atmen. Ganz sicher sei sie sich in dieser Sache aber nicht! — stop
karawane
~ : malcolm
to : louis
subject : KARAWANE
date : nov 6 12 0.30 a.m.
Wir sollten vielleicht eines der Rattenungetüme fangen, die den Central Park seit der großen Flut bevölkern. In Herden lungern sie unter Bäumen im Feuerlaub, unzählige riesige Tiere, pfeifende Sprache, weithin zu hören, helle Töne. Eine ihrer Karawanen bewegte sich vor wenigen Stunden noch Höhe 61. Straße über ein Baseballfeld, langsam, ein unheimlicher Anblick. Vermutlich deshalb verharrt Frankie in den Kronen der Bäume, aber auch dort haben wir einzelne Rattentiere gesichtet. Es ist denkbar, dass sie sich nicht wieder zurück wagen werden in den Untergrund. In einem Haus an der Lexington Avenue sollen Ratten in Appartements des 32. Stockwerkes eingedrungen sein. Man stelle sich das einmal vor, man wird diesen Anblick nie wieder vergessen, wo eine Ratte gewesen ist, wird sie fortan immer sein, wenn nicht persönlich, dann als Möglichkeit, als eine Unruhe der Gedanken, der Träume. Sie steigen in den Fallrohren aufwärts. — Es ist schon lange dunkel geworden, der 6. November angebrochen. Leichter Regen, obwohl der Himmel wolkenlos scheint. Seltsame Spannung liegt in der Luft. – Ihr Malcolm / codewort : syracus
empfangen am
06.11.2012
1785 zeichen
flugpanther
india : 6.02 — Auf das Grab meines Vaters fallen Früchte eines Baumes, der schon im letzten Jahr an Ort und Stelle gestanden haben muss. Da war vom Grab meines Vaters weit und breit noch nichts zu sehn, aber es war schon die Rede vom ihm, ganz heimlich, in Gedanken, der Vater könnte sterben. Eichhörnchen suchen zwischen Asternbüschen nach Eicheln, aufgeregt, der erste Schnee ist gefallen, es ist ein Schnee, der wieder an die Zeit denken lässt, die vergangen ist und noch vergehen wird, weshalb wir traurig werden, weil mein Vater den Schnee des letzten Jahres noch mit seinen Augen sehen konnte und jetzt nicht mehr sieht, ein Schnee ohne ihn, was wiederum ein seltsamer Gedanke ist, weil es einmal einen Schnee ohne uns alle geben wird, und das ein oder andere Grab, auf dem Eichhörnchen nach Eicheln suchen oder weiteren Nüssen. Wie sie zittern und beben, die Kälte, aber auch deshalb vielleicht, weil sie so gespannt sind, so aufmerksam, weil Raben in den Bäumen sitzen, die hungrig sind, fliegende Panther. Wie schnell man doch sein Leben verlieren kann, kaum hundert Jahre vergehen und schon ist man sehr wahrscheinlich tot, eine verdammte Sache, das Älterwerden bis man zum Sterben alt geworden ist, wenn man Glück hat, wenn man nicht vor dem Altsein stirbt. Wie mein Vater neben meiner Mutter am Fenster steht. Ein früher Morgen, ein Januarsonntag. Ich zieh meinen Koffer über den verschneiten Weg, auf dem noch keine Fußspuren zu sehen sind. 10 Stunden später werde ich in Manhattan sein. Mein Vater winkt. Ein Winken, ohne die Bewegung des Armes, nur seine Finger winken, sie klappen von oben nach unten, wie damals noch in den Schattenspielen, Krokodile, Wölfe, Elefanten, stumm von den Wänden. — stop
hurricane
~ : louis
to : daisy und violet hilton
subject : HURRICANE
Es wird Winter, nicht wahr, liebe Daisy, liebe Violet, es wird Winter. Habe Pullover, Mäntel, Handschuhe, Hüte, Schals auf mein Bett gebreitet, alles ist jetzt geprüft, ich bin gerüstet. Nicht viel ist zu erzählen zur Zeit, vielleicht, dass ich gestern am späten Abend die Lektüre eines Romans von Ray Loriga aufgenommen habe, der von der Erfindung Manhattans handeln soll, ein angenehm leichtfüßig erzählter Text. Während ich las, erinnerte ich mich an ein Gespräch, das ich mit einem Matrosen der Staten Island Fähren noch im Januar führte. Er berichtete, wie er mit einem der Schiffe, es war die Andrew J. Barberi gewesen, den Hudson aufwärts fuhr, um das Schiff vor dem Hurrikan Irene in Sicherheit zu bringen. Es sei eine unheimliche Reise gewesen, Notbeleuchtung an Bord, Möwen waren mit stromaufwärts gefahren, unbewegt saßen sie auf den Handläufen der Reling, hunderte Vögel, als hätten sie das Fliegen verlernt. Ein Lotse, nicht der Kapitän, führte Kommando über das Schiff. Er selbst habe sich zum ersten Mal in seinem Leben landeinwärts von der Küste fortbewegt. Ich erinnere mich gern an diesen kleinen Mann, der in Brooklyn groß geworden war. Manchmal trug er eine blinkende Kopfbedeckung, die den Strahlenringen der Freiheitsstatue nachempfunden worden war. Heute, an diesem Abend, wird er vielleicht wieder unterwegs sein, mit seinem Schiff den Hudson aufwärts, es geht nun um Sandy, und es geht um Barack Obama. Ich frage mich, liebe Daisy, liebe Violet, wen, wenn ihr noch in heimlichen Wahlregistern verzeichnet sein solltet, würdet Ihr wählen? Euer Louis, sehr herzlich, wünscht eine gute Nacht!
ps. Mr. Salter hat seine Drohung wahr gemacht. Im Hof, verpackt in mehrere Kisten, wartet das Eisenbahnabteil eines Pullmanwagens darauf ausgepackt, und in meiner Wohnung montiert zu werden. Es ist angeblich möglich, dass ich mich in das Abteil setzten und dort arbeiten könnte. Landschaften, die ich frei wählen kann, sollen an Fenstern vorüberziehen. Stimmen sind zu hören, das ist sicher, Stimmen aus Nachbarabteilen, die nicht existieren. Und die Bewegung eines wirklichen Zuges unter meinen Händen. — stop
gesendet am
28.10.2012
5.16 MEZ
2145 zeichen
MELDUNGEN / ENDE
rom : antennenbild
nordpol : 2.28 — Dämmerung. Die Kuppel der Petersbasilika plötzlich in Sicht, wie ich um eine Häuserecke komme. Seltsam blaues Leuchten, als würde sich das abwandernde Licht des Himmels auf den Kupferblechen des Daches spiegeln. Dann ist’s stockfinster geworden und die Kuppel schimmert noch immer Blautürkise wie zuvor. Winzige Menschen spazieren über Bernini’s Platz, sitzen in der warmen Abendluft auf Brunnenrändern und Treppenstufen, die unter Kolonnaden den Platz umarmen. Ziemliche Stille. Kaum Tauben. Keine Katzen, nicht einmal schläfrige Augenlichter. Ein paar Männer arbeiten sich pfeifend durch Türme von Stühlen. Sobald sie einen Stuhl von einem der Gebäude heben, wird es etwas kleiner, bildet eine Reihe aus wie einen Arm, der sich an einer Schnur entlang ausrichtet, tausende wartende Objekte, auf welchen bald Menschen sitzen werden, die beten oder schreien oder ihre Stühle besteigen, weil auch andere bereits auf Stühlen stehen. Das ist der Moment, da man als Pilger oder Beobachter vielleicht seinen Namen heimlich in einen der Stühle ritzen möchte oder eine Figur zeichnen, die Ähnlichkeit zur eigenen Person aufzeigen wird, sodass man etwas zurücklässt auf dem Platz, ein Antennenbild um späterhin päpstlichen Segen aus der Ferne einfangen zu können. Michelangelo heimlich, eine Vorstellung, die möglich ist in der Nacht im sanften Laternenlicht nahe dem Maderno-Brunnen, wie er sich nach Jahrhunderten wundert über das Blau dieser Kuppel, das er so nicht angeordnet haben mag. — stop
von den ohrenvögeln
marimba : 18.15 — Über Ohrenvögel notieren. Ich entdeckte sie gestern während eines Spaziergangs. Ohrenvögel kommen ohne Ausnahme paarweise vor. Haut von hellem Leder, Haut, die man als Beobachter oder als Besitzer eines Ohrenvogelpärchens weithin überblicken kann, weil sie vollkommen nackt sind, abgesehen von ihren Flügeln, dort existieren Federn, so feine Federn, dass man sie, wüsste man es nicht besser, für Pelz halten könnte, Federpelze in Gelb und Rot und Blau, kräftige Farben, die eigenartigste Muster bilden, so individuell wie die Fingerabdrücke an den Händen menschlicher Wesen. Ohrenvögel sind von eher kleiner Gestalt, sind etwa so groß wie ein Fingerhut, und verfügen über Schnabelattrappen, die den Schnäbeln der Kolibris ähnlich sind. Überhaupt wird man sich als Betrachter der Ohrenvögel oft an genau diese Gattung kleinster Luftwesen erinnert fühlen. Das sehr Besondere an ihrer Existenz ist jedoch, dass sie den Körpern jener Menschen, die sie bewohnen, eng verbunden sind. Genauer gesagt, würden sie ohne diese Verbindung überhaupt nicht existieren, eine blaue, zarte Nabelschnur, so fein wie ein Faden Zwirn schließt sie an die Ohren der Menschen an, je ein Vogel links und ein Vogel rechts des Halses. Blut fließt von da nach dort, weswegen Ohrenvögel weder trinken noch essen, also auch nicht jagen oder sammeln. Man könnte vielleicht sagen, dass sie nur zum Vergnügen leben, zur Zierde und Freude auch jener Menschen, die sie begleiten. Wenn sie nicht Stunde um Stunde unter den Ohren ihrer Besitzer schaukeln und schlafen, fliegen sie sehr gern in der näheren Umgebung herum. Weit kommen sie selbstverständlich nicht, aber weit genug immerhin, um einander begegnen zu können, der eine Vogel zu Besuch auf der Halsseite des anderen, man sitzt dann gemeinsam auf einer Schulter und schaut auf die große Welt hinaus. Oder man trifft sich heimlich hoch oben auf dem Kopf des bewohnten Menschen, eine vertraute Welt, zur gegenseitigen Pflege und zum Gespräch. Ihre Stimmen sind so hell, dass menschliche Ohren nicht in der Lage sind, sie zu vernehmen. Nichts weiter. – stop
raumzeitstelle
olimambo : 6.55 — Ich habe äußerst merkwürdig geträumt. Ich meinte, im Traum mich wiederum an einen Traum erinnert zu haben, in dem faltenlose Elefanten vorgekommen waren. Kaum wach geworden, suchte ich nach Spuren dieses Traumes in meinen Notizen und wurde bald fündig. Ich hatte tatsächlich am 23. August des vergangenen Jahres von einem Traum berichtet, in dem faltenlose Elefanten in Erscheinung traten. Als ich den kleinen Text aus dem Elefantenhaus damals verfasste, muss ich noch recht müde gewesen sein, weil ich seine Existenz beinahe vollständig vergessen habe und damit eben jenes Elefantenhaus, das kein gewöhnliches Elefantenhaus gewesen war, vielmehr ein Ort, den sehr seltsame Elefanten bewohnten. Das waren nämlich Elefanten ohne jede Falte, sie waren so glatt, als wären sie von Glas geblasen, helle Augen, die sich flink bewegten, peitschende kleine, faltenlose Schwänze, lautlos schwingende, faltenlose Rüssel, riesige haarlose Körper, grau, braun, rosa. Ich saß auf einer Bank in ihrer Nähe. Vögel stürmten unter dem Kuppeldach hin und her. Sobald sie versuchten sich auf dem Rücken eines der Elefantentiere niederzulassen, rutschten sie ab und landeten auf dem Boden. Ein weiterer Vogel saß auf meiner Schulter. Der Vogel war mit einem meiner Ohren beschäftigt, hackte kleinere Portionen aus der Muschel, knurrte zufrieden vor sich hin. Sobald das Ohr, um das sich der kleine Vogel bemühte, verschwunden war, holte ich aus meiner Hosentasche ein neues Ohr, befestigte das Ohr an meinem Kopf, und schon fraß der kleine Vogel weiter vor sich hin. Einmal kostete ich heimlich von einem der Ohren, die sich in meiner Hosentasche befanden. Schmerzen hatte ich keine. – Von wem habe ich das feine Wort Raumzeitstelle gehört? — stop
funkköpfe
romeo : 6.22 — Ein kleine Geschichte habe ich rasch zu erzählen. Sie ereignete sich gestern Abend gegen 22 Uhr. Ich war zu diesem Zeitpunkt außerordentlich müde geworden, hatte gerade einen Brief an einen Freund geschrieben, in dem ich von neurochirurgischen Konstruktionsarbeiten in Funkvogelköpfen berichtete, wie ich der Einpflanzung eines Peilsenders beigewohnt hatte genauer, von der Öffnung eines Möwenschädels, sowie ersten Flugsteuerungsversuchen, Abstürzen, aber auch geglückten Flugmanövern, Loopings, über welche sich jene erste unter den ferngesteuerten Möwen selbst vermutlich sehr gewundert haben dürfte. Kaum hatte ich den Brief fertig notiert, klingelte das Telefon. Ich wurde in meiner Konzentration gestört, und zwar genau in dem Moment, da ich die Adresszeile meines E‑Mailprogramms bearbeitete. Schon war es passiert, ich hatte meine E‑Mail versehentlich an das Büro Wladimir Putins geschickt, was nun eigentlich von meiner Position aus nicht sehr gefährlich ist, aber doch unangenehm, weil ich dorthin nicht in persönlicher Weise schreiben wollte, weil man nicht weiß, wer bei Putin in Moskau hereinkommende E‑Mails liest, und ob sie vielleicht übersetzt oder weitergeleitet werden. Interessanterweise beobachte ich nun mittels der Live-Version der Google–Analyticsmaschine, dass meine Particles – Texte seit Stunden von Moskau her betrachtet werden. Da ist ein ziemlich eigenartiges Gefühl, das sich schrittweise entfaltet. Bald früher Morgen. Die Amseln vor dem Fenster pfeifen. Ich habe mir eine Entenbrust gebraten. Sie dampft wunderschön auf einem Teller vor mir auf dem Tisch. Ja, eine wirklich unheimliche Geschichte ist das, die Vögel, die Köpfe, der Kreml. — stop