Aus der Wörtersammlung: post

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nord­pol : 18.28 UTC — Ges­tern war ein glück­li­cher Tag. L., der in Lis­sa­bon lebt, notier­te, er wer­de mich in der Ret­tung Bir­dys aus unsi­che­rer Flas­hum­ge­bung unter­stüt­zen. Vor den him­mel­blau­en digi­ta­len Bild­schirm­rei­se­kof­fern mei­ner Erzähl­ma­schi­ne sit­zend, plötz­lich die Erin­ne­rung an eine Foto­gra­fie Robert Doisneau’s, die Jac­ques Tati zeigt, wie er als Post­bo­te in einem Zustand lei­ser Ver­wun­de­rung hin­ter Tei­len sei­nes Dienst­fahr­ra­des steht, wel­ches er ver­mut­lich mit eige­nen Hän­den zer­leg­te. Ich stel­le fest: Die Dif­fe­ren­zie­rung eines Gegen­stan­des in not­wen­di­ge oder typi­sche Por­tio­nen könn­te mög­li­cher­wei­se bereits für sich genom­men als äußerst anspruchs­vol­le Auf­ga­be zu betrach­ten sein. — stop

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zur menschenfaltung

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marim­ba : 15.01 UTC — Sie haben, sag­te ein Beam­ter von hohem Rang, vor eini­ger Zeit von einem falt­ba­ren Medu­sen­zim­mer erzählt. Ich wür­de nun ger­ne wis­sen, sind sie in der Ver­wirk­li­chung ihrer Vor­stel­lung einen oder gar mehr­fa­che Schrit­te vor­an­ge­kom­men? Ich fra­ge des­halb vor­sich­tig an, fuhr der Beam­te fort, weil ich mit dem Gedan­ken spie­le, prü­fen zu las­sen, ob es nicht viel­leicht mög­lich sein könn­te, falt­ba­re Men­schen zu ent­wi­ckeln, Men­schen, die nach einer Pro­ze­dur rasend schnel­ler Trock­nung, gepresst und gefal­tet, auf dem Post­we­ge ver­schickt wer­den und an ihrem Ziel­ort mit­tels Feuch­tig­keit wie­der ent­fal­tet wer­den könn­ten. Auch eine Men­schen­la­ge­rung über län­ge­re Zeit­räu­me wäre in die­ser Art und Wei­se denk­bar. Kurz bevor ich ant­wor­ten konn­te, wach­te ich auf . Seit eini­gen Stun­den den­ke ich nun dar­über nach, ob ich träu­mend tat­säch­lich wünsch­te, etwas zur Anfra­ge zu äußern. Mög­li­cher­wei­se erwach­te ich, um eine Ant­wort zu ver­hin­dern. — stop
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ai : RUSSISCHE FÖDERATION

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MENSCH IN GEFAHR : “Der Spre­cher des tsche­tsche­ni­schen Par­la­ments hat am 6. Janu­ar sei­nen Insta­gram-Account benutzt, um den bekann­ten Jour­na­lis­ten Gri­go­ry Shve­dov zu bedro­hen. Gri­go­ry Shve­dov ist der Chef­re­dak­teur des Kau­ka­si­schen Kno­tens, einer unab­hän­gi­gen Web­site, die über die Lage im Kau­ka­sus berich­tet. / Gri­go­ry Shve­dov ist der Mit­be­grün­der und Chef­re­dak­teur der Web­sei­te Kau­ka­si­scher Kno­ten, einer der seriö­ses­ten Nach­rich­ten­quel­len zur kau­ka­si­schen Regi­on. Das Medi­en­un­ter­neh­men und des­sen Ange­stell­te erhal­ten regel­mä­ßig Dro­hun­gen und wer­den im Zusam­men­hang mit ihrer Arbeit schi­ka­niert und tät­lich ange­grif­fen, ins­be­son­de­re weil sie über die Men­schen­rechts­si­tua­ti­on im Nord­kau­ka­sus und über Tsche­tsche­ni­en berich­ten. / Am 6. Janu­ar rich­te­te Mago­med Dau­dov, der Spre­cher des tsche­tsche­ni­schen Par­la­ments und einer der mäch­tigs­ten tsche­tsche­ni­schen Beam­ten, eine kaum kaschier­te Dro­hung gegen Gri­go­ry Shve­dov. Mago­med Dau­dov ver­öf­fent­lich­te auf sei­nem Insta­gram-Kon­to das Bild eines Hun­des mit einem Kno­ten in der Zun­ge, das den Unter­ti­tel trug: “Kau­ka­si­scher Kno­ten?” In der Bild­un­ter­schrift bezeich­ne­te er den Hund als “Shved” und sagt, dass er “statt nütz­li­che Arbeit zu tun, an Kämp­fen zwi­schen Hun­den ande­rer Ras­sen teil­neh­me”, und eine “beson­de­re Schwä­che für den kau­ka­si­schen Schä­fer­hund hat”. Er schlug vor, dass “Shveds” Zun­ge auf eine nor­ma­le Grö­ße zurück­ge­schnit­ten und sei­ne Zäh­ne gezo­gen wer­den sol­len. Mago­med Dau­dov ist ein enger Mit­ar­bei­ter des Prä­si­den­ten von Tsche­tsche­ni­en Ram­zan Kady­rov. Der Pres­se­spre­cher der tsche­tsche­ni­schen Ver­wal­tung hat abge­strit­ten, dass der Post Dro­hun­gen beinhal­te. / Journalist_innen, die über die Situa­ti­on in Tsche­tsche­ni­en berich­ten, wer­den häu­fig bedroht und eini­ge wur­den bereits getö­tet. So wur­de Nata­lya Est­emi­ro­va, die häu­fig Bei­trä­ge auf der Web­sei­te Kau­ka­si­scher Kno­ten ver­öf­fent­lich­te, im Juli 2009 in Tsche­tsche­ni­en ent­führt und ermor­det. Anna Polit­kovs­ka­ya, die eben­falls über Tsche­tsche­ni­en berich­te­te, wur­de im Okto­ber 2006 vor ihrer Mos­kau­er Woh­nung erschos­sen.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 20. Febru­ar 2017 hin­aus, unter > ai : urgent action

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seltsam

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ulys­ses : 1.18 — Wie ist es mög­lich, Geschich­ten zu erzäh­len, die selt­sam sind, ohne sofort selbst für selt­sam oder merk­wür­dig oder gar gefähr­lich gehal­ten zu wer­den, da doch die­se merk­wür­di­gen Geschich­ten in mei­nem Kopf ent­ste­hen? Ich habe L. von Esme­ral­da erzählt, dass Esme­ral­da eine Schne­cke sei, die in mei­ner Woh­nung lebe, als wäre sie eine Kat­ze, dass ich das klei­ne Tie­re füt­tern wür­de, dass ich mei­ne Woh­nung im Win­ter behei­ze, auch wenn ich nicht anwe­send sei, damit Esme­ral­da nicht frie­ren möge. Lie­be L. sag­te ich, ich wäre nie­mals auf die Idee gekom­men, mir aus frei­en Stü­cken eine Schne­cke zu kau­fen oder aber zur Som­mer­zeit in einem Gar­ten ein­zu­fan­gen, nein, nie­mals, wenn nun aber eine Schne­cke als Geschenk, als kos­ten­freie Offer­te auf pos­ta­li­schem Wege zu mir reis­te, war­um soll­te ich das Geschenk zurück­wei­sen, war­um nicht einen Ver­such unter­neh­men, ein guter oder vor­züg­li­cher Schne­cken­hal­ter zu wer­den? Wir wer­den es ver­su­chen, sag­te ich zur Schne­cke kurz nach­dem sie ange­kom­men war. Jah­re sind seit­her ver­gan­gen, Esme­ral­da scheint mit ihrem Leben in mei­ner Woh­nung ein­ver­stan­den zu sein. Ein­mal öff­ne­te ich die Tür zum Trep­pen­haus und war­te­te. Ein ande­res Mal öff­ne­te ich ein Fens­ter und war­te­te wie­der­um eini­ge Zeit, Esme­ral­da blieb oder kehr­te zurück. Es stellt sich nicht zum ers­ten Mal die Fra­ge: Wie alt wer­den Schne­cken? Ist Esme­ral­da nicht viel­leicht bereits viel zu alt, um noch als gewöhn­li­che Schne­cke betrach­tet wer­den zu kön­nen? — stop

nach­rich­ten von esmeralda »
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namen

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del­ta : 1.05 — Vor eini­gen Wochen hat­te ich einen Luft­post­brief an Mr. Sini Sha­pi­ro nach Man­hat­tan geschickt. Ich notier­te ihm von einem wei­te­ren Schrei­ben, das ich an ihn per­sön­lich vor eini­ger Zeit nach Kal­kut­ta ( Indi­en ) sen­de­te. Der Brief war zurück­ge­kom­men, er trug Hin­wei­se auf sei­ner Anschrif­ten­sei­te, die von mehr­fa­chen ver­geb­li­chen Zustell­ver­su­chen zeu­gen, ein Kunst­werk, wür­de ich sagen, ein Doku­ment sorg­fäl­ti­ger Arbeit. Heu­te ant­wor­te­te Mr. Sha­pi­ro. Er schrieb in einer E‑Mailnachricht, er habe sich gefreut, weil ich sei­nen Namen ver­wen­de­te, um eine Brief­son­de nach Kal­kut­ta zu schi­cken. Aus­ser­dem freue er sich über mei­ne Fra­ge hin­sicht­lich bevor­zug­ter Lek­tü­ren. Er über­mit­tel­te eine Namens­lis­te jener Per­sön­lich­kei­ten, deren Bücher Mr. Sha­pi­ro bald ein­mal lesen, deren Leben er bevor­zugt stu­die­ren wür­de. — Es ist merk­wür­dig, ich habe nicht damit gerech­net, dass Mr. Sini Sha­pi­ro über ein E‑Mailadresse ver­fü­gen könn­te. Es ist nun doch wahr­schein­lich, dass Mr. Sha­pi­ro aus­ser­dem über eine Com­pu­ter­schreib­ma­schi­ne ver­fü­gen wird, die der digi­ta­len Sphä­re ver­bun­den ist. — stop
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tod in peking 6

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hima­la­ya : 0.45 UTC – Ori­gi­nal-Nach­richt / Betreff : Unde­li­ver­ed Mail Retur­ned to Sen­der Datum: 2016–11-14T00:12:38+0300 – I’m sor­ry to have to inform you that your mes­sa­ge could not be deli­ver­ed to one or more reci­pi­ents. It’s atta­ched below. For fur­ther assis­tance, plea­se send mail to post­mas­ter. If you do so, plea­se include this pro­blem report. You can dele­te your own text from the atta­ched retur­ned mes­sa­ge. NOTE: Lie­ber Ted­dy, schon vier Jah­re sind nun ver­gan­gen, seit ich hör­te, dass Du in Peking gestor­ben sein sollst. Es ist eine küh­le, eine bei­na­he eisi­ge Win­ter­nacht heu­te, kaum Wind. Wenn Du noch leben wür­dest, wür­dest Du ver­mut­lich gera­de schla­fen. Ich hat­te mir vor­ge­nom­men, an Dich zu den­ken. Also habe ich mich auf mein Sofa gesetzt und mir vor­ge­stellt, wie Du zu mir sprichst. Aber ich konn­te mich an Dei­ne Stim­me nicht erin­nern. Ich saß lan­ge Zeit ganz still und hör­te mei­nen Gedan­ken zu, die nach einem Gespräch mit Dir such­ten. Nach einer Stun­de erin­ner­te ich mich, wie Du ein­mal von Dei­nen Fahr­rä­dern erzähl­test. Du hat­test ihnen Namen gege­ben: Maria 1 und Maria 2, das war mir damals selt­sam vor­ge­kom­men. Auch heu­te wüss­te ich nicht, wel­chen Namen ich selbst mei­nem Fahr­rad geben wür­de, es ist eben ein Fahr­rad. Und ich frag­te mich, ob Du auch Dei­ner Foto­ka­me­ra viel­leicht einen Namen gege­ben haben könn­test. Da war plötz­lich der Klang Dei­ner Stim­me in mei­nen Ohren gewe­sen, die von etwas ganz ande­rem erzähl­te. Wie in den Jah­ren zuvor, lie­ber Ted­dy, siche­re ich auch in die­sem Jahr eine Dei­ner Foto­gra­fien, von deren Geschich­te, der Geschich­te des Tages, an dem sie auf­ge­nom­men wur­de, Du mir lei­der nie erzäh­len wirst. – Dein Lou­is < t.s@posteo.de: host mx02 . pos­teo . de [95 . 922 . 192 . 155] said: 550 5.1.1 < t.s@posteo.de>: Reci­pi­ent address rejec­ted: unde­li­vera­ble address: Reci­pi­ent address look­up fai­led (in rep­ly to RCPT TO com­mand) – The mail sys­tem – stop

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drei brillen

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del­ta : 3.32 — Leich­ter Schnee­fall wind­los, schau­keln­de Licht­pelz­fet­zen. Eich­hörn­chen jagen über die Stra­ße hin und her, als freu­ten sie sich. Gegen zwei Uhr notie­re ich eine Email an Moses Fer­nan­dez, von dem ich hör­te, dass er in einem Haus nahe Pina­mar bei Bune­os Aires leben soll. Lie­ber Moses, Lil­li, die sie per­sön­lich ken­nen­lern­ten in die­sem Som­mer, erzähl­te, dass sie eine Maschi­ne ent­wi­ckelt haben, die in der Lage sein soll, äus­serst klei­ne, für mensch­li­che Augen nicht ent­zif­fer­ba­re Schrift­zei­chen zu notie­ren. Ich wür­de sehr ger­ne eine Schrift­pro­be in Auf­trag geben. Wür­den Sie mir bit­te einen kur­zen Text, den ich im Anschluss an Sie sen­den wer­de, in nicht­les­ba­re Grö­ße trans­fe­rie­ren. Ich ver­fü­ge über ein Mikro­skop, um die Qua­li­tät ihrer Arbeit prü­fen zu kön­nen. Wenn mög­lich, sen­den Sie das Schrift­stück bit­te auf dem Luft­post­we­ge an fol­gen­de Adres­se: Lou­is 8711 Kvarøy Sjøhus Nor­way. Mit bes­tem Dank im vor­aus ver­blei­be ich mit herz­li­chen Grü­ßen: Ihr Lou­is /// Text­pro­be no1: go > 17.03 — Heu­te Mor­gen, war noch dun­kel im Haus, hör­te ich ein sir­ren­des Geräusch. Das Geräusch näher­te sich über die Trep­pe abwärts. Zunächst war nichts zu sehen, dann aber eine der Bril­len mei­ner Mut­ter, die seit dem Vor­abend über zar­te Roto­ren ver­fü­gen, wel­che in der Lage sind, Bril­len­kon­struk­tio­nen bis hin zu einem Gewicht von 80 Gramm in die Luft zu heben, sie vor­wärts zu bewe­gen oder rück­wärts durch Räu­me oder den Gar­ten. Lang­sam durch­quer­te die Bril­le den Raum, kreis­te ein­mal um mei­nen Kopf, und lan­de­te schließ­lich sanft auf dem Ess­tisch in der Nähe des Stuh­les, auf dem mei­ne Mut­ter sitzt, sobald sie ihr Früh­stück zu sich neh­men möch­te. Über drei Bril­len ver­fügt mei­ne Mut­ter, und jede die­ser Bril­len kann nun flie­gen. Eine Bril­le wur­de im Dach­ge­schoss sta­tio­niert, eine wei­te­re Bril­le im Erd­ge­schoss, die drit­te zu ebe­ner Erde. Wenn nun Mor­gen wird, zu einer Zeit, da fast alle Men­schen noch schla­fen, erwa­chen vor den Vögeln bereits die Bril­len mei­ner Mut­ter. Sie begin­nen zu blin­ken, Dioden in gel­ber Far­be, Zei­chen, dass sie sich mit­tels Funk­si­gna­len ori­en­tie­ren. Bald flie­gen sie los, die Dach­ge­schoss­bril­le ins Dach­ge­schoss, die Bril­le der ers­ten Eta­ge in die ers­te Eta­ge, die Bril­le des Erd­ge­schos­ses ins Erd­ge­schoss. Das Suchen hat nun ein Ende, alles wird gut! — stop ///
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marim­ba : 5.02 — Auf einer Brief­mar­ke sind deut­lich Men­schen zu erken­nen, die im Was­ser schwe­ben. Sie bewe­gen sich lang­sam, grü­ßen oder alar­mie­ren mit win­ken­den Bewe­gun­gen ihrer Arme und Hän­de, drei Gestal­ten, drei Per­so­nen. Der Brief, auf dem das merk­wür­di­ge Post­wert­zei­chen vor län­ge­rer Zeit augen­schein­lich mit Spei­chel befes­tigt wor­den war, ruht auf mei­nem Küchen­tisch. Dort herrscht Unord­nung, weil ich für Unord­nung sorg­te. Am Frei­tag habe ich mit der Unord­nung ange­fan­gen, indem ich mei­ne alte mecha­ni­sche Schreib­ma­schi­ne zer­leg­te. Zunächst ent­fern­te ich das Gehäu­se der Schreib­ma­schi­ne, dann die Tas­ta­tur, kurz dar­auf die Papier­wal­ze der Schreib­ma­schi­ne, sowie eine Klin­gel, deren Geräusch ich mit der Metho­de des Schrei­bens zu frü­he­ren Zei­ten ver­bin­de. Sie war gedacht, wenn ich mich recht erin­ne­re, den schrei­ben­den Men­schen dar­auf auf­merk­sam zu machen, dass das Ende der Zei­le, an der er gera­de arbei­te­te, bald erreicht sein wird, auch damals ging man schon davon aus, dass Men­schen exis­tie­ren, die wäh­rend des Schrei­bens ins­be­son­de­re ihre Hän­de betrach­ten, Fin­ger, wie sie über die Tas­ta­tur hüp­fen, so dass sie das Papier, das sie beschrei­ben, über­haupt nicht wahr­neh­men, wes­halb sie ver­säu­men könn­ten, den Papier­wal­zen­schlit­ten der Schreib­ma­schi­ne zurück­zu­set­zen, um einen wei­te­re Zei­le zu begin­nen. Wäh­rend ich die Maschi­ne zer­leg­te, bemerk­te ich, dass jedes ihrer Ein­zel­tei­le in wei­te­re Ein­zel­tei­le zer­legt wer­den konn­te. Bald arbei­te­te ich mit einer Lupe, bald waren Schrau­ben, Stre­ben, metal­le­ne Häu­te von einer Klein­heit, dass ich fürch­te­te, ich könn­te sie ver­se­hent­lich atmend zu mir neh­men. Ich arbei­te­te Stun­de um Stun­de vor­an, ohne dar­an zu den­ken, einen Plan zu fer­ti­gen, der mich in die Lage ver­set­zen wür­de, die zer­leg­te Schreib­ma­schi­ne wie­der zu einer voll­stän­di­gen funk­tio­nie­ren­den Ein­heit zu fügen. In die­ser Zeit der Auf­lö­sung, lag der Brief win­ken­der Brief­mar­ken­men­schen in nächs­ter Nähe. Eine wun­der­vol­le blaue Brief­mar­ke, auf einem Brief, den ich zur Zeit noch immer nicht geöff­net habe, ich neh­me an, weil ich noch ein wenig wei­ter schla­fen will. — stop

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ai : VIETNAM

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MENSCH IN GEFAHR : “Die Men­schen­rechts­ver­tei­di­ge­rin Nguyễn Ngọc Như Quỳnh, die als Blog­ge­rin unter dem Namen Mẹ Nấm (Mut­ter Pilz) bekannt ist, wur­de am 10. Okto­ber fest­ge­nom­men und wegen “Pro­pa­gan­da” gegen den Staat nach Para­graf 88 des viet­na­me­si­schen Straf­ge­setz­buchs ange­klagt. Ihr dro­hen Fol­ter und ander­wei­ti­ge Miss­hand­lung. Es ist nicht bekannt, wo sie zur­zeit fest­ge­hal­ten wird. / Nguyễn Ngọc Như Quỳnh wur­de am 10. Okto­ber um 10 Uhr in ihrer Hei­mat­stadt Nha Trang in der Pro­vinz Khánh Hòa in der Regi­on Nam Trung Bộ fest­ge­nom­men. Zum Zeit­punkt ihrer Fest­nah­me beglei­te­te Nguyễn Ngọc Như Quỳnh die Mut­ter eines Akti­vis­ten, die ihren Sohn in einem ört­li­chen Gefäng­nis besu­chen woll­te. Sicher­heits­kräf­te brach­ten Nguyễn Ngọc Như Quỳnh gegen 11:30 Uhr zu ihrem Zuhau­se und führ­ten dort eine Durch­su­chung durch. Dabei beschlag­nahm­ten sie ihren Com­pu­ter, elek­tro­ni­sche Gerä­te und Demonstrationsplakate./ Nguyễn Ngọc Như Quỳnh wur­de wegen “Pro­pa­gan­da” gegen den Staat nach Para­graf 88 des viet­na­me­si­schen Straf­ge­setz­buchs ange­klagt. Bei einer Ver­ur­tei­lung dro­hen ihr zwi­schen drei und 20 Jah­re Haft. Es ist nicht bekannt, wo sie zur­zeit fest­ge­hal­ten wird. In Viet­nam kön­nen Per­so­nen, die mut­maß­li­cher Straf­ta­ten im Zusam­men­hang mit der natio­na­len Sicher­heit beschul­digt wer­den, bis zu zwei Jah­re in Haft ohne Kon­takt zur Außen­welt fest­ge­hal­ten wer­den, bevor es zu einem Pro­zess kommt. / Staat­li­che Medi­en berich­te­ten, dass Nguyễn Ngọc Như Quỳnh straf­recht­lich ver­folgt wer­de, da sie auf Face­book Arti­kel geschrie­ben und gepos­tet sowie Vide­os und Tex­te geteilt hat­te, in wel­chen die seit 2012 regie­ren­de Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei Viet­nams (KPV) und der Staat kri­ti­siert wur­den. In dem Bericht wur­de ein Doku­ment zitiert, wel­ches Nguyễn Ngọc Như Quỳnh auf Face­book geteilt hat­te, und in dem 31 Per­so­nen genannt wur­den, die nach Ver­hö­ren durch die Poli­zei gestor­ben waren. Ihnen war “Beein­träch­ti­gung der natio­na­len und sozia­len Sicher­heit und Ord­nung” vor­ge­wor­fen wor­den. / Nguyễn Ngọc Như Quỳnh ist Mit­grün­de­rin des Unab­hän­gi­gen Viet­na­me­si­schen Blog­ger­netz­werks, wel­ches im Dezem­ber 2013 gegrün­det wur­de. Sie ist allein­er­zie­hen­de Mut­ter zwei­er Kin­der und wur­de wegen ihrer fried­li­chen Akti­vi­tä­ten mehr­mals schi­ka­niert, fest­ge­nom­men und ver­hört. Es ist ihr außer­dem nicht gestat­tet, ins Aus­land zu rei­sen. Sie setzt sich seit mehr als zehn Jah­ren für Men­schen­rech­te und gegen Unge­rech­tig­keit ein und ist eine belieb­te und bekann­te Blog­ge­rin.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 24. Novem­ber 2016 hin­aus, unter > ai : urgent action

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kalkutta

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del­ta : 5.02 — Ein Brief, 12.5 Gramm schwer, den ich vor zwei Jah­ren als Son­de per Luft­post nach Kal­kut­ta schick­te, ist ges­tern zu mir zurück­ge­kom­men. Irgend­wann wäh­rend der ver­gan­ge­nen Mona­te muss ich ihn doch tat­säch­lich ver­ges­sen haben. Jetzt, da der Brief vor mir auf dem Schreib­tisch liegt, erin­ne­re ich mich prä­zi­se, dass ich ihn an ein zwei­stö­cki­ges Haus in einer Stra­ße adres­sier­te, die sich nicht in unse­rer Wirk­lich­keit befin­det. Da in Kal­kut­ta zahl­rei­che stra­ßen­lo­se Häu­ser exis­tie­ren sol­len, stell­te ich mir vor, ein Brief­trä­ger habe sich in dem Wunsch, mei­nen Brief erfolg­reich zustel­len zu kön­nen, ein Haus aus­ge­dacht, das an einer Stra­ße liegt, die tat­säch­lich exis­tiert, oder eine Stra­ße, die nicht exis­tiert für ein Haus, in dem ein Mann namens Sini Sha­pi­ro lebt. Spu­ren, die ich auf dem Kuvert des Brie­fes ent­deck­te, erzäh­len von drei oder vier Ver­su­chen, das Schrift­stück an Mr. Sha­pi­ro aus­zu­hän­di­gen, so fin­den sich auf der Ansichts­sei­te des Brie­fes die Stem­pel­mo­ti­ve Adres­se insuf­fi­san­te ( Anschrift unvoll­stän­dig ) sowie Pas de boî­te à ce nom ( Kein Namens­schild ), auf der Rück­sei­te indes­sen unles­ba­re hand­schrift­li­che Zei­chen, die mit Füll­fe­der oder Blei­stift auf­ge­tra­gen wor­den waren. Mög­li­cher­wei­se lager­te mein Brief zwei Jah­re lang auf einem Schreib­tisch in Kal­kut­ta unter wei­te­ren Brie­fen, die nicht zustell­bar waren. Mög­li­cher­wei­se, auch das ist denk­bar, wur­de von Zeit zu Zeit ein pos­ta­li­scher Spä­her in die Stadt ent­sandt, um nach­zu­se­hen, ob das Haus oder die Stra­ße, die kurz zuvor noch nicht exis­tier­ten, nun doch zu fin­den waren. Irgend­wann kürz­lich wur­de dann jeder wei­te­re Zustel­lungs­ver­such auf­ge­ge­ben. Ja, das ist denk­bar. Ich wer­de mei­nen weit­ge­reis­ten Brief sorg­fäl­tig ver­wah­ren. Sicher ist: Mr. Sini Sha­pi­ro exis­tiert tat­säch­lich. Er lebt in Man­hat­tan in einem Haus an der Park Ave­nue Höhe 70. St., er liebt Brook­lyn. — stop

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