ulysses : 5.05 — In der Nacht zum 17. April 2010 im Schlaf eine interessante Erfahrung der Zeit. Ich hatte mir vorgenommen, eine Zugfahrt nach Montauk zu träumen. Stattdessen träumte ich, Stanisław Lém habe mir einen Brief geschrieben. Ein geheimnisvolles Büro übermittelte mir den ersten, und zu diesem Zeitpunkt gleichwohl einzigen Buchstaben einer Nachricht des Schriftstellers an mich mit dem Hinweis, ich müsse von diesem Zeitpunkt an geduldig warten, da die Zeit der jenseits Lebenden sehr viel langsamer vergehen würde, als die Zeit der diesseits existierenden Menschen. Mit einem weiteren Zeichen, einem zweiten Zeichen des Briefes, sei im Juni, und zwar doch im Juni des laufenden Jahres zu rechnen. Ich wachte damals auf und war fröhlich und machte mich unverzüglich an die Beobachtung eines Nachrichtenschattens, den fliegende vulkanische Mikrogebirge über Europa erzeugten. Der übertragene Buchtstabe, den mir Stanislaw Lém damals übermittelt hatte, war ein l gewesen. Als im Juni der zweite Buchstabe des Briefes übertragen wurde, es handelte sich um ein i, wurde deutlich, weshalb Geduld von mir erwartet wurde, da sich ein Wort deutlich bestimmte, das mich im Jahre 2011, und zwar im November vollständig erreicht haben würde. Ein gewisser Moment von Spannung war zunächst wieder im Januar des Jahres 2012 zu spüren gewesen, da ein vollständig neues Wort mit einem ersten Zeichen aufgenommen war. Ein großgeschriebenes l, das Zweite bereits, traf ein, ihm folgte im April ein o, sowie im Juli der Buchstabe u. Zu diesem Zeitpunkt also ist noch keinerlei Anlass zur Aufregung gegeben. Ich werde bei Gelegenheit Weiteres berichten. – stop
Aus der Wörtersammlung: punkt
versuchsanordnung
echo : 2.05 — Gestern, am späten Abend, wurde ich während meiner Arbeit von einem Eichhörnchen beobachtet. Das kleine Tier kauerte im Kirschbaum auf Höhe der Fenster meines Arbeitszimmers gut sichtbar im Licht einer Straßenlampe. Beinahe wollte ich meinen, dass es sich mit Absicht zeigte. Seine Augen leuchteten rötlich, als wären sie Taschenlampen. Ich trat vorsichtig ans Fenster und schon war das Tier verschwunden. Es war also fast Mitternacht gewesen, ich versuchte zu diesem Zeitpunkt ein Experiment zu wiederholen, das ich vor 5 Jahren bereits erfolgreich im Internet unternommen hatte. Krapp war mit meiner Hilfe in Chaträumen zu Sprache gekommen. In einem 30-Sekundenrhythmus wiederholte er Sätze, die Samuel Beckett für ihn notierte. Eine halbe Stunde arbeitete ich mich damals voran, als in der künstlichen Welt auf Krapp reagiert wurde. Das war ein faszinierender Vorgang gewesen, ein Ereignis, das sich gestern leider nicht wiederholte. Extraordinary silence this evening. Wie ich es auch versuchte, Krapp wurde nicht bemerkt oder wurde unhöflicherweise ignoriert. Hier nun noch einmal das Dokument aus dem Jahr 2007: >
Versuchsanordnung >
20.05 – 20.07 Uhr MEZ
Krapp im Chat
[Login OK]
[Krapp joined channel Welcome!]
[82users in channel Welcome!]
RickJ2!!: Bye bye.
Krapp: „Have just eaten I regret to say three bananas and
only with difficulty refrained from a fourth.“
Gulli_S2: Hotmail?
[katsu left channel Welcome!]
UrFixation: Omg, stop it with the banana story.
Krapp: „Fatal things for a man with my condition.“
2005Guy!!: Ur…is getting visuals..lol
Gulli_S2: Hotmail
[muff’ joined channel Welcome!]
Krapp: „Extraordinary silence this evening.“
UrFixation: lol
UrFixation: I am
RickJ2!!: Some old stories krapp.
[muff’ left channel Welcome!]
Devilish.fr is away from keyboard.
UrFixation: Flashbacks
UrFixation: lol
Gulli_S2: Fuck you!
Krapp: „I strain my ears and do not hear a sound.“
RickJ2!!: lol
[Gulli_S2 left channel Welcome!]
2005Guy!!: I bet…not pretty
UrFixation grins evilly.
RickJ2!!: Watch out gulli
Krapp: „Just been listening to an old year,
passages at random.“
[2HOT4YOU left channel Welcome!]
AngusYoung: I just found out i have lung
cancer and it sucks!
RickJ2!!: aww
Krapp: „I did not check in the book, but it must
be at least ten or twelve years ago.“
UrFixation: Where did that come from?
[GuitarAddicted left channel Welcome!]
2005Guy!!: Woaw.
[Playboylovers joined channel Welcome!]
Krapp: „Now the day is over.“
2005Guy!!: Zackly.
SlicKgirl: Should i simply mute him?
[Muff joined channel Welcome!]
RickJ2!!: Same stories krapp, right?
[Kalkan left channel Welcome!]
[Space Monkey left channel Welcome!]
Muff greets all.
Krapp: „Night is drawing nigh-igh.“
[Porto-boy joined channel Welcome!]
2005Guy!!: I thought i just had dezavu…
RickJ2!!: Get it??
Playboylovers: hi dudes
Playboylovers: lol
Krapp: „Shadows.“
2005Guy!!: Don’t know how to spell it..lol
[AngusYoung left channel Welcome!]
RickJ2!!: Hey baaby
[Bryan1997_4_you joined channel Welcome!]
[Desiree left channel Welcome!]
Bryan1997_4_you: Hi all
Muff: Chess game anybody?
Bryan1997_4_you: Anyone wanna chat
RickJ2!!: Krapp do you know english?
[Andriy!!!! left channel Welcome!]
[Lana-puma-hoty joined channel Welcome!]
19-m-Francais: Kein Deutsch hier?
UrFixation: Nein
Muff: RickJ2 do you fancy me.
Krapp: „Past midnight. Never knew such silence.
The earth might be uninhabited.“
Thebigone greets all.
[BlackScorpion left channel Welcome!]
[JoeNY left channel Welcome!]
Bryan1997_4_you: hi courtney
RickJ2!!: what u mean muff
[Country-Boy joined channel Welcome!]
Muff: RickJ2 why do u ignore me?
Porto-boy greets all.
[Krapp left channel]
[Welcome!]
contergan
lima : 10.27 — Die Arme meiner Cousine sind kurz, an ihren Händen fehlen die Daumen. Als ich noch ein Kind gewesen war, beobachtete ich gern ihre Füße, die sich bewegten, als wären sie nicht Füße, sondern Hände. Man kann mit den Füßen malen, das wusste ich schon immer, und man kann mit den Füßen in Büchern blättern und einen Löffel zum Munde führen, man kann auf Füßen gehen und man kann sich mit den Füßen die Haare kämmen. Je nachdem, von welchem Standpunkt aus man das betrachtet, ist das seltsam oder eben nicht. Meine Cousine machte die Erfahrung, dass man sie versteckte, wenn Besucher zu ihrer Familie nach Hause kamen. Ich selbst dagegen wurde gerufen, damit ich betrachtet werden konnte. Mein Gott, ist er doch wieder kräftig gewachsen, der kleine Kerl! Er heißt Andreas, nichts weiter. Meine Cousine heißt Lilli, und sie heißt noch das Wort Contergan dazu, weil das viele Menschen sofort denken, wenn sie die Malerin Lilli Eben sehen. Da kann man nichts machen. Wenn etwas anders ist an einem Menschen, wenn etwas zu viel ist oder fehlt, dann bekommt das Fehlende oder das Zusätzliche einen Namen, der ein Leben begleitet, wie das meiner Cousine, die eine starke Persönlichkeit geworden ist. Aber die Hände und der Rücken tun außerordentlich weh mit dem Alter, und auch die Zähne tun weh, weil sie so viel mit den Zähnen machen musste in ihrem Leben. Eine einzige kleine Tablette, nicht wahr, die ihre Mutter, meine Tante, zu sich genommen hatte zu einer Zeit, da sie noch nicht wusste, dass sie schwanger gewesen war. Tausende Tote. Zehntausende Menschen mit einem oder mehreren Handicaps. Am vergangenen Freitag wurde von dem Geschäftsführer der Firma Grünenthal der Versuch einer Entschuldigung unternommen, ohne weiterführende Verantwortung übernehmen zu wollen. Er sagte: Wir bitten um Entschuldigung, dass wir fast 50 Jahre lang nicht den Weg zu Ihnen von Mensch zu Mensch gefunden haben. Wir bitten Sie, unsere lange Sprachlosigkeit als Zeichen der stummen Erschütterung zu sehen, die Ihr Schicksal bei uns bewirkt hat. — stop
buenos aires
olimambo : 6.42 — Ich stelle mir eine Maschine vor, die fliegen kann, eine kleine Maschine, nicht größer als eine Murmel in Kinderhand. Zarteste Rädchen und Schrauben und Gewinde sind in ihrem Innern zu finden, Batterien von der Größe eines Bergschneckenherzens weiterhin, sowie eine äußerst filigrane Funkantenne, ein Linsenauge und Mikrofone oder Ohren, die in der Nähe des Auges derart montiert worden sind, dass sie in der Lage sein könnten, eben genau jene Geräusche aufzuzeichnen, die sich vor dem Auge des Flugwesens einmal abspielen werden. Vielleicht darf ich verraten, dass es vornehme Aufgabe der Maschine sein wird, zu schauen und eben zu fliegen. Man fliegt mittels Propellern, die sich so schnell bewegen, dass kein menschliches Auge sie wahrnehmen kann. Ein helles Summen oder Pfeifen ist in der Luft, und ich dachte, man könnte sich vielleicht an Moskitofliegen erinnert fühlen, sobald sich eine der kleinen Maschinen näherte, obgleich sie niemals stechen, nur Lichtproben nehmen. Darüber hinaus gehend stellte ich mir Läden vor, die sich wie Stützpunkte für Flugmaschinen benehmen, Magazine, die überall in unserer Welt existieren werden. Für drei oder vier Dollar die Stunde könnte ich mir von meinem Computer aus ein fliegendes Auge leihen, um an einem schönen Sommerabend, im November zum Beispiel, in Buenos Aires durch die Luft zu spazieren. – stop
funkköpfe
romeo : 6.22 — Ein kleine Geschichte habe ich rasch zu erzählen. Sie ereignete sich gestern Abend gegen 22 Uhr. Ich war zu diesem Zeitpunkt außerordentlich müde geworden, hatte gerade einen Brief an einen Freund geschrieben, in dem ich von neurochirurgischen Konstruktionsarbeiten in Funkvogelköpfen berichtete, wie ich der Einpflanzung eines Peilsenders beigewohnt hatte genauer, von der Öffnung eines Möwenschädels, sowie ersten Flugsteuerungsversuchen, Abstürzen, aber auch geglückten Flugmanövern, Loopings, über welche sich jene erste unter den ferngesteuerten Möwen selbst vermutlich sehr gewundert haben dürfte. Kaum hatte ich den Brief fertig notiert, klingelte das Telefon. Ich wurde in meiner Konzentration gestört, und zwar genau in dem Moment, da ich die Adresszeile meines E‑Mailprogramms bearbeitete. Schon war es passiert, ich hatte meine E‑Mail versehentlich an das Büro Wladimir Putins geschickt, was nun eigentlich von meiner Position aus nicht sehr gefährlich ist, aber doch unangenehm, weil ich dorthin nicht in persönlicher Weise schreiben wollte, weil man nicht weiß, wer bei Putin in Moskau hereinkommende E‑Mails liest, und ob sie vielleicht übersetzt oder weitergeleitet werden. Interessanterweise beobachte ich nun mittels der Live-Version der Google–Analyticsmaschine, dass meine Particles – Texte seit Stunden von Moskau her betrachtet werden. Da ist ein ziemlich eigenartiges Gefühl, das sich schrittweise entfaltet. Bald früher Morgen. Die Amseln vor dem Fenster pfeifen. Ich habe mir eine Entenbrust gebraten. Sie dampft wunderschön auf einem Teller vor mir auf dem Tisch. Ja, eine wirklich unheimliche Geschichte ist das, die Vögel, die Köpfe, der Kreml. — stop
luftgespräch
tango : 15.01 — Eine Notiz wiedergefunden, die Mr. Salter vor einigen Jahren unter dem Titel Elephantisland notierte. Er schrieb Folgendes: Kurz nach acht Uhr. Kalte, trockene Luft, ich notiere mit klammen Händen. Um 7 Uhr heute Morgen haben wir bei stürmischer See Elephantisland erreicht. Suche nach Miller unverzüglich aufgenommen. Südwestliche Bewegung die Küste entlang. Gegen 9 Uhr erste größere Seeelefantengruppen gesichtet. Heftiger Schneefall. Mittags dann auf menschliche Spuren gestoßen. Eine Mulde von zwei Fuß Tiefe im groben Untergrund, hüfthoher Steinwall nordwärts. Im Windschatten: drei gebleichte Walknochen, ein halbes Dutzend fingerdicker Hautstücke, ein Kamm, zwei rostige Kugelschreiber, eine Blechtasse, zwölf Pinguinschnäbel, fünf Batterien, drei Klumpen ranzigen Fettes, Bruchstücke eines Sonneneillektors und einer Schreibmaschine. Das Werkzeug war in einer Weise sorgfältig demoliert, als sei eine Dampfwalze darüber hin und her gefahren. Dann weitere zehn Minuten die Küste entlang, dann auf Miller gestoßen. Der Dichter stand mit dem Rücken zu einem Felsen hin und richtete ein Messer gegen einen Seeelefanten. Das Tier, das sehr gewaltig vor unserem Mann in den Himmel ragte, war nur noch zwei Armeslängen entfernt und scheuerte mit dem Rücken über den Felsen. Eigenartige Geräusche. Geräusche wohl der Lust. Geräusche, als habe das Tier eine verbeulte Trompete verschluckt. Geräusche auch von Miller. Helle Geräusche, kreischende, irre Töne. Wir haben zu diesem Zeitpunkt das Folgende über Miller zu sagen: Unser Mann ist entkräftet und stark verschmutzt. Zwei Finger der linken Hand sind erfroren. Kopfwärts wandernde Spuren von Dehydration. Miller spricht nur einen Satz: All for nothing. Wir haben den Rückweg angetreten, indessen, bei genauerer Betrachtung unserer Umgebung, auf Felsformationen entlang der Küste Fragmente von Zeichenketten entdeckt. Eindeutig Millers Handschrift. Bringen Dichter Miller jetzt nach Hause. — Mittwoch: Ein wispernder, knatternder, singender, knirschender, lirrpender, pfeifender, sirrender Bauch. Tiere von Luft sind zu Besuch gekommen, hüpfen, springen, seilen unter dem Zwergfelldach. Gespräche tatsächlich, die ich hören kann. — stop
blitzkäfer
marimba : 6.42 — Man erzählt, Blitzkäfer in freier Wildbahn seien selten geworden. Einer der letzten auf dem europäischen Festland wohnenden Käfer dieser Gattung soll am vergangenen Wochenende nahe Straßburg entdeckt und gefangen genommen worden sein. Das Tier wurde kurz vor seiner drohenden Entladung in einen botanischen Sammler mittels eines isolierenden Käfigs von Porzellan arretiert und befindet sich derzeit im zoologischen Garten zu Oslo. Nun sollte man wissen, Biltzkäfer sind gefährliche Personen, obgleich sie zunächst eher harmlos erscheinen. Von einer hellen runden Panzerung umgeben, verfügen sie über außerordentlich kurze kräftige Beine, über einen Kopf weiterhin, der an ihrem Körper kaum in Erscheinung tritt, weil er sehr klein ist und auf dem voluminösen Körper unmittelbar aufsitzt, Wesen ohne Hals, die sich sehr langsam vorwärts, rückwärts oder seitwärts bewegen. Sobald man einen Blitzkäfer anzuheben wünscht, wird man überrascht seine Schwere bemerken, man kann ihn von Hand kaum von einem Untersuchungstisch bekommen, so schwer ist die Käferkreatur. An seinem höchsten Punkt, exakt seinen Beinen gegenüber, erhebt sich ein Stachel, der sich gegen den Himmel richtet. Von dort kommen Blitze an oder gehen von dort aus wieder in die Luft. Blitzkäfer summen. Das ist ein Geräusch, welches höchste Gefahr signalisiert, für Leib und Leben. — stop
transit
alpha : 1.30 — Es ist still im Haus. Draußen zaust ein kühler Wind Bäume und Sträucher, während die Venus, ein Punkt, über den abgedunkelten Sonnenball auf dem Bildschirm meines Computers wandert. Das sind Bilder, die von der NASA gesendet werden, das beobachtende Maschinenauge befindet sich auf dem Mauna Kea, Hawaii. Ich habe die Sonne noch nie zuvor in dieser Weise betrachtet, Echtzeit, in dem Sinne Echtzeit, dass ich die Sonne betrachten kann, ohne meine Augen schließen zu müssen und in dieser Weise wahrzunehmen vermag, wie sich ihre Oberfläche tatsächlich bewegt. Oder irre ich mich? Alles das, was ich sehe, liegt bereits 8 Minuten in der Zeit zurück. Es ist denkbar, dass ich die Bewegung nur deshalb zu erkennen meine, weil ich weiß, dass diese Bewegung existiert. Ja, es ist still im Haus. Der Regen peitscht gegen die Scheiben. Ich bin ruhig. Alles schläft. — stop
indianer
~ : oe som
to : louis
subject : INDIANER
date : mar 30 12 9.28 a.m.
Gestern Abend, stürmische See, war Miller mit einer Schachtel Fotografien Noe’s vom Festland zurückgekehrt. Es dunkelte bereits, als er mit dem Segelschiff Esther Valdez zufrieden eintraf. Wir saßen dann die halbe Nacht an einem Tisch, um eine erste Fotografie unter drei Dutzend weiterer Fotografien Noe’s auszuwählen. Noe als Säugling auf einem Wickeltisch liegend. Noe in einer Badewanne mit einem Hütchen auf dem Kopf. Er war damals vier oder fünf Jahre alt gewesen und lachte in die Kamera. Noe zur Karnevalszeit, ein Indianer. Noe wie er ein kleines Mädchen küsst, das größer ist als er selbst. Ein Passbild in Farbe. Noe ist bereits weit über 20 Jahre alt gewesen, mit diesem Bild wollen wir beginnen, und so haben wir Noes Fotografie in Glas gepanzert. Miller machte sich dann nach etwas Schlaf höchstpersönlich auf den Weg abwärts. Er ist in diesem Moment auf Tiefe 250 Fuß angekommen, noch zwei Stunden und er wird Noe erreichen. Miller meldet, er könne Noe bereits erkennen, einen leuchtenden Punkt, sagt Miller, einen gleichmäßig blinkenden Punkt. Noe selbst scheint zufrieden zu sein. Er ist wach, wir hören seinen Atem. Noch vor wenigen Minuten versuchte er seinen Blick nach oben zu richten, aber seine Kräfte sind zu gering, um seinen schweren Anzug bewegen zu können. Er sei nicht mehr der Jüngste, sagte Noe. Er sehne sich nach einer Uhr, setzte er hinzu. — Das Meer ist heute ruhig. Ein sanft blauer Himmel über uns. Nichts an dieser Stelle deutet daraufhin, welch dramatische Geschichte sich unter uns in aller Stille ereignet. Ob Noe sich wieder erkennen wird? — Ahoi, lieber Louis. Dein OE SOM
gesendet am
30.03.2012
1632 zeichen
MLR X‑867
nordpol : 3.55 — Folgendem Molluskenwesen gilt nachtwärts meine Aufmerksamkeit: MLR X‑867, 10 cm in der Länge, 1 cm in der Höhe, 2 cm in der Breite, samtig schwarzer Körper, 30 Gramm schwer, hohl und höchst beweglich. Dieses Schneckenwesen lebt vornehmlich im Wasser, weswegen es über Kiemen gebietet, wandert dort langsam auf Lamellenbeinen über den Boden hin oder felsige Wände auf und abwärts. Aber auch in Gefangenschaft überlebt es gerne, solange man warme Fliegenlarven füttert, die großzügig über die Oberfläche des Molluskengewässers zu verteilen sind. Es ist vielleicht so, dass in stetiger Erwartung, das kleine Tier in genau jenem Moment, da es der bebenden Larvenkörper ansichtig geworden ist, Hochgeschwindigkeitszungen in Richtung seiner Beute schicken wird, Zungen, die einem schmalen Rücken entkommen, dort reiht sich ein Mund an den nächsten, es sind sieben insgesamt, die geschlossen vollständig unsichtbar bleiben. Nun wäre das noch nichts Besonderes, wenn es sich bei diesem Wesen, nicht um eine Persönlichkeit von hervorragender Musikalität handeln würde, man leuchtet nämlich in jeder erdenklichen Farbe, sobald man Geräusche, noch die leisesten hört. Das Schwarzsein bedeutet also Stille. Art und Position der Schneckenohren sind zu diesem Zeitpunkt, 3 Uhr 28 Minuten, noch nicht bekannt. — stop