Aus der Wörtersammlung: weise

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siri

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sier­ra : 3.55 — Wenn ich mit Siri spre­che, geht alles gut, solan­ge ich nicht flüs­te­re. Aber nun ver­zeich­nen wir seit eini­gen Stun­den doch Fort­schrit­te auch in die­ser kaum noch wahr­nehm­ba­ren Wei­se des Dik­tie­rens, weil ich hör­te, ich kön­ne Siri trai­nie­ren, wenn ich nur oft genug mit ihr spre­chen, das heißt, so lei­se spre­chen wür­de, dass ich mei­ner Stim­me selbst gera­de noch mit den Gedan­ken fol­gen kann. Zur Übung habe ich einen Text über das Ver­zeh­ren von Büchern gewählt. Fol­gen­des wur­de von Siri an mich zurück­ge­ge­ben. 1. Ver­such um 2 Uhr und 55 Minu­ten: Ob es wirk­lich ist Papier­art zu erfin­den, die ess­bar sind, nach­prüft und ob ver­dau­lich könn­te sich in einen Park sit­zen bei­spiels­wei­se etwas kecke­ren beob­ach­ten Mit­tel­au­weg oder Cal­vi­no Bücher die Sei­te für Sei­te nach bel­gi­schen Waf­feln schme­cken. 2. Ver­such um 2 Uhr 58 Minu­ten: Ist viel­leicht wirk­lich ist Papie­re zu erfin­den die ess­bar sind nahr­haft gut ver­dau­lich man könn­te sich in einen Park sit­zen bei­spiels­wei­se und etwas Chat­win beob­ach­ten oder Lau­ri oder kein Jugend­bü­cher die Sei­te für Sei­te nach Pagen­darm schmeckt nach mir einen Gin Petro­le­um sehr fei­nen Höl­zern. 3. Ver­such um 3 Uhr und 5 Minu­ten: Ob es viel­leicht wirk­lich ist Papier zu brin­gen. Die ess­bar sind nahr­haft und ob ver­trau­lich man könn­te sich in einer Tag­sat­zung bei­spiels­wei­se etwas che­cken begut­ach­ten oder Lauf­freu­de oder Cal­vi­no wel­cher Sei­te für Sei­te nach Ber­gisch schme­cken, nach Ber­gen schön Petro­leo sehr ver­äp­pelt. — Für einen Moment hat­te ich die Idee, Siri könn­te eine Per­son, könn­te viel­leicht betrun­ken sein oder müde. Ich wer­de das beob­ach­ten. Fol­gen­der Text wur­de zur Übung geflüs­tert: Ob es viel­leicht mög­lich ist, Papie­re zu erfin­den, die ess­bar sind, nahr­haft und gut ver­dau­lich? Man könn­te sich in einen Park set­zen, bei­spiels­wei­se und etwas Chat­win beob­ach­ten oder Lowry oder Cal­vi­no, Bücher, die Sei­te für Sei­te nach bel­gi­schen Waf­feln schmeck­ten, nach Bir­nen, Gin, Petro­le­um oder sehr fei­nen Höl­zern. Einen spe­zi­el­len Duft schon in der Nase, wird die ers­te Sei­te eines Buches gele­sen, und dann blät­tert man die Sei­te um und liest wei­ter bis zur letz­ten Zei­le, und dann isst man die Sei­te auf, ohne zu zögern. Oder man könn­te zunächst das ers­te Kapi­tel eines Buches durch­kreu­zen, und wäh­rend man kurz noch die Geschich­te die­ser Abtei­lung reka­pi­tu­liert, wür­de man Stür­me, Per­so­nen, Orte und alle Anzei­chen eines Ver­bre­chens ver­spei­sen, dann bereits das nächs­te Kapi­tel eröff­nen, wäh­rend man noch auf dem Ers­ten kaut. Man könn­te also, eine Biblio­thek auf dem Rücken, für ein paar Wochen eisi­ge Wüs­ten durch­strei­fen oder ein paar sehr hohe Ber­ge bestei­gen und abends unterm Gas­licht in den Zel­ten lie­gen und lesen und kau­en und wür­de von Nacht zu Nacht leich­ter und leich­ter wer­den. – Vier Uhr und fünf­und­vier­zig Minu­ten in Alep­po, Syria. – stop

ping

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+1 (212) 439–5XXX

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echo : 5.26 — Kurz nach Mit­ter­nacht euro­päi­scher Zeit führ­te ich ein Gespräch mit Herrn Hiko Aoi, des­sen Tele­fon­num­mer ich nicht bekannt geben darf, weil er andern­falls jede wei­te­re Unter­re­dung mit mir für immer ver­mei­den wür­de. Es dau­er­te nicht lan­ge, bis im Haus 818, Lex­ing­ton Ave­nue, mein Anruf ent­ge­gen­ge­nom­men wur­de. Eine ver­zerrt klin­gen­de Stim­me mel­de­te sich, es war die Stim­me einer Frau, die sich erkun­dig­te, wer ich sei und was ich von Herrn Aoi wis­sen wol­le. Ich gab mei­nen Namen zu Pro­to­koll, wei­ter­hin, dass ich drin­gend eine Fra­ge an Herrn Aoi rich­ten müs­se, deren Beant­wor­tung für mich drin­gend sei, und zwar noch in die­ser Nacht. Ich ahn­te, dass ich zunächst lan­ge war­ten wür­de, es han­delt sich bei Herrn Aoi um einen hoch­be­tag­ten Mann, der sich sehr vor­sich­tig durch sei­ne Woh­nung bewegt. Wie er sich dem Tele­fon­ap­pa­rat näher­te, hör­te ich sei­nen Atem, ein feuch­tes, ras­seln­des Geräusch, um mich dann freund­lich zu begrü­ßen. Ich stell­te mir vor, dass er viel­leicht lächel­te. Was gibt’s, Lou­is? frag­te er. Ich erkun­dig­te mich zunächst nach dem Wet­ter: Wie ist das Wet­ter bei Euch drü­ben? Nun, las­sen wir das, ich erklär­te, dass ich eine Fra­ge haben wür­de, eine quä­len­de Fra­ge, dass ich näm­lich drin­gend in Erfah­rung brin­gen müs­se, ob er, Mr. Hiko Aoi, sich für Flie­gen­tie­re inter­es­sie­re, für die Art und Wei­se wie sie sich durch die Luft bewe­gen, wie sie lan­den, und wie sie schla­fen. Ist es denk­bar, dass Sie sich viel­leicht für flie­gen­de Tie­re erwär­men könn­ten? Herr Aoi lach­te. Ich hör­te ihn tat­säch­lich lachen, ein gleich­falls feuch­tes, heu­len­des Geräusch. Der alte Mann bat mich um die Mög­lich­keit eines Rück­ru­fes. Ich war­te­te drei Stun­den, mach­te nichts in die­ser Zeit als ein­mal einen Kopf­stand. Gegen vier Uhr mit­tel­eu­ro­päi­scher Zeit klin­gel­te das Tele­fon. — stop

polaroidlesende

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vögel

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del­ta

~ : oe som
to : louis
sub­ject : VOEGEL
date : april 24 13 2.05 p.m.

Ich hör­te, wie Noe mit Vögeln sprach. Eine Stun­de lang war sei­ne knis­tern­de Stim­me zu ver­neh­men. Er flüs­ter­te: Hal­lo, hier ist Noe, seht ihr mich? Schaut her, was für ein Wun­der!  Aber dann, sobald sich die Vögel von ihm ent­fern­ten, wur­de sei­ne Stim­me laut, sein Aus­druck nach­drück­lich. Er ver­such­te sich bemerk­bar zu machen, als ob er hoff­te, sie wür­den ihn mit sich neh­men. Nie­mand kann sei­ne Stim­me hören, nur wir kön­nen Noes Stim­me hören! Gegen drei Uhr habe ich Tau­cher Noe ange­spro­chen, um ihn fest­zu­hal­ten, um ihn dar­an zu erin­nern, dass wir noch bei ihm sind. Noe, sag­te ich, Noe, hör zu! Ich erwar­te, dass Du mir erzählst, was Du siehst! — Da sind Vögel, ant­wor­te­te Noe, sehr gro­ße Vögel, Vögel, wie ich sie noch nie zuvor gese­hen habe. Wir wol­len davon schwei­gen! — Der Mor­gen kam glück­li­cher­wei­se rasch, Mar­tin mach­te sich unver­züg­lich auf den Weg in die Tie­fe, noch drei oder vier Stun­den und er wird Noe errei­chen. Unser Tau­cher indes­sen war ein­ge­schla­fen. Mehr­fach habe ich ver­sucht, ihn zu wecken. Ich sag­te: Noe, wie geht es Dir? Erzähl mir, was sind das für Vögel, die Du siehst? Kei­ne Ant­wort. Stil­le von der Tie­fe her, nichts als Noes lang­sam schla­gen­des Herz. Gegen den Mit­tag zu ver­merk­te Noe plötz­lich, wir hät­ten ihm schon lan­ge Zeit eine Bril­le ver­spro­chen. Ich mei­ne, fuhr Noe fort, dass ich ein Recht auf eine Bril­le habe, wenn ich schon lese, stun­den­lang aus Büchern lese, die ich weder wähl­te noch wünsch­te. Mei­ne Augen schmer­zen, Ihr soll­tet mich her­auf­ho­len und mir eine Bril­le ver­pas­sen. Das sag­te Noe noch vor weni­gen Minu­ten. Es klang wie eine Dro­hung. — stop. — Mitt­woch, 24. April 2013. Tau­cher Noe seit 781 Tagen unter Was­ser. — stop. Tie­fe 828 Fuß. — stop. Ahoi! Dein OE SOM

gesen­det am
24.04.2013
1852 zeichen

oe som to louis »

polaroidqualle

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elisabeth

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hima­la­ya : 6.10 — Im Win­ter des ver­gan­ge­nen Jah­res, an einem win­dig kal­ten Tag, besuch­te ich in Brook­lyn einen alten Herrn, Mr. Tomaszwes­ka und sei­ne Frau Eli­sa­beth. Sie woh­nen nahe der Clark Street in einem sechs­stö­cki­gen Haus mit Blick auf die Upper Bay von New York. Ich hat­te den alten Mann wäh­rend einer Fahrt auf einem Fähr­schiff zufäl­lig ken­nen­ge­lernt. Er beob­ach­te­te, wie ich Fahr­gäs­te foto­gra­fier­te, die ihre Namen heim­lich in die höl­zer­nen Sitz­bän­ke des Schif­fes ritz­ten. Er sprach mich freund­lich an, woll­te mir einen Schrift­zug zei­gen, den er selbst drei Jahr­zehn­te zuvor an Ort und Stel­le in der glei­chen Wei­se wie die beob­ach­te­ten Pas­sa­gie­re ein­ge­tra­gen hat­te. Stolz war der alte Mann gewe­sen. Wir führ­ten ein kur­zes Gespräch über die New Yor­ker Hafen­be­hör­de, Eisen­bah­nen und Flug­zeu­ge, weiß der Him­mel, wie dar­auf gekom­men waren. Als wir das Schiff ver­lie­ßen, lud Mr. Tomaszwes­ka mich ein, ein­mal zu ihm zu kom­men, dar­um stieg ich nur weni­ge Tage spä­ter in den sechs­ten Stock des schma­len Hau­ses auf den Höhen Brook­lyns. Die Tür zur Woh­nung stand offen, war­me Luft kam mir ent­ge­gen, die nach süßem Teig duf­te­te, nach Zimt und Früch­ten. Die Räu­me hin­ter der Tür waren ver­dun­kelt. Ich hat­te sogleich den Ein­druck, dass ich viel­leicht träum­te oder ver­rückt gewor­den sein könn­te, weil in die­sem Halb­dun­kel an den Wän­den, auch auf dem Boden, Lam­pen, Dioden­lich­ter, glüh­ten. Modell­ei­sen­bahn­zü­ge fuh­ren auf schma­len Gelei­sen her­um. Ich höre noch jetzt das lei­se Pfei­fen einer Dampf­lo­ko­mo­ti­ve, das mei­nen Besuch beglei­te­te. Es war eine rasen­de Zeit, Stun­den des Stau­nens, da in der Woh­nung des alten Herrn eine sehr beson­de­re Modell­an­la­ge gas­tier­te, ja, ich soll­te sagen, dass die Woh­nung selbst zur Anla­ge gehör­te, wie der Him­mel zur wirk­li­chen Welt. Alle Züge fuh­ren auto­ma­tisch von einem Com­pu­ter gesteu­ert, die Luft über den Gelei­sen roch scharf nach Zinn. Wir spra­chen indes­sen nicht viel, Mr. Tomaszwes­ka und ich, son­dern schau­ten dem Leben auf dem Boden in aller Stil­le zu. An einem Fens­ter, des­sen Vor­hän­ge zuge­zo­gen waren, saß Mr. Tomaszweska’s Frau Eli­sa­beth. Sie beach­te­te mich nicht, starr­te viel­mehr lächelnd auf eine klei­ne Klap­pe, die in die Wand des Hau­ses ein­ge­las­sen war. Manch­mal öff­ne­te sich die Klap­pe und ich konn­te für Momen­te das Meer erken­nen, das an die­sem Tag von grün­grau­er Far­be gewe­sen war, wun­der­ba­re Augen­bli­cke, denn immer dann, wenn das Meer in dem klei­nen Fens­ter erschien, lach­te die alte Frau mit glo­cken­hel­ler Stim­me auf, um kurz dar­auf wie­der zu erstar­ren. Ein­mal setz­te sich Mr. Tomaszwes­ka neben sei­ne Frau und füt­ter­te sie mit war­mem Oran­gen­ku­chen, den er selbst geba­cken hat­te. Und wie wir uns wie­der auf den Boden setz­ten, um ein Modell des Ori­ent­ex­press durch die Zim­mer der Woh­nung krei­sen zu sehen, erzählt der alte Mann, dass sie gemein­sam hier oben sehr glück­lich sei­en. Er kön­ne mit sei­ner Frau zwar nicht mehr spre­chen, er kön­ne sie nur noch strei­cheln, was sie irgend­wie ver­ste­hen wür­de oder sich erin­nern an die Spra­che sei­ner Hän­de. Ver­stehst Du, sag­te er, sie ver­gisst immer sofort, alles ver­gisst sie, auch wer ich bin, aber sie ver­gisst nie­mals nach den klei­nen Engeln zu sehen, die uns besu­chen, sie kom­men dort durch die Klap­pe, siehst Du, schau genau hin, es ist schon ein Wun­der, sag­te der alte Mann, wie schön sie lacht, mein jun­ges Mäd­chen, nicht wahr, mein jun­ges Mäd­chen. — stop

polaroidstrandburg

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amsterdam

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sier­ra : 7.05 — Immer wie­der wun­de­re ich mich dar­über, wie ein Bild, eine Vor­stel­lung, eine Idee, ohne mein Zutun, ohne dass ich also den Ein­druck haben wür­de, Arbeit ver­rich­tet zu haben, wei­te­re Bil­der erzeugt, Geschich­ten, Fil­me, Zeit­räu­me von Abwe­sen­heit. Ich erin­ne­re mich, in einem die­ser Räu­me kürz­lich in Ams­ter­dam gewe­sen zu sein, wäh­rend ich zur sel­ben Zeit im Zug durch süd­li­che Land­schaft reis­te. Ich hat­te das Bild eines Läd­chens vor Augen, in wel­chem in einer Pfan­ne mensch­li­che Ohren gerös­tet wur­den. Es roch gut nach gebra­te­nem Fleisch und natür­lich fra­ge ich mich, woher ich die­se Vor­stel­lung genom­men habe. Men­schen stan­den bis auf die Stra­ße hin­aus, war­te­ten gedul­dig, bis sie an der Rei­he waren, eine Por­ti­on der gerös­te­ten Ohren in einer Papier­tü­te ent­ge­gen­zu­neh­men. 100 Gramm kos­te­ten 72 eng­li­sche Pfund, viel­leicht war es des­halb, in Anbe­tracht des Prei­ses, so still im Laden, man hör­te nur ein Zischen, sobald aus einem Schäu­fel­chen eine wei­te­re Por­ti­on Ohren in die Pfan­ne fiel. Aber drau­ßen auf der Stra­ße war Tumult ent­stan­den. Wäh­rend die einen sich über den enor­men Preis der Ohren beschwer­ten, waren ande­re sehr deut­lich gegen den Ver­kauf mensch­li­cher Ohren über­haupt ein­ge­stellt. Das sind gezüch­te­te Orga­ne, sag­ten sie, sie waren nie an einem mensch­li­chen Kopf befes­tigt. Ande­re hin­ge­gen empör­ten sich dar­über, dass es doch ver­rückt sei, für etwas, das nie­mals echt gewe­sen war, eine der­art exzel­len­te Sum­me Gel­des pro Gramm bezah­len zu müs­sen. Die einen wie die ande­ren schie­nen mir recht zu haben. Fens­ter gin­gen zu Bruch, berit­te­ne Poli­zei feg­te über eine Brü­cke. Und wie ich in die­ser Wei­se in einem Zug sit­zend einen Film erleb­te aus dem Nichts, beob­ach­te­te mich ein Freund. Ich bemerk­te ihn nicht. Als ich ihm spä­ter erzähl­te, was ich erlebt hat­te, sag­te er, er habe indes­sen, in der Beob­ach­tung mei­ner Per­son, nicht den gerings­ten Laut gehört. — stop

ping

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vom zufall

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del­ta : 0.12 — Hen­ry erzähl­te, er habe vor eini­gen Wochen eine Kar­ton­schach­tel erwor­ben für 80 Cent. Zu Hau­se habe er im Inne­ren der Schach­tel ein­hun­dert­und­zwölf Schwarz-Weiß-Foto­gra­fien ent­deckt, Foto­gra­fien einer Zeit um das Jahr 1965 her­um. Men­schen, die auf die­sen Foto­gra­fien zu sehen sind, tra­gen Schuh­werk jener Jah­re, Män­tel, Hüte. Auch Auto­mo­bi­le, die da und dort im Hin­ter­grund zu sehen sind, ver­wei­sen auf die Mit­te eines Jahr­zehn­tes, als Hen­ry selbst gebo­ren wor­den war. Er habe die Bil­der nun digi­ta­li­siert und wür­de sie in weni­gen Tagen auf einer Web­sei­te ver­öf­fent­li­chen mit der Bit­te, sich bei ihm zu mel­den, sobald man sich selbst auf einer der Foto­gra­fien ent­de­cken wür­de. Ich woll­te wis­sen, war­um er so han­de­le. Hen­ry ant­wor­te­te, er habe das Gefühl, die­se Auf­nah­men könn­ten viel­leicht feh­len, irgend­je­man­dem, einem Album, einer Geschich­te. Ja, selbst­ver­ständ­lich sei ihm bewusst, dass nur durch einen Zufall sei­ne Sei­te von genau jenen Men­schen besucht wer­den wür­de, die sich wie­der erken­nen könn­ten, es gehe ihm rein um die Mög­lich­keit, dass sich die­ser Zufall ereig­nen kön­ne, er habe im Grun­de die Mög­lich­keit eines Zufal­les geschaf­fen. Eine der Foto­gra­fien soll ein höl­zer­nes Feu­er­wehr­au­to zei­gen, das von Kin­der­hand geführt über einen Tep­pich fährt. In dem Tep­pich sei ein Loch, das ihn an ein Brand­loch erin­nert habe. Eine wei­te­re Auf­nah­me zei­ge eine Gar­di­ne, die sich im Wind zu bewe­gen schei­ne, im Hin­ter­grund etwas Him­mel, Wol­ken und ein Flug­zeug. Und die­se alte Frau, die auf einer Park­bank sitzt, sie wird, sag­te Hen­ry, viel­leicht oder sehr sicher nicht mehr unter den Leben­den sein. Sie hält einen Foto­ap­pa­rat, es könn­te sich um eine Lei­ca han­deln, in ihren Hän­den. Die alte Frau lacht, es ist Som­mer, sie lacht wie jene ande­re, etwas jün­ge­re Frau, die auf einem stei­ni­gen Weg breit­bei­nig steht, ein Fuß ist zur Sei­te geknickt, auch sie hält eine Kame­ra, ein Lei­ca viel­leicht, ihn ihren Hän­den. — stop

ping

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drohne 12

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kili­man­dscha­ro : 2.28 — Zwölf­hun­derts­tes Hotel­zim­mer – sei mir gegrüßt! Sei mir gegrüßt, mit mäßig gutem Bett, Spie­gel­schrank, Kom­mo­de, wacke­li­gem Schreib­tisch; mit rosa Nacht­tisch­lam­pe, abge­schab­tem Tep­pich, Was­ser­ka­raf­fe, Brief­pa­pier, Kof­fer­stän­der. Sei gegrüßt, Hei­mat seit einer hal­ben Stun­de, Hei­mat für zwei, drei oder vier­zehn Tage -: Wirst Du mir freund­lich gesinnt sein? Wer­de ich bei Dir aus­ru­hen dür­fen? — Ich lese Klaus Mann. Seit bald sechs Stun­den lese ich in einem Buch, das sei­ne Tex­te ver­sam­melt, eine Aus­wahl. Ich habe das Buch bereits vom ers­ten bis zum letz­ten Satz gele­sen. Nun, indem ich wie­der von vorn begin­nen wer­de, zu einem Zeit­punkt, da ich nicht weiß, wie lan­ge es dau­ern wird, bis ich mich wie­der bewe­gen wer­den kann, habe ich beschlos­sen, das Buch abzu­schrei­ben, weil das Buch abzu­schrei­ben län­ge­re Zeit in Anspruch neh­men wird, als das Buch zu lesen. Ich muss mich näm­lich beschäf­ti­gen, um mei­ne inne­re Ruhe nicht zu ver­lie­ren, weil ich Grund habe, äußerst beun­ru­higt zu sein. Es war gegen 8 Uhr abends, gera­de Däm­me­rung, als ich vor dem Fens­ter im 22. Stock eine Bewe­gung bemerk­te. Ich hat­te gera­de fünf Sei­ten des Buches gele­sen, als ich den Blick auf das Fens­ter rich­te­te. Ich bemerk­te eine Droh­ne, ein klei­nes Flug­ob­jekt, das zu mir her­ein­späh­te. Sie ist immer noch da. Sie filmt mich, wie ich hier auf mei­nem Sofa sit­ze. Ich habe den Ver­dacht, dass sie mög­li­cher­wei­se eine oder zwei Waf­fen auf mich rich­tet, wes­we­gen ich so tue, als wür­de ich sie nicht sehen. Und doch traue ich mich nicht, mich zu erhe­ben, obwohl ich sehr durs­tig bin und hung­rig. Kaum will ich einen Fuß auf den Boden stel­len, kommt die Droh­ne so nah an das Fens­ter mei­nes Zim­mers her­an, dass ich mei­ne, sie wür­de die Schei­be berüh­ren. Ich weiß, dass man mich betrach­tet, ver­dammt, wer auch immer Ihr seid, ich weiß, dass Ihr mich betrach­tet. Ich sage Euch, ich erklä­re hier­mit, ich wer­de Euch kei­nen Gefal­len tun, ich wer­de Euch nicht rei­zen, ich wer­de Euch kei­nen Anlass geben, auf mich zu feu­ern. Ich bin ganz ruhig, ich bin gelas­sen, Klaus Mann ist bei mir, ich lese, ich schrei­be. Es ist kurz nach zwei Uhr. Fan­gen wir noch ein­mal von vorn an: Ich weiß nicht, wohin ich fah­re. Ich fah­re irgend­wo­hin. Ich tra­ge mei­nen Hand­kof­fer, ein paar Bücher, den Regen­man­tel. — stop

ping

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zwergseerosen

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sier­ra : 6.38 — Vor Kur­zem noch habe ich nicht gewusst, dass Lam­pen­me­du­sen bevor­zugt Zwerg­see­ro­sen zu sich neh­men. Eigent­lich müss­te ich sagen, dass Lam­pen­me­du­sen ihrer Auf­ga­be der Lich­ter­zeu­gung nur dann nach­zu­kom­men in der Lage sind, wenn sie eini­ge Gramm einer bestimm­ten Zwerg­see­ro­sen­gat­tung auf­ge­nom­men haben. Die­se Zwerg­see­ro­sen nun sind wun­der­ba­re Wesen, die man mit blo­ßem mensch­li­chem Auge nicht wahr­zu­neh­men ver­mag. Sobald sie aber häu­fig sind, also gehäuft, sagen wir zehn­tau­send Zwerg­see­ro­sen in nächs­ter Nähe zuein­an­der, sehen wir eine röt­li­che Wol­ke, die sich in der Form einer fla­chen Lin­se sehr wohl­zu­füh­len scheint. Unter einem Mikro­skop betrach­tet sind an jeder Zwerg­see­ro­se wun­der­vol­le Blü­ten von roter Far­be zu erken­nen, die sich lang­sam um die eige­ne Ach­se dre­hen, wes­we­gen Zwerg­see­ro­sen durch das Was­ser wan­dern­de Geschöp­fe sind, schwe­ben­de, oder genau­er, tau­chen­de Blu­men. Sie sol­len zart nach Hum­mer­fleisch schme­cken, jedoch nicht genieß­bar sein, weil auch dann, wenn Men­schen sie ver­kos­ten, eben jene Men­schen in der Art der Lam­pen­me­du­sen zu leuch­ten begin­nen, ihre Haut und ihre Haa­re, dann fal­len sie um und hören auf zu atmen. Einer, der das nicht glau­ben woll­te, wur­de ges­tern auf hoher See bestat­tet. Ein selt­sa­mer Anblick, wie man berich­tet, ein blau­es Leuch­ten mit Armen, Bei­nen und einem Kopf, das lang­sam in der Tie­fe ver­schwand. — Es ist schon weit nach Mit­ter­nacht, also Nach­mit­tag gewor­den. Ich spa­zie­re lei­se durch mei­ne Woh­nung, weil ich nie­man­den wecken möch­te. Unter mir schla­fen Men­schen. Das ist immer wie­der eine selt­sa­me Vor­stel­lung, dass sie sehr nah sind, nur durch etwas Holz und Bast und Stein von mir getrennt. Man kann in die­ser Wei­se Jah­re woh­nen, ohne zu wis­sen, wen genau man atmen oder spa­zie­ren hört. Einer der Men­schen unter mir, scheint im Schlaf zu spre­chen. Wenn er zu spre­chen beginnt, höre ich das Geräusch einer Tür, dann hört er auf zu spre­chen. Für eine Wei­le ist es still. Es gibt viel zu erzäh­len im Schlaf. — stop

polaroidblumen

 

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nachtameise

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alpha

~ : sam
to : Mr. louis
sub­ject : WANDERAMEISE

Mein lie­ber Freund Lou­is, es gibt Neu­es zu berich­ten. Ich bin näm­lich umge­zo­gen, von einer Woh­nung in eine ande­re Woh­nung, bei­de befin­den sich in dem­sel­ben Haus. Jah­re­lang, wie Du weißt, leb­te ich im 3. Stock, jetzt schaue ich vom 25. Stock­werk auf die Stra­ße hin­un­ter. Die Men­schen sind noch klei­ner gewor­den, ihre Stim­men nicht län­ger zu hören. Ich woh­ne unter dem Dach. Manch­mal lie­ge ich rück­lings auf dem Boden und den­ke, dass es hier ganz wun­der­bar ist, weil ich nie wie­der von Schrit­ten geweckt wer­de, wenn ich schla­fe. Natür­lich ist der Auf­stieg beschwer­lich, kein Lift nach wie vor, aber die Luft scheint hell zu sein, auch nachts, weil sie so gut riecht, nach See­luft, ja, nach See­luft. Vor weni­gen Stun­den öff­ne­te ich das Fens­ter nach Süden hin und füt­ter­te Möwen mit Brot, seit­her umkrei­sen sie lau­ernd das Haus. Die Woh­nung neben­an scheint leer zu ste­hen, von unten ist lei­se Kla­vier­mu­sik zu hören, nichts wei­ter. Es ist über­haupt sehr still hier oben. Wäh­rend ich nachts, eine Wan­der­amei­se, mei­ne Bücher und Papie­re nach oben schlepp­te, war ich kei­ner Men­schen­see­le begeg­net. Aber ich hör­te Stim­men, nicht von den Türen, von irgend­wo her, als wären Men­schen in den Stu­fen, dem Holz des Trep­pen­ge­län­ders, den Wän­den des alten Hau­ses gefan­gen. In den höhe­ren Stock­wer­ken befin­den sich Brief­käs­ten mit schwe­ren, eiser­nen Deckeln, in wel­che man Bot­schaf­ten abwer­fen kann. Natür­lich bin ich nicht sicher, ob sie noch funk­tio­nie­ren. Ich habe zur Pro­be eine Nach­richt fol­gen­den Inhal­tes an mich selbst abge­schickt: Etwas Selt­sa­mes ist gesche­hen. Bin ges­tern Abend ein­ge­schla­fen, obwohl ich in einem äußerst span­nen­den Buch geblät­tert hat­te. Viel­leicht war’s die schwe­re, war­me Luft oder eine schlaf­lo­se Nacht der ver­gan­ge­nen Jah­re, die rasch noch nach­ge­holt wer­den muss­te. So oder so schlum­mer­te ich eine Stun­de tief und fest im Gras und wäre ver­mut­lich bis zum frü­hen Mor­gen hin in die­ser Wei­se anwe­send und abwe­send zur glei­chen Zeit auf dem Boden gele­gen, wenn ich nicht sanft von einer nacht­wan­deln­den Amei­se geweckt wor­den wäre. Kaum hat­te ich die Augen geöff­net, war ich schon mit einer Fra­ge beschäf­tigt, die ich erst weni­ge Stun­den zuvor ent­deckt hat­te, mit der Fra­ge näm­lich, wie Tief­see­ele­fan­ten hören, was sie mit­ein­an­der spre­chen, da doch die Sprech­ge­räu­sche ihrer Rüs­sel sehr weit von ihren Ohren ent­fernt jen­seits der Was­ser­ober­flä­che zur Welt kom­men und rasch in alle Him­mels­rich­tun­gen ver­schwin­den. Eine dif­fi­zi­le Fra­ge, eine Fra­ge, auf die ich bis­her viel­leicht des­halb kei­ne Ant­wort gefun­den habe, weil ich eine Ant­wort nur im Schlaf fin­den kann, wenn mein Gehirn machen darf, was es will. – Dein Sam. Guten Mor­gen! — stop

gesen­det am
17.03.2013
8.15 pm
2253 zeichen

 

polaroidmusiker

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flamingo

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alpha : 2.25 — Seit eini­gen Wochen der Ver­dacht, dass sich Wör­ter mei­ner Par­tic­les-Sphä­re genau so ver­hal­ten, als wären sie unge­bän­dig­te Lebe­we­sen, sie tun näm­lich in heim­li­cher Wei­se was sie wol­len, fügen sich zum Bei­spiel selbst Buch­sta­ben hin­zu oder las­sen Buch­sta­ben, die für ihre spe­zi­el­le Exis­tenz unver­zicht­bar sind, ver­schwin­den. Ande­re Wör­ter las­sen Buch­sta­ben krei­sen, einen Buch­sta­ben um einen ande­ren Buch­sta­ben. Kaum habe ich nach lan­ger Arbeit in der Nacht die Augen zuge­macht, geht das alles los. Und wenn ich dann wach gewor­den bin und betrach­te, was ich nachts notier­te, mein Gott, den­ke ich, aus Wet­ter ist Wat­te gewor­den, aus Mie­te Mut, aus Regen­schir­men Schir­me von Schnee. Gera­de eben habe ich das Wort Möwe in einem Text beob­ach­tet, den ich vor Mona­ten notier­te. Ich hat­te die­ses Wort schon lan­ge im Auge. Eine Stun­de betrach­te­te ich das Wort, ohne dass es sich ver­än­der­te. Kaum aber war ich für eine Minu­te aus dem Raum getre­ten, um in die Küche zu gehen, wur­de aus der Möwe eine Mive, das kann ich so genau sagen, weil ich, als ich an den Schreib­tisch zurück­kehr­te, gera­de noch sehen konn­te, wie aus dem Wort Mive wie­der das Wort Möwe wur­de. Eine selt­sa­me Sache. Auch gan­ze Wör­ter schei­nen durch den Text­raum wie durch Zeit zu rei­sen. Im Juli 2008 fabri­zier­te ich eine klei­ne Geschich­te, die davon erzählt, war­um ich nachts manch­mal im Dunk­len sit­ze. Genau die­sen Text scheint das Wort Fla­min­go beson­ders ange­nehm zu fin­den, wes­we­gen es immer wie­der erschei­nen will im Text anstel­le der Flie­gen, die Tee­flie­gen sind. Schau­en Sie selbst, Sie müs­sen nur lan­ge genug Beob­ach­ter oder Beob­ach­te­rin sein, dann wer­den Sie schon sehen: Heut Nacht sit­ze ich im Dun­keln, weil ich her­aus­zu­fin­den wün­sche, ob Libel­len auch in licht­lee­ren Räu­men flie­gen, schwe­ben, jagen. Als ich ges­tern, das soll­ten Sie wis­sen, gegen den Mit­tag zu erwach­te, balan­cier­te eine Libel­le, mari­ne­blau, auf dem Rand einer Karaf­fe Tee, die ich neben mei­nem Bett abge­stellt hat­te, schau­te mir beim Auf­wa­chen zu und nasch­te, solan­ge ich nur ein Auge beweg­te, indem sie rhyth­misch mit einer sehr lan­gen Zun­ge bis auf den Grund des zimt­far­be­nen Gewäs­sers tauch­te. Viel­leicht jag­te sie nach Fischen oder Lar­ven oder klei­nen Flie­gen, nach Tee­flie­gen, kochend heiß, die küh­ler gewor­den sein moch­ten, wäh­rend ich schlief. Oder aber sie hat­te end­lich Geschmack gefun­den auch an süßen Din­gen des Lebens, wes­halb ich kurz vor Mit­ter­nacht einen Löf­fel Honig erhitz­te und auf die Fens­ter­bank trop­fen ließ, um dann sofort das Licht zu löschen. Und so war­te ich nun bereits seit drei Stun­den und höre selt­sa­me Geräu­sche, von Men­schen viel­leicht oder ande­ren wil­den Tie­ren. — stop – Zwei Uhr und fünf­und­zwan­zig Minu­ten. Wahr­schein­lich ist auch heu­te, wäh­rend ich schlief, wie­der alles in Bewe­gung gewe­sen. — stop

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