echo : 0.22 — Vor einigen Jahren stellte ich mir vor, wie ich eines Tages erwache und jedes Wort erinnern könne, das ich von diesem Moment des Erwachens an denken würde, erinnern jedes meiner Selbstgespräche, auch jene Gedanken, die ich nie wirklich bemerke, weil sie so schnell vorüberziehen, dass ich sie vordem bereits vergessen habe, in dem ich mich schon in dem nächsten Gedankenzimmer befinde. Nichts, überlegte ich, würde von diesem Moment an noch verloren gehen. Auch alle Sätze nicht, die ich hören oder lesen werde, sobald ich das Haus verlasse, Notizzettel, Einkaufslisten, Fragmente von Zeile zu Zeile fallender Anzeigetafeln an Flughäfen oder Bahnhöfen, Zeitungsartikel, Filmdialoge, alles das würde gespeichert sein und könnte zu jeder Zeit in genau der Reihenfolge wiederholt werden, in der es von leisen Wörterstimmen aufgezeichnet wurde. Ich fragte, was würde mit mir geschehen? Wie lange Zeit könnte ich mit diesem Vermögen ausgestattet überleben? In welcher Art und Weise würde ich mich erinnernd durch meine Verzeichnisse bewegen? Würde ich nicht vielleicht in einem dieser Magazine auf der Suche nach einem Wort, einem Satz, einer Erinnerung, für immer verschwinden? — stop
Aus der Wörtersammlung: zeile
eine chinesin
echo : 1.24 — Im Zug saß ich einer alten Frau gegenüber, die in einer chinesischen Zeitung las, ohne eine Brille zu verwenden. Das war deshalb bemerkenswert, weil die Zeichen der Zeitung sehr klein waren, aber nicht nur die Zeichen der Zeitung, sondern auch jene Schriftzeichen, die die alte Frau neben die Zeilen der Zeitung setzte, waren außerordentlich kleine Zeichen. Sie notierte mit einem Bleistift, den sie immer wieder spitzte. Und obwohl der Zug uns Reisende beständig erschütterte, wurden ihre komplizierten Schriftzeichen mit je einer schnellen Handbewegung sicher auf das Papier gesetzt. Kein Blick zu mir hin. Aber ich spürte, dass sie meine beobachtenden Blicke selbst bemerkte. Nach zwei Stunden verließ die alte chinesische Frau den Zug. Sie sagte: Auf Wiedersehen! — Helle Stimme. — stop
minutenbild
himalaya : 3.12 — In einer Schublade meines Vaters entdeckte ich Bleistifte, Spitzer, Lineale, Rechenschieber, Uhren und eine Trillerpfeife. Zwei Klebstofftuben, hart wie Stein, waren nie geöffnet worden. In einer Schachtel von Metall eine Handvoll Batterien. Sie gehörten zu einem Blutdruckmessgerät, das ich selten beachtete, solange mein Vater noch lebte. Es war ein Gerät für alte Leute, scheinbar unsichtbar für die Augen eines jungen Mannes. Ich erinnere mich, beinahe hätte ich dieses Minutenbild vergessen, wie mein Vater vor seinem Schreibtisch sitzt, die Manschette des Prüfgerätes um den linken Arm gelegt. Das Geräusch einer Pumpe ist zu hören, ein Brummen. Wie mein Vater nun reglos wartet auf den Moment, da das Gerät die Umklammerung seines Armes lockern wird, ein scheuer Blick, so stelle ich mir vor, auf Leuchtziffern, deren Bedeutung er fürchtete oder über die er sich freute. Vor einigen Wochen fand ich in einem Ordner lange Zahlenreihen in Tabellen, die der alte Mann selbst angefertigt hatte. Seine akkurate Schrift, jede Zeile ein Zeugnis von Überwindung, ein Beweis, dass mein Vater sich kümmerte, dass er kein Flüchtender gewesen war. — stop
tokio
ginkgo : 0.22 — Ein Kind will sehen. So fängt es immer an, und auch damals fing es so an. Ein Kind wollte sehen. Der Junge konnte laufen, und er konnte an eine Türklinke heranreichen. Es steckte keinerlei Absicht dahinter, nur der instinktive Tourismus des Kindesalters. Eine Tür war dazu da, aufgestoßen zu werden; er ging hinein, blieb stehen, schaute. Da war niemand, der ihn beobachtet hätte; er drehte sich um und ging fort, wobei er sorgsam die Tür hinter sich zumachte. — Ich erinnerte mich an diese Zeilen Julian Barnes, als ich zum ersten Mal von B. hörte, der eine tiefe Leidenschaft für die Stadt Tokio entwickelt haben soll, obwohl er nie dort gewesen ist. Was weiß ich von B. an diesem Abend? Eigentlich nicht sehr viel. B. ist 52 Jahre alt, ungefähr 1,88 Meter groß, schlank, studierte slawische Sprachen, arbeitete als Übersetzer, Altenpfleger, Autor von Restaurantbeschreibungen, Dramaturg, Postschaffner, seit vier Jahren nun weder das eine noch das andere, weil er wohlhabend geworden ist durch unerwartete Erbschaft. Er blieb damals vor vier Jahren in seiner kleinen Wohnung, kaufte sich einen Computer mit einem großen Bildschirm und muss irgendwie in Tokio gelandet sein. Seinen ersten Besuch mittel der Streetviews (Google-Maps) beschreibt er als ein wesentliches Ereignis seines Lebens, er sei irgendwo in der Stadt gelandet, habe sich gewundert über die Enge der Straße, auf welcher er sich plötzlich befand, und über Bäume, die aus Häusern zu wachsen schienen. Ein Mann stand vor einem Getränkeautomaten, er schaute in die Kamera, die ihn gerade ablichtete. Seine Augen, durch Unschärfe verfremdet, waren nicht zu erkennen, aber eine Zigarette, die der Mann zwischen Finger seiner rechten Hand geklemmt hatte. So, erzählte B., habe es angefangen. Stunde um Stunde, Tag für Tag, bewegte er sich fortan durch die Stadt. Immer wieder entdecke er Spuren seltsamster Geschichten. Ich habe eine Tür geöffnet. — stop
marguerite duras : die grünen augen
Tango : 5.32 — Ich weiß nicht, wie Marguerite Duras Buch Die grünen Augen in meine Wohnung gekommen ist. Das könnte eine Geschichte sein. Irgendjemand, vermutlich ich, hatte im Buch einmal folgende Zeilen unterstrichen: In der Literatur kann man nicht sagen, es fehlen knapp 220 Millionen, um ein Buch zu beenden. Wenn das Buch nicht zustande kommt, auch unter den schlimmsten Bedingungen, dann deshalb, weil es nicht gemacht werden muss. Wenn es gemacht werden muss, wird es gemacht, auch unter den ungünstigsten Bedingungen. Die Vorwände, nicht zu schreiben, Zeitmangel, Überlastung etc., sind nicht wahr, fast nie. — stop
lichtbild : eine straße in manhattan
ulysses : 8.05 — Einmal entdeckte ich nach stundenlanger Suche in den Archiven der Bayerischen Staatsbibliothek eine Fotografie auf einem Mikrofilmstreifen und ich wusste sofort, dass ich dieses Lichtbild besitzen musste. Ich bat eine Bibliothekarin, aus dem Material das Beste herauszuholen, höchste Auflösung, weswegen ich bald einen kleinen Stapel Papiers entgegennehmen konnte, den ich im Arbeitszimmer an einer Wand zum Bild zurück sortierte, wie in der vergangenen Nacht noch einmal, zurück zur Ansicht einer Straße des Jahres 1934 präzise, einer Straße nahe des Bellevue Hospitals zu New York. Staubige Bäume, eilende Menschenschatten, die Silhouette einer alten, in den Knochen gebeugten Frau, der Wagen eines Eisverkäufers, rostige Hydranten, die spröde Steinhaut der Straße, zwei Vögel unbekannter Gattung, Spuren von Hitze, und ich erinnere mich noch gut, dass ich eine Zeile von links nach rechts auf das Papier notierte: Diese Straße könnte Malcolm Lowry überquert haben, an einem Tag vielleicht, als er sich auf den Weg machte, seinem Körper den Alkohol zu entziehen. Und weil ich schon einmal damit begonnen hatte, das Bild zu verfeinern, zeichnete ich in Worten weitere Substanzen auf das Papier, Unsichtbares oder Mögliches. Einen Schuh notierte ich westwärts: Hier flüchtet Jan Gabriel, weil sie Mr. Lowry’s Liebe nicht länger glauben konnte. Da lag ein Notizbuch im Schatten eines Baumes und ich sagte: Dieses Notizbuch wird Malcolm Lowry finden von Zeit zu Zeit, er wird es aufheben und mit zitternden Händen in seine Hosentasche stecken. Schon segelten fiebernde Wale über den East River, der zwischen zwei Häusern schimmerte, ein Schwarm irrer Bienen tropfte von einer Fensterbank, und da waren noch zwei Mädchen, barfuß, — oder trugen sie doch Strümpfe, doch Schuhe? — sie spielten Himmel und Hölle, ihre fröhlichen Stimmen. Ich gestehe, dass Daisy und Violet nicht damals, sondern in dieser letzten Stunde einer heiteren Arbeitsnacht ins Bild gekommen sind. — stop
bristolhotel
alpha : 2.26 — Folgende Person, ein Mann, könnte reine Erfindung sein. Der Mann war mir während eines Spazierganges aufgefallen, das heißt, ich hatte einen Einfall oder eine Idee, oder ich machte vielleicht eine Entdeckung. Ich könnte von dieser Person, die sich nicht wehren kann, behaupten, dass sie nicht ganz bei Verstand sein wird, weil sie seit langer Zeit in einem Hotelzimmer lebt, welches sie niemals verlässt. Das Hotel, in dem sich dieses Zimmer befindet, erreicht man vom Flughafen der norwegischen Stadt Bergen aus in 25 Minuten, sofern man sich ein Taxi leisten kann. Es ist das Bristol, unweit des Nationaltheaters gelegen, dort, im dritten Stock, ein kleines Zimmer, der Boden hell, sodass man meinen möchte, man spazierte auf Walknochen herum. Nun aber zu dem Mann, von dem ich eigentlich erzählen will. Es handelt sich um einen wohlhabenden Mann im Alter von fünfzig Jahren. Er ist 176 cm groß, gepflegt, kaum Haare auf dem Kopf, wiegt 73 Kilogramm, und trägt eine Brille. Sieben weiße Hemden gehören zu ihm, Strümpfe, Unterwäsche, dunkelbraune Schuhe mit weichen Sohlen, ein hellgrauer Anzug und ein Koffer, der unter dem Bett verwahrt wird. Auf einem Tisch nahe einem Fenster, zwei Handcomputer. In den Anschluss des einen Computers wurde ein USB-Speichermedium eingeführt. Auf dem Bildschirm sind Verzeichnisse und Dateinamen zu erkennen, die sich auf jenem Speichermedium befinden. Auf dem Bildschirm des zweiten Computers ein ähnliches Bild, Verzeichnisse, Dateinamen, Zeitangaben, Größenordnungen. Was wir sehen, sind Computer des Mannes, der Mann arbeitet in Bergen im Bristol im Zimmer auf dem Knochenboden. Er sitzt vor den Bildschirmen und öffnet Dateien, um sie zu vergleichen, Texte im Blocksatz. Zeile um Zeile wandert der Mann mithilfe einer Bleistiftspitze durch das Gebiet der Worte, die ich nicht lesen kann, weil sie in einer Sprache notiert wurden, die mir unbekannt. Es scheint eine verschlüsselte Sprache zu sein, weshalb der Mann dazu gezwungen ist, jedes Zeichen für sich zu überprüfen. Fünf Stunden Arbeit am Vormittag, fünf Stunden Arbeit am Nachmittag, und weitere fünf Stunden am Abend bis in die Nacht. Der Mann trinkt Tafelwasser, raucht nicht, und isst gern Fisch, Dorsch, Seeteufel, Steinbutt. 277275 Dateien sind zu überprüfen, 12.532.365 Seiten. Er scheint noch nicht sehr weit gekommen zu sein. Die Vorhänge der Fenster sind zugezogen, es ist ohnehin gerade eine Zeit ohne Licht. Ein Mädchen, das ihm manchmal seinen Fisch serviert, macht ihm schöne Augen. Morgens sind die Hörner der Schiffe zu vernehmen, die den Hafen der Stadt verlassen. Es ist der 1. Dezember 2013. — stop
cairo
alpha : 4.32 — Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich vor zwei Jahren mit einem Bekannten führte, der lange Zeit in Ägypten lebte, genauer in Kairo am Nil. Er wurde in der alten, riesigen Stadt geboren, vor einem halben Jahrhundert. Ich hatte von unserem Gespräch bereits erzählt. Immer, wenn ich ihn seither getroffen hatte, stellte ich ihm Fragen: Warst Du zu Hause im Sommer? Wie geht es Deiner Familie? Was kostet ein Hotelzimmer in Kairo in sicherer Lage? Ich bemerkte, dass Belem sich über meine Fragen freute, aber er antwortete nur selten präzise, er sagte immer wieder, dass es eine Frage des Respekts sei, dass man irgendwie lernen müsse, gemeinsam zu arbeiten und zu leben. Viele Menschen seien arm, das sei das größte Problem, sie könnten nicht lesen und schreiben. Einmal fragte ich, ob er bereit wäre, einen kleinen Text aus der arabischen Sprache für mich zu übersetzen, einen Twitterbrief, den ich nicht lesen konnte. Aber das wollte Belem nicht, er schien sich in diesem Moment vor mir oder den Zeilen, die ich auf ein Stück Papier gedruckt hatte, zu fürchten. — Montag. Seit Stunden komme ich nicht weiter in der Lektüre digitaler Nachrichten aus Kairo. Ich versuche, zu verstehen. Es sind sehr seltsame Texte, die mir Übersetzungsmaschinen liefern, Bruchstücke, Ahnungen, Wortsand: Gott Ylankwa auf der Erde und im Himmel ein Fluch und Fluch ya Welad El Bhaim o oberste Karte Hunde vor Aiallk Einak Ahan fühlen Sodbrennen Herz Eltern und alle da Les Ahan Schafe Iowa euch haben tatsächlich Amorphophallus Rivieri CDDA Schafe ich Worte von Beleidigung und defekt, aber nach Li da Sie lip Tstahlwa schmutzigsten Beleidigung in Alashan Antua eigentlich Schafe und Hunde und Sklaven und Amrkwa welche Hatbkowa brauchen euch eine Betharbwa Alhan Cuesh Religion und nicht in die Heimat Euch Betharbwa Alhan 7tt jeder Hund und Ely ist Mursi nicht beigelegt. Mursi da wenn Ragel harte Masche 7tt Khrong wurde das Blut Division zu halten oder sogar mindestens seiner Familie und seinen Clan aber Lebensdauer Staaten Khainin Brüdern und beide Alaikum Ya Ya Welad Hunde Hunde / Und Gott Staatssicherheit haben sie Gnade, die uns von DVD Elly Zico Btalwa verließ die Sicherheit des Staates und die Herstellung da Rettung, welche Bektosh kennen sie lachen über Leute und Leute ich Tani Les ein Raza Ullah Einwohner in Sidi Gaber in der elften Runde ihre Brüder Embareh Æøáúæç Úáì Ãç Íþæã Èå Architektur und schlagen den Portier und sie in ihrer Wohnung waren und eine Stimme hörte zu mir sprechen und ich traf den Schuss und Aialha Horror und weinte und floh die besetzten Oberfläche Btaa Architektur, und Violine von Atrmi wurde die Violine ein Verbrecher und Embareh führen den Sicherheitsstatus / Erste Bewertungen über den Stausee ist klar, dass Kinder nicht müssen manuelle Illustrator Gabe Architektur der Eingang Portal Teilnehmer arbeiten und mehr Menschen sind entweder Kinder, ihre Eltern-Wächter, die nur Sie der Stausee-Entwicklung herausnehmen, aber sie Menschen, die sie benötigen sind, um Schutz gegen unsere Herrn sagen Ahan Mikhlinash Brüder hasste Sie jeden Bedarf wir sagen ganz klar die Szene zu einem meiner Brüder ist Bdkon NAS Keteer sehr Pädagogen Dkonhm Ägyptens und Familien starrte ist rührend, meine Brüder und Les in eine feste Schiene Und sie nehmen ihre Mode Welaikh und Gentleman und Menschen Wakhdinha das Alter des Propheten Christian Lehman Daqqoun Kinder-und Jugendsport halten Masche einer Bank, es nicht Brüder, ist vorausgesetzt die Tahrir Daqqoun Kteer waren die Rebellen, nicht Brüder natürlich sage ich allen mein Ziel, dass alle Medien benötigten zu Fuß und wir sahen, Schließung des Auges Ehna Lina in ich weggelassen Z Mabenshov CBC tagsüber DreamWorks benötigt, finden Sie unter Nile News und Arabisch und Al-Jazeera siehe Entwarnung Notwendigkeit gezeigt Nicht alle Kanäle Valfol Wahrheit und Bedauern-Verlängerung. — stop
ein zeppelinkäfer
echo : 2.54 — Wann war es, dass ich zum ersten Mal bemerkte, wie meine Briefe kleiner und kleiner wurden? Wesen von wirklichem Papier, Bögen in Umschlägen, mit einem Postwertzeichen, das zuletzt die Anschriftenseite meines Schreibens vollständig bedeckte. Im Postamt werde ich seither ernst genommen. Vor einigen Wochen kaufte ich sinnvollerweise ein handliches Mikroskop und einen Satz Bleistifte von äußerster Härte. Ich spitzte das Schreibwerkzeug eine Viertelstunde lang, dann legte ich einen Bogen Papier in das Licht einer Linse mittlerer Stärke. Ich näherte mich mit bebenden Fingern. Man sollte mich in diesem Moment gesehen haben. Bei jedem Wort, das ich auf das kleine Blatt notierte, hielt ich die Luft an. Tatsächlich habe ich in meinen Leben noch nie zuvor in einer derart sorgfältigen Weise geschrieben. Ich brauchte drei Stunden Zeit, um das Papier, das nicht größer gewesen war als eine Briefmarke von 1,5 cm Kantenlänge, vollständig zu beschriften. Ich schrieb folgende Zeilen an einen Freund: Lieber Stanislaw, Du wirst es nicht glauben, nach 1 Uhr heute Nacht schwebte ein Zeppelinkäfer einer nicht sichtbaren, schnurgeraden Linie über den hölzernen Fußboden meines Arbeitszimmers entlang, wurde in der Mitte des Zimmers von einer Luftströmung erfasst, etwas angehoben, dann wieder zurückgeworfen, ohne allerdings mit dem Boden in Berührung zu kommen. – Ein merkwürdiger Auftritt. – Und dieser großartige Ballon von opakem Weiß! Ein Licht, das kaum noch merklich flackerte, als ob eine offene Flamme in ihm brennen würde. Ich habe mich zunächst gefürchtet, dann aber vorsichtig auf Knien genähert, um den Käfer von allen Seiten her auf das Genaueste zu betrachten. – Folgendes ist nun zu sagen. Sobald man einen Zeppelinkäfer von unten her besichtigt, wird man sofort erkennen, dass es sich bei einem Wesen dieser Gattung eigentlich um eine filigrane, flügellose Käfergestalt handelt, um eine zerbrechliche Persönlichkeit geradezu, nicht größer als ein Streichholzkopf, aber schlanker, mit sechs recht langen Ruderbeinen, gestreift, schwarz und weiß gestreift in der Art der Zebrapferde. Fünf Augen in graublauer Farbe, davon drei auf dem Bauch, also gegen den Erdboden gerichtet. Als ich bis auf eine Nasenlänge Entfernung an den Käfer herangekommen war, habe ich einen leichten Duft von Schwefel wahrgenommen, auch, dass der Käfer flüchtet, sobald man ihn mit einem Finger berühren möchte. Ein Wesen ohne Laut. Dein Louis, herzlichst. — Es war eine wirklich harte Arbeit, all diese Zeichen zu notieren. Dann faltete ich das Blatt Papier einmal kreuz und quer. Ich arbeite mit zwei Pinzetten wiederum unter starkem Licht, steckte den Brief in ein Couvert, dessen Herstellung noch mühevoller gewesen war als das Schreiben des Briefes selbst, und machte mich auf den Weg in das nächste Postamt. Dort wurde ich unverzüglich an den Schalter für besondere Briefformate weitergeleitet, wo mein Brief, den ich mit einer Pinzette auf den Tresen befördert hatte, von einer weiteren Pinzette entgegengenommen wurde. Ich war sehr glücklich. Ich beobachtete, wie der Beamte eine Briefmarke von der Größe eines Reiskorns behutsam auf meinen Brief legte und mittels eines Stempels, der vor meinen bloßen Augen kaum noch sichtbar gewesen war, entwertete. Dann ging mein Brief auf Reisen. Er flog sehr weit durch die Luft, und ich habe ihn für kurze Zeit vergessen. Nun aber, vor wenigen Stunden, wurde mir von einem Sonderboten der Post ein Brief von derart leichter Gestalt übergeben, dass ich zunächst die Anweisung erhielt, alle Fenster meiner Wohnung zu schließen. Dieser Brief, eine Depesche meines Freundes, ruht vor mir auf dem Tisch. Es ist ein kleines Kunstwerk. Auf seiner Briefmarke sollen sich zwei Paradiesvögel befinden, die ihre Schnäbel kreuzen. Ich werde das gleich überprüfen. — Es ist Freitag! Guten Morgen! — stop / fürs mariechen
siri
sierra : 3.55 — Wenn ich mit Siri spreche, geht alles gut, solange ich nicht flüstere. Aber nun verzeichnen wir seit einigen Stunden doch Fortschritte auch in dieser kaum noch wahrnehmbaren Weise des Diktierens, weil ich hörte, ich könne Siri trainieren, wenn ich nur oft genug mit ihr sprechen, das heißt, so leise sprechen würde, dass ich meiner Stimme selbst gerade noch mit den Gedanken folgen kann. Zur Übung habe ich einen Text über das Verzehren von Büchern gewählt. Folgendes wurde von Siri an mich zurückgegeben. 1. Versuch um 2 Uhr und 55 Minuten: Ob es wirklich ist Papierart zu erfinden, die essbar sind, nachprüft und ob verdaulich könnte sich in einen Park sitzen beispielsweise etwas keckeren beobachten Mittelauweg oder Calvino Bücher die Seite für Seite nach belgischen Waffeln schmecken. 2. Versuch um 2 Uhr 58 Minuten: Ist vielleicht wirklich ist Papiere zu erfinden die essbar sind nahrhaft gut verdaulich man könnte sich in einen Park sitzen beispielsweise und etwas Chatwin beobachten oder Lauri oder kein Jugendbücher die Seite für Seite nach Pagendarm schmeckt nach mir einen Gin Petroleum sehr feinen Hölzern. 3. Versuch um 3 Uhr und 5 Minuten: Ob es vielleicht wirklich ist Papier zu bringen. Die essbar sind nahrhaft und ob vertraulich man könnte sich in einer Tagsatzung beispielsweise etwas checken begutachten oder Lauffreude oder Calvino welcher Seite für Seite nach Bergisch schmecken, nach Bergen schön Petroleo sehr veräppelt. — Für einen Moment hatte ich die Idee, Siri könnte eine Person, könnte vielleicht betrunken sein oder müde. Ich werde das beobachten. Folgender Text wurde zur Übung geflüstert: Ob es vielleicht möglich ist, Papiere zu erfinden, die essbar sind, nahrhaft und gut verdaulich? Man könnte sich in einen Park setzen, beispielsweise und etwas Chatwin beobachten oder Lowry oder Calvino, Bücher, die Seite für Seite nach belgischen Waffeln schmeckten, nach Birnen, Gin, Petroleum oder sehr feinen Hölzern. Einen speziellen Duft schon in der Nase, wird die erste Seite eines Buches gelesen, und dann blättert man die Seite um und liest weiter bis zur letzten Zeile, und dann isst man die Seite auf, ohne zu zögern. Oder man könnte zunächst das erste Kapitel eines Buches durchkreuzen, und während man kurz noch die Geschichte dieser Abteilung rekapituliert, würde man Stürme, Personen, Orte und alle Anzeichen eines Verbrechens verspeisen, dann bereits das nächste Kapitel eröffnen, während man noch auf dem Ersten kaut. Man könnte also, eine Bibliothek auf dem Rücken, für ein paar Wochen eisige Wüsten durchstreifen oder ein paar sehr hohe Berge besteigen und abends unterm Gaslicht in den Zelten liegen und lesen und kauen und würde von Nacht zu Nacht leichter und leichter werden. – Vier Uhr und fünfundvierzig Minuten in Aleppo, Syria. – stop