MELDUNG. Ameisengesellschaft LN – 788 [ lasius niger ] : Position 48°21’N 07°01’O : Folgende Objekte wurden von 14.00 – 15.55 Uhr MESZ über das nordwestliche Wendelportal ins Warenhaus eingeführt : siebenundzwanzig trockene Fliegentorsi mittlerer Größe [ je ohne Kopf ], sechzehn Baumstämme [ à 5 Gramm ], vier Raupen in Grün, zweihundertzwölf Raupen in Orange, zwei Insektenflügel [ vermutlich die eines Zwergkopfnachtfalters ], fünf Streichholzköpfe [ à 2 Gramm ], vier Fliegen der Gattung Calliphoridae in vollem Saft, sonnengetrocknete Rosenblätter [ ca. 20 Gramm ], einhundert-vierundvierzig Schneckenhäuser [ je ohne Schnecke ], acht gelähmte Schnecken [ je ohne Haus ], 5328 Ameisen anliegender Staaten [ betäubt oder tranchiert ], sechs Rüsselkäfer [ blautürkise ], die Aaskugel eines Pillendrehers, wenig später der Pillendreher selbst, eine Wildbiene, siebzehn Fragmente eines Blattes [ Ilias / Homer ] 7.5 Gramm. – stop
Aus der Wörtersammlung: kopf
gedankengang
alpha : 6.38 — Ich gehe ein paar Schritte nach links, dann gehe ich ein paar Schritte nach rechts. Sobald ich gehe, denke ich in einer anderen Art und Weise, als würde ich noch sitzen. Ich habe schon viel nachgedacht, während ich ging. Und ich habe schon viel vergessen, während ich ging. Wenn ich gehe, kommen die Gedanken aus der Luft und verschwinden wieder in die Luft. Wenn ich sitze, kommen die Gedanken aus meinen Händen. Sobald ich einmal nicht schreibe, ruhen meine Hände auf den Tasten der Schreibmaschine und warten. Sie warten darauf, dass eine Stimme in meinem Kopf diktiert, was zu schreiben ist. Ich könnte vielleicht sagen, dass meine Hände darauf warten, mein Gedächtnis zu entlasten. Was ich mit meinen Händen in die Tastatur der Maschine schreibe, habe ich gedacht, aber ich habe, was ich schrieb, nicht gelernt, nicht gespeichert, weil ich weiß, dass ich wiederkommen und lesen könnte, was ich notierte. Seltsame Dinge. Ich denke manchmal seltsame Dinge zum zweiten oder dritten Mal. Gerade eben habe ich wahrgenommen, dass es nicht möglich ist, zwei Zeichen zur selben Zeit auf meiner Schreibmaschine zu schreiben, immer ist ein Zeichen um Bruchteile von Sekunden schneller als das andere Zeichen. Wenn ich seltsame Dinge gedacht habe, freue ich mich. Wenn ich mich freue, kann ich nicht bleiben, wo ich bin. Die Freude ist ein Gefühl, das mich in Bewegung versetzt. Ich springe auf, wenn ich saß, oder ich springe in die Luft, wenn ich bereits auf meinen Beinen stand. Dann gehe ich ein paar Schritte nach links, dann gehe ich ein paar Schritte nach rechts. Sobald ich gehe, denke ich in einer anderen Art und Weise, als würde ich noch sitzen. — stop
von den ohrenvögeln
marimba : 18.15 — Über Ohrenvögel notieren. Ich entdeckte sie gestern während eines Spaziergangs. Ohrenvögel kommen ohne Ausnahme paarweise vor. Haut von hellem Leder, Haut, die man als Beobachter oder als Besitzer eines Ohrenvogelpärchens weithin überblicken kann, weil sie vollkommen nackt sind, abgesehen von ihren Flügeln, dort existieren Federn, so feine Federn, dass man sie, wüsste man es nicht besser, für Pelz halten könnte, Federpelze in Gelb und Rot und Blau, kräftige Farben, die eigenartigste Muster bilden, so individuell wie die Fingerabdrücke an den Händen menschlicher Wesen. Ohrenvögel sind von eher kleiner Gestalt, sind etwa so groß wie ein Fingerhut, und verfügen über Schnabelattrappen, die den Schnäbeln der Kolibris ähnlich sind. Überhaupt wird man sich als Betrachter der Ohrenvögel oft an genau diese Gattung kleinster Luftwesen erinnert fühlen. Das sehr Besondere an ihrer Existenz ist jedoch, dass sie den Körpern jener Menschen, die sie bewohnen, eng verbunden sind. Genauer gesagt, würden sie ohne diese Verbindung überhaupt nicht existieren, eine blaue, zarte Nabelschnur, so fein wie ein Faden Zwirn schließt sie an die Ohren der Menschen an, je ein Vogel links und ein Vogel rechts des Halses. Blut fließt von da nach dort, weswegen Ohrenvögel weder trinken noch essen, also auch nicht jagen oder sammeln. Man könnte vielleicht sagen, dass sie nur zum Vergnügen leben, zur Zierde und Freude auch jener Menschen, die sie begleiten. Wenn sie nicht Stunde um Stunde unter den Ohren ihrer Besitzer schaukeln und schlafen, fliegen sie sehr gern in der näheren Umgebung herum. Weit kommen sie selbstverständlich nicht, aber weit genug immerhin, um einander begegnen zu können, der eine Vogel zu Besuch auf der Halsseite des anderen, man sitzt dann gemeinsam auf einer Schulter und schaut auf die große Welt hinaus. Oder man trifft sich heimlich hoch oben auf dem Kopf des bewohnten Menschen, eine vertraute Welt, zur gegenseitigen Pflege und zum Gespräch. Ihre Stimmen sind so hell, dass menschliche Ohren nicht in der Lage sind, sie zu vernehmen. Nichts weiter. – stop
PRÄPARIERSAAL : schlafgänger
charlie : 6.54 — Otto Lilienthal soll als junger Mann ein Schlafgänger gewesen sein wie mein Vater. Ich erinnere mich, dass er einmal erzählte, er habe während früher Forschungszeit sein Bett mit einem „leichten Mädchen“ geteilt. Nachts schlief er auf ihrem Lager, tags sie auf dem Lager meines Vaters. Eine merkwürdige Vorstellung. Sie sind sich, wenn ich mich nicht irre, persönlich nie begegnet sein, aber ihren Gerüchen, Wärme, einem Körperabdruck, Haar. — Kurz vor Sonnenaufgang. Gerade eben lese ich einen E‑Mailbrief June’s, 22. Sie schildert in lakonischer Weise ihre Erfahrung eines Präpariersaales: > Der Tag des ersten Testates: Nervosität, Übelkeit, bestanden! Glücksgefühle, ab nach Hause, schlafen! Jetzt alles tun, außer lernen. Oh, es ist schon spät, verdammt, was muss ich morgen eigentlich machen? Das werde ich in der S‑Bahn schon noch herausfinden. Dann der erste Tag des neuen Abschnitts: Arm oder doch der Kopf? Was muss ich eigentlich tun? Ich hätte mir das gestern doch noch ansehen sollen, meine Assistentin wird mir schon helfen, erst mal das Fett abtragen, da kann ich nicht viel falsch machen. Was muss ich eigentlich finden? Ach, das finde ich morgen auch noch! Endlich nach Hause! – Der 2. Tag: Was habe ich heute zu unternehmen? Verdammt, warum meint mein Assistent, dass es nicht gut ist, dass ich diesen kleinen Hautnerv noch nicht gefunden habe. Feierabend! — Der 3. Tag: Nachtarbeit, müde! — Der 4. Tag. Ich bin schon wieder nicht vorbereitet, ich hatte so viel nachzuholen, bald ist erneut Testat und ich kann noch nicht einmal mein eigenes anatomisches Gebiet erklären. – 5. Tag, zwei Tage vor dem zweiten Testat: Panik! Ich habe überhaupt keine Ahnung. Ich muss noch so viel lernen, dass das alles niemals in meinen Kopf gehen wird. Ich habe zwar schon sehr viel gelernt, aber ich habe alles, was ich lernte, wieder vergessen. — 6. Tag, letzter Tag vor dem Testat: Ich glaube, mein Präpariergebiet kann ich jetzt inwendig und auswendig, aber ich weiß nichts vom Bein! Wenn ich über das Bein gefragt werde, dann falle ich durch! Ich muss noch dringend das Bein lernen! Nein, das lern ich jetzt nicht mehr. Mut zur Lücke. Nacht! — stop
summenlicht
himalaya : 3.15 — Über meinem Schreibtisch brennt seit einer Stunde ein warmes Licht, elektrisches Feuer, welches einem Glaskolben entkommt, in dem sich weitere kleinere Glaskolben befinden. Diese kleineren, unsichtbaren Glaskolben erzeugen das eigentliche Licht, das als Summenlicht durch das milchige Glas zu mir in den Raum entkommt. Ich dachte gerade eben noch, als ich eine Konstruktionszeichnung meiner neuesten Leuchtbirne betrachtete, dass sie Lichtbeeren enthält, Lichtkirschen genauer. Auf einem weiteren Zettel war das schöne Wort Lumen verzeichnet, außerdem der Hinweis, ich könnte meine Lampe 12000 Male ein und wieder ausschalten, ohne dass mein neues Licht daran zugrunde gehen würde. Noch viel erstaunlicher war mir vorgekommen, dass der Lichtkörper, den ich erworben hatte, 25 Jahre leuchten wird. Eine erstaunliche Aussage. Sie ist in einer Weise verzeichnet, als wäre ihre Grundlage Erfahrung. Ich habe mir gedacht, dass man vielleicht eine Möglichkeit gefunden haben könnte, die Zeit für Untersuchungen des Lichts derart zu beschleunigen, dass aus 25 Menschenjahren 2 Lampenmonate werden. Ich bekomme das bisher nicht vollständig in meinen Kopf, insbesondere den Gedanken nicht, dass ich nach meiner ersten schönen Lampenbirne zu meiner Lebzeit höchstwahrscheinlich nur noch eine weitere Frucht dieser Art für gute Sicht über meinem Schreibtisch erwerben werde. — stop
schrödingers katze
nordpol : 5.18 — Wie Sorge nach und nach leise ein Haus betritt, in welchem Menschen leben, die alt geworden sind. Sie erscheint als ein Tier, das nicht sichtbar ist, feinstes Gewebe in Bewegungen der Hausbewohner, in der Art, wie sie miteinander sprechen oder wovon sie nicht sprechen. Vater, der an seinem Tisch sitzt im Wohnzimmer. Sein leicht geneigter Kopf. Und dieser Blick, sprechendes Licht. Bin ich nicht vielleicht viel zu langsam geworden? Kann ich noch wirklich verstehen, was ihr mir zu sagen habt? Wer bin ich überhaupt? Bin ich noch der, für den Ihr mich haltet? Was erzählt ihr Euch über mich? Habt Ihr Geheimnisse vor mir, die mich betreffen? Ich bin so müde, wie kann man nur so müde sein, wie kann man nur immerzu so gerne schlafen. – Die Hand meines Vaters, die nicht mehr schreiben kann, nicht mehr so wie früher schreiben, diese kleinen genau kalkulierten Zeichen auf begrenzter Fläche der Papiere. Und dieser Computer, der macht, was er will. Und all diese Bücher, die noch einmal zu lesen sind, über den Urknall, solche Bücher, über Ägypten, über das Leben, Schrödingers Katze. – stop
stimmen zu st. georg
echo : 0.28 — Ein Spaziergang über den alten Münchner Friedhof St. Georg. Ich stand vor Liesl Karlstadts Grab, plötzlich hörte ich ihre Stimme, die von irgendwo her aus den Kastanienbäumen in nächster Nähe zu kommen schien. Orangefarbene Blüten, Fuchsköpfen ähnlich, lungerten auf dem kleinen Karlstadthügel. Blaue Fühlerkäfer hetzten über sandigen Boden. Waldbienen, Mooshummeln, Raupenfliegen, es sirrte und brummte in allen möglichen Tönen. Auf dem Gedenkstein für Rainer Werner Fassbinder hockte ein Marienkäfer von Holz, der Schirm eines Fächerahorns spendete Schatten. Auch an Fassbinders Stimme konnte ich mich sofort erinnern, ohne einen konkreten Satz aus seinem Munde zu vernehmen. Es war ganz so, als würden die Stimme in meinem Kopf eine Stimme simulieren. Erich Kästner allerdings war mir entweder abhandengekommen oder ich habe seine Stimme tatsächlich noch nie in meinem Leben gehört. Aber den Sedlmayr, Walter, erinnerte ich unverzüglich und auch die angenehm warme Stimme Bernd Eichingers, der so plötzlich gestorben war. Sommerfäden schwebten durch die Luft. Das Rascheln der Eichhörnchen unter dem Efeu. Über mir ein blaugrauer, blitzender Himmel. Es duftete nach Zimt, warum? Irgendwo in meinem Kopf, ich spürte das genau, muss eine Erinnerung an die Stimme Oskar Maria Grafs zu finden sein. Und wenn ich nun noch zwei oder drei Stunden auf meinem Sofa sitze und lausche in dieser stillen Nacht, wird sie vielleicht hörbar werden. — stop
ein zimmer
alpha : 6.28 — Halbdunkel. Vor einem Fenster steht ein Bett. Das Fenster ist leicht geöffnet, Jalousien rippen das Licht, das spärlich hereinkommt. Es könnte Vormittag sein oder Nachmittag. Zufällig habe ich den Film in genau dem Moment angehalten, als eine Fliege den aufgenommenen Flugraum durchkreuzt. Die Gestalt des Tieres ist nicht ganz scharf zu sehen, Beine, die fest an den Körper gepresst sind. Es ist die erste Fliege, die ich in dieser Haltung wahrnehme, ein kleiner Vogel, denke ich im ersten Moment, und dass diese Fliege eigentlich dort, wo sie sich befindet, nichts zu suchen hat. Es handelt sich bei dem abgedunkelten Raum um ein Hospitalzimmer. Neben dem Bett steht ein Tisch, dicht an einer Wand, deren Farbe blättert. Auf diesem Tisch kauert ein Gerät, das Kurven zeigt, Pulse, weiterhin Zahlen, Blutdruckwerte vielleicht. Eine Karaffe mit Flüssigkeit ist zu sehen und ein Schulheft, geöffnet, Schriftzeichen. Ich bin der arabischen Sprache nicht mächtig, und doch vermag ich zu erkennen, dass diese Schriftzeichen arabische Schriftzeichen sind, auch weil ich weiß, dass der Film, den ich angehalten habe, in der Stadt Tripolis aufgenommen sein könnte. Vermutlich wurden die Zeichen von einer jungen Frau geschrieben, die in jenem Bett liegt, auf welches das Zebrastreifenlicht fällt. Die Augen der jungen Frau sind geschlossen, ihre Haut ist weiß wie Schnee, ihr Kopf leicht nach links gerichtet oder gefallen. Ein sehr schöner Mund, das Haar von einem Kopftuch bedeckt. Die Ebenen unter ihren Augen erscheinen dunkel, Monde, Schattenmonde. Hände und Schultern liegen unter einer Decke verborgen, die hell ist, ein Laken. Kein Geräusch ist zu hören. Das Geräusch, das zu dem Film gehört, ist in dem Moment, da ich den Film angehalten habe, ausgefallen. Wenn man ein Geräusch anhält, hört man nichts. Das ist seltsam. Ich erinnere mich, dass da ein Geräusch gewesen war, kurz bevor ich den Lauf des Filmes stoppte, Stimmen auf einem Flur und ein Rauschen, ich nehme an, vom Fenster her. Die Augen der liegenden Frau waren geöffnet gewesen, dunkle Augen, und doch hell und weit. Sie erzählte, dass sie nicht wisse, wie sie hierhergekommen sei. Man habe ihr berichtet, dass man sie in einem Auto über die Grenze brachte, aber sie wisse das nicht mit Sicherheit, weil sie sich nicht erinnern könne. Ihre Beine seien fort. Und ihre beiden Kinder, Mädchen, seien tot. Und ihr Bruder. Und ihre Mutter. Aber auch das wisse sie nicht genau, man habe ihr das erzählt, aber sie könne sich nicht erinnern. Dann schloss sie die Augen. Und ich habe den Film angehalten. Ich habe den Film angehalten in genau dem Moment, da eine Fliege das Bild kreuzte. Kein Ton. — stop
glück
india : 6.00 — Am Flughafen arbeitet ein zierlicher Mann. Er kommt aus Indien, aus Kalkutta genauer, lebt aber schon lange Zeit hier im Exil. Europa ist gut, sagt er, nicht so anstrengend wie meine Heimat. Er heißt Singh, so muss das sein, und steht hinter dem Tresen einer schicken Bar, Terminal 2. Mr. Singh arbeitet seit zehn Jahren immer nur nachts, jede Nacht, Jahr ein Jahr aus, weil ihm der kleine Laden zur Pacht gehört. Hier kann man Rauchwaren kaufen und Zeitungen in allen möglichen Sprachen und Bourbon trinken, leise Jazzmusik im Hintergrund kommt aus Lautsprechern, manche Menschen schlafen an den Tischen ein und werden niemals geweckt, der kleine Mann ist gern ein Wächter der Schlafenden, der Gestrandeten. Wenn er die englische Sprache spricht, dann hört sich das an, als würde seine Zunge auf Stelzen gehen. Deutsch kann er nicht sehr gut, muss er auch nicht, weil er am Flughafen arbeitet, weil hier internationaler Luftraum ist, auch nachts, wenn nichts fliegt, außer im Sommer ein paar Falter, die sich in die Hallen verirrten. Menschen wie ich, sagt Mr. Singh, die nachts arbeiten und am Tag schlafen, fallen die Augen aus dem Kopf. Glauben Sie mir, junger Mann, das ist schon mein fünftes oder sechstes Paar Augen, das Sie hier vor sich sehen. Mit diesen Augen, die frisch und jugendlich zu sein scheinen, schaut er mir seit geraumer Zeit zu, wie ich meine Schreibmaschine bearbeite. Er scheint sehr aufmerksam und tatsächlich interessiert zu sein. Ich erzähle ihm vom Erfinden. Dass das ein wenig wie Fliegen sei. Sobald man einmal losgeflogen ist, kann man nicht einfach wieder aufhören, das wäre eine Katastrophe. Also, sage ich, dass ich mich sehr frei fühle, indem ich notiere. Und ich denke: Diese schönen Augen, wie sie mich sanft betrachten. Und ich erzähle weiter davon, dass ich einen Mann erfunden habe, der Bienen beobachtet. Der Mann führe ein Funkgerät mit sich, er melde an ein Wettbüro, das sich im Seebad Brighton an der englischen Küste befindet, welche Strecken die Bienen fliegen, darauf könne man sein Glück setzen, große Beträge, kleine Beträge. Welche Blume wird die nächste sein, die Blüte einer Mohnblume oder die Blüte eines Löwenzahns? Feuernelken und Bergleberblümchen sind selten, mit Feuernelken und Bergleberblümchen kann man wohlhabend werden. Und wieder diese schönen Augen, wie sie mich betrachten, dunkelgoldene, große Augen, Augen in einem zierlichen Männergesicht, Augen, die Augen einer Frau sein könnten. Augenäpfel. — stop
bienengeschichte
himalaya : 5.52 — Die folgende Geschichte ist natürlich eine erfundene Geschichte. Aber ich tue so als wäre sie nicht erfunden. Am besten beginne ich in dieser Weise: Seit zwei Wochen halte ich mich stundenlang unter freiem Himmel auf. Das ist deshalb so gekommen, weil ich eine Aufgabe übernommen habe, die mir nach wie vor sehr interessant zu sein scheint. Ich beobachte Bienen, wie sie sich über eine Wiese fortbewegen. Deshalb liege oder knie ich oder laufe gebückt dahin, den Kopf dicht über dem Boden, was nicht immer leicht ist, weil Bienen doch schnelle Flieger sind. Jene Bienentiere, die ich beobachte, wohnen in nächster Nähe am Saum eines Waldes, dessen präzise Position ich nicht verraten darf. Sie tragen Nummern von 1 bis 100 auf ihren Rücken, was für meine Arbeit sehr bedeutend ist, da ich Bienen, die ohne eine Nummer sind, niemals beachte. So lautet meine Instruktion, Bienen ohne Nummer ist nicht zu folgen, vielmehr ist so lange Zeit am Rande der Wiese zu warten, bis eine Biene mit Kennzeichnung auf der Wiese erscheint. Ich trage eine Schirmmütze gegen die Blendwirkung der Sonne und eine Monokellupe, die vor meinem rechten Auge sitzt und mir einen präzisen Blick in die kleine Welt der Bienen in der Nähe des Bodens ermöglicht. Genaugenommen ist es meine vornehme Aufgabe, eine Biene, die ich einmal in den Blick genommen habe, solange wie möglich zu begleiten auf ihrem Flug von Blüte zu Blüte. Ich bin indessen nicht einmal stumm. Ich sage zum Beispiel: Hier spricht Louis. Es ist 15 Uhr und 12 Minuten. Ich folge Biene No. 58. Wir nähern uns einer Butterblumenblüte. Ja, das genau sage ich laut und deutlich. Ich spreche in ein Funkgerät, von dem ich weiß, dass mir in der Ferne im Seebad Brighton an der englischen Küste irgendjemand an einem anderen Funkgerät zuhört. Ich sage: Hier spricht Louis. Biene No 58: Landung Butterblume. OVER! Dann betrachte ich die Biene, wie sie in der Blüte arbeitet und warte. Bald fliegt die Biene weiter und ich sage kurz darauf: Biene No 58: Landung Feuernelke. OVER! Ja, so mache ich das. Ich werde immer besser darin. Ich glaube, die Bienen mögen mich. Ich bin ihnen vertraut geworden. In einigen Tagen werde ich vielleicht etwas genauer erzählen, warum ich Bienen beobachte. Jetzt bin ich müde. Es ist Samstag. Nachtwolken rasen über den Himmel. Was Frankie wohl gerade macht? — stop