Aus der Wörtersammlung: hut

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ai : FRANKREICH

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MENSCHEN IN GEFAHR: „Mehr als 200 Roma, dar­un­ter 50 Kin­dern, droht die rechts­wid­ri­ge Zwangs­räu­mung. Gegen die Bewohner_innen einer infor­mel­len Sied­lung nahe der fran­zö­si­schen Gemein­de Bobi­gny wur­de ein Räu­mungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet. Das Urteil eines Gerichts in Bobi­gny wird für den 30. Mai erwar­tet. / Die Bewohner_innen der Sied­lung nahe Bobi­gny, nord­öst­lich der Haupt­stadt Paris, wur­den offi­zi­ell am 23. Mai durch einen Gerichts­die­ner über das lau­fen­de Räu­mungs­ver­fah­ren infor­miert. Weni­ge Tage zuvor kamen Behördenvertreter_innen in die Sied­lung und teil­ten den Roma mit, dass ihre Wohn­stät­ten am 2. Juni geräumt wür­den. Aller­dings erklär­ten sie den Bewohner_innen nicht, wie genau dies gesche­hen wür­de, was bei den Roma Besorg­nis und Furcht her­vor­rief. Amnes­ty Inter­na­tio­nal geht davon aus, dass die Siedlungsbewohner_innen nicht kon­sul­tiert wur­den und den Fami­li­en kei­ne alter­na­ti­ven Unter­kunfts­mög­lich­kei­ten ange­bo­ten wor­den sind. Die Roma befin­den sich nun in einer pre­kä­ren Situa­ti­on ohne Per­spek­ti­ve und sind in Gefahr, obdach­los zu wer­den. / Die Kin­der der Sied­lung sind an ihren Schu­len gut inte­griert und wer­den von ihren Mitschüler_innen und Lehrer_innen unter­stützt. Die fran­zö­si­sche inter­mi­nis­te­ri­el­le Ver­tre­tung für Woh­nen (Délé­ga­ti­on inter­mi­nis­té­ri­el pour l’hé­ber­ge­ment et l’ac­cès au loge­ment — DIHAL) hat die Bil­dung, die Roma-Kin­der in Bobi­gny der­zeit erhal­ten, als Bei­spiel für “gute Pra­xis” gelobt. Wenn die­se Fami­li­en ver­trie­ben wer­den, wird dies die Schul­bil­dung der Kin­der beein­träch­ti­gen, wie bereits in ande­ren Fäl­len rechts­wid­ri­ger Zwangs­räu­mun­gen gesche­hen, die von Amnes­ty Inter­na­tio­nal doku­men­tiert wur­den. Vie­le Jugend­li­che der Sied­lung enga­gie­ren sich ehren­amt­lich im Rah­men eines Pro­jekts zur sozia­len Inklu­si­on, das von Rom Civic ins Leben geru­fen wur­de, eine Initia­ti­ve, die von ver­schie­de­nen Minis­te­ri­en, die für jun­ge Men­schen, Woh­nungs­bau und sozia­le Inklu­si­on zustän­dig sind, begrüßt wird. Vie­le der erwach­se­nen Siedlungsbewohner_innen leben seit über zehn Jah­ren in Frank­reich, spre­chen Fran­zö­sisch und haben ent­we­der eine Arbeits­stel­le oder sind aktiv arbeits­su­chend. / Soll­te die­se rechts­wid­ri­ge Zwangs­räu­mung tat­säch­lich statt­fin­den, so wür­de sie gegen inter­na­tio­na­le Stan­dards ver­sto­ßen, die rechts­wid­ri­ge Zwangs­räu­mun­gen unter­sa­gen und fest­le­gen, dass Räu­mun­gen nur dann recht­mä­ßig sind, wenn die im Völ­ker­recht vor­ge­ge­be­nen Bestim­mun­gen über ent­spre­chen­de Schutz­maß­nah­men ein­ge­hal­ten wer­den. Hier­zu gehört auch die Vor­ga­be, den Betrof­fe­nen ange­mes­se­ne Alter­na­tiv­un­ter­künf­te zur Ver­fü­gung zu stel­len. Eine rechts­wid­ri­ge Zwangs­räu­mung der Sied­lung wür­de alle Fort­schrit­te, die von den Fami­li­en bei der Inte­gra­ti­on in die loka­le Gemein­de bereits erzielt wur­den, wie­der zunich­te­ma­chen.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 2. Juni 2014 hin­aus, unter »> ai : urgent action

ping

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stonington island

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whis­key : 2.32 — Das Labor der Eis­bü­cher, mit dem ich vor weni­gen Minu­ten tele­fo­nier­te, befin­det sich seit zwölf Wochen auf Ston­ing­ton Island, einer fel­si­gen Gegend am nörd­li­chen Rand des ant­ark­ti­schen Kon­ti­nents. Ich habe einen Text trans­fe­riert, der in die­sen Minu­ten mög­li­cher­wei­se von feins­ten Frä­sen in Eis­blät­ter ein­ge­tra­gen wird. Ich stel­le mir vor, ein hel­les Geräusch ist zu ver­neh­men, in dem ein Robo­ter äußerst behut­sam zu schrei­ben beginnt. Es geht dar­um, das Eis­blatt nicht zu zer­bre­chen, das so dünn ist, dass man mit einer Taschen­lam­pe hin­ter die Zei­chen mei­nes Tex­tes leuch­ten könn­te. Es ist kalt, der Wind pfeift um höl­zer­ne Bara­cken, in wel­chen hun­der­te Schreib­ma­schi­nen bewe­gungs­los war­ten, bis man sie anruft. Fol­gen­de Geschich­te habe ich ins Tele­fon gespro­chen: Drau­ßen, vor weni­gen Stun­den noch, rausch­te Was­ser vom Him­mel. Aber jetzt ist es still. Es ist eine tat­säch­lich nahe­zu geräusch­lo­se Nacht. Die letz­te Stra­ßen­bahn ist längst abge­fah­ren, kein Wind, des­halb auch die Bäu­me still und die Vögel, alle Men­schen im Haus unter mir schei­nen zu schla­fen. Für einen Moment dach­te ich, dass ich viel­leicht wie­der ein­mal mein Gehör ver­lo­ren haben könn­te, ich sag­te zur Sicher­heit ein Wort, das ich ges­tern ent­deck­te: Kapr­un­bi­ber. Das Wort war gut zu hören gewe­sen, mei­ne Stim­me klang wie immer. Aber auf dem Fens­ter­brett hockt jetzt ein Mari­en­kä­fer, einer mit gel­bem Pan­zer, sie­ben Punk­te, ich habe nicht bemerkt, wie er ins Zim­mer geflo­gen war. Es ist nicht der ers­te Käfer die­ses Jah­res, aber einer, den ich mit ganz ande­ren Augen betrach­te. Ich hat­te für eine Sekun­de die Idee, die­ser Käfer könn­te viel­leicht ein künst­li­cher Käfer sein, einer, der mich mit dem Vor­satz besuch­te, Foto­gra­fien mei­ner Woh­nung auf­zu­neh­men, oder Gesprä­che, die ich mit mir selbst füh­re, wäh­rend ich arbei­te. War­um nicht auch ich, dach­te ich, ein Ziel. Ich nahm den Käfer, der sei­ne Geh­werk­zeu­ge unver­züg­lich eng an sei­nen Kör­per leg­te, in mei­ne Hän­de und trans­por­tier­te ihn in die Küche, wo ich ihn in das grel­le Licht einer Tisch­lam­pe leg­te. Wie ich ihn betrach­te­te, bemerk­te ich zunächst, dass ich nicht erken­nen konn­te, ob der Käfer in der künst­li­chen Hel­lig­keit sei­ne Augen geschlos­sen hat­te. Weder Herz­schlag noch Atmung waren zu erken­nen, auch nicht unter einer Lupe, nicht die gerings­te Bewe­gung, aber ich fühl­te mich von dem Käfer selbst beob­ach­tet. Also dreh­te ich den Käfer auf den Rücken und such­te nach einem Zugang, nach einem Schräub­chen da oder dort, einer Ker­be, in wel­che ich ein Mes­ser­werk­zeug ein­füh­ren könn­te, um den Pan­zer vom Käfer zu heben. Man stel­le sich ein­mal vor, ein klei­ner Motor wäre dort zu fin­den, Mikro­fo­ne, Sen­der, Lin­sen, es wäre eine unge­heu­re Ent­de­ckung. Gegen­wär­tig zöge­re ich noch, den ers­ten Schnitt zu setz­ten, es reg­net wie­der, jawohl, ich wer­de am bes­ten zunächst noch ein wenig den Regen beob­ach­ten, es ist kurz nach drei. – stop

polaroidtapete

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terminal nachts

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tan­go : 2.28 — Ges­tern beob­ach­te­te ich einen Mann, wie er in einem Buch las. Er saß nahe einem Café im Flug­ha­fen­ter­mi­nal 1 auf sei­nem Kof­fer, lehn­te mit dem Rücken an einer Wand, bei­de Füße fest auf dem Boden. Außer­dem trug er einen breit­krem­pi­gen Hut von brau­ner Far­be auf dem Kopf und ein blau­es Hemd, wel­ches der­art leuch­te­te, dass mei­ne Augen bald schmerz­ten. Aber im Grun­de war ich auf den Mann nicht wegen sei­ner äuße­ren Erschei­nung auf­merk­sam gewor­den, es war die Metho­de, wie er die Erzäh­lung The Pri­ce of Salt von Patri­cia High­s­mith stu­dier­te. Ehe er näm­lich eine neue Sei­te des Buches zu lesen begann, riss er die­se nächs­te zu lesen­de Sei­te aus dem Kör­per des Buches her­aus, führ­te sie nahe an sei­ne Augen her­an, las, dreh­te die Sei­te her­um, las wei­ter, um kurz dar­auf die gele­se­ne Sei­te in die Tasche sei­nes Jacketts zu stop­fen. Das Jackett beul­te bereits auf bei­den Sei­ten deut­lich, weil das Buch bis zur Hälf­te gele­sen wor­den war. Genau genom­men zer­leg­te der Mann das Buch, das er las, in sei­ne papie­re­nen Ein­zel­tei­le, das Buch ver­schwand sozu­sa­gen unter sei­nen Hän­den, das waren übri­gens win­zi­ge Hän­de, die Hän­de eines Kin­des. Natür­lich kann ich an die­ser Stel­le kei­ne Aus­sa­ge dar­über machen, ob der Mann mit jedem der Bücher sei­nes Lebens so gehan­delt hat­te. Wann war es gewe­sen, als er die ers­te Sei­te aus einem Buch ent­nahm? Und war­um? Ich woll­te den Mann fra­gen, aber irgend­et­was hin­der­te mich dar­an, zu ihm zu gehen. Um kurz nach zwei Uhr stand ich auf und ging nach Hau­se. — stop

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ai : MEXIKO

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MENSCHEN IN GEFAHR: „2013 nah­men die Ein­wan­de­rungs­be­hör­den Mexi­kos 82 269 Migran­tIn­nen fest und 75 704 wur­den abge­scho­ben, die gro­ße Mehr­heit nach Gua­te­ma­la, Hon­du­ras und El Sal­va­dor. Eine grö­ße­re Zahl mit­tel­ame­ri­ka­ni­scher Migran­tIn­nen ver­such­te, in die USA zu gelan­gen. In Mexi­ko erlei­den vie­le Migran­tIn­nen wei­ter­hin Ver­stö­ße durch die Poli­zei, und ande­re wer­den Opfer geziel­ter Ent­füh­run­gen, des Men­schen­han­dels, von Ver­ge­wal­ti­gung und Tötun­gen durch kri­mi­nel­le Ban­den, die häu­fig im Ein­ver­neh­men mit loka­len Behör­den agie­ren. Refor­men der Migra­ti­ons­ge­setz­ge­bung, die man­che Rech­te von Migran­tIn­nen, ins­be­son­de­re das Recht auf Schutz und Zugang zur Jus­tiz stärk­ten, wur­den nicht ange­mes­sen umge­setzt. Die natio­na­le Stra­te­gie zur Bekämp­fung der Ent­füh­rung von Migran­tIn­nen zieht immer noch kei­ne kri­mi­nel­len Ban­den und Mit­ar­bei­te­rIn­nen von Behör­den zur Ver­ant­wor­tung, die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Migran­tIn­nen bege­hen. 2011 berich­te­te die natio­na­le Men­schen­rechts­kom­mis­si­on von 10 00 Ent­füh­run­gen von Migran­tIn­nen ohne regu­lä­ren Auf­ent­halts­sta­tus durch kri­mi­nel­le Ban­den in einem Zeit­raum von nur sechs Mona­ten, häu­fig im Ein­ver­neh­men mit Behör­den­ver­tre­te­rIn­nen. Die Ver­ant­wort­li­chen für Ver­schlep­pun­gen und ande­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Migran­tIn­nen wer­den nur sel­ten zur Rechen­schaft gezo­gen. / Die Behör­den auf Bun­des­staa­ten­ebe­ne igno­rie­ren die Mise­re der Migran­tIn­nen zu gro­ßen Tei­len, und die Bun­des­be­hör­den sehen Migran­ten­strö­me zuneh­mend als Gefahr für die natio­na­le Sicher­heit, statt die Sicher­heit von Migran­tIn­nen auf der Durch­rei­se zu gewähr­leis­ten. Vor kur­zem reis­ten Müt­ter von Migran­tIn­nen aus Mit­tel­ame­ri­ka auf der Suche nach ihren Kin­dern durch Mexi­ko und for­der­ten staat­li­che Unter­su­chun­gen. Die natio­na­le Men­schen­rechts­kom­mis­si­on ver­öf­fent­lich­te kürz­lich einen unbe­frie­di­gen­den Bericht zu der Tötung von 72 Migran­tIn­nen in San Fer­nan­do im Bun­destaat Tamau­li­pas im August 2010. Das Ver­sa­gen der Behör­den beim Schutz des Rechts auf Leben der Migran­tIn­nen und der umfas­sen­den Auf­klä­rung des Mas­sa­kers war nicht Inhalt des Berichts. Er beschränk­te sich auf begrenz­te Aspek­te des Falls im Zusam­men­hang mit grob feh­ler­haf­ten foren­si­schen Unter­su­chun­gen zur Iden­ti­fi­zie­rung der Opfer. Die Leich­na­me aus ande­ren Mas­sa­kern, / von denen vie­len ver­mut­lich Migran­tIn­nen sind, sind noch gar nicht iden­ti­fi­ziert wor­den. / Amnes­ty Inter­na­tio­nal ver­öf­fent­lich­te 2010 einen Bericht über die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Migran­tIn­nen auf der Durch­rei­se durch Mexi­ko mit dem Titel “Invi­si­ble Vic­tims: Migrants on the move in Mexi­co”. Amnes­ty Inter­na­tio­nal hat eine Akti­on ins Leben geru­fen, um die Mise­re der Migran­tIn­nen auf dem Weg durch Mexi­ko sicht­bar zu machen.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 6. Mai 2014 hin­aus, unter »> ai : urgent action

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lichtbild : krim

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kili­man­dscha­ro : 1.55 — Die Nach­rich­ten­agen­tur Asso­cia­ted Press ver­öf­fent­lichte ges­tern eine bemer­kens­werte Foto­gra­fie. Men­schen sind zu sehen, die an der Kas­se eines Ladens dar­auf war­ten, bedient zu wer­den, oder Waren, die sie in Plas­tik­beu­teln mit sich füh­ren, bezah­len zu dür­fen. Es han­delt sich bei die­sem Laden offen­sicht­lich um ein Lebens­mit­tel­ge­schäft, das von künst­li­chem Licht hell aus­ge­leuch­tet wird. Im Hin­ter­grund, rech­ter Hand, sind Rega­le zu erken­nen, in wel­chen sich Sekt– und Wein­fla­schen anein­an­der­rei­hen, gleich dar­un­ter eine Tief­kühl­truhe, in der sich Spei­se­eis befin­den könn­te, und lin­ker Hand, an der Wand hin­ter der Kas­se, wei­tere Rega­le, Zeit­schrif­ten, Spi­ri­tuo­sen, Scho­ko­lade, Bon­bon­tü­ten. Es ist alles sehr schön bunt, der Laden könn­te sich, wenn man bereit ist, das ein oder ande­re erkenn­bare kyril­li­sche Schrift­zei­chen zu über­se­hen, in einem Vor­ort der Stadt Paris befin­den oder irgend­wo in einem Städt­chen im Nor­den Schwe­dens, nahe der Stadt Rom oder im Zen­trum Lis­sa­bons. Es ist Abend, ver­mut­lich oder Nacht, eine küh­le Nacht, weil die Frau, die vor der Kas­se war­tet, einen Ano­rak trägt von hell­blauer Far­be und fei­ne dunk­le Hosen. Ihre Schu­he sind nicht zu erken­nen, aber die Schu­he der Män­ner, die gleich hin­ter ihr in der Rei­he der War­ten­den vor der Kas­se ste­hen, es sind vier Per­so­nen ver­mut­lich mitt­le­ren Alters. Sie tra­gen schwar­ze, geschmei­dig wir­kende Mili­tär­stie­fel, außer­dem Uni­for­men von dun­kel­grü­ner Far­be, run­de Schutz­helme, über wel­chen sich eben­so dun­kel­grüne Tarn­stoffe span­nen, wei­ter­hin Wes­ten mit aller­lei Kampf­werk­zeu­gen, der ein oder ande­re der Män­ner je eine Sturm­wind­brille, Knie­schüt­zer, Hand­schuhe. Die Gesich­ter der Män­ner sind der­art ver­mummt, dass nur ihre Augen wahr­zu­neh­men sind, nicht ihre Nasen, nicht ihre Wan­gen, nicht ihre Mün­der, sie wir­ken kampf­be­reit. Einer der Män­ner schaut miss­trau­isch zur Kame­ra hin, die ihn ins Visier genom­men hat, ein Blick kurz vor Gewalt­tä­tig­keit. — Jeder Blick hin­ter einer Mas­ke her­vor ist ein selt­sa­mer Blick. — Ein ande­rer der Män­ner hält sei­nen geöff­ne­ten Geld­beu­tel in der Hand. Die Män­ner wir­ken alle so, als hät­ten sie sich gera­de von einem Kriegs­ge­sche­hen ent­fernt oder nur eine Pau­se ein­ge­legt, ehe es wei­ter gehen kann jen­seits die­ses Bil­des, wel­ches Erstau­nen oder küh­le Furcht aus­zu­lö­sen ver­mag. Ich stel­le mir vor, ihre Sturm­ge­wehre lehn­ten vor dem Laden an einer Wand. Und wenn wir gleich her­aus­tre­ten an die fri­sche Luft, wenn wir den Blick zum Him­mel heben, wür­den wir die Ster­ne über Sim­fe­ro­pol erken­nen, oder über Jal­ta, über Sudak, über einer Land­stra­ße, die im April 1986 gut infor­mier­te Men­schen der sowje­ti­schen Nomen­kla­tu­ra in Bus­sen aus dem Nor­den süd­wärts führ­te, wäh­rend zur glei­chen Zeit Fahr­zeu­ge der Land­streit­kräf­te Tau­sen­de Ahnungs­lo­ser nord­wärts in die ent­setz­li­chen Strah­lungs­fel­der Tscher­no­byls trans­por­tier­ten. – stop

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luftmeduse

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echo : 0.28 — Eine Pflan­ze ist denk­bar, wel­che zeit­le­bens als flie­gen­des Wesen exis­tiert. Sie wird in der Luft gebo­ren und dort stirbt sie am Ende auch, ohne je den Erd­bo­den berührt zu haben. Irgend­wie scheint sie trotz­dem den Laub­moo­sen ver­wandt, sie schätzt den Wind und den Regen, vor län­ge­rer Zeit ein­mal muss sie dann abge­ho­ben sein, hält sie sich nun bevor­zugt in einer Höhe von 1000 bis 2000 Metern frei schwe­bend auf. Es darf dort nicht zu kalt und nicht zu tro­cken sein, sie ist dem­zu­fol­ge ein Geschöpf eher feuch­ter, war­mer, äqua­to­ria­ler Gebie­te. Man könn­te sagen, dass sie mit­tels einer Lupe betrach­tet Medu­sen­tie­ren ähn­lich ist, Zwerg­me­du­sen, weil von klei­ner Gestalt, ihre Blü­ten, dort wo der Wind sie bestäubt, sind trans­pa­ren­te Gewe­be, nicht grö­ßer als Mari­en­kä­fer­ge­häu­se, wel­che der­art ange­ord­net sind, dass der Wind die flie­gen­de Pflan­ze in eine vor­be­stimm­te Him­mels­rich­tung treibt. Man ernährt sich vom Licht der Son­ne, vom Was­ser, das sich in der Luft, das heißt, in den Wol­ken befin­det, und von mine­ra­li­schen Stäu­ben, die die Welt umkrei­sen. Ihre Wur­zeln sind fei­nen Füh­lern ähn­lich, aller­dings abwärts gerich­tet, dem Erd­bo­den zu, sie sind in der Lage, mit kleb­ri­gem Film, der sie bedeckt, alles das fest­zu­hal­ten oder ein­zu­fan­gen, was in der Grö­ße zu ihnen passt. Manch­mal, in den Zei­ten größ­ter Not, fres­sen sie ein­an­der auf, was im Prin­zip eine leich­te Sache ist, weil man nicht sel­ten, zu Kolo­nien ver­wach­sen, in nächs­ter Nähe zuein­an­der lebt, wes­halb man vor­ein­an­der nicht flüch­ten kann. Die schnel­le­re unter zwei Nach­bar­pflan­zen gewinnt, ist aller­dings sehr häu­fig bereits selbst schon von ande­rer Sei­te her behut­sam ange­tas­tet. Das sind Tra­gö­di­en der Luft, die sich unauf­hör­lich und voll­kom­men geräusch­los voll­zie­hen, ein Kom­men und Gehen, wo sie sich über den Him­mel bewe­gen, herrscht Däm­me­rung, ster­ben die Wäl­der des Bodens, Wie­sen, Step­pen, Gär­ten. Flie­gen­de Pflan­zen sind nicht ohne Grund strengs­tens ver­bo­te­ne Erfin­dun­gen. – stop

ping

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code blue

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gink­go

~ : malcolm
to : louis
sub­ject : CODEBLUE
date : jan 8 14 3.15 p.m.

Eis schin­delt auf der Upper New York Bay. Es ist kalt gewor­den, kla­re Luft. Seit zwei Tagen ankert das Fähr­schiff John F. Ken­ne­dy vor dem Saint Geor­ge Ter­mi­nal. Wir haben Erlaub­nis, an Bord zu blei­ben. Not­be­leuch­tung auf den Decks. Alli­son war kurz an Land gegan­gen, um Erd­nüs­se für Fran­kie zu besor­gen. Er tollt jetzt schon seit Stun­den auf dem Schiff her­um, als wür­de es ihm allein gehö­ren. Wir erle­ben in die­ser Wei­se eine ruhi­ge Zeit, nie­mand hier, der Fran­kie zu nahe kom­men könn­te. Von der Besat­zung des Schif­fes ist nur ein Matro­se geblie­ben. Er hat damit begon­nen, die Rah­men der Fens­ter zu strei­chen. Auf den Fähr­schif­fen, die an uns vor­bei­zie­hen, sind ver­mumm­te Pas­sa­gie­re zu erken­nen. Man­che wagen sich auf die Pro­me­na­den hin­aus, vie­le tra­gen Mas­ken vor ihrem Gesicht, ein unheim­li­cher Anblick. Und das Knis­tern des Eises, das sich in Ufer­nä­he sofort wie­der hin­ter den Schif­fen schließt. Noch ist es kein Hin­der­nis. Schol­len rich­ten sich senk­recht auf, blei­ben ste­hen wie mes­ser­schar­fe Zäh­ne. Ein Tran­sis­tor­ra­dio spielt Jazz­mu­sik. Stünd­li­che Nach­rich­ten von der Lage in der Stadt. Kir­chen und Schutz­räu­me sol­len für Per­so­nen ohne Woh­nung geöff­net wor­den sein. Wir fra­gen uns, ob Fran­kie im Cen­tral Park über­lebt haben wür­de. Wei­ter­hin, auch nachts, sind Möwen am Him­mel. — Mal­colm. Ahoi! / code­wort : codeblue

emp­fan­gen am
8.01.2014
1171 zeichen

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polaroidlungen

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schachtelzimmer

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echo : 0.02 — Julio Cor­tá­zar erzählt in sei­nem Kalei­do­skop Rei­se um den Tag in 80 Wel­ten eine Geschich­te, in wel­cher eine Flie­ge von zen­tra­ler Bedeu­tung ist. Die­se Flie­ge soll auf dem Rücken geflo­gen sein, als der Autor sie ent­deck­te, Augen nach unten dem­zu­fol­ge, Bein­chen nach oben, ein für Flie­gen­tie­re nicht übli­ches Ver­hal­ten. Natür­lich muss­te die­se selt­sa­me Flie­ge unver­züg­lich näher betrach­tet wer­den. Julio Cor­tá­zar erfand des­halb ein Zim­mer, in wel­chem die Flie­ge fort­an exis­tier­te, und einen Mann, der die Flie­ge zu fan­gen such­te. Wie zu erwar­ten gewe­sen, war der Mann in sei­ner Beweg­lich­keit viel zu lang­sam, um die Flie­ge behut­sam, das heißt, ohne Beschä­di­gung, erha­schen zu kön­nen. Er bemüh­te sich red­lich, aber die Flie­ge schien jede sei­ner Bewe­gun­gen vor­her­zu­se­hen. Nach einer Wei­le mach­te sich der Mann dar­an, das Zim­mer, in dem er sich mit der Flie­ge auf­hielt, zu ver­klei­nern. Er fal­te­te Papie­re zu Schach­teln, die den Flug­raum der beson­de­ren Flie­ge all­mäh­lich der­art begrenz­ten, dass sie sich zuletzt kaum noch bewe­gen konn­te. Flie­ge und Fän­ger waren in einem licht­lo­sen Raum inner­halb eines Schach­tel­zim­mers gefan­gen, dar­an erin­ne­re ich mich noch gut, oder auch nicht, weil ich die­se Geschich­te bereits vor lan­ger Zeit gele­sen habe, immer wie­der von ihr erzähl­te, wes­halb sich die Geschich­te ver­än­dert, von der ursprüng­li­chen Geschich­te ent­fernt haben könn­te. Das Buch, in dem sie sich auf­hält, befin­det sich zur­zeit außer Reich­wei­te, aber ich wer­de die Geschich­te so bald wie mög­lich über­prü­fen. Es ist eine klei­ne Geschich­te, die behilf­lich sein könn­te, schnel­le Droh­nen­vö­gel ein­zu­fan­gen, wenn man ihrer Gat­tung ein­mal zufäl­lig begeg­nen soll­te oder von einer Mikro­droh­ne ver­folgt sein wür­de. Ich glau­be, ich habe noch etwas Zeit, das Jahr ist erst weni­ge Tage alt. — stop
ping

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batavia

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gink­go : 22.16 — Ich bin nahe dar­an, mich an die Exis­tenz der Schne­cke Esme­ral­da zu gewöh­nen, die am 20. Okto­ber in der Gestalt eines Geschenks zu mir gekom­men war. Es ist so, dass ich nun behut­sam durch mei­ne Woh­nung lau­fe, auch nie­mals im Dun­keln, Esme­ral­da könn­te viel­leicht gera­de über den Boden wan­dern. Alle Türen ste­hen offen, manch­mal muss ich län­ge­re Zeit nach der klei­nen Schne­cke suchen. Heu­te Mor­gen saß sie an der Decke mei­nes Arbeits­zim­mers, das war zum ers­ten Mal, ich ent­deck­te sie nach einer Stun­de, ich hat­te sogar hin­ter den Kühl­schrank geschaut, einen Tisch, drei Lam­pen, Stüh­le und zwei Kom­mo­den ver­rückt. Eine Schne­cke, mit einem Schne­cken­haus auf dem Rücken, erscheint als äußerst zer­brech­li­ches Wesen, gera­de dann, wenn sie über einem Abgrund wan­delt. Eine hal­be Stun­de beglei­te­te ich Esme­ral­da auf ihrem Weg von Ost nach West. Ich hör­te, wie ich mit ihr sprach. Esme­ral­da, sag­te ich, Esme­ral­da! Hielt indes­sen einen Hut in der Hand, um Esme­ral­da im Not­fall auf­fan­gen zu kön­nen. Gegen den Abend zu, sie hat­te eine Wei­le in einem Meter Höhe an der Wand neben mei­nen Büchern aus­ge­ruht, erreich­te sie den Boden, kroch von West nach Ost quer durch mein Zim­mer, um an der gegen­über­lie­gen­den Wand wie­der zur Decke hin auf­zu­stei­gen. Ich lock­te mit einem Stück­chen Apfel, ver­geb­lich. Ich zog Esme­ral­da an ihrem Häus­chen von der Wand, setz­te sie in der Küche neben einem Blatt Bata­via­sa­la­tes ab, auch das war nicht erfolg­reich gewe­sen. Esme­ral­da wen­de­te unver­züg­lich, klet­ter­te vom Tisch, um am spä­ten Abend genau jenen Ort wie­der zu errei­chen, den sie zuvor ein­ge­nom­men hat­te. Nach wie vor wun­de­re ich mich dar­über, dass Esme­ral­da ihr Gehäu­se wie ein Schmuck­stück auf dem Rücken zu tra­gen pflegt. Ich habe noch nie wahr­ge­nom­men, dass sie sich in ihr Häus­chen zurück­ge­zo­gen hät­te. Ihr Kör­per ist feucht, ihre Stiel­au­gen sin­ken manch­mal zu Boden, das ist der Moment, da sie zu schla­fen scheint. — stop

nach­rich­ten von esmeralda »

polaroidtraumbild2

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von eisbriefboten

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nord­pol : 6.33 — Ein Eis­brief­bo­te war­te­te ges­tern, es war ein Diens­tag, vor mei­ner Woh­nungs­tü­re im 22. Stock. Der Mann trug blaue Turn­schu­he der Mar­ke Nike, kur­ze, hel­le Hosen und ein wei­ßes Hemd, das viel zu groß gewe­sen war für sei­nen schmäch­ti­gen Kör­per. Er schwitz­te, weil er die Trep­pe neh­men muss­te, da in mei­nem Haus kei­ner­lei Auf­zug exis­tiert, wes­halb das Haus nicht sehr beliebt ist bei Gäs­ten und Boten. Meis­tens bie­te ich den hart arbei­ten­den Män­nern über die Funk­sprech­an­la­ge an, ihnen ent­ge­gen­zu­kom­men. Ich sage: Tref­fen wir uns im 11. Stock in 10 Minu­ten! Ges­tern aber war ich sehr müde gewe­sen. Ich trank einen Kaf­fee, tele­fo­nier­te mit einer Behör­de, und war­te­te dann still in aller Ruhe, bis der Mann bei mir oben unter dem Dach ange­kom­men war. Es sind die­se ers­ten Bli­cke, die ich nie ver­ges­se. Der erschöpf­te Bote öff­ne­te sei­ne Kühl­ta­sche und über­reich­te mir einen wei­te­ren eis­ge­kühl­ten wei­chen Behäl­ter, in wel­chem sich nun unmit­tel­bar ein Brief von Eis befand, den ich zunächst in mei­nen Gefrier­schrank zu wei­te­ren Eis­brie­fen und Eis­bü­chern leg­te. Kurz dar­auf setz­te ich mich ins Trep­pen­haus und hör­te dem jun­gen Mann bei sei­nem Abstieg zu. Er war sehr schnell unter­wegs gewe­sen, er schien zu flie­gen, stürz­te im fünf­ten oder sechs­ten Stock, Minu­ten lang war kein Laut zu hören, dann das Wim­mern einer Ambu­lanz. Da saß ich längst in mei­ner Küche und las, was mir ein Freund notier­te, wie er schrieb, mit gro­ßer Freu­de auf dem ver­gäng­lichs­ten Mate­ri­al, das ihm zur Ver­fü­gung ste­he: Lie­ber Lou­is, die­ser Brief ist geheim. Er wird sich auf­lö­sen, sobald oder bevor Du ihn gele­sen haben wirst. Du musst Dich also beei­len oder den Brief immer wie­der ein­mal in den Kühl­schrank zurück­le­gen oder ihn foto­gra­fie­ren, ehe er geschmol­zen sein wird. Sei behut­sam, mein Lie­ber. Lies bit­te nicht an Tagen, da es warm ist in Dei­ner Woh­nung unter dem Dach, es könn­te sein, dass Du in schwü­ler Luft nicht schnell genug lesen kannst. Ich ver­mu­te, ich habe die Wör­ter an die­ser Stel­le bereits ver­geb­lich geschrie­ben. Dein K. – stop
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