Aus der Wörtersammlung: jahre

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depesche aus neuseeland

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ulys­ses: 6.58 — Viel­leicht liegt die Foto­gra­fie, die Rahel vor zwei Tagen im Zug kurz vor dem Flug­ha­fen mit ihrem Han­dy von mir mach­te, soeben in Neu­see­land auf einem Holz­tisch in der Küche ihres Hau­ses, dun­kel­grü­ne Wei­den, Scha­fe vor den Fens­tern. Ja, viel­leicht, das ist denk­bar. Sicher ist, dass die­se Auf­nah­me tat­säch­lich gemacht wur­de, und dass ich auf ihr ver­mut­lich etwas unru­hig wir­ken könn­te, weil ich Rahel so vie­le Jah­re nicht gese­hen hat­te, wie sie plötz­lich vor mir sitzt, ein Geist sozu­sa­gen, ich glaub­te, sie sei längst gestor­ben. Man hat­te mir erzählt, ein Freund, sie sei tot, das war plau­si­bel, so wie Rahel leb­te. Von einer Sekun­de zur ande­ren Sekun­de war sie in dem Moment der Nach­richt ihres Able­bens nach Jah­ren voll­kom­me­ner Abwe­sen­heit, wie­der zu einer Anwe­sen­den gewor­den, eine Tote nun mit einem Sta­tus. Jah­re war sie ein Nichts gewe­sen, weder da noch dort, eine Lee­re. Und plötz­lich saß sie in mei­ner Gegen­wart im Zug und nann­te mich beim Namen. Sie wun­der­te sich, sie frag­te: War­um siehst Du mich so selt­sam an? Ich ant­wor­te­te, dass ich über­rascht sei. Lie­be Rahel, sag­te ich, ich kann noch nicht glau­ben, Dich hier zu sehen. Ja, so sprach ich zu ihr hin, ohne mich eigent­lich hören zu kön­nen. Lei­der war kaum Zeit für ein Gespräch gewe­sen, ehe Rahel aus dem Zug stür­men wür­de, um das Nacht­flug­zeug nach Sin­ga­pur noch zu errei­chen. In die­ser Zeit, die nur Minu­ten dau­er­te, erzähl­te sie, dass sie damals, vor vie­len Jah­ren, nach Neu­see­land gereist und dort geblie­ben sei. Sie habe Euro­pa bei­na­he ver­ges­sen, sie sei nur des­halb zurück­ge­kom­men, weil ihre Mut­ter gestor­ben war. Stolz erwähn­te sie, dass sie zwei Töch­ter habe, und ich stel­le mir nun vor, wie sie viel­leicht in die­sem Moment, da ich mei­nen Text notie­re, jene Foto­gra­fie gemein­sam betrach­ten, die auf dem höl­zer­nen Tisch der Küche in Neu­see­land liegt, aus­ge­druckt in schwar­zer und wei­ßer Far­be, das Gesicht eines Man­nes, der staunt, der im Grun­de glaubt, zu träu­men. Ges­tern war die­ses Bild zu mir gekom­men, durch Luft, sagen wir, Signa­le. Ich hör­te, wie mein Tele­fon ein Geräusch mach­te, als die Foto­gra­fie voll­stän­dig ein­ge­trof­fen war. Unter dem Bild war eine klei­ne Notiz zu fin­den. Rahel schrieb: Lie­ber Lou­is, ich freu mich sehr, Dich gese­hen zu haben. Ich glaub­te, Du wärest nicht mehr unter uns. Mel­de mich wie­der. r. – stop

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zwei kleine köpfe

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echo : 0.15 — Im Traum beob­ach­te­te ich mich selbst in einem Prä­pa­rier­saal, wie ich Haut und Kno­chen und Mus­kel­tei­le aus einem Behäl­ter nahm, um sie wie­der zu einem Kör­per zu fügen, zu einem Zusam­men­hang, der an einen gewe­se­nen Men­schen erin­nern könn­te. Ich hör­te, wie ich mit mir schimpf­te, weil ich nicht nähen konn­te, was ich mir wünsch­te, eine gro­tes­ke Gestalt mit zwei klei­nen Köp­fen lag auf dem Tisch, eine Hand, es war die lin­ke, fehl­te, und Füße waren über­haupt nicht vor­han­den, dafür hat­te ich eine Knie­schei­be zu viel. Es war doch ein beun­ru­hi­gen­der Anblick, ich selbst und die­ser klei­ne Mann, ein Prä­pa­ra­tor, der sich neben mich setz­te. Er betrach­te­te mei­ne flin­ken Hän­de, manch­mal sah ich ihn fra­gend an. Ein­mal bemerk­te er mit sanf­ter, güti­ger Stim­me, ich wür­de nun schon sehr lan­ge Zeit hier sit­zen, zwei­hun­dert Jah­re, ich soll­te doch end­lich ein­mal schla­fen. — stop

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handschuhbäume

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alpha : 6.45 — Im Waren­haus ent­de­cke ich Prei­se, unter ande­rem den Preis von 1.99 für ein Paar Hand­schu­he, gestrickt. Das fünf­te Jahr in Fol­ge ist es gekom­men, dass die Prei­se für Hand­schu­he fal­len. Sie schei­nen inzwi­schen auf Bäu­men zu wach­sen wie Bana­nen. Auch Bana­nen wer­den immer bil­li­ger. An den Hand­schuh­spit­zen, dort wo man einen Zei­ge­fin­ger hin­ein­ste­cken kann, ent­kom­men dem Gewe­be Fäden. An die­ser Stel­le, so neh­me ich an, waren sie mit ihrem Baum ver­bun­den, hier wur­den sie getrennt vom Wind, der Schwer­kraft oder von Men­schen, die kaum etwas ver­die­nen, nur gera­de so viel, dass sie nicht ver­hun­gern oder ver­durs­ten, weil man sie noch gebrau­chen könn­te in den nächs­ten Jah­ren, geüb­te, gedul­di­ge Frau­en und Män­ner. Ver­mut­lich sind Hand­schuh­bäu­me ganz­jäh­rig blü­hen­de Wesen, irgend­wo ist immer Win­ter. Außer­dem las­sen sich Hand­schu­he gut auf­be­wah­ren, sie ver­der­ben nicht so schnell, man muss sie nicht ein­mal küh­len, nur gefrä­ßi­ge Tie­re ver­trei­ben. Das alles, dass Hand­schu­he von den Bäu­men kom­men, scheint noch sehr geheim zu sein. Ich habe vor weni­gen Minu­ten ver­sucht mit­tels der Such­ma­schi­ne Goog­le her­aus­zu­fin­den, wo Bäu­me, wie ich sie mir vor­stell­te, wach­sen und wo man sie ihrer Früch­te beraubt. –stop

polaroidstrand5

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flugpanther

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india : 6.02 — Auf das Grab mei­nes Vaters fal­len Früch­te eines Bau­mes, der schon im letz­ten Jahr an Ort und Stel­le gestan­den haben muss. Da war vom Grab mei­nes Vaters weit und breit noch nichts zu sehn, aber es war schon die Rede vom ihm, ganz heim­lich, in Gedan­ken, der Vater könn­te ster­ben. Eich­hörn­chen suchen zwi­schen Astern­bü­schen nach Eicheln, auf­ge­regt, der ers­te Schnee ist gefal­len, es ist ein Schnee, der wie­der an die Zeit den­ken lässt, die ver­gan­gen ist und noch ver­ge­hen wird, wes­halb wir trau­rig wer­den, weil mein Vater den Schnee des letz­ten Jah­res noch mit sei­nen Augen sehen konn­te und jetzt nicht mehr sieht, ein Schnee ohne ihn, was wie­der­um ein selt­sa­mer Gedan­ke ist, weil es ein­mal einen Schnee ohne uns alle geben wird, und das ein oder ande­re Grab, auf dem Eich­hörn­chen nach Eicheln suchen oder wei­te­ren Nüs­sen. Wie sie zit­tern und beben, die Käl­te, aber auch des­halb viel­leicht, weil sie so gespannt sind, so auf­merk­sam, weil Raben in den Bäu­men sit­zen, die hung­rig sind, flie­gen­de Pan­ther. Wie schnell man doch sein Leben ver­lie­ren kann, kaum hun­dert Jah­re ver­ge­hen und schon ist man sehr wahr­schein­lich tot, eine ver­damm­te Sache, das Älter­wer­den bis man zum Ster­ben alt gewor­den ist, wenn man Glück hat, wenn man nicht vor dem Alt­sein stirbt. Wie mein Vater neben mei­ner Mut­ter am Fens­ter steht. Ein frü­her Mor­gen, ein Janu­ar­sonn­tag. Ich zieh mei­nen Kof­fer über den ver­schnei­ten Weg, auf dem noch kei­ne Fuß­spu­ren zu sehen sind. 10 Stun­den spä­ter wer­de ich in Man­hat­tan sein. Mein Vater winkt. Ein Win­ken, ohne die Bewe­gung des Armes, nur sei­ne Fin­ger win­ken, sie klap­pen von oben nach unten, wie damals noch in den Schat­ten­spie­len, Kro­ko­di­le, Wöl­fe, Ele­fan­ten, stumm von den Wän­den. — stop
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im pullmannwagen

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hima­la­ya : 6.46 — Seit eini­gen Stun­den sind hef­ti­ge Arbeits­ge­räu­sche, – Häm­mern, Boh­ren, Sägen -, aus dem klei­nen Raum zu ver­neh­men, der sich neben mei­nem Arbeits­zim­mer befin­det, und Män­ner­stim­men, die scher­zen und pfei­fen. Ich will das schnell erzäh­len, es han­delt sich um einen Vor­gang der Mon­ta­ge, weil zwei Hand­wer­ker damit beschäf­tigt sind, einen Eisen­bahn-Rei­se­wa­gon, genau­er, die Abteil­schei­be eines Zuges, zu ver­schrau­ben, die mir ges­tern Nach­mit­tag bei äußerst schlech­tem Wet­ter in Ein­zel­tei­len ange­lie­fert wor­den waren. Ich habe kei­nen wirk­li­chen Aus­blick auf das, was dort im Ein­zel­nen geschieht, aber ich kann das fei­ne Leder der Sit­ze des alten Pull­man­wa­gens bereits rie­chen, den ich mir wünsch­te, um dar­in jeder­zeit fah­ren und arbei­ten zu kön­nen. Ein groß­ar­ti­ges Erleb­nis soll das sein, Stun­de um Stun­de im his­to­ri­schen Wag­gon zu sit­zen und zu schau­en und zu schrei­ben oder zu schla­fen, das rhyth­mi­sche Geräusch der Schwel­len, som­mer­li­che Rhein­land­schaf­ten, die auf Bild­schirm­fens­tern vor­über­zie­hen. Die Stim­me eines Schaff­ners, der sich nach Fahr­kar­ten erkun­digt, sie kommt näher, der Mann grüßt durch das Fens­ter der Tür in mei­ne Rich­tung, immer wie­der wird er kom­men, ohne je das Abteil zu betre­ten, in dem ich sit­ze. Kin­der tol­len auf den Flu­ren her­um, jemand schreit, dass end­lich Ruhe sein soll, Tanz­mu­sik vom Nach­bar­ab­teil, Rei­sen­de ver­tre­ten sich die Bei­ne, zei­gen auf Damp­fer­schif­fe drau­ßen auf dem Fluss, auch sie sind Bild­schirm­we­sen, Drei­ßi­ger­jah­re, her­vor­ra­gend gemacht. Ein Kom­bü­sen­wä­gel­chen schep­pert vor­über, ein Bahn­hof, eine Uhr, es wird dun­kel und plötz­lich tief ste­hen­de Son­ne über den wil­den zor­ni­gen Bäu­men, die geduckt in einer Schnee­land­schaft ste­hen, bald, in weni­gen Minu­ten, wer­den wir Oslos Zen­tral­sta­ti­on errei­chen. — stop
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leuchtstoffe

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hima­la­ya : 3.15 — Neh­men wir ein­mal an, von einem Tag zum ande­ren Tag wür­den die Haa­re der Men­schen zu leuch­ten begin­nen, und zwar alle Haa­re ohne Aus­nah­me in genau dem Moment, da sie einem mensch­li­chen Kopf ver­lo­ren gehen auf natür­li­che Wei­se, weil ein Haar unter ande­ren Haa­ren in die Jah­re gekom­men ist, oder weil ein stür­mi­scher Wind nach ihnen greift, oder gar durch Hand­lun­gen von lie­be­vol­ler Lei­den­schaft oder von Streit oder Ver­zweif­lung. Natür­lich, das ist nun bei­na­he sicher anzu­neh­men, strah­len sie mit eher gerin­ger Kraft, mit einer Leis­tung von einem hun­derts­tel Watt viel­leicht, aber immer­hin genau­so hell, dass man sie über­all in der Dun­kel­heit erken­nen wür­de, wie sie sich sam­meln, wie sie über Stra­ßen und durch Woh­nun­gen flie­gen, wie sie Nes­ter bil­den, sodass man sie sam­meln könn­te und bün­deln zu leuch­ten­den Sträu­ßen. Über­haupt wür­de es viel­leicht bald nicht mehr dun­kel wer­den, über­all fei­ner schim­mern­der Sand, der nur äußerst zöger­lich ver­schwin­den wird. — stop

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rom : umberto ecco

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alpha : 22.57 — Der Mann hin­ter dem Tre­sen ist ein freund­li­cher Mann, unra­siert, akku­rat gebü­gel­tes wei­ßes Hemd, ein hüb­sches, jun­ges Gesicht, das an den Wän­den auf zahl­rei­chen Foto­gra­fien wie­der­zu­fin­den ist, ver­mut­lich des­halb, weil man sich mit ihm zei­gen woll­te, abge­lich­tet sein, sagen wir, berühm­te Men­schen und ein­fa­che Men­schen, die ich nicht aus­ein­an­der­hal­ten kann, weil ich die berühm­ten Men­schen der Stadt Rom nicht ken­ne. Sie lächeln an der Sei­te des jun­gen Man­nes ste­hend, man­che schei­nen viel­leicht betrun­ken zu sein. Aber einen der foto­gra­fier­ten Män­ner habe ich schon ein­mal gese­hen, es han­delt sich bei die­sem Herrn um Umber­to Eco. Der Schrift­stel­ler zeigt sei­ne Zäh­ne, er lacht in die Kame­ra. Umber­to Eco scheint an die­sem Abend, der einem Stem­pel­auf­druck zufol­ge drei Jah­re zurück­liegt, her­vor­ra­gend gelaunt gewe­sen zu sein. Viel­leicht hat­te er gera­de einen die­ser herr­li­chen Espres­sos getrun­ken, wie ich an die­sem Mor­gen. Es war ver­mut­lich Win­ter gewe­sen, Umber­to Ecco trägt einen Hut und einen Man­tel mit einem Pelz­kra­gen. Oder es war Som­mer und Umber­to Ecco hat­te sich in der Jah­res­zeit ver­tan. Wie­der ist es sehr warm heu­te. Eine Ambu­lanz rast an der weit geöff­ne­ten Tür des Cafés vor­bei, man kann das Geräusch der Sire­nen der Not den gan­zen Tag über ver­neh­men. Aber nachts ist es still in die­ser Stadt, Rom ist eine Stadt, die schläft wie die Men­schen, die sie bewoh­nen. Es riecht nach war­mem Schin­ken in die­sem Moment. Auf dem Bild­schirm mei­nes Foto­ap­pa­ra­tes sind Säu­len zu sehen und Durch­leuch­tungs­ma­schi­nen und Hun­der­te lee­re Plas­tik­fla­schen, Sub­stan­zen, die man nicht mit in die gro­ße, kal­te Kir­che am Peters­platz neh­men darf, sie könn­ten explo­die­ren. Ich hebe den Foto­ap­pa­rat leicht an und foto­gra­fie­re Umber­to Eco, sodass er jetzt zwei­fach im Pelz­kra­gen exis­tiert. Wenn ich mir nicht vor­ge­nom­men hät­te, das Pan­the­on zu besu­chen, ich wür­de gern war­ten, Tage, Wochen, um nach­zu­se­hen, ob Umber­to Eco zurück­kom­men wird. Ich habe bemerkt, dass mei­ne Ohren knis­tern, wenn ich Kaf­fee trin­ke in Rom. — stop
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rom : nachtlicht

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romeo : 17.52 — Das Geräusch der Gril­len auf dem Gia­ni­co­lo abends. Ich kann sie wie­der hören. 82 Meter über dem Mee­res­spie­gel, unten die Stadt, Tras­te­ve­re, Gas­sen wie gol­de­ne Adern, Kup­pel­hau­ben­lich­ter. Abend­seg­ler huschen durch Flie­gen­tür­me, schla­gen sich die Mägen voll. Es ist kurz vor zehn Uhr, Ver­lieb­te sit­zen auf den Mau­ern vor dem Abgrund, man­che rau­chen, ande­re küs­sen sich. Ein paar Kios­ke auf Rädern, Jahr­markt­bu­den, schon im Halb­schlaf am Ran­de eines bota­ni­schen Gar­tens, in dem stei­ner­ne Köp­fe wach­sen. Es ist nicht hell in Rom am Abend, die Stadt eher spär­lich beleuch­tet. Es scheint so zu sein, dass das künst­li­che Licht der­art spar­sam ein­ge­setzt wird, weil das grel­le Licht Häu­sern, Men­schen, Tie­ren zuset­zen, sie auf­lö­sen könn­te, dar­um ein beschei­de­nes Licht, nicht weiß, son­dern von einer war­men, gelb­li­chen Sub­stanz. Inge­borg Bach­mann war hier gewe­sen, sie notier­te am 18. Febru­ar 1955 in eine ihrer römi­schen Repor­ta­gen: Sieht man vom Gia­ni­co­lo auf Rom hin­un­ter, ver­merkt man, dass kein Fabrik­schorn­stein das Stadt­bild stört. Rom ist die ein­zi­ge Haupt­stadt der west­li­chen Welt ohne Indus­trie. Und doch sind in Rom in den ver­gan­ge­nen Jah­ren Unter­neh­men ent­stan­den, die eine Groß­macht im Lan­de bil­den. Es ist die Schwarz-Weiß-Indus­trie des Films in der Cine­cit­tà, die sich am Stadt­rand von Rom aus­brei­tet und heu­te in der Film­in­dus­trie des Wes­tens nach Hol­ly­wood den zwei­ten Platz ein­nimmt. — An die­sem Abend ist von dem Hügel aus, auf dem ich ste­he, von der Stadt gespei­cher­ten Lichts nichts zu erken­nen. Es ist bei­na­he dun­kel und in die­sem Dun­kel beleuch­te­te Inseln, eine Art Dun­kel wie im Kino, jenem Dun­kel, das Grau­tö­ne ent­hält, fas­zi­nie­rend, ein Dun­kel, das mit­tels Lichts aus der Film­ma­schi­ne kommt. — stop

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rom : katzen

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tan­go : 16.08 — In dem ich durch die Stadt spa­zie­re in feuch­ter Luft, die Vor­stel­lung schwit­zen­der Flie­gen, Flie­gen, die sich schüt­teln wie nas­se Hun­de, die aus einem Gewäs­ser stei­gen. Seit drei Tagen strei­fe ich den Fluss ent­lang, sit­ze und war­te, dass eine der berühm­ten dop­pel­köp­fi­gen Tiber­kat­zen vor mei­nen Augen erschei­nen möge. Das Schiff, auf dem ihre Art her­ge­stellt wor­den sein soll vor weni­gen Jah­ren, liegt noch fest ver­täut nahe der Pon­te Sis­to, ein Schiff ohne Leben, da und dort ist es bereits ros­tig gewor­den. Über dem Ach­ter­deck schwingt eine Glüh­bir­ne in ihrer Fas­sung an einem Kabel auf und ab. Ich habe mehr­fach ver­sucht, das Schiff zu errei­chen. Es ist ver­geb­li­che Mühe, kein Weg führt hin­un­ter auf den letz­ten Absatz vor dem Fluss. Sobald ich eine Trep­pe betre­te, die zum Schiff füh­ren soll, kom­me ich an einer ande­ren Stel­le als gewünscht wie­der her­aus. Auch auf Wegen, die unmit­tel­bar das Ufer beglei­ten, ist das Schiff nicht zu errei­chen, man geht und geht und kommt doch nie­mals an. Aber ich kann das Schiff betrach­ten von der gegen­über­lie­gen­den Sei­te des Flus­ses aus. Ein grau­er, wuch­ti­ger Kör­per, Kar­pern­bü­sche haben sich an der Reling zur Son­ne hin fest­ge­setzt. Hier soll er gelebt haben, der Erfin­der der Tiber­kat­zen. Man woll­te ihn ver­haf­ten, man woll­te dem Mann, der in den Blau­pau­sen der Schöp­fung eige­ne Wün­sche ver­zeich­ne­te, Ein­halt gebie­ten. Nun ist er spur­los ver­schwun­den, aber sei­ne Kat­zen­we­sen sol­len noch exis­tie­ren in der alten Stadt. Ich tra­ge fri­schen Fisch in mei­ner Tasche. Manch­mal hal­te ich an. Ich setz­te mich ans Ufer, las­se mei­ne Bei­ne über dem brau­nen Was­ser bau­meln, lege einen Fisch neben mich ab und war­te. Die Stei­ne sind warm. — stop
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rom : im museum

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del­ta : 10.01 — Durch Hal­len, Zim­mer, Flu­re, Säle der vati­ka­ni­schen Muse­en bewe­gen sich Men­schen mit Vor­satz. Eine Ver­samm­lung von Men­schen in Grup­pen, genau­er, die sich zwi­schen einem Ein­gang und einem Aus­gang in gemein­sa­mer Rich­tung ent­lang einer Linie bewe­gen, die sich schlän­gelt, die kurvt, die sich fal­tet. Köp­fe, tau­sen­de Köp­fe vor groß­ar­ti­ger Male­rei, Säle mit Tier­skulp­tu­ren, Men­schen­skulp­tu­ren, Säu­len­skulp­tu­ren. Über der sich lang­sam bewe­gen­den Men­ge zit­tern an Schir­men, Takt­stö­cken, Zei­gern Wim­pel aller Art, dort genau befin­den sich männ­li­che oder weib­li­che Füh­rer, die spre­chen, eine Art beru­hi­gen­des Spre­chen, eine Bän­di­gung der Besu­cher­grup­pen, die wie durch­blu­te­te Schif­fe über einen Hafen zu lot­sen sind. Man kann selt­sa­me Din­ge ver­neh­men, sobald man sich einer der Grup­pen nähert und lauscht. Die Füh­rer spre­chen lei­se in ihre Mikro­fo­ne: Schau­en Sie dort­hin, sehen Sie sich das an, Augen, drei­tau­send Jah­re alte Augen, sehr sel­ten. Und jetzt gehen wir wei­ter! In der Six­ti­ni­schen Kapel­le nur weni­ge Minu­ten spä­ter exis­tie­ren männ­li­che Per­so­nen, die für Geräusch­lo­sig­keit unter den stau­nen­den müden Men­schen sor­gen. Sie tra­gen klei­ne Mikro­fo­ne in der Nähe ihres Mun­des, sie sagen Fol­gen­des: Pss­sst! Oder sie sagen: Silence, plea­se! — stop
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