alpha : 2.26 — Folgende Person, ein Mann, könnte reine Erfindung sein. Der Mann war mir während eines Spazierganges aufgefallen, das heißt, ich hatte einen Einfall oder eine Idee, oder ich machte vielleicht eine Entdeckung. Ich könnte von dieser Person, die sich nicht wehren kann, behaupten, dass sie nicht ganz bei Verstand sein wird, weil sie seit langer Zeit in einem Hotelzimmer lebt, welches sie niemals verlässt. Das Hotel, in dem sich dieses Zimmer befindet, erreicht man vom Flughafen der norwegischen Stadt Bergen aus in 25 Minuten, sofern man sich ein Taxi leisten kann. Es ist das Bristol, unweit des Nationaltheaters gelegen, dort, im dritten Stock, ein kleines Zimmer, der Boden hell, sodass man meinen möchte, man spazierte auf Walknochen herum. Nun aber zu dem Mann, von dem ich eigentlich erzählen will. Es handelt sich um einen wohlhabenden Mann im Alter von fünfzig Jahren. Er ist 176 cm groß, gepflegt, kaum Haare auf dem Kopf, wiegt 73 Kilogramm, und trägt eine Brille. Sieben weiße Hemden gehören zu ihm, Strümpfe, Unterwäsche, dunkelbraune Schuhe mit weichen Sohlen, ein hellgrauer Anzug und ein Koffer, der unter dem Bett verwahrt wird. Auf einem Tisch nahe einem Fenster, zwei Handcomputer. In den Anschluss des einen Computers wurde ein USB-Speichermedium eingeführt. Auf dem Bildschirm sind Verzeichnisse und Dateinamen zu erkennen, die sich auf jenem Speichermedium befinden. Auf dem Bildschirm des zweiten Computers ein ähnliches Bild, Verzeichnisse, Dateinamen, Zeitangaben, Größenordnungen. Was wir sehen, sind Computer des Mannes, der Mann arbeitet in Bergen im Bristol im Zimmer auf dem Knochenboden. Er sitzt vor den Bildschirmen und öffnet Dateien, um sie zu vergleichen, Texte im Blocksatz. Zeile um Zeile wandert der Mann mithilfe einer Bleistiftspitze durch das Gebiet der Worte, die ich nicht lesen kann, weil sie in einer Sprache notiert wurden, die mir unbekannt. Es scheint eine verschlüsselte Sprache zu sein, weshalb der Mann dazu gezwungen ist, jedes Zeichen für sich zu überprüfen. Fünf Stunden Arbeit am Vormittag, fünf Stunden Arbeit am Nachmittag, und weitere fünf Stunden am Abend bis in die Nacht. Der Mann trinkt Tafelwasser, raucht nicht, und isst gern Fisch, Dorsch, Seeteufel, Steinbutt. 277275 Dateien sind zu überprüfen, 12.532.365 Seiten. Er scheint noch nicht sehr weit gekommen zu sein. Die Vorhänge der Fenster sind zugezogen, es ist ohnehin gerade eine Zeit ohne Licht. Ein Mädchen, das ihm manchmal seinen Fisch serviert, macht ihm schöne Augen. Morgens sind die Hörner der Schiffe zu vernehmen, die den Hafen der Stadt verlassen. Es ist der 1. Dezember 2013. — stop
Aus der Wörtersammlung: kilo
konzert für posaune
lima : 2.12 — Vor wenigen Stunden, am späten Nachmittag, wurden in der Chambers Street 155, dritter Stock, zwei Sauerstoffflaschen für den Transport in Richtung der Lexington Avenue vorbereitet. Es handelte sich um zwei schlanke, metallene Behälter von je 12 Kilogramm Gewicht. Sie schimmerten sehr schön im Licht der tief stehenden Sonne, die durch die Fenster eines exquisiten Ladens strahlte, in dem man Zubehör für Taucher und andere Wassermenschen erwerben kann, seefeste Bücher, schwebende Stühle und Tische, Kiemenvögel, Prachtschnecken, Leuchtmollusken und viele weitere Gegenstände, die man sich vielleicht wünschen wird, wenn man es mit einer dauerhaften Existenz im oder unter dem Wasser zu tun haben würde. Nun waren an den Sauerstoff bewahrenden Behältern je zwei besondere Vorrichtungen zu vermerken, Propeller oder etwas Ähnliches, die sich zur Probe mit einem hellen Sausen so schnell drehten, dass man sie in der Luft nicht sehen, aber spüren konnte. Vier Angestellte des kleinen Ladens prüften sehr sorgfältig eine halbe Stunde lang die Funktionstüchtigkeit der Apparaturen, dann montierten sie zwei metallene Schläuche, an welchen sich Mundstücke befanden, die den Mundstücken der Trompeten ähnelten. Denkbar, dass jene beobachteten Sauerstoffflaschen durch das Wasser schweben werden, während man etwas Luft von ihnen nippen könnte. Meine besondere Aufmerksamkeit aber galt einem Zettel, der dem Transport beigefügt worden war. Dort war vermerkt, dass die Behälter am späten Abend mittels eines Taxitransfers an Mrs. Sünja Täppinnen ausgeliefert werden sollten, wohnhaft in der Lexington Avenue 1285, wie bereits erwähnt, 14. Etage. Ursächlich für die Bestellung könnte ein Unterwasserjazzkonzert gewesen sein, das genau in diesen Minuten, da ich meine Nachricht notiere, zur Aufführung kommen wird. Es ist nun alles, auch wirklich alles möglich, was man sich denken kann in dieser schönen Winternacht. — stop
vor den kapverden
delta : 6.58 — Vor zwei Jahren einmal meldete sich mein Vater am Telefon, er wollte mir einige Gedanken übermitteln. Ich hatte ihn gefragt, ob es Tiefseeelefanten in physikalischer Hinsicht möglich sei, Atemluft über kilometerlange Rüssel in die Tiefe zu leiten. Mein Vater sendete mehrere Varianten einer Lösung dieses Problems, unter anderem dachte er darüber nach, dass die Luft gegen den steigenden Druck des Wassers vermutlich in einem Kammersystem in kleineren Portionen nach unten gedrückt werden könnte. Das leuchtete mir ein, ich war sehr zufrieden mit dieser Vorstellung eines Lufttransportwesens. In der vergangenen Nacht habe ich mich an die Vorstellungen meines Vaters erinnert, in einer Nacht, da ich Meldung erhielt, man habe vor den Kapverden Tiefseeelefanten gesichtet. Wieder ein Fischerboot, wie es sich in einer leichten Meeresströmung dreht. Schweigende Männer. Lampenlicht, das über das Wasser springt. Die Männer betrachten auch in diesen Minuten der Nacht schnaubende Rüsselspitzen einer riesigen Herde Tiefseeelefanten, die sich vielleicht soeben auf den Weg begeben, den Atlantik zu durchqueren, geräuschvoll atmende, sich liebkosende, samtig fleischige Knitterblüten. — Leichter, kühler Regen. – stop
anton voyls fortgang
~ : oe som
to : louis
subject : ANTON VOYLS FORTGANG
date : nov 10 12 10.08 p.m.
Es ist gekommen, wie ich es erwartet habe. Noe schweigt. Wir haben ihm George Perecs Roman Anton Voyls Fortgang in die Tiefe geschickt. Es handelt sich in unserer Versuchsanordnung um das Unterwasserbuch No 282, ein Buch, in dem der Buchstabe E auf 320 Seiten nicht erscheinen wird. Kurz nachdem Noe seine Lektüre mit fester Stimme aufgenommen hatte, versuchten wir vorherzusehen, wie lange Zeit Noe lesen würde, ehe er das vollständige Fehlen eines bedeutenden Buchstabens im Text bemerkt haben würde. Er las etwa 10 Minuten, dann hörte er auf, seine Stimme wurde zunächst leiser, er dehnte die Worte, sagte, dass ihm etwas merkwürdig vorkommen würde, er könne bisher nicht sagen, was genau ihm merkwürdig erscheine, er müsse nachdenken. Wir sitzen jetzt alle vor den Lautsprechern und Bildschirmen und warten. Im Schein der Lampe, die Noe und das Buch, das er in seinen schweren Händen hält, beleuchtet, sehen wir, dass er sich langsam bewegt. Er scheint im Buch zu blättern. Er scheint überhaupt noch immer, nach 656 Tagen in einer Meerestiefe von 820 Fuß schwebend, ein guter Beobachter zu sein, obwohl es nichts zu sehen gibt als etwas Dämmerung, wenn Tag geworden ist, und ein paar Fische, die ihn von Zeit zu Zeit besuchen. Ich nehme an, Noe wird oft an uns denken. Er hört uns zu, hört, was wir sprechen, auch dann, wenn wir unter uns sind, wenn wir vergessen haben, das Mikrofon auszuschalten. An der Art und Weise wie wir atmen, vermag Noe zu unterscheiden, ob Lin, Eric, Martin, Tom, Lilly oder ich vor dem Mikrofon Platz genommen haben. Gerade eben beginnt er wieder zu lesen, er scheint an den Anfang des Buches zurückgekehrt zu sein: In Rocamadour gabs Mundraub sogar am Tag: man fand dort Thunfisch, Milch und Schokobonbons im Kilopack. Und wieder schweigt Noe. Es ist später Abend. Samstag. Ein Frachtschiff, hell beleuchtet, lungert am Horizont. Ahoi, lieber Louis. Dein OE SOM
gesendet am
10.11.2012
1856 zeichen
im reservat der trinkerlemure
himalaya : 6.46 — Ich hörte, irgendwo auf dieser Welt soll eine Stadt existieren, die über einen besonderen Park verfügt, eine Naturlandschaft, in welcher Trinkerlemure existieren, Abertausende beinahe unsichtbare Personen. Man kann sich das vielleicht nicht vorstellen, ohne längere Zeit darüber nachgedacht zu haben. Wälder und Wiesen, ein Fluss, da und dort ein Berg, nicht sehr hoch, Höhlen, Hütten, Schlafsacktrauben, die von mächtigen Bäumen baumeln. Man könnte sagen, dass es sich bei diesem Park vermutlich um ein Hotel oder ein Reservat handeln wird von enormen Ausmaßen, 15 Kilometer in der Breite, 20 Kilometer in der Länge. Das Areal ist umzäunt. Tore bieten Zugang im Westen, im Norden, im Osten, im Süden. Dort fahren Ambulanzen vor oder Krankenwagenbusse, um schreckliche Gestalten auszuladen, die in den großen Städten der Welt aufgesammelt wurden, zerlumpte, eitrige, zitternde Wesen, sie sprechen oder fluchen in Sprachen, die wir nur ahnen, wenn wir uns Mühe geben, ihnen zuzuhören, Englisch ist darunter, Russisch, Chinesisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und viele weitere Sprachen mehr. Sie haben meist eine weite Reise hinter sich, aber jetzt sind sie angekommen, Endstation Sehnsucht, Krankenschwestern helfen, den letzten Weg zurückzulegen durch eines der Tore. Dann sind sie frei. Wir erkennen am Horizont eine Straßenbahnhaltestelle. Sie liegt am Rande eines Waldes. Tatsächlich fahren dort ausrangierte Züge der Stadt Lissabon im Kreis herum, es geht um nichts anderes, als dass man in diesen Zügen sitzen und trinken darf so viel man will. Aus polierten Hähnen strömt Whiskey. An jedem zweiten Baum ist ein Fässchen mit Likören oder Gin oder Wodka zu entdecken. Es riecht sehr fest in dieser Landschaft, gerade dann, wenn es warm ist, Bienen und Fliegen und Libellen torkeln über wundervoll blühende Wiesen. Da und dort sitzen heitere Gruppen volltrunkener Männer und Frauen in der Idylle, sie erzählen von der Heimat oder von den Delirien, die man bereits überlebt haben will. Manch einer weiß nicht mehr genau, wie sein Name gewesen sein könnte. Andere lehnen an Bäumen, klapperige Tote, die ungut riechen, arme Hunde. Aber wer noch lebt, ist rasend vor Angst oder zufrieden, man kann sich überallhin zur Ruhe legen. In dem Flüsschen, das ich bereits erwähnte, lagert flaschenweise kühles Bier, es scheint sogar der Himmel nicht Wasser, sondern Wodka zu regnen, auch die Vögel alle sind betrunken. Aus einem Waldgebiet tritt eine zierliche Frau, sie taumelt. Die Frau trägt einen Hut und ein langes weißes Kleid, so schreitet sie durch das hohe Gras, bückt sich nach den Blüten, es ist in der Zeit der Kornblumen, dieses zauberhafte Blau. Manchmal fällt die Frau um, sie ist dann eine Weile nicht zu sehen, aber dann erscheint ihr Hut zunächst und kurz darauf sie selbst. Jetzt steht sie ganz still, schaukelt ein wenig hin und her, seit Stunden frage ich mich, um wen genau es sich handeln könnte. — stop
karawane
delta : 0.02 — Auf dem Broadway wanderte eine Karawane menschlicher Träger südwärts. Ich folgte dieser merkwürdigen Erscheinung von der 30. bis zur 8. Straße an einem windigen Tag. Die Sonne leuchtete tief vom Hudson her, Staub war in der Luft, die Männer, die sich sehr langsam bewegten, husteten und niesten. Sie waren alle sehr ordentlich gekleidet, Anzüge von dunkelgrauer Farbe und Krawatten in unterschiedlicher Musterung. Außerdem trugen sie fingerbreite Schilder über ihren Herzen von japanischen Schriftzeichen besetzt. Ich erinnere mich, dass ich mich wunderte, weil die Männer nicht miteinander sprachen. Sie bildeten eine linienförmige Einheit, einer der Träger führte diese Linie an, er war sozusagen ihr Kopf. Sobald dieser Mann nun eine Kreuzung erreichte, blieb er stehen und wartete, bis die Ampel der Kreuzung zunächst rot wurde und dann wieder grün. Ein Mann stand jetzt exakt hinter dem anderen, in dem sie sehr geschickt ihren Ballast auf ihren Köpfen balancierten, jeder Träger einen Karton. Indessen schien die Karawane der grauen Männer jenen Menschen, die mit oder gegen ihre Laufrichtung über die Straßen eilten, nicht besonders aufzufallen. Für einen Moment hatte ich die Idee, sie wären vielleicht unsichtbar, genauer, sie wären nur für mich sichtbar gewesen, reiner Unsinn natürlich, weil der Raum, den die Karawane auf Gehwegen und Straße eingenommen hatte, respektiert wurde. Etwa drei Kilometer liefen sie so ruckweise südwärts dahin, um dann in der 8. Straße in einem Backsteinhaus zu verschwinden. Ende der Geschichte einer Beobachtung. Es ist Montag. In den Kastanien vor dem Fenster das Summen der Nachtbienen. – stop
new york — hurricane deck
tango : 22.28 — Von einer Sekunde zur anderen Sekunde. Als wär der Sonntag ohne Augenlicht gewesen. Als hätte ich nur geträumt, über den Atlantik geflogen zu sein, fünftausend Kilometer schlohweißer Wolkendecke bis kurz vor Neufundland. Jamaika-Station. Roosevelt Island. Lexington Avenue. Das helle Zimmer im 22. Stock. Ein kühler Wind bläst über den Balkon. Rauschen von tief unten von der Straße her. Wie ich bald vor das Haus trete, kommt mir eine ältere Frau entgegen, in einen feinen Mantelstoff gehüllt, Hände seitlich gegen den Hals gefaltet. Eigentlich müsste ich ihr unverzüglich folgen, sehen, warum sie das macht, einer Geschichte folgen, und diesem dampfenden, rot und grün und blau blinkenden Diodenhund, der sie begleitet, einem Riesentier, das ich berühren sollte, seine Temperatur zu fühlen. Ich verstehe an diesem Abend kein Wort in meinem Kopf. Ja, dieses Rauschen der Stadt. Südwärts wandern. Aus dem Boden sind die Stimmen der Subwaysprecher zu hören, next station : grand central, das Rumpeln, das Zischen der Züge. Ich könnte ein paar Stunden noch so weitergehen und schlafen. — stop
fluggewicht
marimba : 8.28 — Vergangene Nacht hatte ich einen lustigen Traum. Ich saß auf meinem Sofa mit einem Engel, der vom Fliegen erzählte, davon genauer, wie es ist, eine Reise über den Atlantik zu unternehmen, wenn man ein Engel ist, Flugzeiten (2 Stunden), Flughöhe (8 Meter), Proviant, Fliegerbrille und alle diese Dinge, an die ich zuvor nie gedacht hatte. Der Engel war im Moment unseres Gespräches unbekleidet gewesen, schneeweiße Haut, 5 Zentimeter Höhe. Eine faszinierende Situation. Vor uns standen zwei große Koffer. Ich hatte sie gewogen, Gepäckstücke ausgetauscht, um das Gewicht gut zu verteilen. Und da war ein weiterer Koffer, etwas kleiner, ein Pilotenkoffer. Auch diesen Koffer hatte ich gewogen. Er war 15 Kilogramm schwer, ich sollte ihn mit mir ins Flugzeug nehmen. Wie ich den kleinen Engel fragte, warum sein Koffer so schwer geworden sei, was er denn mit sich nehmen werde nach Amerika, ein Wesen von 20 Gramm Gewicht, daran erinnere ich mich noch, und wie der Engel bald auf seinem Koffer saß und versuchte einen Reißverschluss zu öffnen. Dann wach. Regen in Strömen. Samstag. – stop
rootserver charlie
delta : 2.55 – In der vergangenen Nacht habe ich meiner persönlichen Servermaschine, — sie befindet sich in etwa fünfhundert Kilometer Entfernung an einem nicht bekannten Ort -, einen Namen gegeben: Charlie, Rootserver Charlie. Das ist so gekommen, weil ich nämlich um Mitternacht an meinem Schreibtisch saß, als mein E‑Mailprogramm meldete, eine Nachricht sei für mich eingetroffen. Ich wusste sofort, woher diese nächtliche Mail allein gekommen sein konnte. Und ich dachte in zärtlicher Weise, als ob ich insgeheim diesen Namen schon längere Zeit vergeben haben würde: Charlie, hi Charlie! Nacht für Nacht, 0.01.12 MEZ, eine Sekundenuhr, dieselbe Botschaft: /etc/psa/plesk-cron/daily/completed : beruhigend in seiner lakonischen Art, mein lieber Louis, ich bin wach wie du, alle Systeme in Ordnung, Tag abgeschlossen, neuer Tag beginnt. stop. 12 ° Celsius. stop. Wolkenloser Himmel. stop. Ich verfüge zu diesem Zeitpunkt über 1.5 Kilogramm Mehl, 800 Gramm Reis, 2 Paprikaschoten in gelber Farbe, 1 Paprikaschote in roter Farbe, 1 halben Entenvogel, 3 Liter Wasser in Flaschen, Salz, Zimt und Pfeffer, 16 Scheiben finnischen Brotes, 1 Glas Aprikosenkonfitüre, 1 Glas Honig, 5 Kerzen. – stop
malta : 81er bus
echo : 22.05 – Sagen wir das so: Ich bin heute, an diesem sonnigen Montag mit dem Bus hin und her übers Land gefahren, mit einem 81er-Bus, mit Luca’s Bus, und zwar die Strecke von Valletta nach Rabat bis rauf zu den Dingli Cliffs, von wo man weit aufs Meer hinaus südwärts nach Afrika schauen könnte, wenn die Erde nicht rund wäre wie wir sie vorgefunden haben. Luca ist ein Busfahrer aus Leidenschaft. Er trägt ein blaues Hemd, seine Arme sind gebräunt wie sein Gesicht, rechts, von wo die Sonne kommt, etwas stärker als von links. 47 Cent kostet eine einfache Fahrt nach Rabat. Jeder, der hereinkommt, wird begrüßt: Welcome, welcome! Dann 15 Kilometer stetig dem Himmel zu, links und rechts der Straße, Spuren von Weizen, Tomaten, Kartoffeln, Inseln blühender Blumen, Mohn und Margeriten und Linien von Kakteenpflanzen, als seien Meereswellen zu fleischigen Blattkörpern gefroren für alle Zeit. Da und dort ein Dorf, Büsche, Orangenbäume, Windräder, Funkantennen. Nach einer Stunde kommt man dann an in Rabat oder Mdina, man weiß jetzt, dass man über einen Knochenkörper verfügt, und man ahnt, dass Luca seinen Weg noch finden würde, wenn er einmal blind geworden sein sollte. Luca sammelt Marienbilder wie ich Überraschungen sammle, Momente wie diesen, da Luca bemerkt, dass ich nicht aussteigen, dass ich wieder mit ihm zurückfahren werde, dass der Bus und er selbst für mich bedeutender sind, als Orte und Landschaft, die wir durchreisen. Jetzt darf ich ihn fotografieren und sein Armaturenbrett, Diesel, Diesel! Und ich darf ihm eine Frage stellen, ich wollte nämlich wissen, ob es für ihn denkbar ist, seinen Bus einmal bis hin unter die Decke mit Wasser zu füllen, ob er sich vorstellen könne, mit einem Bus voll lebender Fische über Land zu fahren. Luca’s Hupe, eine Lufttrompete. — stop