india : 3.02 — Ich träumte von Winterfliegen. Als ich aufwachte, erinnerte ich mich, vor Jahren einmal über Winterfliegen nachgedacht zu haben. Ich notierte Folgendes: Die Gattung der Winterfliegen sollte in eisiger Umgebung existieren, in Höhlen, die sie mit ihren Fliegenfüßen persönlich in den Schnee eingraben. Vielleicht, das ist möglich, sind Winterfliegen von Natur aus eher kühle Wesen, oder aber sie tragen einen wärmenden Pelz, ein Fell, wie das der Eisbären, weiche, weiße Mäntel von Haut und Haar, die ihre äußerst langsam schlagenden Herzen schützen. Diese Fliegen, dachte ich, werden einhundert Jahre oder älter, sie könnten sich von feinsten Stäuben ernähren, vom Plankton, das aus den vom Wind gebeugten Wäldern angeflogen kommt, von Moosen, Birkenpollen, vom Kotsand nordischer Füchse. Ich stellte mir vor, sie sind weiß, so weiß, dass man sie nicht sehen wird, wenn sie über den Schnee spazieren. Man wird meinen, der Schnee bewege sich selbst oder es wäre der Wind, der den Schnee bewegt, stattdessen sind es die Fliegen, die nicht größer sind als jene Fliegen, die nachtwärts im Sommer aus einem Apfel steigen. – Ein ruhiger Tag, Augen zu, warm, Sonne. — Abends sitze ich in der Küche am Tisch. Ich öffne eine Schreibmaschine, die ich vor drei Jahren aus dem aktiven Schreibmaschinenleben in mein Schreibmaschinenmuseum transferierte, um nachzusehen, ob ich sie vielleicht noch einmal in Gang setzen könnte. Kleine Schrauben türmen sich zu einem Berg, es riecht nach Metall, nach Zinn, wie in der Kindheit, wenn ich meine Nase an Radiogeräte drückte. An der Wand in nächster Nähe hockt Esmeralda, sie scheint mich zu beobachten oder das Innere der Schreibmaschine. Aus dem Nebenzimmer dringen noch immer Kampfgeräusche, Schüsse von Gewehren, helle Töne, als würden Kieselsteine aneinander schlagen. Auch große Kaliber sind zu vernehmen, deren genaue Bezeichnungen ich nicht kenne, Mörser vielleicht, Panzerkanonen, Maschinenwaffen. Ein Mann, ich möchte seinen Decknamen an dieser Stelle nicht verzeichnen, sammelt Filme in der digitalen Sphäre, die er zu endlosen Ketten knüpft, Szenen aus dem syrischen Bürgerkrieg, zuletzt von dem Kampf um Kobanê. Personen stehen auf einer Straße, sie feuern auf Häuser, plötzlich fallen sie um. Ein junger Mann hüpft vor dem Körper einer jungen Frau, die auf dem Rücken liegt, ein Teil ihres Gesichtes fehlt. Der junge Mann preist Gott, er stellt seinen Stiefel auf die Brust der jungen Frau, die vermutlich, nein sicher, gegen ihn kämpfte. Bärtige Männer eilen gebückt über Felder, einem der Männer fliegt ein Arm davon. — stop
Aus der Wörtersammlung: sphäre
am karibasee
alpha : 20.22 — Nadine Gordimer erzählte vor wenigen Tagen in einem Fernsehgespräch, man habe vor langer Zeit ihren Roman Burger’s Daughter auf geheimen Wegen zu Nelson Mandela ins Gefängnis geschmuggelt. Auf denselben geheimen Wegen sei ihr kurz darauf ein persönlicher Brief Nelson Mandelas übermittelt worden, zeitlebens ein kostbares Dokument. Ich hörte Nadine Gordimer’s helle Stimme zum ersten Mal. Während ich lauschte und ihr anmutiges Gesicht betrachtete, erinnerte ich mich an den ersten Moment, da ich vor Jahren die Lektüre einer ihrer Erzählungen aufgenommen hatte, Something out There. Ich folgte damals nach wenigen Sätzen dem Wunsch, in der digitalen Sphäre eine Fotografie des Karibasees zu suchen, weil Nadine Gordimer vom künstlichen Gewässer in der Savannenlandschaft erzählte, von Elefanten gleichwohl, die sich in seine Fluten stürzten, um uralten Wanderrouten zu folgen. — Was hatten die ertrinkenden Tiere dort unter dem Wasserspiegel gesehen? — Wovon hatten sie gehört in ihrer letzten Lebenssekunde? — Ich las von der Tiefe des Sees, von Fischen, die in ihm leben sollen, von der Luftfeuchtigkeit und vom Gewicht der Elefantenkörper, von der Biodichte ihrer Körper und von Kulturen in Seenähe siedelnder Menschen. Und während ich so vor mich hin studierte, von Seite zu Seite, von Link zu Link, verging eine Stunde Zeit. Plötzlich erinnerte ich mich an das Buch, das ich neben mir abgelegt hatte, und setzte meine Lektüre fort. — Heute ist Nadine Gordimer gestorben. — stop
quallenhautkoffer
ulysses : 3.25 — Ein blauer italienischer Himmel und Wärme, Hitze. Mitte Mai. Über den Sandboden schaukeln müde Eidechsen, zwei Enten sitzen auf einer Parkbank in unserer Nähe im Park. Als wir telefonierten, erinnert sie mich daran, dass sie in einer Grenzsituation lebe. Ich vergesse immer wieder ihr Alter. Sie sei bald vollständig belichtet, reise aber noch viel herum, Koffer werden ihr getragen, mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken, Notizbüchern, einem Notebook. Das Notebook ruht in diesem Moment auf ihren Knien. Sie sucht in der digitalen Sphäre einen Text, an den ich mich erinnern kann. Sie liest mir vor, und ich notiere vom Quallenzimmer. Sie will das Zimmer von meiner Hand in ihrem Notizbuch haben. Ich schreibe langsam. Im Notizbuch finden sich zahlreiche weitere Handschriften, die nicht ihre Handschriften sind. Sie scheint Geschichten zu sammeln, oder Augenblicke des Schreibens. Ich höre meine eigene Geschichte, eine Entdeckung meiner Hände, die von einem freundlichen, hellen Raum erzählen, einem Zimmer von feinster Quallenhaut, einem Zimmer von Wasser, einem Zimmer von Salz, einem Zimmer von Licht. Man könnte dieses Zimmer, und alles, was sich im Zimmer befindet, das Quallenbett, die Quallenuhr, und all die Quallenbücher und auch die Schreibmaschinen von Quallenhaut, trocknen und falten und sich 10 Gramm schwer in die Hosentasche stecken. Und dann geht man mit dem Zimmer durch die Stadt spazieren. Oder man geht kurz mal um die Ecke und setzt sich in ein Kaffeehaus und wartet. Man sitzt also ganz still und zufrieden unter einer Ventilatormaschine an einem Tisch, trinkt eine Tasse Kakao und lächelt und ist geduldig und sehr zufrieden, weil niemand weiß, dass man ein Zimmer in der Hosentasche mit sich führt, ein Zimmer, das man jederzeit auspacken und mit etwas Wasser, Salz und Licht, zur schönsten Entfaltung bringen könnte. — stop
samuel beckett
india : 2.18 — Nehmen wir einmal an, alles Papier dieser Welt würde in ebendieser Minute zu Staub zerfallen. Wäre es denkbar, Samuel Becketts Kosmos in der Elektrosphäre zu rekonstruieren? Wie viele Varianten Becketts könnten wir dort finden? Würden wir Beckett wiedererkennen? — stop
propellerfeige
delta : 2.38 — Wie man mit einem Stift eine Substanz zu einem Zeichen auf Papier setzt, wird mit dem Skalpell die Atmosphäre des Präpariersaales in einen Körper eingetragen. Zergliedern heißt zunächst, Räume zu schaffen für das Licht. — Oder das Denken. Wie man von Satz zu Satz Räume öffnet zu weiteren Gedanken, die bereits lange Zeit unbemerkt existiert haben könnten. Wörter, die sich wie Antennen in unbekannte Zimmer tasten. Propellerfeige. — stop
Viktoria og Marit Ansethmoen
sierra : 6.50 — Ich beobachtete einen älteren Mann, der auf einer Fahrt von Manhattan nach Staten Island Schriftzeichen in die hölzerne Sitzbank einer Fähre gravierte. Ein kalter Wintertag, der Mann war sportlich gekleidet, rote Windjacke, Lapplandmütze, Wanderschuhe, dazu Fäustlinge, die seine kräftigen Hände schützten. Er war überhaupt von mächtiger Statur gewesen. Ich hatte die Vorstellung, dass es sich um einen Norweger oder Finnen gehandelt haben könnte. Als der Mann das Schiff betrat, folgte ich ihm, setzte mich in seiner Nähe nieder. Leichter Seegang, die Scheiben des unteren Decks waren von der Salzgischt geblendet, draußen bedeckte eine Eiskruste die Promenade der Fähre. Während der Überfahrt, da ich den alten Mann beobachtete, spielten ein paar schwarzhäutige Jungs wunderbar scheppernden Blues auf Metallgitarren. Eine Handvoll Schulkinder tollten herum. Das Horn des Schiffes grüßte in die Luft der Upper New York Bay wie immer. Da begann der alte Mann vor meinen Augen mit einem Klappmesser seine Arbeit. Er verfügte über eine schöne Schrift. Während er arbeitete, schien er keinen Blick für seine Umgebung zu haben, er machte das so wie einer, der meint, er sei nicht sichtbar, solange er fest an seine Unsichtbarkeit glaubt. Eine gute Viertelstunde schnitzte er vor sich hin. Dann packte er sein Messer in seinen Rucksack und verließ das Schiff mit allen anderen Passagieren. Kaum waren wir an Land, stellte ich mich in die Warteschlange Richtung Manhattan, um sofort wieder zurück auf dasselbe Schiff zu gelangen, mit dem ich zur Insel hin gefahren war. Nur wenige Minuten später nahm ich genau an der Stelle Platz, an der der Mann gearbeitet hatte. Auf dem Boden des Schiffes lag ein Häufchen dunkler Späne, in den Sitz eingraviert ein Name: Viktoria og Marit Ansethmoen. Dem Namen folgte eine Ziffer: No 7563. Diese Ziffer, und den dazugehörigen Namen, entdeckte ich gestern in einem Notizbuch wieder, das ich damals geführt hatte während winterlicher Fahrten auf Staten Island Fähren. Noch immer weiß ich nicht, was diese Zahl bedeuten könnte, und warum der alte Mann den Namen einer Frau in die Sitzbank des Schiffes eingetragen hatte. Heute Nacht die Vorstellung, ich könnte meinen Text in die norwegische Sprache übersetzen lassen, um ihn der digitalen Sphäre zu übergeben: Alter Manhattanmann, melden Sie sich bitte. Code: Viktoria og Marit Ansethmoen / No 7563 — stop
lunar caustic
sierra : 22.02 — Wie ich an diesem schönen warmen Sonntagabend aus dem Fenster sehe, entdeckte ich eine Eidechse, die sich bis zu mir hinauf unter das Dach vorgearbeitet hatte. Sie saß nur eine Armlänge entfernt, gelbe Augen, blaugrün schillernde Haut und beobachtete mich natürlich. Ich konnte nicht entscheiden, ob sie mich nun mit den Augen oder mit ihrer nervösen Zunge präziser zu erfassen vermochte. Ich schien ihr nicht verdächtig gewesen zu sein, das schlanke Tier flüchtete nicht. Im Gegenteil, die Eidechse kam noch näher heran, kauerte bald auf dem Fensterbrett, das warm von der Sonne war, und schaute wie ich gegen den Himmel. Es war ein schöner Himmel voll bauschiger Wolken, die sich kaum bewegten. Nach einer Viertelstunde zog ich mich vorsichtig vom Fenster zurück, hoffte, die Eidechse würde in mein Zimmer kommen, würde einige Wochen Lebenszeit bei mir verbringen, über die Wände meiner Wohnung huschen, Fliegen und Falter jagen, die meine Räume in großer Zahl bewohnen. Es ist jetzt 22 Uhr. Bislang ist am Fenster noch nichts geschehen. Ich wüsste gerne, ob es zu diesem Zeitpunkt sinnvoll wäre, das kleine Tier mit etwas Fleisch oder Musik anzulocken, Strawinsky, zum Beispiel, oder Coltrane. Ja, dieser Abend ist ein sehr angenehmer Abend. Endlich ist es mir gelungen, für Mr. Oe Som eine Liste von Büchern zu erstellen, die unbedingt in die Sphäre wasserfester Lektüren transkribiert werden sollten. Ich habe folgende Auswahl übermittelt: Alice Munro Collected Stories . Louis Begley Novels . Max Frisch Montauk . Don DeLillo The Body Artist . James Salter Collected Srories . Jeffrey Eugenidis Middkesex . Bruce Chatwin The Songlines . Conrad Aiken Strange Moonlight . Samuel Beckett Krapps Last Tape . Italo Calvino Der Baron auf den Bäumen . Elias Canetti Die Stimmen von Marrakesch . Jürg Federspiel Die Ballade von der Typhoid Mary . Albert Sanchez Pinol Im Rausch der Stille . John Steinbeck Travels with Charley . José Saramago Kleine Erinnerungen . H.G.Wells The Island of Dr. Moreau . Paul Auster Red Notebook . Charles Simmons Salt Water . Jack Kerouac Book of Dreams . Malcolm Lowry Lunar Caustic . Patricia Highsmith Stories . Natalie Sarraute Kindheit . Herta Müller Herztier . Lutz Seiler Die Zeitwaage — stop
jean paul
charlie : 3.08 — Während eines Gespräches im Gehen erzählte ich Mutter, dass ich vor Jahren einmal fürchtete, ihr Leben könnte vor dem Leben meines Vaters enden. In Bruchteilen einer Sekunde antwortete sie, dass Vater ihr in diesem Falle unmittelbar nachgestorben wäre. Ich war sofort stehen geblieben, das Wort nachsterben irritierte. Ich meinte dieses Wort noch nie zuvor gehört zu haben, und überlegte, ob Mutter das Wort vielleicht erfunden haben könnte, ein Wort also für eine Situation, die sie sich selbst vorgestellt haben mochte. Einige Stunden später suchte ich nach dem Wort in der digitalen Sphäre. Tatsächlich existiert dieses Wort bereits seit langer Zeit. Ich war nun ein altes Kind gewesen, das Wörter lernt, in dem es Geräusche von den Lippen seiner Mutter liest. Habe auf der Suche nach den Spuren jenes Wortes eine feine Beobachtung Jean Pauls entdeckt: Außerhalb des Traums kommen uns Empfindbilder öfter von Tönen als von Reden und Schällen vor; nach einer Musiknacht kann die bewegte Seele sich willkürlich die Melodien, aber nicht die Gespräche wiederklingen lassen; denn wie sehr der Musikton, die Poesie des Klanges, so tief mehr in uns als um uns zu spielen und unter allen Empfindungen von uns mehr geschaffen als empfangen zu werden scheint, beweiset die schon angeführte Erfahrung, daß wir an einem Singen und Flöten, das in immer weitere Ferne verfließt, gerade mit dem gespanntesten Ohre die letzten aussterbenden Töne von Außen nicht von den nachsterbenden von Innen sondern können. — stop. Drei Uhr. stop. Heute Nacht pfeift ein Vogel im Dunkeln, obwohl es noch lange Zeit nicht hell werden wird. Das ist seltsam. Er scheint mich im Auge zu behalten. Ich stehe am Fenster und bewege einen Arm und eine Hand, als würde ich winken. Diese Geste lässt den Vogel verstummen, warum? — stop
ryūnosuke akutagawa
charlie : 5.05 — Nach der möglichen Existenz von Drohnen im New Yorker Luftraum gefragt, soll der Bürgermeister der Stadt geantwortet haben, dass man solche Entwicklungen nicht aufhalten könne. „Wir werden mehr Sichtbarkeit und weniger Privatsphäre haben”. Es sei keine Frage, ob er selbst das gut oder schlecht finde. Das sei beängstigend, aber er sehe letztlich kaum einen Unterschied zwischen einer Drohne in der Luft und einer Kamera auf einem Gebäude.“ — In diesem Moment, es ist kurz nach drei Uhr, verlässt die Vorstellung eines Posaunisten, der frühmorgens an Bord der Fähre MS John F. Kennedy spielend einen neuen Morgen begrüßt, während er von einem summenden Flugobjekt in der Größe einer Mandarine umrundet wird, ihren poetischen Raum. — stop. — Minus 5 Grad Celsius. — stop. — Weit unter mir, auf einer Straßenlaterne, sitzt eine Amsel. Ich nehme an, dass sie mich sehen kann. Aber es ist noch zu kalt oder zu früh, um zu singen. Ich habe eine halbe Stunde lang in der Beobachtung des kleinen dunklen Vogelschattens mein Gedächtnis trainiert, indem ich versuchte, den Namen eines japanischen Dichters zu lernen, der seit dem 24. Juli 1927 nicht mehr am Leben ist. Er heißt Ryūnosuke Akutagawa. Jetzt ist es kurz vor vier. Nichts weiter. — stop
flamingo
alpha : 2.25 — Seit einigen Wochen der Verdacht, dass sich Wörter meiner Particles-Sphäre genau so verhalten, als wären sie ungebändigte Lebewesen, sie tun nämlich in heimlicher Weise was sie wollen, fügen sich zum Beispiel selbst Buchstaben hinzu oder lassen Buchstaben, die für ihre spezielle Existenz unverzichtbar sind, verschwinden. Andere Wörter lassen Buchstaben kreisen, einen Buchstaben um einen anderen Buchstaben. Kaum habe ich nach langer Arbeit in der Nacht die Augen zugemacht, geht das alles los. Und wenn ich dann wach geworden bin und betrachte, was ich nachts notierte, mein Gott, denke ich, aus Wetter ist Watte geworden, aus Miete Mut, aus Regenschirmen Schirme von Schnee. Gerade eben habe ich das Wort Möwe in einem Text beobachtet, den ich vor Monaten notierte. Ich hatte dieses Wort schon lange im Auge. Eine Stunde betrachtete ich das Wort, ohne dass es sich veränderte. Kaum aber war ich für eine Minute aus dem Raum getreten, um in die Küche zu gehen, wurde aus der Möwe eine Mive, das kann ich so genau sagen, weil ich, als ich an den Schreibtisch zurückkehrte, gerade noch sehen konnte, wie aus dem Wort Mive wieder das Wort Möwe wurde. Eine seltsame Sache. Auch ganze Wörter scheinen durch den Textraum wie durch Zeit zu reisen. Im Juli 2008 fabrizierte ich eine kleine Geschichte, die davon erzählt, warum ich nachts manchmal im Dunklen sitze. Genau diesen Text scheint das Wort Flamingo besonders angenehm zu finden, weswegen es immer wieder erscheinen will im Text anstelle der Fliegen, die Teefliegen sind. Schauen Sie selbst, Sie müssen nur lange genug Beobachter oder Beobachterin sein, dann werden Sie schon sehen: Heut Nacht sitze ich im Dunkeln, weil ich herauszufinden wünsche, ob Libellen auch in lichtleeren Räumen fliegen, schweben, jagen. Als ich gestern, das sollten Sie wissen, gegen den Mittag zu erwachte, balancierte eine Libelle, marineblau, auf dem Rand einer Karaffe Tee, die ich neben meinem Bett abgestellt hatte, schaute mir beim Aufwachen zu und naschte, solange ich nur ein Auge bewegte, indem sie rhythmisch mit einer sehr langen Zunge bis auf den Grund des zimtfarbenen Gewässers tauchte. Vielleicht jagte sie nach Fischen oder Larven oder kleinen Fliegen, nach Teefliegen, kochend heiß, die kühler geworden sein mochten, während ich schlief. Oder aber sie hatte endlich Geschmack gefunden auch an süßen Dingen des Lebens, weshalb ich kurz vor Mitternacht einen Löffel Honig erhitzte und auf die Fensterbank tropfen ließ, um dann sofort das Licht zu löschen. Und so warte ich nun bereits seit drei Stunden und höre seltsame Geräusche, von Menschen vielleicht oder anderen wilden Tieren. — stop – Zwei Uhr und fünfundzwanzig Minuten. Wahrscheinlich ist auch heute, während ich schlief, wieder alles in Bewegung gewesen. — stop