echo : 3.01 — Heute Nacht erlebte ich ein lustiges Déjà-vu. Das war ungefähr so gewesen, dass ich in dem Moment des Déjà-vus gerade bei geöffneten Fenstern Schiffe beobachtete, die auf meinem Bildschirm durch einen weit entfernten Hafen pendelten in echter Zeit. Es war kurz nach zwei Uhr, da landete ein Marienkäfer auf meiner linken Wange. Ich konnte mich, wie schon im vergangenen Jahr, nicht entscheiden, ob das vielleicht ein Zufall gewesen war. Indem ich das rechte Auge schloss, aber mit dem linken Auge so weit wie möglich nach unten sah, konnte ich die halbkugelförmige Wölbung seines Rückens erkennen. Und ich spürte eine leichte Bewegung, der Käfer schien mich zu betasten. Natürlich überlegte ich sofort, ob es sich bei diesem Käfer nicht um ein ferngesteuertes Wesen handeln könnte, das mich besuchte, um Proben von meiner Körperoberfläche aufzunehmen. Nach einigen Minuten veränderte der Käfer seine Position, er ging zu Fuß, kletterte an mir herab, saß für einige Minuten an meinem Hals, dort konnte ich ihn weder sehen noch spüren, um kurze Zeit später auf meinem Hemd zu erscheinen, wo er sich sehr wohlgefühlt haben mochte, weil er dort eine gute Stunde seiner Lebenszeit verbrachte. Vielleicht hatte der Käfer geschlafen, oder sich von Strapazen erholt, die mir unbekannt. In diesem Moment nun, da ich meinen Text notiere, sitzt der in Wörtern vermerkte Käfer am linken unteren Rand des Bildschirmes meiner Schreibmaschine. Er presst sich fest an das Gehäuse. Weitere Käfer sitzen an den Wänden, es sind ein gutes Dutzend, auch Käfer mit gelbem Gehäuse sind darunter. Gestern habe ich beobachtet, dass gelb Käfer mit vierundzwanzig Punkten, wenn ich sie behutsam in eine meiner Hände setze und in die Dunkelheit werfe, sofort wieder zurückkommen. Man könnte sagen, dass es sich bei dieser Art um Bumerangkäfer handeln könnte. In diesem Jahr tragen sie Streifen. — stop
Aus der Wörtersammlung: farbe
regengefäß
sierra : 0.05 — Kurz nach Mitternacht: Leichter Regen. Aber nicht wirklich Regen, sondern Regen, weil ich in mein Notizbuch notierte: 18. April – Regengeräuschwörter sammeln. Also spaziere ich durch die Wohnung und versuche, mangels wirklichen Regens, Regen vorzustellen. Das ist eine sehr angenehme Übung: Regen in den Wäldern, Regen im Gebirge, Regen in der Stadt. Oder Nachtregen, Herbstregen, Regen, der auf ein Fährschiff fällt. Gestern Abend habe ich Regengeräusche gehört, die durch ein Telefon übertragen wurden. Als ich noch Kind war, verließ ich gern das Haus ohne Schirm, wenn es regnete. Kaum war ich auf der Straße, kamen Schnecken unter den Bäumen hervor. Der Regen machte sie schnell und mutig. Sie kannten den kleinen Schneckenjäger bisher nicht, der sie sammelte, der sie in Gläser steckte. Wenn ich sie betrachtete, hatte ich den Eindruck, ihr schimmernder Körper würde sich mit Regen gefüllt haben. Seither ist die Farbe des Regens von der Farbe der Schneckenfüße. — stop
habitat
ulysses : 5.08 — Ich kam ins Gespräch mit einem Mann, der vom Projekt einer Menschengestaltung erzählte. Das war inmitten der Nacht im Café gewesen. Ich erinnere mich, dass ich ihn fragte, ob er Forscher oder Designer sei, weil er anatomische Zeichnungen mittels eines iPads studierte. Eine der Zeichnungen stellte einen Unterarm dar, wie er in der Wirklichkeit von oben herzusehen sein würde. Auf diesem gezeichneten Arm waren Erhebungen zu erkennen, wabenförmige Formationen von einem Zentimeter Höhe, die mich an pockenartige Gebilde erinnerten, aber doch regelmäßig und eben künstlichen Ursprungs waren, mit Vorsatz erstellt. Ich hörte, dass es sich bei diesen Gebilden um kleine Häuser handeln soll, in welchen Tiere angesiedelt werden könnten, Zwergbienen, jedoch bevorzugt Ameisen oder sehr kleine Fliegen. Stellen Sie sich vor, sagte der Mann, was sie hier sehen an dieser Stelle, sind von Haut bewachsene Habitate, dort existierten tausende Tiere, die nur darauf warten, bei bester Gelegenheit auszuschwärmen, sagen wir so. Unverzüglich flatterte ein Nachtfalter von dunkelblauer Farbe um den Kopf des Mannes herum. Weitere kamen hinzu, bald waren es so viele, dass ich sie nicht zählen konnte. Sie kletterten unter dem Hemd des Mannes hervor, an den Armen und am Kragen. Ein leises Rauschen war zu vernehmen und die Luft schmeckte bitter. Ich hörte noch, wie sich der Mann erkundigte, ob ich nicht doch beeindruckt sei. Ich berichtete ihm ausführlich von meiner Begeisterung, von meinem Wunsch, selbst über Habitate dieser Art verfügen zu dürfen, es war eine nachdrückliche Art und Weise zu sprechen, und doch weiß ich nicht, ob der Mann mich zu diesem Zeitpunkt noch sehen konnte oder hören, so dicht war die Wolke flatternder Tiere geworden. Nach wenigen Minuten stand ich auf und ging davon und erwachte. Und weil noch Nacht war, schlief ich gleich wieder ein. — stop
emilia nabokov no2
himalaya : 5.15 — Vor längerer Zeit hatte ich von einem Freund erzählt, der den fotografischen Schatten einer Künstlerin via Internet verfolgte. Er arbeitet selbst seit vielen Jahren in digitalen Räumen, beinahe könnte ich sagen, dass er seit vielen Jahren in digitalen Räumen zu existieren scheint. Zahlreiche seiner Arbeiten verbinden sich mit Arbeiten anderer Menschen, weil man auf ihn verweist, weil man auf ihn wartet, auf Texte, auch auf Bilder, Filme, Geräusche, die er aufnimmt, sobald er etwas Interessantes zu hören meint. Mit jeder Minute der vergehenden Zeit wächst sein elektrischer Schatten. Er macht das ähnlich wie eine New Yorker Fotografin, die stundenlang durch die Stadt spaziert und mit einem iPhone all das fotografiert, was ihr ins Auge fällt. Manchmal sind es hunderte Fotografien an einem einzigen Tag, die nur Sekunden nach Aufnahme von ihrem Fotoapparat, mit dem sie gleichwohl telefonieren kann, an das Flickr – Medium gesendet werden. Mein Freund erzählte, dass er den Eindruck habe, die junge fotografierende Frau in Echtzeit zu beobachten, ihr im Grunde so nah gekommen zu sein, dass er kurz vor Weihnachten fürchtete, etwas Ernsthaftes könnte ihr widerfahren sein, weil drei Tage in Folge keine Fotografie gesendet wurde. Am vierten Tag erkundigte er sich mittels einer E‑Mail, die er an Flickr sendete, ob es der schweigsamen Fotografin gut gehe, er mache sich Gedanken oder Sorgen. Man muss das wissen, mein Freund hatte der Fotografin nie zuvor geschrieben, kannte nicht einmal ihren wirklichen Namen, sondern nur ein Pseudonym: Emilia Nabokov No2. Eine halbe Stunde, nachdem die E‑Mail gesendet worden war, erschien, als habe ihm die spazierende Künstlerin zur Beruhigung geantwortet, eine Fotografie ohne Titel. Diese Fotografie erzählte davon, dass sich Emilia Nabokov No2 vermutlich nicht in New York aufhielt, sondern in Montauk, weil auf der Fotografie ein Leuchtturm auf einem verschneiten Hügel zu sehen war, der eindeutig zur kleinen Stadt Montauk an der nordöstlichen Spitze Long Islands gehörte. Im Hintergrund das Meer, und vorn, ob nun mit Absicht oder nicht, ein Fuß in einem Gummistiefel von knallroter Farbe. stop. Es ist jetzt April 2014 geworden. Nach Erscheinen der Fotografie, die den roten Gummistiefel zeigt, wurden von der Künstlerin Emilia Nabokov No 2 weitere 2756 Fotografien gesendet, im Oktober des vergangenen Jahres dann die letzte Aufnahme, seither Stille. — stop
tarasa shevchenko boulevard
alpha : 3.12 — Auf Nachtbänken schlafen Menschen, ärmlich gekleidete Personen. Sie liegen mit ihrem Kopf auf Taschen, in welchen sich Ausweise und Geld befinden. Sobald Menschen schlafen, erscheinen sie in meinen Augen wie Kinder, sie wirken zerbrechlich, auch wenn sie bärenstarke Männer sind, die vor Wochen noch in Rumänien oder Bulgarien lebten. Staubig sind sie geworden, ein strenger Geruch geht von ihren Körpern aus. Wenn sie wach werden am Morgen, wenn sie im goldenen Licht der Flughafentransferräume sitzen, die Luft duftet nach frischem Gebäck und Kaffee, schauen sie mit todmüden, geröteten Augen in den Strom der Passagiere, feine, edle Gestalten dort, viele scheinen fröhlich zu sein, sie führen flache Computer mit sich und Bordzeitungen, sind in graue oder blaue Anzüge gehüllt, in Begleitung schwebender oder rollender Koffer. Es ist kurz nach sechs Uhr. Langstreckenflugzeuge sind gelandet, New York, Los Angeles, Peking, Mumbai, Buenos Aires, Ottawa. Vor einer Rolltreppe warten zwei Frauen. Die eine der Frauen erzählt eine Geschichte in deutscher Sprache mit russischem Akzent. Ich bleibe stehen, ich höre zu. Es ist eine Geschichte, die von der Stadt Kyjiw handelt. Sie sei, sagt die Frau, im Juli des Jahres 1986 nach Kyjiw gekommen, um dort zu singen, das heißt, ein Konzert zu geben. Sie erinnere sich an bleigraue Rohre, die allerorten entlang der Häuserwände in den Straßen verlegt worden seien. Wasser strömte aus diesen Rohren über Gehsteige, es war darum so gewesen, um radioaktiven Staub, der von der Luft herangetragen wurde, fort zuwaschen. Für einen Moment der Eindruck, die Frau habe bemerkt, dass ich ihrer Geschichte folge und dass sie nichts dagegen einzuwenden hat. Sie entnimmt ihrer Handtasche sieben Ausweise in weinroter Farbe, Reisepässe, ungültig gewordene Dokumente, in einem dieser Ausweise befindet sich ein Stempel, jener Stempel, der die Reise nach Kyjiw dokumentiert. Es ist eine Frage von Sekunden, bis die Frau mit ihrem rechten Zeigefinger das Papier, auf dem der Stempel seit Jahren festgehalten ist, berühren wird. — stop
terminal nachts
tango : 2.28 — Gestern beobachtete ich einen Mann, wie er in einem Buch las. Er saß nahe einem Café im Flughafenterminal 1 auf seinem Koffer, lehnte mit dem Rücken an einer Wand, beide Füße fest auf dem Boden. Außerdem trug er einen breitkrempigen Hut von brauner Farbe auf dem Kopf und ein blaues Hemd, welches derart leuchtete, dass meine Augen bald schmerzten. Aber im Grunde war ich auf den Mann nicht wegen seiner äußeren Erscheinung aufmerksam geworden, es war die Methode, wie er die Erzählung The Price of Salt von Patricia Highsmith studierte. Ehe er nämlich eine neue Seite des Buches zu lesen begann, riss er diese nächste zu lesende Seite aus dem Körper des Buches heraus, führte sie nahe an seine Augen heran, las, drehte die Seite herum, las weiter, um kurz darauf die gelesene Seite in die Tasche seines Jacketts zu stopfen. Das Jackett beulte bereits auf beiden Seiten deutlich, weil das Buch bis zur Hälfte gelesen worden war. Genau genommen zerlegte der Mann das Buch, das er las, in seine papierenen Einzelteile, das Buch verschwand sozusagen unter seinen Händen, das waren übrigens winzige Hände, die Hände eines Kindes. Natürlich kann ich an dieser Stelle keine Aussage darüber machen, ob der Mann mit jedem der Bücher seines Lebens so gehandelt hatte. Wann war es gewesen, als er die erste Seite aus einem Buch entnahm? Und warum? Ich wollte den Mann fragen, aber irgendetwas hinderte mich daran, zu ihm zu gehen. Um kurz nach zwei Uhr stand ich auf und ging nach Hause. — stop
lichtbild : krim
kilimandscharo : 1.55 — Die Nachrichtenagentur Associated Press veröffentlichte gestern eine bemerkenswerte Fotografie. Menschen sind zu sehen, die an der Kasse eines Ladens darauf warten, bedient zu werden, oder Waren, die sie in Plastikbeuteln mit sich führen, bezahlen zu dürfen. Es handelt sich bei diesem Laden offensichtlich um ein Lebensmittelgeschäft, das von künstlichem Licht hell ausgeleuchtet wird. Im Hintergrund, rechter Hand, sind Regale zu erkennen, in welchen sich Sekt– und Weinflaschen aneinanderreihen, gleich darunter eine Tiefkühltruhe, in der sich Speiseeis befinden könnte, und linker Hand, an der Wand hinter der Kasse, weitere Regale, Zeitschriften, Spirituosen, Schokolade, Bonbontüten. Es ist alles sehr schön bunt, der Laden könnte sich, wenn man bereit ist, das ein oder andere erkennbare kyrillische Schriftzeichen zu übersehen, in einem Vorort der Stadt Paris befinden oder irgendwo in einem Städtchen im Norden Schwedens, nahe der Stadt Rom oder im Zentrum Lissabons. Es ist Abend, vermutlich oder Nacht, eine kühle Nacht, weil die Frau, die vor der Kasse wartet, einen Anorak trägt von hellblauer Farbe und feine dunkle Hosen. Ihre Schuhe sind nicht zu erkennen, aber die Schuhe der Männer, die gleich hinter ihr in der Reihe der Wartenden vor der Kasse stehen, es sind vier Personen vermutlich mittleren Alters. Sie tragen schwarze, geschmeidig wirkende Militärstiefel, außerdem Uniformen von dunkelgrüner Farbe, runde Schutzhelme, über welchen sich ebenso dunkelgrüne Tarnstoffe spannen, weiterhin Westen mit allerlei Kampfwerkzeugen, der ein oder andere der Männer je eine Sturmwindbrille, Knieschützer, Handschuhe. Die Gesichter der Männer sind derart vermummt, dass nur ihre Augen wahrzunehmen sind, nicht ihre Nasen, nicht ihre Wangen, nicht ihre Münder, sie wirken kampfbereit. Einer der Männer schaut misstrauisch zur Kamera hin, die ihn ins Visier genommen hat, ein Blick kurz vor Gewalttätigkeit. — Jeder Blick hinter einer Maske hervor ist ein seltsamer Blick. — Ein anderer der Männer hält seinen geöffneten Geldbeutel in der Hand. Die Männer wirken alle so, als hätten sie sich gerade von einem Kriegsgeschehen entfernt oder nur eine Pause eingelegt, ehe es weiter gehen kann jenseits dieses Bildes, welches Erstaunen oder kühle Furcht auszulösen vermag. Ich stelle mir vor, ihre Sturmgewehre lehnten vor dem Laden an einer Wand. Und wenn wir gleich heraustreten an die frische Luft, wenn wir den Blick zum Himmel heben, würden wir die Sterne über Simferopol erkennen, oder über Jalta, über Sudak, über einer Landstraße, die im April 1986 gut informierte Menschen der sowjetischen Nomenklatura in Bussen aus dem Norden südwärts führte, während zur gleichen Zeit Fahrzeuge der Landstreitkräfte Tausende Ahnungsloser nordwärts in die entsetzlichen Strahlungsfelder Tschernobyls transportierten. – stop
luftposttiere
romeo : 3.22 — Die Vorstellung der Luftposttiere in dieser Nacht, wie sie einem Briefumschlag entkommen. Noch ruhen sie flach auf dem Tisch, helle Erscheinungen, biegsam wie die Blätter der Buchen. An einer ihrer Kanten ist ein rötlicher Punkt zu erkennen, ein Auge eventuell, dort auch ein kleiner Mund, der atmet. Man vermag diesen Mund nur dann zu entdecken, wenn man über ausgezeichnete Augen verfügt, oder über eine Brille. Es lohnt sich, genau hinzusehen. Sandfarbene Lippen und eine rosafarbene Zunge, nicht größer als ein gepresstes Reiskorn. Sobald man ein Luftpostfalttier aus seinem Umschlag holt, wacht es auf, weil es im Umschlag noch zwingend schlafen musste, Schlaf und Umschlag sind Geschwister. Aber dann beginnt das Tier in den Raum zu atmen. Indem es atmet, entfaltet sich sein Körper. Es ist immer wieder bemerkenswert, welch faszinierende Gestalten erscheinen, afrikanische Luftpostfalttiere sind europäischen Luftpostfalttieren durchaus nicht ähnlich. So oder so wird man staunen und erzählen. — 3 Uhr und etwas später. Leichter Regen. — stop
remington
whiskey : 1.28 — In der vergangenen Nacht träumte ich von einer Schreibmaschine. Diese Schreibmaschine verfügte über ein Band von roter und schwarzer Farbe sowie über einen Satz Hammerzeichen, die sich nur dann bewegten, wenn ich die Tasten mit großer Kraft in das mechanische Getriebe der Maschine drückte. Manchmal, während ich notierte, blieben einzelne der Tasten in der Tiefe hängen, als wollte die Schreibmaschine nicht von dem Zeichen lassen, das sie gerade noch auf das Papier gesetzt hatte. Eine Taste nach der anderen fiel aus, bis ich nur noch das Zeichen M bewegen konnte. Ich erinnere mich, in meinem wirklichen Leben tatsächlich eine Schreibmaschine wie die geträumte Schreibmaschine besessen zu haben. Sie stand lange Zeit auf meinem Schreibtisch, ich hob sie nur selten an, weil sie schwer gewesen war, 10 oder 15 Kilogramm. Es war eine Remington mit einem Farbband, trocken wie namibischer Wüstensand. Da niemand wusste, auf welchem Wege man an ein frisches Farbband gelangen konnte, erzeugte die Schreibmaschine zeitlebens kein sichtbares, aber tastbare Zeichen, und doch tippte ich manchmal auf der Maschine herum, als würde ich etwas aufschreiben, als würde ich üben, lautlose Musik, Gesten, stumme Gedanken. In meinem Traum der vergangenen Nacht wurde die Maschine unter meinen Händen immer kleiner, bis sie zuletzt verschwunden war. Ich habe dann noch etwas weiter geträumt. Ich war in einem U‑Boot unterwegs. Ich fuhr den Mississippi aufwärts. Das Wasser war dunkel. Ich beobachtete leuchtende Rinder, wie sie auf dem Grund des Flusses durch kniehohen Schlamm wateten. — stop
übersee
tango : 6.36 — Am Flughafen morgens um 5 Uhr lehnt ein Mann an einer Wand nahe der Abflugterminals Richtung Übersee. Sein Koffer, als würde er warten, steht neben dem Mann ganz still. Der Mann, Augen geschlossen, scheint zu schlafen. Beide Arme hängen lose am Körper. Als ich näherkomme, sehe ich, dass der Mann ein Ohr an die Wand presst. Er scheint die Wand zu belauschen. Vielleicht, denke ich, sind in der Wand alle Wörter gespeichert, die in ihrer Nähe je gesprochen wurden. Der Mann könnte über ein außerordentliches Gehör verfügen, über fragende Ohren, die Antworten provozieren. Ein Passagengedanke, ein Gedanke im Vorübergehen, ein Sekundengeschöpf, wenn ich diesen Mann nicht mehrfach an genau dieser Stelle in genau dieser beschriebenen Haltung angetroffen hätte. Der Mann trägt einen dunklen Anzug, Krawatte, hellbraune, elegante Lederschuhe. Ich habe keine Vorstellung, welche Farbe die Farbe seiner Augen sein könnte. Auch wenn ich den Mann sofort noch einmal erfinde, fällt mir die Farbe seiner Augen nicht ein. — stop