Aus der Wörtersammlung: alt

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im central park

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nord­pol : 20.05 UTC — Ich war spa­zie­ren an einem win­di­gen Tag. Wie ich unter dem Regen­schirm west­wärts ging, beob­ach­te­te ich mei­ne Schu­he, die sich vor­wärts beweg­ten, als gehör­ten sie nicht zu mir. In die­sem Moment hat­te ich den Ein­druck, durch den Cen­tral Park zu gehen. Das war näm­lich so, dass ich an dem ers­ten Tag, den ich in der Stadt New York ver­brach­te, unter einem Regen­schirm durch den Cen­tral Park wan­der­te und mei­ne Schu­he beob­ach­te­te. Es war damals Mai und recht kalt gewe­sen. Von Zeit zu Zeit war ich ste­hen geblie­ben, um eines der Eich­hörn­chen zu betrach­ten, die groß sind in Nord­ame­ri­ka und unge­stüm. Ich erin­ner­te mich noch gut an die­sen Augen­blick, da ich im Cen­tral Park spa­zie­rend wie­der­um eine Pan­ther­ge­schich­te erin­ner­te, die ich ein­mal notiert hat­te über einen wei­te­ren Park, in des­sen Nach­bar­schaft ich lebe. In der Erin­ne­rung an mei­nen Spa­zier­gang in New York kehr­te die Pan­ther­ge­schich­te zurück, ich dreh­te um und ging nach Hau­se, um nach der Geschich­te zu suchen. Ich habe sie sofort gefun­den. Pan­ther­ge­schich­te: Da ist mir doch tat­säch­lich ein jun­ger Pan­ther zuge­laufen, ein zier­li­ches Wesen, das mühe­los vom Boden her auf mei­ne Schul­ter sprin­gen kann, ohne dabei auch nur den gerings­ten Anlauf neh­men zu müs­sen. Sei­ne Zun­ge ist rau, sei­ne Zäh­ne kühl, ich bin stark, auch im Gesicht, gezeich­net von sei­nen wil­den Gefüh­len. Der Pan­ther schläft, unter­dessen ich arbei­te. So glück­lich sieht er dort aus, auf der Decke unter der Lam­pe lie­gend, dass ich selbst ein wenig schläf­rig wer­de, auch wenn ich nur an ihn den­ke, an das Licht sei­ner Augen, das gelb ist, wie er zu mir her­über­schaut bis in den Kopf. Spät­abends, wenn es lan­ge schon dun­kel gewor­den ist, gehen wir spa­zie­ren. Ich lege mein Ohr an die Tür und lau­sche, das ist das Zei­chen. Gleich neben mir hat er sich aufge­richtet, schärft an der Wand sei­ne Kral­len, dann fegt er hin­aus über die Stra­ße, um einen vom Nacht­licht schon müden Vögel zu ver­spei­sen. Dar­an sind wir gewöhnt, an das lei­se Kra­chen der Gebei­ne, an schau­kelnde Federn in der Luft. Dann wei­ter die heim­liche Rou­te unter der Stern­warte hin­durch in den Palmen­garten. Es ist ein gro­ßes Glück, ihm beim Jagen zuhö­ren zu dür­fen. Ich sit­ze, die Bei­ne über­ein­ander geschla­gen, auf einer Bank am See, schaue gegen die Ster­ne, und ver­neh­me Geräu­sche der Wande­rung des klei­nen Jägers ent­lang der Ufer­strecke. Ein Rascheln. Ein Kräch­zen. Ein Schlag ins Was­ser. Wenn der Pan­ther genug hat, gehen wir nach Hau­se. — stop
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ai : USA

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MENSCH IN GEFAHR: „Sara Bel­trán Hernán­dez floh vor häus­li­cher Gewalt und Ban­den­kri­mi­na­li­tät im Novem­ber 2015 aus El Sal­va­dor in die USA, um dort bei Ver­wand­ten zu leben. Sie wird seit­her in einer Haft­ein­rich­tung in Texas fest­ge­hal­ten, obwohl sie einen Asyl­an­spruch hat. Sie benö­tigt drin­gend medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung und soll­te bis zur Ent­schei­dung über ihren Asyl­an­trag drin­gend auf Bewäh­rung frei­ge­las­sen wer­den. / Sara Bel­trán Hernán­dez befin­det sich in einer Haft­ein­rich­tung der US-ame­ri­ka­ni­schen Ein­wan­de­rungs- und Zoll­fahn­dungs­be­hör­de in Dal­las im Nor­den von Texas und war­tet auf den Gerichts­ent­scheid zu dem von ihr ein­ge­leg­ten Rechts­mit­tel gegen ihre Abschie­bung aus den USA. Sie befin­det sich seit ihrer Ankunft an der US-ame­ri­ka­ni­schen Gren­ze zu Mexi­ko am 4. Novem­ber 2015 in Haft. Obwohl sie Ange­hö­ri­ge mit US-ame­ri­ka­ni­scher Staats­an­ge­hö­rig­keit hat, die ihr Erschei­nen bei allen zukünf­ti­gen Anhö­run­gen sicher­stel­len kön­nen, ver­wei­gern ihr die US-Behör­den eine Frei­las­sung auf Bewäh­rung und begrün­den dies mit Flucht­ge­fahr. / Sara Bel­trán Hernán­dez bean­trag­te Asyl in den USA, weil sie ihren Aus­sa­gen zufol­ge in El Sal­va­dor Mord­dro­hun­gen von einem Ban­den­füh­rer und Ban­den­mit­glie­dern erhal­ten hat, die bereits Men­schen getö­tet haben sol­len. Sara Bel­trán Hernán­dez hat an Eides statt erklärt, dass sie schwe­re kör­per­li­che und see­li­sche häus­li­che Gewalt erfah­ren hat und sexu­ell miss­braucht wur­de. / Laut ihrem Rechts­bei­stand brach Sara Bel­trán Hernán­dez am 10. Febru­ar 2017 in der Haft­ein­rich­tung zusam­men. Ange­stell­te des Haft­zen­trums brach­ten sie dar­auf­hin in das Hugu­ley-Kran­ken­haus im texa­ni­schen Fort Worth. Am 13. Febru­ar 2017 infor­mier­te sie ihren Rechts­bei­stand dar­über, dass bei ihr ein Gehirn­tu­mor dia­gnos­ti­ziert wor­den sei, der ope­ra­tiv ent­fernt wer­den müs­se. Am 18. Febru­ar, erst acht Tage nach ihrer Ein­lie­fe­rung ins Kran­ken­haus, gestat­te­te die Ein­wan­de­rungs- und Zoll­fahn­dungs­be­hör­de Sara Bel­trán Hernán­dez, ihre Fami­lie anzu­ru­fen. Sie sag­te, sie habe inzwi­schen Krämp­fe, Nasen­blu­ten sowie Kopf­schmer­zen und Pro­ble­me klar zu den­ken. Sie sei aber immer noch nicht ope­riert wor­den. Am 22. Febru­ar teil­te ihr das Kran­ken­haus­per­so­nal mit, dass sie am 27. Febru­ar ope­riert wer­de und brach­te sie in die Haft­ein­rich­tung zurück. / Eine Inhaf­tie­rung soll von Ein­wan­de­rungs­be­hör­den ledig­lich als letz­tes Mit­tel ein­ge­setzt und jeder ein­zel­ne Fall muss begrün­det wer­den. Frei­las­sung auf Bewäh­rung soll­te aus huma­ni­tä­ren Grün­den in den Fäl­len gewährt wer­den, in denen die Per­son kei­ne Bedro­hung für die öffent­li­che Sicher­heit dar­stellt und kei­ne Flucht­ge­fahr besteht. Da die­se Vor­ga­ben auf Sara Betrán zutref­fen, soll­te sie umge­hend aus der Haft ent­las­sen wer­den.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 7. April 2017 hin­aus, unter > ai : urgent action

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zylinder

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india : 12.01 UTC – Vor eini­gen Wochen besuch­te ich B., der noch immer in einer klei­nen Woh­nung über einem Jazz­ca­fé wohnt, wes­we­gen sein höl­zer­ner Fuß­bo­den manch­mal bebt, sodass auch sei­ne Gäs­te beben und der Kaf­fee in den Tas­sen, und im Som­mer flie­gen die klei­nen Som­mer­flie­gen los, weil das Beben der­ma­ßen schreck­lich für ihre Bein­chen ist, dass sie lie­ber stun­den­lang her­um­flie­gen als wären sie Vögel ohne Füße. B. wohnt also in die­ser klei­nen Woh­nung und ist noch immer trau­rig. Ich ken­ne ihn seit 15 Jah­ren, nie­mals habe ich ihn glück­lich wahr­ge­nom­men, nicht eine Sekun­de lang, oder in einem Zustand, den man als weder glück­lich noch unglück­lich bezeich­nen könn­te. B. ist unglück­lich, weil er das so will, er hat sich in sei­ner Trau­rig­keit ein­ge­rich­tet, wie in einem unsicht­ba­ren Zelt, in dem er lebt, das er mit sich auf jede Rei­se nimmt, er reist ja nicht viel, aber er ist ein guter Gast­ge­ber, sehr fein­füh­lig, ein gedul­di­ger Zuhö­rer, der nie­mals lacht. Er schreibt im Übri­gen an einem Buch, das rund ist, ich mei­ne, er schreibt an einem Win­ter­buch von der Gestalt eines Zylin­ders. Man kann in dem Buch blät­tern, aber man weiß nicht, wo das Buch anfängt, weil in B.s Buch kein Anfang exis­tiert, man liest, und wenn man lan­ge genug liest, wird man plötz­lich mei­nen, sich zu erin­nern, oder man hat eine Mar­kie­rung in das Buch notiert, was eigent­lich nicht gestat­tet ist. Aber das ist eine ganz ande­re Geschich­te. — stop
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vom denken

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echo : 5.58 UTC — Der Mathe­ma­ti­ker John von Neu­mann soll in der Lage gewe­sen sein, 100-mal schnel­ler zu den­ken als „gewöhn­li­che“ Men­schen den­ken. In dem Moment, da ich die­se Infor­ma­ti­on wahr­ge­nom­men hat­te, ver­such­te ich mir vor­zu­stel­len, wie sich mei­ne inne­re Stim­me, die Stim­me bewuss­ten Den­kens, ver­hal­ten wür­de, sobald ich in mei­nem Kopf plötz­lich in 100-facher Geschwin­dig­keit zu mir oder mit mir selbst spre­chen wür­de. Könn­te ich die­ses Geräusch über­haupt noch als Spra­che iden­ti­fi­zie­ren? Wäre von einem Hoch­ge­schwin­dig­keits­ort aus die Denk­stim­me eines „gewöhn­li­chen“ Men­schen im vir­tu­el­len Schall­ohr über­haupt noch wahr­zu­neh­men? Dif­fi­zi­le Fra­gen an die­sem frü­hen Mor­gen. Wie könn­te ich mei­ne Gedan­ken noch notie­ren, da sich mei­ne Hän­de sehr plötz­lich 100-mal schnel­ler bewe­gen müss­ten als zuvor, um mei­ne Gedan­ken auf Papier oder das Licht des Bild­schirms zu über­tra­gen. Viel­leicht wür­de ich nur noch Ergeb­nis­se mei­nes Den­kens notie­ren oder in mathe­ma­ti­schen For­men fan­ta­sie­ren. In jedem Fal­le wäre das Notie­ren mit Hän­den auf einer Tas­ta­tur, ein Vor­gang der Ent­schleu­ni­gung. Edward Tel­ler, der die Was­ser­stoff­bom­be erfun­den haben soll, kann­te John von Neu­mann per­sön­lich, weil sie gemein­sam arbei­te­ten. John von Neu­mann berech­ne­te die Höhe über dem Erd­bo­den, da eine Atom­bom­be in dem Augen­blick der Explo­si­on ihre größ­te Zer­stö­rungs­kraft ent­fal­ten wür­de. Mein Vater wie­der­um kann­te Edward Tel­ler per­sön­lich. Er war ein jun­ger Mann, als er Edward Tel­ler begeg­ne­te. Edward Tel­ler sei ihm sehr unheim­lich gewe­sen, erzähl­te mein Vater. — stop
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basskäfer : es ist samstag

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alpha : 17.15 UTC — Ein Bass­kä­fer (Cole­op­te­ra cham­be­rus) ist tat­säch­lich in etwa geformt wie ein Kon­tra­bass. Einen Fin­ger lang oder hoch, ver­mag der Käfer zu flie­gen, aber nicht zu gehen. Nähert man sich einem Bass­kä­fer vor­sich­tig, wird man sono­re Töne ver­neh­men, die einem Gehäu­se ent­kom­men, das vorn wie hin­ten, oben wie unten, ähn­lich beschaf­fen ist, eine Art Zep­pe­lin­luft­schiff mit einem Kopf, das auf dem Bauch lan­de­te. Das Gehäu­se glänzt, als wäre es von polier­tem Holz. Der Käfer scheint nun auf den zwei­ten Blick hin, tat­säch­lich ein Käfer­we­sen zu sein, ins­be­son­de­re sein Kopf zeigt alle Merk­ma­le eines Käfer­kop­fes, Füh­ler, Augen, Mund­werk­zeu­ge, dar­über hin­aus ver­fügt sein zen­tra­ler Kör­per über Deck­flü­gel, wel­che sach­te beben, dar­un­ter ruhen durch­sich­ti­ge Schwin­gen, die den Käfer durch die Luft trans­por­tie­ren, jedoch nicht sehr dau­er­haft oder weit, weil es nicht vor­neh­me Auf­ga­be der Bass­kä­fer ist, her­um­zu­flie­gen, viel­mehr ist vor­neh­me Auf­ga­be der Bass­kä­fer, Geräu­sche zu erzeu­gen, die von der Art der Kon­tra­bass­instru­men­te sind, so wie wir Men­schen sie ken­nen, weil wir sie erfun­den haben. Des­halb sind an der äuße­ren Gestalt der Bass­kä­fer kei­ner­lei Bei­ne oder Füße zu erken­nen, weil sie sich im Inne­ren des Käfers befin­den. Dort zup­fen sie an Sai­ten von Chi­tin, stun­den-gar tage­lang. Bass­kä­fer schei­nen in die­ser Wei­se mit­ein­an­der zu kom­mu­ni­zie­ren. Sobald ein Bass­kä­fer auf einen Trom­pe­ten­kä­fer trifft, sind bei­de Käfer glück­lich. — stop

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zur menschenfaltung

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marim­ba : 15.01 UTC — Sie haben, sag­te ein Beam­ter von hohem Rang, vor eini­ger Zeit von einem falt­ba­ren Medu­sen­zim­mer erzählt. Ich wür­de nun ger­ne wis­sen, sind sie in der Ver­wirk­li­chung ihrer Vor­stel­lung einen oder gar mehr­fa­che Schrit­te vor­an­ge­kom­men? Ich fra­ge des­halb vor­sich­tig an, fuhr der Beam­te fort, weil ich mit dem Gedan­ken spie­le, prü­fen zu las­sen, ob es nicht viel­leicht mög­lich sein könn­te, falt­ba­re Men­schen zu ent­wi­ckeln, Men­schen, die nach einer Pro­ze­dur rasend schnel­ler Trock­nung, gepresst und gefal­tet, auf dem Post­we­ge ver­schickt wer­den und an ihrem Ziel­ort mit­tels Feuch­tig­keit wie­der ent­fal­tet wer­den könn­ten. Auch eine Men­schen­la­ge­rung über län­ge­re Zeit­räu­me wäre in die­ser Art und Wei­se denk­bar. Kurz bevor ich ant­wor­ten konn­te, wach­te ich auf . Seit eini­gen Stun­den den­ke ich nun dar­über nach, ob ich träu­mend tat­säch­lich wünsch­te, etwas zur Anfra­ge zu äußern. Mög­li­cher­wei­se erwach­te ich, um eine Ant­wort zu ver­hin­dern. — stop
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lichtzeituhr

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ulys­ses : 3.28 UTC — Es ist spät, ich fah­re mit dem Taxi. Ein Mar­der beob­ach­tet, wie ich aus dem Wagen stei­ge, er hockt auf dem Scha­len­sitz einer Kin­der­schau­kel im Park. Das Schlaf­zim­mer­fens­ter Mut­ters ist hell erleuch­tet, das ein­zi­ge Licht, das inmit­ten der Nacht noch brennt, ver­mut­lich ist sie mit der Zei­tung in der Hand ein­ge­schla­fen. Auf dem Tisch im Wohn­zim­mer ein Tel­ler, auf dem Tel­ler ruht ein Mohn­ku­chen, der noch warm ist. Ich lösche das Licht neben der schla­fen­den alten Dame, es ist kurz nach drei Uhr. Der Schal­ter der Lam­pe lei­se, sehr lei­se, ich wür­de bei­na­he sagen, der Schal­ter ist ein Schal­ter ohne Geräusch. Aber der Licht­wech­sel selbst, wenn das Licht aus­geht, scheint ein geräusch­vol­ler, hef­ti­ger Vor­gang zu sein. Und ich den­ke noch, mor­gen, wenn es wie­der hell gewor­den sein wird, am Nach­mit­tag bei Kaf­fee und Mohn­ku­chen, wer­de ich Mut­ter eine Geschich­te vor­le­sen, die sie nach­denk­lich stim­men könn­te. Die Geschich­te, die ich im Jahr 2015 notier­te, geht so: Liesl, die vor weni­gen Tagen 85 Jah­re alt wur­de, erzähl­te von einer Zeit­schalt­uhr, die ihr Sohn gleich neben ihrem Bett anzu­brin­gen wünsch­te. Er habe, hat­te ihr Sohn berich­tet, nachts immer wie­der ein­mal wahr­ge­nom­men, dass Liesl ein­schla­fen wür­de, ohne ihre Nacht­tisch­lam­pe gelöscht zu haben, er sei dann, ob des Licht­scheins, den er vom Schlaf­zim­mer der Mut­ter her kom­men sah, auf­ge­stan­den und habe sich vor­sich­tig an ihr Bett bege­ben und das Licht gelöscht. Ein­mal habe er über­legt, ob er nicht das Gesicht sei­ner schla­fen­den Mut­ter, wie zum Beweis foto­gra­fie­ren soll­te, ein so hel­les Gesicht, dass man sich kaum vor­stel­len konn­te, das Gesicht einer tat­säch­lich Schla­fen­den zu betrach­ten. Das war vor sechs Jah­ren gewe­sen. Damals habe sie ihrem Sohn gesagt, dass sie kei­ne Zeit­schalt­uhr neben sich wün­sche, sie sei doch kein Aqua­ri­um, habe sie gesagt, lie­ber schla­fe sie im strah­len­den Licht der Nacht­lam­pe ein, plötz­li­che Dun­kel­heit, um Him­mels­wil­len, nein. Ihr Sohn reis­te wie­der ab. Liesl erzähl­te, dass sie mit ihm nie wie­der über Zeit­schalt­uh­ren gespro­chen habe, unlängst aber, in einer Sep­tem­ber­nacht, sei dann plötz­lich das Licht aus­ge­gan­gen um 1 Uhr, sie habe geschimpft und sei dann vor­sich­tig aus dem Bett gestie­gen, sei auf Knien durch das stock­dunk­le Zim­mer gekro­chen zu einem Licht­schal­ter hin, der sich auf dem Flur befand, auch da war kein Licht gewe­sen, Don­ner­wet­ter! — stop
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spulen

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fox­trott : 1.15 UTC — Ein­mal beob­ach­te ich ein Käst­chen vol­ler Daten, wie es in Zeit­lu­pe zu Boden fällt. Kurz dar­auf tickt die Tast­ma­schi­ne, die im Käst­chen steckt, deut­lich ver­nehm­bar, als wäre sie eine Uhr. Ich ahne, dass sie blind gewor­den ist, etwas scheint zer­bro­chen zu sein. Kurz dar­auf kau­fe ich mir ein wei­te­res Käst­chen. Tage­lang den­ke ich dar­über nach, wie ich mei­ne Daten fest­hal­ten könn­te. Ich bemer­ke, dass Sicher­heit nicht wirk­lich exis­tiert. Ein ande­res Mal ste­he ich in der Küche. Ich habe eine Schach­tel auf den Tisch gestellt. Ich öff­ne das Gefäß, ent­neh­me Ton­band­spu­len, errich­te Tür­me, suche Bat­te­rien, die das Abspiel­ge­rät bewe­gen. Es ist das­sel­be Gerät, mit dem ich vor zwei Jah­ren zuletzt arbei­te­te. Ich set­ze das Gerät in Bewe­gung, zunächst Rau­schen, dann hel­le Stim­men, Stim­men wie von Lach­gas, immer­hin Stim­men, Geräu­sche, Gedan­ken, Fra­gen. Es ist eine gro­ße Freu­de, die­se Stimm­ge­räu­sche zu ver­neh­men. Wenn ich win­zi­ge Hebel auf der Rück­sei­te des Gerä­tes bewe­ge, wer­den die Stim­men noch hel­ler oder sehr dun­kel. Plötz­lich höre ich mei­ne eige­ne Stim­me. Ich erzähl­te vom Gedächt­nis. — stop
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von makis

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echo : 3.08 UTC — Ges­tern Abend habe ich ver­sucht, mei­ne Gedan­ken zu beob­ach­ten. Eigent­lich woll­te ich eine Lis­te mei­ner abend­li­chen Gedan­ken ver­fer­ti­gen, Gedan­ken in der Stra­ßen­bahn, Gedan­ken vor einer Super­markt­kas­se war­tend, Gedan­ken in der Beob­ach­tung eines Fern­seh­bild­schir­mes. Ich war sehr müde gewe­sen, hat­te lang gear­bei­tet, war, sagen wir, lang­sam mit dem Kopf, des­halb nicht aus­rei­chend schnell, um sagen zu kön­nen, das war nun ein Gedan­ke, der soeben abge­schlos­sen wur­de, nun beginnt gera­de ein wei­te­rer Gedan­ke, die­ser Gedan­ke No 18 (Herz­lich Will­kom­men!) beschäf­tigt sich mit der zen­tra­len Fra­ge, wovon Kobold­ma­kis sich eigent­lich ernäh­ren? Ich habe bemerkt, dass es mög­lich zu sein scheint, einen Gedan­ken fest­zu­hal­ten, um den Gedan­ken zu ver­grö­ßern, ihn also schwe­rer (Gra­vi­ta­ti­on) zu machen, sagen wir, den Gedan­ken mit Zeit­räu­men rück­wärts (erin­nernd) oder vor­wärts (spe­ku­lie­rend) zu ver­se­hen. Je län­ger ich an einem Gedan­ken­kno­ten fest­hal­te, des­to schläf­ri­ger wer­de ich. Ein Gedan­ke kann sich in ein Bild ver­wan­deln. Wenn ich in Gedan­ken die Augen eines Kobold­ma­kis zur Auf­füh­rung brin­ge, schla­fe ich ein. — stop
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manhattan, 5th avenue no 45

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hima­la­ya : 15.15 UTC — Vor eini­gen Wochen hör­te ich, das New Yor­ker Wohn­ge­bäu­de eines wohl­ha­ben­den Man­nes in der 5th Ave­nue sei nicht etwa 68, son­dern in Wirk­lich­keit, also mit blo­ßem Auge zähl­bar, 58 Stock­wer­ke hoch. Ich dach­te, der wohl­ha­ben­de Besit­zer des Hau­ses könn­te viel­leicht in mitt­le­rer Höhen­la­ge sei­nes Gebäu­des äußerst fla­che, kaum sicht­ba­re Stock­wer­ke errich­tet haben. Kurz dar­auf las ich, der wohl­ha­ben­de Mann habe sei­nem Gebäu­de tat­säch­lich zehn nicht exis­tie­ren­de Stock­wer­ke mit­tels Spra­che hin­zu­ge­fügt, dem­zu­fol­ge erfun­den. Ich las wei­ter­hin, dass der wohl­ha­ben­de Mann selbst die­sen Vor­gang geis­ti­ger Erhö­hung sei­nes Bau­wer­kes bestä­tigt und als einen Vor­gang über­trie­be­ner Wahr­haf­tig­keit bezeich­net haben soll. Das scheint nun doch eine ver­rück­te Geschich­te zu sein, oder aber eine Geschich­te, die von einem Ver­rück­ten han­delt. Wie, fra­ge ich mich sor­gen­voll, kann man einer Per­so­nen­grup­pe oder einer Per­son argu­men­tie­rend begeg­nen, die offen­sicht­lich mit dem Gedan­ken spielt, eine Welt alter­na­ti­ver Wahr­heit (Fak­ten) mit­tels per­ma­nen­ter Wie­der­ho­lung in Wahr­neh­mung und Über­zeu­gung der Men­schen ein­zu­stem­peln? — Frü­her Mor­gen. Ich habe noch etwas Wei­te­res zu ver­mel­den, das schmerzt. Ein Freund, der am kom­men­den Don­ners­tag zum 26. Mal New York besu­chen woll­te, weil er seit drei Jah­ren Lil­ly liebt, die zeit­le­bens in Brook­lyn in der Atlan­tic Ave­nue lebt, weil sie dort gebo­ren wur­de, wird sei­nen Kof­fer nicht packen, weil er wie­der­um in der per­si­schen Stadt Izeh das Licht der Welt erblick­te. Er lebt seit 28 Jah­ren äußerst fried­voll in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. — stop

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