MENSCH IN GEFAHR : “Der omanische Schriftsteller und Blogger Muawiya al-Ruwahi wurde in ein Gefängnis in Abu Dhabi verlegt. Sein Gerichtsverfahren soll dort am 14. September vor der Staatssicherheitskammer des Obersten Bundesgerichts beginnen./ Der 31-jährige omanische Schriftsteller und Blogger Muawiya al-Ruwahi (auch al-Rawahi) wurde Ende Mai in das al-Wathba-Gefängnis in Abu Dhabi verlegt. Sein Fall wurde an die Staatssicherheitskammer des Obersten Bundesgerichts verwiesen. Am 14. September soll sein Verfahren beginnen. Die Anklagepunkte sind ebenso wenig bekannt wie die konkreten Gründe für seine Festnahme und das Verfahren. / Laut der Facebook-Seite seines Vaters erhielt Muawiya al-Ruwahi, der an einer bipolaren Störung leidet, am 11. Juni Besuch von omanischen Diplomat_innen sowie dem Staatsanwalt. Die Diplomat_innen konnten alleine mit ihm sprechen. Seit seiner Festnahme am 23. Februar 2015, als er aus Oman in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) einreisen wollte, durfte er mehrere Male mit seiner Familie telefonieren. Den ersten Anruf tätigte er einen Monat nach seiner Festnahme. Dabei bat er seine Familie darum, einen Rechtsbeistand für ihn zu benennen. Muawiya al-Ruwahi erzählte seiner Familie, dass er regelmäßig seine Medikamente erhalten hatte und dass die Behörden der VAE von seiner psychischen Erkrankung wussten. Seine Krankenakte, die vom Sultan-Qabus-Universitätsklinikum ausgestellt wurde, wurde an die Behörden der VAE weitergeleitet. Die Mutter von Muawiya al-Ruwahi durfte ihn am 18. Juni für eine halbe Stunde im Gefängnis besuchen. Am gleichen Tag durfte er außerdem zehn Minuten mit seinem Vater in Oman telefonieren. Zwei Tage später wandte sich seine Mutter an die Behörden des al-Wathba-Gefängnisses, um sicherzustellen, dass ihr Sohn regelmäßig seine Medikamente erhalten würde. — Hintergrundinformationen sowie empfohlene schriftliche Aktionen, möglichst unverzüglich und nicht über den 31. August 2015 hinaus, unter »> ai : urgent action
Particles: August 2015
nachtechse
alpha : 2.55 — Stellt Euch vor, eine Eidechse, wildes Tier, hockt seit bald zwei Stunden auf meinem Küchentisch. Das wäre für sich genommen schon eine bemerkenswerte Geschichte, weil ich recht weit oben wohne, die Fenster nicht geöffnet wurden und auch keinerlei frische Geschenkware in den vergangenen Wochen bei mir angekommen ist. Außerordentlich spannend wird die kleine Geschichte nun aber durch die Beobachtung der zwei Köpfe, über die das Wesen gebietet. Sie sitzen ganz vorne an dem Tier am Hals, der sich gabelt. Die Augen der Eidechse gehen auf und zu, wie sie möchte, alle auf einmal oder auch getrennt voneinander, es sind vier. Zwei Zungen natürlich, die züngeln, gemeinsam oder gar nicht oder auch sie unabhängig voneinander. Ich überlegte nun, ob die Eidechse von Geburt an über zwei Köpfe verfügt haben könnte, oder aber welcher der eigentliche Kopf der Eidechse gewesen sein dürfte, der erstere der Köpfe oder der originale Kopf, und welcher der zwei Köpfe demzufolge der nachgewachsene Kopf gewesen müsste. Ich habe weiterhin darüber nachgedacht, ob es möglich wäre, einen der zwei Eidechsenköpfe mittels einer Papierschere zu entfernen, ohne dem kleinen Tier vielleicht weh zu tun. Das scheint allerdings sehr unwahrscheinlich zu sein, deshalb bleibt die Schere liegen. Unter der Lupe ist ein weiterer Kopf vielleicht schon sichtbar, ich meine eine Buchtung an der Schulter zu erkennen, ich muss das weiter beobachten. — Kurz nach drei Uhr, weit vor Dämmerung. Sollte noch ein paar Fliegen fangen. Wenn man dringend Fliegen braucht, sind niemals Fliegen da. — stop
im keller
ginkgo : 1.52 — Sechs Stockwerke abwärts, ich steige in den Keller in räudige Landschaft, schneeweiße Spinnengebeine, die von der Decke schaukeln. Nacht ist, ich ahne Ratten, die mich betrachten von irgendwoher, ein unheimlicher Ort, einer, der dem Besucher die Augen öffnet. Im Licht der Taschenlampe kann man den Leuten, die über der Kellerlandschaft schlafen, in ihre Müllhöhlen schaun. Dieses Durcheinander von Holzteilen und Ölfässern und Fahrradskeletten könnte zur Wohnung X gehören, und das alles zur Wohnung Y, wie sorgfältig sich die Kartonagen doch stapeln, in welchen Bücher vermodern und Mäntel und Schals und Strümpfe. In einem der Kellerabteile ruht ein Plattenspieler zentral auf dem Boden, sonst ist dort nichts zu sehn, nur dieser eine Plattenspieler, staubig. Hinter der Luftschutztür von schwerem Eisen reihen sich Schaufeln der Hausmeisterei, die schon lange ohne den Hausmeister selbst auskommen muss, das Hochwasser des vergangenen Jahres, wie es eine Linie zeichnete, stand den Besen bis zum Hals. Nicht rauchen ist noch immer an einer Wand vermerkt in altdeutscher Schrift. Und wenn ich so weitergehe um eine Ecke herum, stoße ich auf ein schmales Abteil, das sich mit einer Geschichte verbindet. Es scheint nun leer zu sein, war aber einmal ein besonderer Ort. Ich erinnere mich an eine Öllampe, an eine Matratze, einen Stuhl und den Schatten eines Menschen, der auf dieser Matratze ruhte: Im Schatten saßen Augen fest, sie starrten in meine Lampe, dann flüchteten sie, dann kamen sie nicht zurück. — stop
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tango : 0.05 — s c h l ä f e n l a p p e n
cäsium
whiskey : 2.45 — Das Fernsehen erzählte heute eine Geschichte von einem Jungen, der nahe der Stadt Fukushima im Strahlenmesszentrum Nihonmatsu in das Gehäuse einer Maschine gestellt wurde, um die Strahlenbelastung seines Körpers innen wie außen und von oben bis unten zu messen oder zu zählen, demzufolge von Kopf bis Fuß. Der Junge, auf dem Bildschirm mehrfach zu sehen, war noch nicht einmal zehn Jahre alt, er und seine Mutter wohnen in verseuchtem Gebiet. Ein Radiologe erzählte der Mutter, was sie zu ihrem Schutz im Wohnhaus unternehmen könnte. Sie sollte mit Wasser gefüllte Plastikflaschen auf die Fensterbretter der Zimmer stellen, gut geeignet seien die viereckigen Zweiliterflaschen. Ihr Sohn sollte, wenn möglich, im Erdgeschoss schlafen, nicht im ersten Stock. Am niedrigsten sei die Strahlenbelastung in der Mitte des Zimmers. Draußen sei die Strahlenbelastung umso höher, je tiefer man sich befindet. Aber im Haus sei das genau anders herum. Weiter unten sei die Dosis geringer. Das komme daher, dass das Cäsium, das sich auf dem Dach ansammelte, die Dosisrate in den Zimmern darunter erhöhe, eine plausible Begründung. Ich sah und hörte zu und dachte an Georges Perec, der notierte: Es ist ein Tag wie dieser hier, ein wenig später, ein wenig früher, an dem alles neu beginnt, an dem alles beginnt, an dem alles weitergeht. — stop
destillieren
alpha : 1.45 — Weitere fünfzehn Minuten Lektüre auf Position Facebook nahe Pegida. Folgende Begriffe entdeckt, die asylsuchende Menschen bezeichnen: Dreckspack Vergewaltiger Zigeunerklaugesindel Moslemgematsche Nigger Kakerlaken Ficker Viehzeug Rattenpack Negersklaven Seuche Gesocks. Diese so bezeichneten Menschen möchte man wahlweise: verbrennen, vergasen, abfackeln, erschiessen, kastrieren, in einem Eurotunnel unter Wasser setzen bis sie alle tot sind oder aber mittels einer schweren Verschublock überrollen, durchlöchern, schreddern, erhängen, wegbomben, vor Schneepflüge spannen, als Biomasse verheizen. Noch immer könnte ich zahlreiche bürgerliche Namen jener Personen, die diese Bezeichnungen wählten, sowie zu Mord und Totschlag aufrufen, an Ort und Stelle hier notieren, sie sind bekannt, man scheint sich nicht im mindesten verheimlichen zu wollen. — stop
msallata
sierra : 0.28 — Ich begreife zahlreiche Erscheinungen der menschlichen Kommunikation im Durcheinander der Stimmen, der Bewegungen, die ich Nacht für Nacht erlebe, um Stunden, manchmal um Tage verzögert. Es ist so, als würde ich beständig einen hochauflösenden Tonfilm speichern, welchen ich mit Verzögerung in der Zeit abspiele, um Details, um Zusammenhänge nachvollziehen zu können, die zunächst in ihrer umfassenden Erscheinung nicht wahrnehmbar waren. Manchmal setzt dieser Hintergrundfilm während seiner Aufnahme eine kleine Boje aus, die in Echtzeit signalisiert, da ist etwas, da war etwas: Achtung! Ich glaube, ich verfüge über Augen oder Kameraobjektive, die in der Lage sind, nach allen Himmelsrichtungen Ausschau zu halten. Sobald ich sie suche, kann ich diese Augen nicht finden, es sind vermutlich sehr kleine Augen. — Null Uhr achtundzwanzig auf dem Meer vor Msallata, Lybia. — stop
rio de janeiro
fliege nachts
tango : 2.15 — Ich saß in der warmen Nacht am Tisch, legte einmal die linke, dann die rechte Hand in eine Schüssel, die ich mit kaltem Wasser füllte. Auf dem Tisch spazierte eine Fliege. Weil ich in diesem Moment nichts zu tun hatte, als diese Fliege zu beobachten, entdeckte ich, dass sie ihre Flügel verloren oder vergessen zu haben schien, die Fliege flog nicht herum, auch wenn ich mich mit einem Finger näherte, flog sie nicht davon, sondern flüchtete zu Fuß. Es war eine sehr kleine Fliege, sie war so klein, dass ich sie mit bloßem Auge kaum noch wahrnehmen konnte. Nach einer halben Stunde stand ich auf, suchte nach meiner Lesebrille und kehrte an den Tisch zurück. Die Fliege lungerte nun unmittelbar neben meiner Schreibmaschine, ich konnte sie von meiner Position aus sehr gut sehen, sie kam sogar noch näher heran, als ich mich mit meinen Augen hinter den Gläsern der Brille über dem Tisch verbeugte. In diesem Augenblick erlebte ich den ersten Blickkontakt meines Lebens mit einer Fliege, ich war mir sicher, diese Fliege musterte mich ebenso wie ich sie musterte, es war ihre Haltung, die mich überzeugte, wie sie unmittelbar vor mir auf dem Tisch hockte, den Kopf angehoben und sich nicht bewegte. Nach einigen Minuten drehte sie sich herum und überquerte den Tisch wiederum zu Fuß hin zu einem Teller und bestieg eine Mandarine. Es war kurz nach zwei Uhr. — stop
martha
marimba : 20.24 — Als Martha vor wenigen Tagen ein neues Telefon bekam, sollte ich ihr zeigen, wie man den Anrufbeantworter des Telefons in Betrieb setzt, vor allem helfen, eine Begrüßung auf Band festzuhalten. Als wir soweit gekommen waren, dass sie sprechen konnte, machte Martha ein bedeutendes Gesicht, sie sagte: Guten Tag, guten Tag! Hier spricht Martha, ich bin nicht zu Hause oder vielleicht doch, ich rufe bald zurück. Sobald sie fertig gesprochen hatte, wollte sie ihre Ansage noch einmal hören, ich drückte also auf den Knopf, der die Wiedergabe startete, und wir hörten nun gemeinsam Marthas Stimme, rau geworden von der Zeit. Martha war zufrieden: Schau, das hört sich gut an, das wird noch dann zu hören sein, wenn ich gar nicht mehr anwesend sein werde. Und wie sie so durch ihr Wohnzimmer ging, sah ich in ihr eine lustige Frau, die sich an Tischen, Stühlen, Schränken festhalten musste, ich konnte mir vorstellen wie sie noch ganz jung gewesen war, eben eine lustige junge Frau, irgendwie leichtfüßig. Sie suchte nach ihrem Telefonapparat, der ihr 12 Jahre gedient hatte, zuletzt waren seine Tasten für Marthas zitternde Hände zu klein geworden. Sie sagte: Ich will hören wie ich damals gesprochen habe. — stop
3 uhr 5
india : 22.51 — Wie viele Wörter meiner Muttersprache sind mir nicht bekannt? — stop
kurz vor panitanki
marimba : 4.18 — Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, wo sich Milanomaki gerade tatsächlich aufhält, ich weiß nicht einmal, ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelt, und wie alt dieser Mensch sein könnte, der mir erzählt. Zuletzt noch folgende Notiz im Dezember: Ich sollte ein Ohrenmensch sein. Ich sitze mit leicht zur Seite geneigtem Kopf und höre zu, einem Menschen vielleicht oder einer Fliege, die über mir im Luftraum turnt. Oder ich stehe in einem Zimmer ganz still, um so präzise wie möglich denken zu können. Kurz darauf setze ich mich an einen Schreibtisch und mache viele Wörter, dann mache ich eine Pause, dann lese ich alles das Notierte noch einmal durch, dann streiche ich so viele Wörter mit dem Kopf wie möglich ist, um bald wieder nur einen Strich vor mir auf dem Papier vorzufinden. Ich habe viel erlebt. — Vor wenigen Stunden nun eine weitere Nachricht, die in einem Zugabteil dritter Klasse während einer Fahrt von Mumbai nach Darjeeling entstanden sein soll. Lesen Sie selbst: Ich kann nicht aufhören, rasendes, unentwegtes Schreiben, weil mir Jemand beim Schreiben zusieht. Ich schrieb über das Fieber der vergangenen Tage, aber dann entdeckte ich den Blick der roten Schuhe, und schrieb und schrieb nur noch über meine fliegenden Hände, wie sie schneller und immer schneller notieren, während sich dieser eine rote flache Schuh in meiner Nähe immer schneller drehte, kleine Kreise in die Luft zeichnete, die sich beschleunigten, weil ich flinker und flinker schreibe, ein Text über das Schnellschreiben, das nur deshalb möglich ist, weil die Schreibmaschinen nicht mehr klappern wie früher noch, mein Gott, würden sie noch klappern diese Schreibmaschinen, was würde das nur bedeuten, ein Getöse, jetzt nur noch ein sanftes leises Geräusch im Schreiben über das Schreiben, ein Versuch, diesen Schuh, der zu einem anderen System gehört, schneller und immer schneller kreisen zu lassen. - stop
vordämmerungsbesuch
india : 5.16 — Wusst ichs doch, entgegen der Behauptung, Libellen flögen niemals in der Nacht umher, kam gerade vor einer Stunde noch eine Libelle durchs Fenster, stockfinster draußen, vielleicht hielt sie das Licht in meinem Zimmer für einen Tag, den zu besuchen lohnte. Es war so still zu dieser Stunde, dass ich zum ersten Mal hörte, wie es klingt, wenn Libellen in nächster Nähe fliegen, sie rauschen nämlich, während sie scheinbar bewegungslos in der Luft stehen. Ich habe früher schon einmal bemerkt, dass ich gut denken und erfinden kann, sobald ich Libellen beobachte. Das ist möglicherweise deshalb so, weil Libellen sich in der Art und Weise der Gedanken selbst bewegen. Sie scheinen lange Zeit still in der Luft zu stehen und sind doch am Leben, was man daran erkennen kann, dass sie nicht zu Boden fallen. Etwas Zeit vergeht, wie immer. Und plötzlich haben sich die feinen Libellenraubtiere weiterbewegt. Sie sind von einer Sekunde zur nächsten Sekunde an einem anderen Ort angekommen. Genau so scheint es mit Gedanken zu sein. Sie springen weiter und machen neue Gedanken, ohne dass der Weg von da nach dort sichtbar oder spürbar geworden wäre. — stop
kubatajo
romeo : 5.20 — Kühle Luft, gnädiges Tier, fließt über den Boden. Zwei Tauben sitzen auf dem Fensterbrett und spähen ins Zimmer. Irgendwo im Süden südlich werden sich in diesem Augenblick hungrige große Menschen und hungrige kleine Menschen durchs Unterholz der Bergwälder schlagen. Unlängst erzählte vom Bildschirm her ein älterer Herr zu Budapest, er könne SIE nicht mehr sehen, Flüchtige, man sollte ihnen in die Beine schießen, dann würden sie nicht wieder kommen. Und ich dachte, derart präzise hat er bereits Körperorte der Verwundung vorausgedacht, dass er konkret werden kann. Wieder Wörter erfunden: jusibeba babukele biferigu jababuba kubatajo ribejumu gocubobu kubexebu sopijabe bibujebi. stop — 5 Uhr 15: Miles Davis / John Coltrane — Paris 1960 — stop
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himalaya : 4.02 — p y r a m i d e n z e l l e
giraffe no 1
alpha : 5.15 — Ich notierte eine E‑Mail an August Brillé, bat ihn, mir in der Entschlüsselung eines Textes behilflich zu sein, den ich versehentlich derart kodiert hatte, dass ihn nicht wieder in einen lesbaren Zustand zurückzuholen vermochte. August antwortete, er habe zwei seiner Rechenmaschinen mit dieser komplexen Aufgabe betraut. Er könne allerdings nicht garantieren, in den kommenden Jahren erfolgreich zu sein in der Entschlüsselung meiner Passage, ich solle mich deshalb ergänzend an die Öffentlichkeit mit der Bitte um Unterstützung wenden. Hiermit also ersuche ich Sie um Hilfe. Sollten Sie in der Lage sein, meinen verschüsselten Text zu dekodieren, würde ich Ihnen mit Freude ein kleines Geschenk übermitteln. Es handelt sich um eine hölzerne Giraffe, die sich mittels Fingerdruckes zur einer Verbeugung hinreissen lässt. Ich danke Ihnen im Voraus! Ihr Louis — Code : start /// g o Q C l v O V 0 s e K Q V A K Q w P 0 I l 6 u q t u 7 3 x g K J b Q u q 3 b u x 5 o b M E h j 0 f W K K e a Q Q C V T n + 7 d o f e Q K 2 d N N a s 9 0 C p T o u q O d n 1 5 n v 6 + J G i N G E 8 6 g T v Z S R n t K r X T j t l 1 8 V u b c N z 2 L 7 T e b 8 m q w q 3 Y d K L P b M Y E h V f W g x m 0 2 b + o G A j e T v L C Q L P o j k z S Q W R i 0 u L G f R M G J C W r e Y 7 J U 9 A O C F u z 4 6 l o t m w T X g F b Y 0 7 L B B k g V Q z m u B P F j p X E O m R 8 3 f c R X Z X t k j 3 \ / y s 3 T p P C R Z v 0 E z r m B 7 5 X w c a J d k 6 d 6 7 1 I n b U + c F r T W 2 O o j r N p z y b P M v Y k s B 5 8 U L + U R I 5 5 I U f 9 Y 7 S 8 t 9 q l 7 J 6 V p s v c B R a c B D i W T f 3 X Z G a H s v U N b R e O 4 E M I C b s J n c y p N b w 1 i 6 6 u 4 N x L E y u 7 t K K m f g z R 0 E k X b g o I o N 2 q y S a x O m B l P n A 3 e z V m C R l l b C K K d 7 b j u 2 B P j e T 1 T 4 M d 6 3 3 A J 3 0 r C P e V K c m 7 s b Y U V 7 T A 1 n y S y G s I 9 H 7 q q r k V P v u 7 U c o Z y O A I Y 4 b n 2 G q C w x 6 7 C q i o C M w h w G C 0 2 R z a O A L T R U G P 7 k u V c d W t m g M K O 9 N M Z e x I K M D a A Y q 8\ / b K 5 M 6 i p X b E r q a z X s 1 C + y 2 q 9 s u 3 N H m R F C f I B mG o 5 w e 8 a H P K 6 J U m P i M x d + E 2 B m U z ZH O k 8 k q m V C f y 5 D t R 7 u J K O 6 N P 8 7 A p C 8 N k + 9 p H d a 4 G d H 1 p g 9 8 g j Y g i — /// end — stop
sommerhut
tango : 6.55 — Menschen existieren, die Flüchtige sind in sich selbst, unscharfe Wesen, oszillierende, bebende Personen, obwohl sie doch in nächster Nähe stehen, man könnte sie berühren, ihnen die Hand reichen, wird man ihrer niemals sicher sein. Oder Schlafende. Eine Frau morgens im Zug, der ich seit Jahren in der 6‑Uhr-15-Bahn vom Flughafen ins Stadtzentrum fahrend regelmäßig begegne. Sie ist immer schon anwesend, wenn ich den Zug betrete. Sie ist vermutlich die einzige Frau, deren Gesichtszüge mir vertraut sind, ohne je ihre Augen gesehen zu haben. Ich kenne sie ausschließlich als schlafende Person. Vermutlich wird sie stets lange vor meiner Zeit in den Zug gestiegen sein, vielleicht in Bad Kreuznach oder Idar Oberstein, da war halb noch Nacht. Ich nehme an, ihr Schlaf ist tief, denn sie sitzt sehr stabil von einer Handtasche beschwert und rührt sich auch dann nicht, wenn jemand neben ihr Platz nimmt. Ihr rundliches Gesicht ist niemals geschminkt, ein friedliches, ich würde sagen, ein glückliches Gesicht. Einmal, in den Tagen großer Hitze, trug sie einen Sommerhut, ein anderes Mal im Winter eine Wollmütze. — stop
tellerpfirsich
delta : 7.12 — Der Nachtzug fährt über eine Hochbahnstrecke: Ungeheure Weite, ein Meer von Licht. Dann wieder runter unter die Stadt. Von Zeit zu Zeit Bahnhöfe, die wie Planeten aus dem Dunkel herankommen. Wie ich durch den Zug gehe, sehe ich, alle Sitzplätze sind besetzt, da und dort stehen Menschen, sie lehnen an Wänden oder halten sich an geeigneten Stangen oder Streben fest. Fast Stille, niemand wach, hin und wieder murmelndes Gespräch, heftiges Atmen, Lachen, Stöhnen. Sobald ich mich einem der schlafenden Menschen nähere, Flüstern: Sie befinden sich in einem Schlafzug, sie dürfen hier niemanden wecken, unsere Passagiere haben für Schlaf bezahlt. Eichhörnchen, Hunderte, tollen durch die Abteile des Zuges, sie springen an den Wänden hoch, jagen über Kofferablagen dahin, purzeln unter Sitzreihen, Akrobaten, ohne je einen der schlafenden Menschen zu berühren. stop. Gestern erste Telleraprikose meines Lebens. — stop
condorklasse
ai : ASERBAIDSCHAN
MENSCHEN IN GEFAHR : “Die aserbaidschanische Menschenrechtsverteidigerin Leyla Yunus und ihr Ehemann Arif Yunus wurden am 13. August 2015 zu achteinhalb bzw. sieben Jahren Haft verurteilt. Der Gesundheitszustand von Arif Yunus hat sich weiter verschlechtert, er verlor im Gerichtssaal das Bewusstsein. Die aserbaidschanischen Behörden schränkten zudem weiterhin den Zugang für internationale Beobachter_innen und Journalist_innen zur Gerichtsverhandlung ein. Die gewaltlosen politischen Gefangenen Leyla und Arif Yunus wurden am 13. August 2015 vom Gericht für schwere Straftaten in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku zu achteinhalb bzw. sieben Jahren Haft verurteilt. Beide wurden des “Betrugs” und anderer Straftaten, die im Zusammenhang mit der Menschenrechtsarbeit des Ehepaares stehen, für schuldig befunden. Leyla Yunus ist die Vorsitzende der aserbaidschanischen NGO_ Institute for Peace and Democracy_. Vor ihrer Festnahme hatte sie die Behandlung politischer Gefangener durch die Behörden in Aserbaidschan dokumentiert. Ihr Ehemann Arif Yunus ist Historiker und politischer Aktivist. Dem Ehepaar wird außerdem Landesverrat wegen der angeblichen Spionage für Armenien vorgeworfen. Diese Anklage wurde jedoch zur Prüfung an ein anderes Gericht verwiesen. Internationalen Beobachter_innen und Journalist_innen wurde der Zugang zum Gerichtssaal verwehrt und nur wenige Diplomat_innen durften dem Verfahren beiwohnen. / Während der Anhörung am 13. August verlor Arif Yunus das Bewusstsein. Zuvor musste eine Anhörung vom 3. August auf den 5. August vertagt werden, nachdem Arif Yunus aufgrund Bluthochdrucks ohnmächtig geworden war. Im April 2014 erlitt er zwei Schlaganfälle. Seine Familie befürchtet, dass er einen weiteren Schlaganfall nicht überleben würde. Bei Leyla Yunus wurden Diabetes und Hepatitis C diagnostiziert. Zudem ist ihr Sehvermögen auf dem linken Auge eingeschränkt. Sie erhält im Gefängnis keine angemessene medizinische Betreuung. Die Behörden haben sich geweigert, die Menschenrechtsverteidigerin in ein Krankenhaus zu verlegen. Leyla Yunus gab an, bedroht, drangsaliert und eingeschüchtert sowie misshandelt worden zu sein, nachdem sie um medizinische Hilfe gebeten hatte. / Arif und Leyla Yunus werden seit Sommer 2014 auf der Grundlage konstruierter Anklagen in Haft gehalten. Zu den Vorwürfen zählen Landesverrat und einige Anklagen finanzieller Natur. Nach Auffassung von Amnesty International hängen diese Anklagen mit der legitimen Menschenrechtsarbeit des Ehepaars sowie ihrer Kritik an der aserbaidschanischen Regierung zusammen. — Hintergrundinformationen sowie empfohlene schriftliche Aktionen, möglichst unverzüglich und nicht über den 24. September 2015 hinaus, unter »> ai : urgent action
Notiz des Fotografen:
central african republic: torn apart by violence:fane abdelkarim arame, aged 70, found shelter at Ecole liberty, but she still worries about the situation in bossangoa. despite the arrival of peace-keeping troops, she said, “we can’t go back to our own district now, it’s been taken.”she said she had lost four relatives in the violence. “we grew up in this country, my grand — parents are central africans and we were here before independence, we have seen six regimes come and go. we don’t have anywhere else to go.” she called for a return to the days when communities lived in harmony.
afrikatram
india : 5.05 — Eine Straßenbahn, tatsächlich, am frühen Morgen. Staubige junge Männer, Malerarbeiter, sie lehnen aneinander und schlafen wieder oder erzählen sich irgendwelche wilden Geschichten in polnischer Sprache, wie an jedem Tag zu dieser Zeit, auch wenn Sonntag ist oder Samstag. Am Max-Weber-Platz, fünf Uhr und acht Minuten, steigen uralte, afrikanische Frauen zu, sind in weiße, goldbestickte Tücher gehüllt, auf dem Weg zur Morgenandacht vielleicht. Auch sie erzählen sich irgendwelche wilden Geschichten, sehr helle Stimmen, so hell oder schnell, dass sie kaum noch hörbar sind. Es ist jetzt eine Stunde, die nicht länger zur Nacht, aber auch noch nicht in den Tag gehört. Nur in dieser 1 Stunde Zeit fahren Straßenbahnen herum, die voll staubiger, müder Männer und heiterer, uralter Frauen sind, die sich Geschichten erzählen, vielleicht von der Furcht, die sichtbar wird in Gesten, scheuen Blicken, Lamelleniris, nur nicht sprechen, tatsächlich, von der Furcht, von der ich weiß, Nesrin hat mir erzählt, von heimlicher Furcht, an die man am besten nicht denkt. — stop
lamelleniris
charlie : 3.12 — Ich stellte mir eine Versuchsanordnung vor. Ich sollte für die Verwirklichung dieser Versuchsanordnung Nahrungsmittel horten, zwei oder drei Enten ( je 1 kg), Maronen ( 1 kg ) , Wasser ( 10 l ), Mandarinen ( 2 kg ), dunkles Brot ( 2 kg ), helles Brot ( 1 kg ), Marmelade ( 0,5 kg ), Kaffee ( 3 Pfund ) und Butter ( 0,5 kg ). Ich würde meine Computermaschinen einer Nachbarin übergeben, mein Festnetztelefon zertrümmern ( ich brauche ohnehin ein Neues ), mein Handy ins Eisfach legen und dort vergessen, weiterhin Filmabspielmaschinen jeder Art aus der Wohnung tragen, auch alle Bücher, aber im Gegenzug einige tausend Karteikarten auf meinem Küchentisch stapeln. Dann lange Zeit von Stille, Tage der Ruhe und Konzentration, ich sitze oder gehe in der Wohnung unter dem Dach auf und ab, und notiere Wörter. Es geht nämlich darum, alle Wörter meiner Sprache, die ich erinnern kann, aufzuschreiben, je ein Wort auf eine Karte, um herauszufinden, über wie viele Wörter ich verfüge. Mit welchem Wort werde ich beginnen? — stop
manhattan
von eichhörnchen
tango : 8.12 — Vor wenigen Tagen hörte ich am Telefon, ein Freund sei wegen eines Postings auf Position Facebook bedroht worden, das war eine Drohung gegen Leib und Leben. Er hatte sich einem Pegida-Fan gegenüber kritisch geäußert, darauf folgende öffentliche Unterhaltungen eskalierten. Mein Freund bemühte sich zunächst, Spuren im Internet, die zu seinem Wohnort führen könnten, zu löschen, eine schwierige Arbeit, sehr viele Spuren waren zu notieren und jede einzelne für sich bedeutete bittende oder fordernde Kommunikation über Eingabemasken mit entsprechenden Webseiten oder Institutionen. Seit zwei Wochen trainiert er Möglichkeiten, sich eines körperlichen Angriffes zu erwehren, nach Einbruch der Dunkelheit verlässt er das Haus durch einen Hintereingang, die Straße vor dem Haus wird von ihm beobachtet, weshalb er zum ersten Mal entdeckte, dass in den Bäumen jenseits der Straße zwei Eichhörnchen wohnen. Heute ist Donnerstag. — stop
spulen
delta : 8.02 — Ich hatte vor langer Zeit einmal, kurz vor einer Reise nach New York, eine Spule digitaler Speicherscheiben von einem Zimmer in ein anderes Zimmer getragen. Wie ich über eine Türschwelle trat, wurde mir bewusst, dass ich in meinen Händen 500 Filme transportierte oder 750 Stunden Zeit, die vergehen würde, wenn ich jeden dieser Filme einmal betrachten sollte. Ich setzte mich auf mein Sofa und legte eine der Scheiben in meinen Computer. Kaum 2 Minuten waren vergangen, und schon hatte ich 5 Filme, die auf dem Datenträger seit Jahren gespeichert waren, von ihrem ursprünglich Ort in einen Kasten von der Größe einer Zigarrenschachtel transportiert. Mein Computer arbeitete indessen so leise, dass ich mein Ohr an sein Gehäuse legen musste, um gerade noch seinen Atem vernehmen zu können. Zwei Stunden atmete mein Computer, in dem er alle Filme der Spule, Scheibe um Scheibe, in den kleinen Kasten, der neben ihm auf dem Sofa ruhte, transferierte. Dann holte ich eine weitere Spule und setzte meine Arbeit fort, bis auch diese Spule und ihre Filme in das Kästchen übertragen waren, Spule um Spule, eine Nacht entlang. Nun ist das so, drei Jahre sind seither vergangen, dass sich in meinem neuen Filmmagazin ungefähr 5778 Filme befinden, ohne dass das Datenkästchen indessen größer oder schwerer geworden wäre. — stop
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sierra : 0.05 — m a n t e l z e l l e